Manuskriptservice. Bestseller Bibel
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- Waltraud Kraus
- vor 8 Jahren
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1 Bestseller Bibel I Es ist kein neuer Band von Harry Potter und auch keine weitere Pilgerpostille von Hape Kerkeling. Es ist schlicht undeine Bibel, die nach Erscheinen binnen kürzestem vergriffen ist. Das zweieinhalbtausend Seiten dicke Buch hat inzwischen verschiedene Neuauflagen erfahren. Wenn in wenigen Monaten ein solcher Wälzer Mal und öfter über den Ladentisch geht, darf man das einen Bestseller nennen. Bestseller Bibel? Im Jahr 2007? Das hat einigen die Sprache verschlagen. Doch inzwischen hat man sich längst gefasst. Statt sprachlosem Staunen gibt s kritische Kommentare. Und auch mit bissigen Bemerkungen wird nicht gespart. In Internetforen und auf Feuilletonseiten kann man wortreiche Auseinandersetzungen erleben. Es gibt Stellungnahmen und Leserbriefe mit unterschiedlichsten Frontstellungen. Denn es ist nicht irgendeine Bibel, um die es hier geht. Der exakte Buchtitel heißt Bibel in gerechter Sprache. Und gerecht soll hier bedeuten: die Übersetzerinnen und Übersetzer wollen in ihren sprachlichen Entscheidungen eben dem gerecht werden, was da einmal beim Verfassen der biblischen Texte gemeint war. Sie wollen vor allem auch dem Verhältnis der christlichen Gemeinde zur jüdischen Religion gerecht werden und dem Verhältnis zwischen Männern und Frauen auch. Zum dritten haben sie die soziale Gerechtigkeit mit im Blick, das Verhältnis von Armen und Reichen, von Schwachen und Mächtigen. Wie gesagt: die Aufregung über diese Bibel in gerechter Sprache ist erheblich. Und es gibt lautstarke Kritik an dem Projekt, an dem ein großes wissenschaftliches Team von zweiundfünfzig Übersetzerinnen und Übersetzern fünf Jahre lang gearbeitet haben. Das Schicksal, Ziel polemischer Häme zu sein, teilen sie übrigens mit dem wohl bedeutendsten deutschen Bibelübersetzer. Schon Martin Luther hatte darüber geklagt, dass an seiner Bibelübersetzung am lautesten diejenigen herum mäkeln, die sich nie selbst an solch einer Arbeit versucht haben schreibt er als Reaktion auf - -
2 die Kritik an seiner Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen ins Deutsche: Ist Niemand verboten, ein Besseres zu machen. Wer's nicht lesen will, der lass es liegen. Ich bitte und feiere Niemand darum. Es ist mein Testament und meine Dolmetschung und soll mein bleiben und sein... Martin Luther: Sendbrief vom Dolmetschen Natürlich ist Kritik erlaubt und auch wichtig. Das haben auch die Verantwortlichen dieses Bibelprojekts nicht anders erwartet. Diese Übersetzung, schreiben sie, ist ein Zwischenstand auf einem Weg, der niemals zu Ende ist. Man könnte auch sagen: es gibt nicht die endgültige Bibelübersetzung, die alle weitere Übersetzungsarbeit überflüssig machen würde. Und gerade darum sind kritische Anmerkungen willkommen, damit die nächste Übersetzung dann noch treffender, noch sachgerechter wird. II Der ZDF-Redakteur Peter Hahne, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, spricht von der sektiererischen Sonderbibel (zitiert in: Katholische Nachrichten, , In der FAZ schreibt Heike Schmoll, man habe es hier mit Gesinnungskult feministischer Randgruppen (FAZ Schmoll , S. 1) zu tun. Aber es sind nicht nur Journalisten und Redakteurinnen, die so ausfallend werden. Auch gestandene Bischöfe toben so heftig, dass man sich fragen muss, was um alles in der Welt hier zur Debatte steht? Hat es nicht schon seit Jahrzehnten sehr verschiedene Übertragungen der Bibel ins Deutsche gegeben? Allein in meinem Bücherregal zuhause stehen neben der griechischen und hebräischen Ausgabe eine große Zahl an Übersetzungen. Unter anderem die von Jörg Zink und die von Walter Jens, die sogenannte Einheitsübersetzung und die Gute Nachricht und natürlich die Lutherbibel. Bisher habe ich in den verschiedenen Versionen immer einen besonderen Reichtum gesehen. Aber jetzt ist irgendwie Schluss mit lustig. Doch weil die zentrale Mitte des christlichen Glaubens die Heilige Schrift ist und weil weder Paulus noch Jesaja Deutsch gesprochen haben, geht es nun mal nicht ganz - 2 -
