Näherin in einer bangladeschischen Textilfabrik
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- Berthold Leopold Kopp
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Näherin in einer bangladeschischen Textilfabrik Als Näherin Suhada Akter seid ihr zu der Talkshow Konsum Global eingeladen. Ihr berichtet von eurem Arbeitsalltag in einer bangladeschischen Nähfabrik. Mein Name ist Suhada. Ich bin 19 Jahre alt. Ich bin vor drei Jahren nach Dhaka gekommen. Eigentlich stamme ich aus einem Dorf im Norden Bangladeschs. Mein Vater wurde krank und kann nicht mehr arbeiten. Ich musste damals die Schule abbrechen und mir eine Arbeit suchen, um zum Einkommen der Familie beizutragen. Ich arbeite in einer Textilfabrik. Dort nähe ich T-Shirts für Europa. Den ganzen Tag. Wir arbeiten Stunden am Tag, oft auch nachts. Ich arbeite so lange, wie angeordnet wird. Wer sich wehrt, wird entlassen. Die Überstunden bekommen wir häufig nicht bezahlt. Ich erhalte knapp 50 Euro im Monat. Das reicht kaum zum Überleben. Ich muss Miete zahlen, Essen kaufen und möchte meiner Familie Geld schicken. Von der Arbeit bin ich immer todmüde. Die Augen schmerzen, ich habe Rückenprobleme und die schlechte Luft in der Fabrik und der viele Staub machen mir zu schaffen. Wir haben nur ganz kurze Pausen. Oft kann ich mich vor Hunger nicht richtig konzentrieren. Ich habe gehört, dass es in anderen Fabriken gebrannt hat. Es ist gefährlich hier zu arbeiten. Die Notausgänge sind meistens mit Stoffballen verstellt. Ich weiß nicht, ob wir einen Feuerlöscher haben. Ich hoffe, dass nichts passiert. Aber jeden Tag, wenn ich die Fabrik betrete, habe ich Angst. Auch vor den Vorarbeitern fürchte ich mich. Sie schikanieren uns. Einmal hatte ich starke Magenschmerzen und war vielleicht ein bisschen länger auf der Toilette. Sofort wurde ich bestraft, sie zogen mir den Lohn für einen ganzen Tag ab. Ich hörte, dass ein Vorarbeiter ein Mädchen während der Nachtschicht belästigt hat, deshalb haben Frauen Angst, in der Nachtschicht zu arbeiten. Ich bin froh, dass ich eine Arbeit habe. Aber ich wünsche mir, von meinem Lohn leben zu können und gerecht behandelt zu werden.
2 Besitzer einer bangladeschischen Textilfabrik Ihr heißt Ahmed Fatuk und seid Besitzer einer bangladeschischen Textilfabrik. Ihr seid zu der Talkshow Konsum Global eingeladen. An den schlechten Arbeitsbedingungen für die Näherinnen gebt ihr vor allem den europäischen Einkäufern die Schuld. Ich bin Besitzer der Fabrik Garment International in Dhaka. Ich bin von meinen Auftraggebern abhängig. Deren Einkaufspraktiken setzen mich unter großen Druck. Sie wollen die Ware immer billiger und immer schneller bekommen. Ich stehe zudem mit anderen Textilproduzenten des Landes in Konkurrenz. Es gibt nichts Schlimmeres als einen Auftrag zu verlieren. Ich trage die Verantwortung für meine Näherinnen und für das Bestehen der Fabrik. Als Produzent habe ich nicht viel Spielraum, um die Preise niedrig zu halten. Die Rohstoffe für die Textilproduktion muss ich importieren. Die Preise für die Rohprodukte liegen fest, sind nicht verhandelbar und müssen im Voraus bezahlt werden. Um gewinnbringend zu produzieren, muss ich an den Löhnen sparen. Ich zahle den in Bangladesch geltenden Mindestlohn. Zum Glück hält die Regierung Bangladeschs diesen seit Jahren niedrig um die Abwanderung der Einkäufer in andere Länder zu verhindern. Meinen Arbeiterinnen verlange ich viel ab. Um rechtzeitig liefern zu können, dürfen wir uns keine langen Pausen erlauben. Regelmäßig muss ich Überstunden anordnen. Die Näherinnen sind gezwungen, zu bleiben. Wenn wir nicht rechtzeitig liefern, stehen wir morgen alle ohne Arbeit da. Gewerkschaftliche Vereinigungen gibt es in meiner Fabrik nicht. Die meist jungen Frauen, die ich einstelle, sollen froh sein, überhaupt eine Anstellung gefunden zu haben. Das Gebäude ist in einem schlechten Zustand. Doch warum sollte ich für die notwendigen Reparaturen aufkommen? Dazu fehlt mir das Geld und außerdem sind dafür doch die Auftraggeber verantwortlich. Bis jetzt hat sich noch niemand beschwert, auch nicht bei den Kontrollen der ausländischen Einkäufer.
