Christian Kalis Diözesanlandvolkpfarrer und Pfarrvikar in St. Paul u. St. Josef - Regensburg
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- Jobst Hartmann
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1 Christian Kalis Diözesanlandvolkpfarrer und Pfarrvikar in St. Paul u. St. Josef - Regensburg Fest der Heiligen Familie (B) - 28.Dezember Lesung: Sir 3, / 2. Lesung: Kol 3, / Evangelium: Lk 2, Vielleicht ist es Ihnen ja auch schon einmal so gegangen: Sie nehmen das Kleidungsstück aus der letzten Ecke ihres Schrankes in die Hand, fast hätten Sie es vergessen und nun sehen Sie es aufs Neue an und werden erfinderisch bezüglich der Kombinationsmöglichkeiten dieses ehemaligen Lieblingsstückes. Um ein ganz anderes Kleidungsstück, das ebenfalls vergessen vor sich hinschlummerte, geht es in einem Märchen, das ich Ihnen erzählen möchte: Ein Mensch erhält von einem guten Geist ein Geschenk. Darüber freut er sich sehr. Und er beginnt, das Geschenk auszupacken, und entdeckt zuletzt eine goldene Nuss. Sie ist sehr schön, und er freut sich an ihr und legt sie in seinem Zimmer so hin, dass er sie oft anschauen kann. Aber mit der Zeit gewöhnt er sich an den Anblick und sieht immer häufiger darüber hinweg, und schließlich beachtet er sie gar nicht mehr. Sie liegt eben da. Eines Tages aber fällt sie ihm einmal wieder auf, und er nimmt sie in die Hand und fragt sich, ob er sie nicht vielleicht doch öffnen sollte. Und er macht sie
2 behutsam auf und entdeckt darin ein seidenes Gewebe. Da beginnt er, das Gewebe auseinanderzufalten, und er kann auseinanderfalten und auseinanderfalten und auseinanderfalten und hält schließlich ein großes seidenes Tuch in den Händen. Das ist wunderschön bestickt mit Blumen und Tieren und Menschen: mit der ganzen Welt und der ganzen Menschheit. Es bedeckt seine ganze Gestalt. Und der sich so neu gewandet hat, ist gewandelt in einen neuen Menschen. Er ist nun mit sich und der Welt eins. Was einst wie im Beispiel ihres Kleidungsstückes ganz wichtig war, verlor bis zur Neuentdeckung seinen Glanz und seine Bedeutung. Das Märchen kann uns darüber hinaus manche Erfahrung aus der Simeonsgeschichte, die wir am heutigen Sonntag hörten, verdeutlichen: Wie die Nuss einst schön war, hatten auch Maria und Josef die Geburt Jesu wohl als etwas ganz Besonderes erlebt. Doch dann waren sie dabei, sich auf das Leben mit ihrem Kind als junge Familie einzurichten und den jüdischen Pflichten nachzukommen. Wie verständlich, dass sie nicht jede Minute den Blick auf ihr Kind richten konnten. Eine harte Nuss hatten sie zu knacken, als Simeon, ein fremder Priester, ihnen von der
3 Besonderheit des Kindes erzählte. Hatte Maria die Worte des Engels so schnell vergessen? Ganz klein, ganz hilflos liegt Jesus, der zum Hilfeschrei für viele wird, in den Armen des staunenden Simeon. Es ist mit ihm wie mit der neu entdeckten Nuss, beide wollen uns sagen: Das Eigentliche im Leben, das Wesentliche ist oft so klein, unscheinbar verpackt und alltäglich. Uns ist es aufgetragen, hier und dort die Schale zu brechen und im Kleinen, Unscheinbaren all die Zeichen zu entdecken, die zu uns sprechen: den weichen Kern des unnahbaren Nachbarn in seiner rauen Schale; die Verletzlichkeit der alleinerziehenden Mutter bei all ihrer äußerlich erlebbaren Stärke; die gegenseitige Unterstützung bis hin zur Aufopferung im Leben der gleichgeschlechtlichen Partner die Hilflosigkeit des Pfarrers bei aller betonten Sorge um die sogenannten Menschen am Rande der Gesellschaft ; das Kleine in mir, wo ich mich doch so groß fühle Die Worte des Simeon spinnen sich im Bild der Nuss wie ein seidenes Tuch über Jesus und die Menschenwelt:
4 Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Doch lange dauert der Glanz nicht an. Während Simeon und Hanna, Maria und Josef dieses Tempelerlebnis mit auf ihren Weg nehmen, wächst Jesus als Kind und Jugendlicher in Galiläa auf, unbeachtet, unscheinbar wie ein abgelegtes Stück Kleidung. Zwar wird auf dem Weg Jesus die Fassade immer wieder wunderbar durchbrochen, denn sein Tun und Reden offenbaren ihn stets neu, doch wird auch er am Ende sehr lieblos abgelegt. Simeons Worte sind im Herzen der vielen vergessen. Sie legen ein Tuch über den Leichnam, und erst das Osterereignis offenbart in ganzer Fülle das Verborgene, das gleichermaßen zum Staunen und zum Widerspruch reizt: Die Nuss ist geknackt wird das Kostbare bewahrt? Übersteht es den nächsten Augenblick, oder legen auch wir unser Ahnung vom Wunderbaren des Glaubens nach Höhepunkten wie dem Weihnachtsfest ab wie ein aufgetragenes Kleidungsstück? Ich wünsche uns, dass es auch in unserem Leben den Simeon und die Hanna gibt, die uns immer wieder die Augen öffnen für die tiefe Wirklichkeit, die
5 Jesu Kommen in diese Welt uns bedeutet, dass wir uns wundern und staunen und immer wieder neu Nüsse des Glaubens zu knacken wagen, denn auch für uns gilt die Verheißung: Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein Amen.
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