3 ohne Übersetzungen ab. Die Bibel ist eine Sammlung von Schriften, die ja ursprünglich in griechisch und hebräisch verfasst worden sind. Und diese Texte müssen in immer neue Zusammenhänge, neue Jahrhunderte, neue Sprachgewohnheiten hinein übertragen werden. Also sollten Übersetzer dem Volk aufs Maul schauen, wie schon Luther vor 500 Jahren. Aber sie dürfen ihm nicht nach dem Mund reden, sondern müssen dicht am Urtext bleiben! Dass nun die Bibel in gerechter Sprache so viel Widerstand erfährt, liegt daran, dass sie auf neue Weise eben den ursprünglichen Text und Sinn ernstnimmt und dadurch mit einigen Gewohnheiten bricht. Ich will das an einem zentralen Beispiel zeigen. Wir sind es aus der Lutherbibel gewohnt, dass für Gott in der Regel das Wort HERR verwendet wird. Der Herr ist mein Hirte so übersetzt er beispielsweise den 23. Psalm. In der hebräischen Bibel steht aber an dieser Stelle kein Wort, das auf Deutsch Herr heißt, sondern der Gottesname Jahwe, genauer gesagt: es handelt sich um vier hebräische Buchstaben, das sogenannte Tetragramm. Das wird in der jüdischen Tradition immer dort verwendet wird, wo von Gott gesprochen wird, aber aus Ehrfurcht sein Name nicht ausgesprochen wird. Mit anderen Worten, wo Luther Herr übersetzt, steht im Urtext ein buchstabenförmiges Symbol für die Unaussprechlichkeit des Gottesnamens. Jahwe selbst hat, laut Aussagen im zweiten Buch Mose, seinen Namen mit dem Aussagesatz Ich bin da erläutert. Der Gottesname ist also viel mehr eine Selbstaussage als ein Name im herkömmlichen Sinne. Im Alten und im Neuen Testament werden wegen dieser Scheu, Gott mit einem Namen anzusprechen, auch noch sehr viele andere Ersatzwörter verwendet: mal steht da Vater und an anderer Stelle König, auch Herr kommt vor. Aber keine dieser Bezeichnungen ist wirklich der Name Gottes, es sind Umschreibungen, die den Gottesnamen gerade vermeiden helfen. Dieser Zusammenhang ist den wenigsten Menschen heute bekannt oder gar vertraut
4 Deswegen haben die Übersetzerinnen und Übersetzer der Bibel in gerechter Sprache zu einer ungewöhnlichen und bisher nicht da gewesenen Lösung gegriffen: Auf jeder Seite dieser Bibel steht oben, sozusagen in der Kopfzeile, eine Reihe von sechs, sieben Wörtern, die als Ersatzworte für den Gottesnamen stehen können. Wenn im laufenden Text nun das Wort Gott auftaucht, es ist jeweils grau unterlegt und springt dadurch ins Auge, dann ist es mir beim Lesen freigestellt, einen Begriff aus der Kopfzeile auszuwählen und hier einzusetzen: Der Ewige, die Lebendige, der Eine, der Name, Ich-bin-da. Durch diese ungewöhnliche Vorgehensweise wird das Lesen spannend. Ja Lesen wird zum interaktiven Handeln mit dem Text. Die Vielfalt der Namen und Bezeichnungen Gottes wird nicht nur behauptet, sondern schon im Schriftbild sichtbar. III Am Freitag vor einer Woche ging es in Berlin um die Bibel in gerechter Sprache. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hatte fünf der zweiundfünfzig Übersetzer zu sich eingeladen. Nach den giftigen Reaktionen und nach verletzenden Bemerkungen in der Öffentlichkeit war es höchste Zeit, eine andere Form des Gesprächs zu suchen. Wie unterschiedlich auch das Urteil über diese Bibelübertragung nach wie vor ausfällt und was man von Qualität, Schönheit und auch Angemessenheit der übersetzten Texte hält, in einem ist man sich einig: Diese neue Übersetzung ist als Ergänzung zu anderen Übersetzungen gut zu gebrauchen und regt die Beschäftigung mit den biblischen Schriften an. Und in der Tat, das Interesse daran, Bibeltexte neu zu lesen und den ungewohnten mit dem gewohnten Klang zu vergleichen, wurde in einem solchen überragenden und überraschenden Maß geweckt, dass man sich allein schon darüber freuen kann
5 Neben den ablehnenden Stimmen gibt es natürlich auch eine große Zahl positiver Reaktionen. Gerade der sorgsame Umgang mit dem Gottesnamen hat vielen die Augen geöffnet. Mein Gottesbild ändert sich zu einem wunderbaren Gottesverhältnis diese Aussage ist typisch für viele dieser Äußerungen. Immer wieder gibt es Menschen, die mit den neu übersetzten Texten wie befreit feststellen, dass sie nicht an einen König zu glauben haben oder sich einen herrschaftlichen Herrn vorstellen müssen, wenn sie sich auf den lebendigen Gott einlassen wollen. Jenseits aller Auseinandersetzungen und Schlagzeilen haben Menschen die Bibel wieder entdeckt. Die einen haben ihre vernachlässigte Liebe zur vertrauten Lutherbibel wieder gefunden, andere wurden darauf aufmerksam, dass es in der Tat längst eine Vielzahl von deutschen Übersetzungen der biblischen Texte gibt, die sie bislang gar nicht zur Kenntnis genommen hatten. Und dann gibt es eben die, denen die Bibel in gerechter Sprache erstmals den Zugang zur Heiligen Schrift eröffnet. Mir selbst hat dieses große Projekt noch einmal deutlich gemacht: Gott ist in jedem Fall mehr und anders, als dass unsere Worte einen angemessenen Ausdruck dafür finden könnten. Gott übersteigt die Möglichkeiten der Sprache. Was wir zum Ausdruck bringen können, bleiben Annäherungen
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