3 H&M Mitarbeiterin oder Mitarbeiter im Bereich Unternehmensverantwortung Ihr nehmt als Frauke bzw. Thomas Sonntag an der Talkshow Konsum Global teil. Als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter im Bereich Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung ist es eure Aufgabe, Fragen zur sozialen und ökologischen Verantwortung des Unternehmens zu beantworten. H&M will Mode und Qualität zum besten Preis anbieten. Kleidung muss für unsere Kundinnen und Kunden bezahlbar sein und dennoch trendy. Das erreichen wir dadurch, dass wir direkt von den Herstellern kaufen und eigene Geschäfte haben und nicht durch den Verzicht auf Umwelt- oder Sozialanforderungen im Herstellungsprozess. Wir arbeiten eng mit unseren Lieferanten zusammen, um nachhaltige soziale und ökologische Standards in allen Fabriken durchzusetzen, in denen H&M-Produkte entstehen. Unsere sozialen und ökologischen Kriterien sind im H&M-Verhaltenskodex festgeschrieben. Alle unserer Lieferanten verpflichten sich zur Umsetzung dieses Kodexes. Die Einhaltung der Regeln überprüfen wir regelmäßig. Die Lieferanten sind auch dafür verantwortlich, dass eventuelle Sublieferanten die Vorschriften des Kodexes einhalten. Unser Verhaltenskodex legt den jeweiligen nationalen gesetzlichen Mindestlohn als niedrigstes akzeptables Lohnniveau für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unserer Lieferanten fest. Da H&M die Fabriken, in denen die Kleidung hergestellt wird, weder besitzt noch betreibt, sind nicht wir es, die die Löhne der Angestellten bestimmen oder zahlen. In der Regel lassen viele verschiedene Unternehmen in dieser Fabrik produzieren. Wir denken, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter einer Fabrik das gleiche verdienen sollten - unabhängig davon, für welchen Käufer sie produzieren. Sicherheit am Arbeitsplatz ist ein weiteres wichtiges Thema für uns. Besonders in Bangladesch, wo ein Großteil unserer Textilien entsteht, wollen wir zu dauerhaften Verbesserungen für die Näherinnen beitragen. Im Mai 2013 hat H&M das bangladeschische Abkommen zu Gebäudesicherheit und Brandschutz als eines der ersten Unternehmen unterzeichnet. Dieses Abkommen garantiert Verbesserungen in über 1000 Fabriken des Landes. Natürlich erwarten wir von unseren Produzenten, dass sie schnell und zuverlässig liefern. Wenn wir nicht die aktuellen Trends auf dem Markt haben, kauft unsere Kundschaft bei der Konkurrenz.
4 Aktivistin oder Aktivist der Kampagne für Saubere Kleidung Ihr nehmt als Judith bzw. Steffen Buchner an der Talkshow Konsum Global teil und vertretet dabei die Kampagne für Saubere Kleidung. Ihr setzt euch aktiv für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie ein und fordert die Einzelhändler in Deutschland und Europa, aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Die Kampagne für Saubere Kleidung setzt sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie weltweit ein. Wir informieren die Konsumentinnen und Konsumenten und machen öffentlich auf Missstände in der Textilproduktion aufmerksam mit Pressemeldungen, Fernseh- und Rundfunkbeiträgen, mit Protestbriefen und Straßenaktionen. Die Löhne, die in den meisten asiatischen Ländern gezahlt werden, reichen nicht zum Überleben. Niedrige Löhne sind aber ein klarer Standortvorteil, sie begünstigen die Ansiedlung von Industrie und damit die Entstehung von Arbeitsplätzen. Die Regierungen vieler asiatischer Länder haben Angst, dass, wenn die Mindestlöhne angehoben werden, die Produktion in andere Länder verlagert werden könnte. Die großen multinationalen Modefirmen müssen deutlich machen, dass sie zu existenzsichernde Löhne stehen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können Druck auf die Unternehmen ausüben, damit diese ihre Verantwortung den Näherinnen in Bangladesch gegenüber wahrnehmen. Sie können sich z.b. an Eilaktionen und Kampagnen auf unserer Homepage beteiligen. Wir verhandeln außerdem mit Unternehmen und unterstützen Arbeiterorganisationen in den Produktionsländern. In Bangladesch zum Beispiel ist die Bildung von Gewerkschaften sehr schwer. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich engagieren, setzen sich der Gefahr aus, ihre Arbeit zu verlieren. Wir fordern Versammlungsfreiheit und setzten uns dafür ein, dass Näherinnen Aufklärung über ihre Rechte erhalten. Viele Unternehmen haben einen Verhaltenskodex, der festschreibt, nach welchen sozialen und ökologischen Gesichtspunkten produziert werden soll. Dieser ist aber nur eine freiwillige Selbstverpflichtung und wird häufig nicht eingehalten. Für Bangladesch ist die Textilindustrie ein bedeutender Wirtschaftszweig. 80% der Exporteinnahmen des Landes kommen aus der Ausfuhr von Kleidung. Für die Frauen ist eine Anstellung in einer Nähfabrik oft die einzige Hoffnung, Hunger und Armut zu entkommen. Deshalb möchten wir nicht, dass Ware aus Bangladesch prinzipiell boykottiert wird. Aber wir, die Konsumentinnen und Konsumenten, müssen den Unternehmen deutlich machen, dass wir fair gehandelte Kleidung wollen. Alternativen gibt es. Siegel, die bestimmte Sozial- und Umweltstandards garantieren, sind eine gute Orientierung beim Einkauf. Allerdings müssen sich die Kunden und Kundinnen genau informieren, welche Siegel für was stehen.
5 Öko-faires Modelabel Ihr nehmt als Adela bzw. Jonas Reichert an der Talkshow Konsum Global teil. Als Managerin bzw. Manager von armedangels, einem Kölner Label, das öko-faire Kleidung herstellt, seht ihr in ökologisch und sozial hergestellter Kleidung einen echten Zukunftstrend. Wir von armedangels wollen vor den Missständen in der Textilindustrie nicht länger die Augen verschließen. Unsere Mode ist ökologisch und sozial produziert. Wir denken, dass die Kunden und Kundinnen mit jedem T-Shirt aus Biobaumwolle, das sie bei uns kaufen, einen kleinen Impuls geben. Diesem Impuls werden sich Freunde, Bekannte und Familienmitglieder anschließen. So wird die Nachfrage nach fairer Kleidung steigen und demnach auch das Angebot. Unsere Mode macht Spaß, sie ist trendy und schick. Das Argument, dass faire Kleidung unbezahlbar ist, lasse ich nicht gelten. Ein T-Shirt kostet bei uns zum Beispiel um die 30 Euro. Die Nachhaltigkeit unserer Produkte können die Kundinnen und Kunden an den entsprechenden Siegeln erkennen. Sie garantieren, dass unsere Mode unter strengen ökologischen Kriterien produziert wurde. Zum einen sind unsere Textilien GOTS (Global Organic Textile Standard) zertifiziert. Nach GOTS müssen mindestens 70% der Rohstoffe aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft stammen. Beim Baumwollanbau werden keine Pestizide oder andere Schadstoffe verwendet, die der Umwelt und der Gesundheit der Bauern schaden. GOTS umfasst auch soziale Standards der Produktionskette. Diese beinhalten die Zahlung von Mindestlöhnen, die den gesetzlichen oder den Branchenstandards entsprechen. Außerdem ist der Gesundheits- und Sicherheitsschutz am Arbeitsplatz gewährleistet. Unsere Produkte sind außerdem Fair-Trade zertifiziert. Wir zahlen den Baumwoll-Bauern Preise, die über dem Weltmarktpreis liegen. Das sichert die Existenz der Bauern, die so ihre Familien ernähren können. Außerdem gibt es eine Sozialprämie für Gemeinschaftsprojekte, die soziale, wirtschaftliche oder ökologische Entwicklung fördern und Trainings für die Arbeiterinnen und Arbeiter zur Arbeitssicherheit in den Betrieben. Die Einhaltung unserer strengen Kriterien wird vor Ort von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle geprüft und die Ergebnisse werden veröffentlicht. Gegen die Ausbeutung in der Textilindustrie wollen wir ein Zeichen setzen. Wir hoffen, dass noch viele Unternehmen unserem Beispiel folgen werden.
6 Kundin oder Kunde Ihr nehmt als Martha bzw. Hannes Baumgärtner an der Talkshow Konsum Global teil. Zwar habt ihr schon von den schlechten Produktionsbedingungen in der Textilindustrie gehört, doch euch noch nicht intensiv damit beschäftigt. Wenn in Bangladesch eine Textilfabrik einstürzt, bekomme ich davon in den Nachrichten schon etwas mit. Das finde ich erschreckend. Aber ich gehe einfach gerne shoppen und kaufe sehr viel bei H&M. Die meisten Sachen kommen aus Bangladesch. Ich weiß nicht, ob ich nun die Produkte meiden soll. Immerhin sagt H&M ja auch, dass sie auf die Produktionsbedingungen achten. Wie genau der Alltag für die Näherinnen dort ausschaut, kann ich mir nicht vorstellen. Mir ist es wichtig, gut auszusehen. Unter Öko-Mode stelle ich mir schrecklich altmodische und langweile Sachen vor. Ich mag die Mode von H&M. