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1 1 COPYRIGHT: COPYRIGHT Dieses Dieses Manuskript Manuskript ist urheberrechtlich ist urheberrechtlich geschützt. geschützt. Es darf Es ohne darf Genehmigung ohne Genehmigung nicht nicht verwertet verwertet werden. werden. Insbesondere Insbesondere darf es darf nicht es ganz nicht oder ganz teilweise oder teilweise oder in Auszügen oder in Auszügen abgeschrieben abgeschrieben oder oder in sonstiger in sonstiger Weise Weise vervielfältigt vervielfältigt werden. werden. Für Rundfunkzwecke Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript darf das Manuskript nur mit Genehmigung nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio von Deutschlandradio / Funkhaus Berlin Kultur benutzt benutzt werden. werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 19. Mai 2008, Uhr Verflixt und Fledermaus führt Naturschutz zu weniger Wirtschaftswachstum? Von Wolf-Sören Treusch ATMO 1 (Rotmilan) frei, dann langsam drunter MUSIK 1 (Höhner: I m a part of it ) schummelt sich drunter TAKE 1 (Rainer Altenkamp, Nabu) Die staatliche Vogelschutzwarte schätzt, dass mittlerweile ein Viertel bis ein Drittel aller Rotmilanpaare in Brandenburg durch Windkraftanlagen betroffen ist. TAKE 2 (Andreas Jarfe, BUND) ATMO 1 abrupt weg Natürlich tut es mir weh um jedes Tier, das in einem solchen Windrad zerschlagen wird. Es tut mir aber genauso auch jedes Tier weh, was auf der Autobahn überfahren oder Vögel, die gegen die Autos fliegen, tut mir genauso weh. Nur dort haben wir die Diskussion komischerweise nicht, das wird sehr viel mehr akzeptiert. MUSIK 1 kurz hoch, dann drunter SPRECHER Verflixt und Fledermaus. Führt Naturschutz zu weniger Wirtschaftswachstum? Von Wolf-Sören Treusch

2 2 MUSIK 1 wieder hoch, dann drunter TAKE 3 (Rainer Altenkamp, Nabu) Es ist nicht untypisch, dass politische Entscheidungen getroffen werden, wobei der Naturschutz dann hinten runter fällt. TAKE 4 (Beate Jessel, BfN) Wir haben hier letztlich schon ein sehr strenges Schutzregime, das gleichwohl auch gewisse Ausnahmen zulässt, aber das am Schluss einen Punkt hat, an dem auch mal eindeutig Nein gesagt werden kann. ATMO 2 (Geräusch-CD: Fledermäuse in Höhle) Im Sommer vergangenen Jahres sorgte die Kleine Hufeisennase für Furore. Sie stoppte die Bauvorbereitungen für die umstrittene Waldschlösschenbrücke in Dresden. Das dortige Verwaltungsgericht hatte dem Eilantrag mehrerer Naturschutzverbände stattgegeben. Die Kleine Hufeisennase, das ist eine vom Aussterben bedrohte Fledermausart, die strengen EU-Schutz genießt und über die bis August 2007 kaum jemand etwas wusste. So argumentierte auch das Verwaltungsgericht Dresden. Es begründete sein Urteil mit dem lückenhaften Wissensstand über die Kleine Hufeisennase. (ATMO 2 weg) Da sei einiges im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens versäumt worden, kritisiert auch Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. TAKE 5 (Beate Jessel, BfN) Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil moniert, dass nicht die notwendigen Untersuchungen durchgeführt wurden, auch dass die Methodik nicht hinreichend genau dargelegt worden ist, und dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn es dann zu solchen Entscheidungen kommt, die aber dann häufig erst am Ende, wenn es zur Planungsentscheidung kommt, hoch eskalieren. Die Wurzeln dieses Konfliktes

3 3 mit der Kleinen Hufeisennase liegen schon viel weiter zurück, man hat sie sich nicht erst aus dem Ärmel gezaubert, um jetzt diese Brücke zu verhindern, sondern sie lagen bereits im Vorfeld der notwendigen Planungen und Untersuchungen. Die Medien schlachteten die Geschichte weidlich aus. Tenor: da droht die große UNESCO jahrelang damit, Dresden den Titel Kulturerbe der Menschheit wegen des Baus einer überdimensionierten Brücke zu entziehen, ohne Erfolg. Und dann kommt eine kleine, neun Gramm schwere Fledermaus daher und stoppt den Beginn des gigantischen Projekts, weil unter anderem die insektenfreundliche Beleuchtung der Brücke nicht gewährleistet sei. Schadenfreude machte sich allerorten breit. Aber auch Unverständnis darüber, dass so etwas überhaupt möglich ist. Dass eine nach Ansicht von Wirtschaftsexperten wichtige Infrastrukturmaßnahme in der Region durch den Naturschutz blockiert werden kann. Die Grundlage dafür bietet die so genannte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Sie ist ein Abkommen der Europäischen Union zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen. Besonders natürlich derjenigen, die vom Aussterben bedroht sind wie die Kleine Hufeisennase. Mit der Unterzeichnung des Abkommens 1992 verpflichtete sich Deutschland, so genannte FFH-Gebiete auszuweisen und sich an der Errichtung eines Europäischen Schutzgebietsnetzes zu beteiligen. Immerhin 14,1 Prozent der Fläche Deutschlands machen die FFH-Gebiete inzwischen aus. Plant man in ihnen ein größeres Bauvorhaben, muss eine Verträglichkeitsprüfung erfolgen. Handelt es sich um ein Projekt auf Bundesebene, befasst sich damit das Bundesamt für Naturschutz, eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesumweltministers. Die Präsidentin des BfN, Beate Jessel:

4 4 TAKE 6 (Beate Jessel, BfN) Es sind hier Ausnahmen möglich, aber diese sind nur erlaubt, wenn es sich um Gründe öffentlichen Interesses handelt, die vorgetragen werden, nicht allein für privatwirtschaftliche Interessen. Ausnahmen sind dann möglich: unter der Voraussetzung, dass eine Kompensation geleistet werden kann, denn die Kohärenz, der Zusammenhang des Schutzgebietssystems, der darf nicht verloren gehen. Und wenn man jetzt tatsächlich einmal dorthin käme, dass die letzten Lebensräume eines bestimmten Lebensraumtyps durch ein Vorhaben beansprucht würden und keine Kompensation hierfür mehr möglich wäre, dann wären auch nach dieser Entscheidungsabfolge keine Ausnahmen mehr möglich. Also wir haben hier letztlich schon ein sehr strenges Schutzregime, das gleichwohl auch gewisse Ausnahmen zulässt, aber das am Schluss einen Punkt hat, an dem auch mal eindeutig Nein gesagt werden kann. ATMO 3 (Schiffsgeräusche Hafen) kurz frei, dann langsam weg ATMO 4 (Löffelente) kurz frei, dann drunter Die Hansestadt Hamburg. Westlich des modernen Containerhafens, etwa einen Kilometer elbabwärts befindet sich eine alte, für den Schiffsverkehr nicht mehr nutzbare Wasserfläche, die sich über Jahrzehnte hinweg zu einem wichtigen Refugium für Löffelente oder Schierlings-Wasserfenchel entwickelt hat: das Mühlenberger Loch. (ATMO 4 langsam weg) TAKE 7 (Stephan Zirpel, Nabu HH) Das Mühlenberger Loch ist das größte Süßwasserwatt, was wir in Europa haben, das müssen Sie sich vorstellen wie Watt, also Ebbe und Flut, nur im Süßwasserbereich, gibt es halt ganz selten, und man hat ein Drittel davon jetzt zugeschüttet. Stephan Zirpel vom Naturschutzbund Deutschland, Landesverband Hamburg.

5 5 TAKE 8 (Stephan Zirpel, Nabu) Das Watt dient einmal als Eiablageplatz für die Fischpopulation in der Elbe, und zum zweiten als wichtigster internationaler Rastplatz für Vogelarten, die im Frühjahr und Herbst hier ihre Fettreserven auffüllen und dann in ihre Sommer- beziehungsweise Winterquartiere zufliegen. Mühlenberger Loch ist fast alles bis auf Naturschutzgebiet, war es zu dem damaligen Zeitpunkt nicht, es ist international geschützt, es ist EUweit geschützt nach der FFH-Konvention, es ist EU-Vogelschutzgebiet, es ist Fischereischutzgebiet, und es ist Landschaftsschutzgebiet. Also es hat fast alle Schutzkategorien, die man in Deutschland erreichen kann, nichtsdestotrotz hat es nicht geholfen, um die Zuschüttung zu verhindern. Es war im Jahr Der Flugzeugbauer Airbus brauchte Platz, um die Start- und Landebahn zu erweitern und neue Montagehallen für die Teilproduktion des doppelstöckigen Riesenjets A 380 zu bauen. 165 Hektar des einmaligen Süßwasserwatts am Mühlenberger Loch durften dafür abgedeicht und aufgeschüttet werden. Die Ausnahmegenehmigung kam von höchster Stelle, der EU-Kommission. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich dafür beim Kommissionspräsidenten Romano Prodi eingesetzt. TAKE 9 (Stephan Zirpel, Nabu) Wir brauchen diese Fläche unbedingt, wenn wir diese Fläche nicht bekommen, wird der Luftfahrtstandort Deutschland oder Hamburg den Bach runter gehen, dann wird letztendlich Airbus hier irgendwann abwandern, das war so der Druck, der politisch aufgebaut worden ist, Mühlenberger Loch, die Zuschüttung wäre nicht notwendig gewesen, wenn man das, was man heute da macht, nämlich nur fünf Prozent der Wertschöpfung man muss sich überlegen: früher, ganz am Anfang wollte Hamburg den A 380 komplett fertigen und daraufhin hat sie auch die Unterlagen eingereicht, und jetzt sind es nur noch fünf Prozent dessen also es gäbe andere Flächen außerhalb Hamburgs, die wesentlich geeigneter gewesen wären, das wollte natürlich der Stadtstaat Hamburg nicht und vielleicht auch Airbus nicht, und deshalb hat man diese Flächen zugeschüttet. Etwa 650 Millionen Euro hat der Eingriff das Land Hamburg bisher gekostet. Die Mieteinnahmen, die es von Airbus für die Pacht des Geländes erhält, beliefen sich in

6 6 den Jahren 2003 bis 2007 auf insgesamt 29 Millionen Euro. Airbus sagt, es habe seit der Standortentscheidung im Jahr ,4 Milliarden Euro in Gebäude und Produktionsanlagen investiert und etwa neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Zahlen stammen aus der Zeit vor der großen Airbuskrise, Kritiker meinen zudem, es seien ausschließlich Zeitarbeitsplätze entstanden. Auch das Amt für Natur- und Ressourcenschutz in der Hamburger Senatsbehörde für Stadtentwicklung und Umwelt war mit dem Eingriff einverstanden. Die Leiterin Regina Dube: TAKE 10 (Regina Dube, Sen.StadtUm) Wir haben letztlich durch unsere Stellungnahme zum Ausdruck gebracht, dass wir in Abwägung und unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen und unter der Voraussetzung, dass der erforderliche Kohärenzausgleich durchgeführt wird, der Maßnahme zustimmen können, ja. Der erforderliche Kohärenzausgleich er ist es, der den Beteiligten seitdem große Bauchschmerzen bereitet. Die EU-Kommission hatte für die Genehmigung zur Auflage gemacht, Ersatzflächen auszuweisen im Rahmen der FFH-Richtlinie ein völlig normales Verfahren. Obwohl die Behörde Millionen Euro darin investiert hat, ist nach Meinung von Naturschutzexperten bisher nichts passiert. TAKE 11 (Regina Dube, Sen.StadtUm) Das ist ja nicht richtig. Es gibt zwei große Kompensationsbereiche: das eine ist die Hanöver Nebenelbe, eine Renaturierung von Deichvorlandflächen an dieser Stelle, eine große Rückdeichung hat dort stattgefunden, die ist abgeschlossen, auch wenn Sie jetzt vielleicht darauf anspielen, dass es seitens der Verbände Kritik an der Ausgestaltung dieser Maßnahme gibt. Dazu kann ich nur sagen: die EU-Kommission hat das entsprechende Beschwerdeverfahren eingestellt, wir wissen das ist Fakt, dass die Löffelente dort nicht in den Zahlen, in denen sie prognostiziert worden war, aufgetaucht ist bis jetzt, wir sind uns aber einig, dass wir zunächst einmal gerade in dem dynamischen System Elbe die Entwicklung dieses Gebietes abwarten wollen, und ohne dieses Problem schmälern zu wollen: was dort entwickelt wurde, sind

7 7 und das kann man auch jetzt schon sehen hochwertvolle dynamische Lebensräume. ATMO 4 (Löffelente) nur drunter Von den ehemals Löffelenten, die sich am Mühlenberger Loch tummelten, zählten Naturschützer im Jahr 2004 auf der Ersatzfläche ganze 35, im vergangenen Herbst waren es immer noch nicht viel mehr. (ATMO 4 langsam weg) TAKE 12 (Regina Dube, Sen.StadtUm) Zweite Maßnahme ist die Maßnahme Haseldorfer Marsch, wo wir uns gewünscht hätten, auch wieder eine große Rückdeichung zu realisieren mit dem Ziel, der Elbe an der Stelle Flächen wieder zu geben, das ist am Widerstand einiger Akteure gescheitert, wir haben jetzt auch aus dem Druck der Kommission heraus entschieden, den noch fehlenden Kohärenzausgleich nach FFH-Richtlinie an anderer Stelle durchzuführen, und zwar im Bereich der so genannten Borghorster Elbwiesen. Das ist kurz vor Geesthacht, Länder übergreifend mit Schleswig-Holstein. Aber auch hier wie schon an der Haseldorfer Marsch wehrt sich die Bevölkerung. Begründung: die Flächen sind bereits Naturschutzgebiete, für die Kompensation des Eingriffs am Mühlenberger Loch ungeeignet. Der Hamburger Senat steht unter Druck. Die EU-Kommission hat zwar die Anzeige gegen Deutschland wegen nicht realisierter Ausgleichsmaßnahmen zurückgezogen, aber nur unter der Voraussetzung, der Bestand der Löffelente erhole sich wieder. Doch was hilft es? Einem fast ausgestorbenen Vogel und einem in Deutschland einmaligen Biotop nützt ein mögliches Bußgeldverfahren wenig. Es ließe sich vielmehr umgekehrt fragen, welche wirtschaftlichen Vorteile sich ergeben, wenn man seltene Lebensräume in Ruhe ließe. Rainer Altenkamp und Stephan Zirpel vom Naturschutzbund Deutschland.

8 8 TAKE 13 (Rainer Altenkamp, Nabu Berlin) Es gibt bestimmte Maßnahmen, die sind nicht kompensierbar. Wenn wir das Beispiel Mühlenberger Loch an der Elbe nehmen, das war das letzte mitteleuropäische Süßwasserwatt in der Ausdehnung, das ist überbaut. So einen Lebensraum können Sie nicht kompensieren, weil: es gibt keine Möglichkeit, an anderer Stelle einen vergleichbaren Lebensraum zu schaffen. TAKE 14 Stephan Zirpel, Nabu HH) Das ist letztendlich ein Trauerspiel, wie das gelaufen ist und wie es bis heute läuft, weil: acht Jahre ohne Ausgleich, so sieht es ja heute aus, das heißt der Eingriff hätte rein formal gar nicht stattfinden dürfen. Deswegen macht es diesen Fall so gefährlich, weil mit dem Mühlenberger Loch ein Präzedenzfall geschaffen ist, wie man ein höchst geschütztes, international bedeutendes Biotop, Lebensraum zerstört. Obwohl es Alternativen für diesen Bau gegeben hätte. Das Mühlenberger Loch steht exemplarisch dafür, dass die Lobby der Naturschützer in Deutschland trotz aller Fortschritte noch immer nicht ausreicht gut gemeinte Gesetze werden gekippt, wenn der politische Druck nur groß genug ist. Aber im Rahmen der üblichen behördlichen Verfahren können die vom Aussterben bedrohten Tiere zumindest eine Zeitlang für Unruhe sorgen, Beispiele gibt es viele: der Kammmolch schaffte es, dass die Trasse der Autobahn 49 von Kassel Richtung Gießen umgeleitet wurde. Der Hirschkäfer, der im Wald am Rande des Frankfurter Flughafens lebte, wurde zuerst umgesiedelt, dann durfte das Waldstück zwecks Flughafenerweiterung gerodet werden. Und der Kiebitz vermochte es, dass der Hügel, auf dem sich Papst Benedikt beim katholischen Weltjugendtag 2005 in Köln feiern ließ, an anderer Stelle aufgeschüttet wurde als ursprünglich geplant. Baustopper oder gar Jobkiller, als die sie hin und wieder diffamiert werden, sind bedrohte Tiere allerdings nicht. Auch die Kleine Hufeisennase in Dresden musste zurückstecken. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen entschied, die Waldschlösschenbrücke sei keine Gefahr für die Fledermaus und stimmte dem Bau unter geringen Auflagen zu. Der Naturschutz ist nicht an den wirtschaftlichen

9 9 Problemen des Landes Schuld, heißt es aus dem Bundesamt für Naturschutz. Wenn die Planer professionell arbeiteten, finde sich immer ein Kompromiss, sagt Beate Jessel, die Präsidentin des BfN. TAKE 15 (Beate Jessel, BfN) Der Vorwurf mit den so genannten Baustoppern ist ganz eindeutig unzutreffend. Denn ich kann Ihnen kein einziges Vorhaben nennen, dass aufgrund einer einzigen Art und nur deswegen hier gestoppt worden wäre. Nehmen wir dieses allseits bekannte Beispiel Feldhamster, picken wir das einmal heraus: uns als Bundesamt für Naturschutz sind bundesweit 24 verschiedene Vorhaben bekannt, die wir verfolgen konnten auch konkret, in denen der Feldhamster eine Rolle gespielt hat und nur ein einziges wurde unter anderem wegen dem Feldhamster gestoppt, und das war ein Golfplatz. Ich glaube nicht, dass durch diesen Golfplatz sehr viele Arbeitsplätze vernichtet worden sind. ATMO 1 (Rotmilan) nur drunter Erst recht kompliziert wird der Kampf um die Interessen des Naturschutzes, wenn sich die Umweltverbände untereinander nicht einig sind. ATMO 1 (Rotmilan) kurz hoch, dann wieder drunter Beispiel Berlin-Pankow, an der nördlichen Stadtgrenze, zwischen Industriegebiet, Autobahndreieck und diversen Feuchtbiotopen. Hier will ein privater Betreiber die erste Windkraftanlage Berlins errichten, sehr zum Ärger des Naturschutzbundes Deutschland. Windkraft ja, aber nicht an dieser Stelle, sagt Rainer Altenkamp vom Berliner Landesverband des Nabu. (ATMO 1 langsam weg)

10 10 TAKE 16 (Rainer Altenkamp, Nabu) Da wird jetzt ein Windrad gebaut mit einer Nabenhöhe von 140 Metern, einem Rotordurchmesser von ungefähr 80 Metern, und das steht praktisch genau in der Mitte zwischen allen Feuchtgebieten und drei Kilometer vom letzten Berliner Rotmilanpaar. Der Rotmilan ist die in Deutschland durch Windkraftanlagen am häufigsten erschlagene Vogelart, das heißt wir haben jetzt dann an dieser Stelle eine unmittelbare Gefährdung für den Rotmilan, die es da vorher nicht gab. Wir sind früher davon ausgegangen, dass Windkraftanlagen eine Scheuchwirkung auf Greifvögel haben, haben sie aber überhaupt nicht, das heißt die Dinger werden nicht als Gefährdung wahrgenommen, werden daher auch nicht gemieden, das heißt der fliegt durch die Rotorblätter, dabei wird er zerhackt. Das ist ein großer Schritt dahin, dass der Rotmilan in Berlin endgültig ausstirbt. Die heutigen Windkraftanlagen seien so modern, dass die Gefahr des Vogelschlages sehr viel geringer sei als früher, sagt Andreas Jarfe vom Berliner Landesverband des BUND, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Mit dem Windrad in Pankow tue Berlin Gutes für den Klimaschutz in Deutschland, außerdem sei der Standort des Windrades für den Rotmilan völlig unattraktiv. TAKE 17 (Andreas Jarfe, BUND) Wir haben hier Industriegebiet, wir haben hier ein Autobahndreieck, und das tendiert dafür, dass der Rotmilan da sowieso nicht hinkommt. Für Berlin haben wir zurzeit einen Abstand von über drei Kilometern zu dem Nest. In Brandenburg wird von gesetzlicher Seite, aber auch unterstützt durch die Umweltverbände, nur ein Kilometer Abstand gefordert. Wir haben hier schon den dreifachen Sicherheitsabstand, wir haben, ich muss es noch einmal betonen, ein wirklich unattraktives Umfeld für den Rotmilan, und wenn ich dieses alles berücksichtige, gehe ich nicht davon aus, dass der Rotmilan da rein fliegt. TAKE 1!!! (Rainer Altenkamp, Nabu) Die staatliche Vogelschutzwarte schätzt, dass mittlerweile ein Viertel bis ein Drittel der Rotmilanpaare in Brandenburg durch Windkraftanlagen betroffen ist. Rainer Altenkamp vom Nabu.

11 11 TAKE 19 (Rainer Altenkamp, Nabu) Und dann kommt hinzu: die Brandenburger haben Paare, wir haben ein einziges. In Brandenburg ist die Art nicht vom Aussterben bedroht, in Berlin sehr wohl. Das heißt ich denke schon, dass wir hier vom Naturschutz aus sagen können: hier müssen die Maßstäbe möglicherweise etwas strenger sein als in Brandenburg. Eine Argumentation, der sich auch das Naturschutzreferat, Sachgebiet Artenschutz, in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung anschloss. In einer Stellungnahme zum Genehmigungsverfahren der Windkraftanlage heißt es unmissverständlich, Zitat: Nach jetzigem Erkenntnisstand ist davon auszugehen, dass sich der Betrieb der Anlage erheblich beeinträchtigend auf besonders und streng geschützte Arten ( ) auswirkt. ( ) Auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen kann die erforderliche Befreiung nach 62 Bundesnaturschutzgesetz daher nicht gewährt werden. Zitat Ende. Pikanterie am Rande: das Gutachten, das der Stellungnahme zugrunde lag, verfasste Rainer Altenkamp vom Nabu. TAKE 20 (Rainer Altenkamp, Nabu) Wir sind ja dazu verpflichtet, alle Tier- und Pflanzenarten, die wir in Deutschland wildlebend haben, auch zu erhalten. Steht auch im Bundesnaturschutzgesetz so drin, da muss differenziert werden zwischen Arten nehmen wir den ganz extremen Fall für die Deutschland tatsächlich weltweite Verantwortung für die Erhaltung hat, dazu zählt zum Beispiel der Rotmilan, 50 Prozent des Weltbestandes brüten in Deutschland, es gibt vielleicht noch zwei Vogelarten, für die Deutschland die globale Verantwortung hat, die haben natürlich absolute Priorität, und dann gibt es eine abnehmende Priorität hin zu Arten, wo Deutschland nur einen winzigen Teil des Verbreitungsgebietes umfasst es gibt ja eine Menge Arten, die haben ein Verbreitungsgebiet von Irland bis Kamschatka oder noch weiter, und dann ist prioritär der Schutz der Arten, die in Deutschland aus irgendwelchen Gründen selten oder vom Aussterben bedroht sind. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erklärte sich jedenfalls für nicht zuständig, die Stellungnahme verschwand in der Schublade. Die Senatsverwaltung

12 12 für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz zog das Verfahren an sich, hier genießt der Bau der Windkraftanlage im Sinne des Klimaschutzes oberste Priorität. TAKE 21 (Rainer Altenkamp, Nabu) Es ist nicht untypisch, dass politische Entscheidungen getroffen werden, wobei der Naturschutz dann hinten runter fällt, das ist auch in dem Fall so. Dass eine Naturschutzbehörde von sich aus aussteigt, ist eher ungewöhnlich, sehr häufig ist es so, dass der Naturschutz ein Aspekt unter vielen wird, der wird dann prioritär gewichtet und weg gewogen. TAKE 2!!!!! (Andreas Jarfe, BUND) Natürlich tut es mir weh um jedes Tier, das in einem solchen Windrad zerschlagen wird. Es tut mir aber genauso auch jedes Tier weh, was auf der Autobahn überfahren oder Vögel, die gegen die Autos fliegen, tut mir genauso weh. Nur dort haben wir die Diskussion komischerweise nicht, das wird sehr viel mehr akzeptiert. ATMO 5 (Spatzen) kurz frei, dann drunter Die Naturschutzbehörden in Ländern und Gemeinden sind personell chronisch unterbesetzt. Ihre Mitarbeiter können oft nur reagieren, selten agieren. Das zeigt sich besonders in Großstädten, wo die Dunkelziffer der Verstöße gegen Bestimmungen des Artenschutzes hoch ist. Beispiel Fassadensanierung: nicht jeder Bauherr weiß, dass Lehmstätten, also Wohn- oder Nistplätze so genannter Gebäudebrüter, nicht einfach beseitigt werden dürfen. Dafür bedarf es einer Befreiungsgenehmigung, das heißt der Bauherr muss für Ersatz sorgen, sonst droht ein Zwangsgeld. Doch die Entwicklung ist positiv. (ATMO 5 weg) TAKE 22 (Klemens Steiof, Sen.Stadt Berlin) Die Zahlen sind durchaus eindrucksvoll: auf Berlin bezogen haben wir eine ansteigende Zahl von solchen Befreiungsvorhaben, jetzt bis an die 400 pro Jahr. Es sind auf diese Weise in den vergangenen Jahren über Lehmstätten legal beseitigt worden, aber dafür wurde eben auch Ersatz geschaffen.

13 13 Klemens Steiof, Sachgebietsleiter Artenschutz in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. TAKE 23 (Klemens Steiof, Sen.Stadt Berlin) Wir können natürlich auch eigene Bestandserfassungen durchführen in beschränktem Maße, bei den Fledermäusen haben wir uns da auf die Winterquartiere konzentriert, Fledermäuse ziehen ja nicht, wie viele Zugvögel, Insektenfressende Zugvögel nach Afrika, sondern gehen bei uns in den Winterschlaf und brauchen dafür Räume, an die sie bestimmte Anforderungen stellen: die müssen frostfrei, aber kühl sein, eine hohe Luftfeuchtigkeit haben, und es darf keine Störung geben. Von diesen Quartieren gibt es nicht so sehr viele, und da ist es unsere besondere Aufgabe, die zu sichern und zu überwachen, und im Einzelfall sind Maßnahmen durchzuführen, um die Quartiere zu erhalten. ATMO 6 (Schritte in Gewölbe) schon drunter, kurz hoch, wieder drunter Eines der Fledermaus-Winterquartiere sind die ehemaligen Sandfilter des Wasserwerks Friedrichshagen im Südosten Berlins. Deren steinerne Gewölbe sind ein idealer Rückzugsort. Der Biologe Carsten Kallasch schaut hier im Auftrag der Senatsverwaltung regelmäßig nach dem Rechten. Mit einer Taschenlampe in der Hand geht er die Sandfilter ab und zählt Fledermäuse. ATMO 6 Kreuzblende mit TAKE 24 (beginnt mit fiepender Fledermaus) Stein für Stein leuchtet er ab, meist sind es Hohlblocksteine, die man extra vor die Wände geklebt hat, damit sich die Fledermäuse darin verstecken können. Manch einen der kleinen Vampire schaut er sich näher an.

14 14 TAKE 24 (Carsten Kallasch) Jetzt habe ich dich. Jetzt bin ich mit dem Draht hinter der Fledermaus, muss sie ganz vorsichtig herausziehen, und es ist deutlich zu hören, dass ich sie wecke, das ist klar: wenn mich jemand nachts stört, dann würde ich auch anfangen zu schreien, ist schon okay. (als ATMO wieder drunter) Carsten Kallasch hat ein Mausohr entdeckt, eine sehr seltene Fledermausart, die europaweit geschützt ist. TAKE 25 (Carsten Kallasch) Jetzt kann ich sie am Flügel herausziehen, muss nur aufpassen, dass sie nicht halb schläfrig in meinen Finger beißt, denn wenn die Fledermaus jetzt zubeißt, dann beißt sie zu und lässt nicht mehr los. (kurz ATMO fiepende Fledermaus hoch, dann wieder drunter) TAKE 26 (Carsten Kallasch) Und weil hier im Wasserwerk Friedrichshagen auch so viele Mausohren überwintern, wurde das Wasserwerk Friedrichshagen auch als FFH-Gebiet, als Flora-Fauna- Habitat gemeldet und steht dementsprechend unter Schutz, und es dürfen sich hier die Überwinterungsbedingungen für Fledermäuse nicht mehr verschlechtern. ATMO 8 (Frühlings-CD: Feuchtbiotop) kurz frei, dann drunter Täglich sterben weltweit 150 Tier- und Pflanzenarten, nach Berechnungen der Weltnaturschutzunion IUCN sind mehr als Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht, darunter jede achte Vogelart und ein Viertel aller bislang bekannten Säugetierarten. Katalyse, das Kölner Institut für angewandte Umweltforschung, schätzt, dass in den letzten 300 Jahren alle zehn Jahre eine Art verschwand, dass aber gegenwärtig in Deutschland durchschnittlich jedes Jahr eine Pflanzen- und Tierart verloren geht.

15 15 Die Europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, das bestätigen alle Experten, hat Fortschritte für den Naturschutz gebracht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es nicht wirtschaftlich sinnvoll ist, noch mehr in den Natur- und Artenschutz zu investieren. (ATMO 8 weg) Heute hat in Bonn die neunte UN-Konferenz der Konvention über die biologische Vielfalt begonnen. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums wird Pavan Sukhdev, ein Manager der Deutschen Bank, Zahlen vorlegen, wie viele Milliarden Euro der Schwund von Arten und Ökosystemen die Weltwirtschaft jährlich kostet. Von dem Bericht erhoffen sich Umweltexperten eine ähnlich positive Wirkung für den Schutz etwa von Regenwäldern und Korallenriffen, wie sie der britische Stern-Report für die internationalen Klimaschutzverhandlungen hatte. Der Ökonomieprofessor Sir Nicholas Stern konnte darlegen, dass die Kosten des Klimawandels um ein Vielfaches höher ausfallen als die Kosten des Gegensteuerns. TAKE 27 (Beate Jessel, BfN) Wir selber haben vom Bundesamt für Naturschutz einmal theoretisch durchgerechnet anhand der so genannten Renaturierungskosten oder Wiederherstellungskosten: was würde es denn kosten, wenn man alle Ökosysteme bei uns wiederherstellen müsste? Und sind dabei auf die sehr hohe Summe von 713 Milliarden Euro gekommen, allein das ist ein hypothetischer Wert, denn wir können die Fläche unseres Landes nicht für diese Summe veräußern oder wie auch immer: wir brauchen sie als Lebensgrundlage. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. Die Umweltleistungen von Pflanzen und Tieren sind gigantisch: man denke an die photosynthetische Leistung der Pflanzen, an ihre Klimaregulationsfunktion, an die Bestäubung von Obstbäumen durch Insekten oder daran, dass zehn der 25 weltweit erfolgreichsten Medikamente aus wildlebenden Pflanzenarten gewonnen werden.

16 16 Rainer Altenkamp vom Naturschutzbund Deutschland hält von monetären Berechnungen nichts. TAKE 28 (Rainer Altenkamp, Nabu) Das Schloss Charlottenburg wird nicht geschützt, weil es finanzielle Vorteile für die Stadt Berlin bringt. Sondern weil es eine ethische Verpflichtung gibt. Was ich mir wünschen würde, ist, dass diese ethische Verpflichtung gegenüber unseren Naturgütern genauso empfunden wird wie gegenüber den Kulturgütern. Alles andere bringt unter dem Strich nix, man macht sich was vor. Spätestens wenn es um den Schutz von kleinen Schmetterlingsarten oder den Schutz von Insekten geht, kann ich nicht mehr seriös mit monetären Vorteilen argumentieren. Wenn die UN-Naturschutzkonferenz vorbei ist, steht in Deutschland die nächste Debatte an, und die hat es in sich. Das Bundesnaturschutzgesetz muss novelliert werden, die Föderalismusreform will es so. Und damit steht man vor der Frage: soll man die Landwirtschaft intensivieren und die Flächen erweitern für den Anbau von Nahrungsmitteln und Biomasse? Was unweigerlich auf Kosten der biologischen Vielfalt ginge. Damit stünde auch die so genannte naturschutzrechtliche Eingriffsregelung auf dem Prüfstand. Seit 1976 ist es geltendes Recht, für den Eingriff, den man an der Natur vornimmt, eine entsprechende Kompensationsleistung zu erbringen, indem man beispielsweise einen zerstörten Lebensraum an anderer Stelle wieder errichtet. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. TAKE 29 (Beate Jessel, BfN) Die Diskussion geht darum, von dieser Realkompensation eventuell abzurücken, das wird immer wieder gefordert, weil sich damit natürlich auch zum Teil aufwändige Maßnahmen verbinden, weil entsprechende Flächen gesucht werden müssen, und die Diskussion ist, was immer wieder gefordert wird, ist, so genannte Ersatzzahlungen zu leisten, die letztlich aber nicht mehr unbedingt den betroffene Bestandteilen des Naturhaushaltes zugute kommen würden, sondern auf eine Art Freikaufen hinauslaufen würden.

17 17 Die Frage, ob Naturschutz zu weniger Wirtschaftswachstum führt, stellt dann wahrscheinlich irgendwann keiner mehr. SPRECHER v. Dienst Verflixt und Fledermaus. Führt Naturschutz zu weniger Wirtschaftswachstum? Von Wolf-Sören Treusch Es sprach: der Autor Ton: Ralf Perz Regie: Stefanie Lazai Redaktion: Stephan Pape Produktion: Deutschlandradio Kultur 2008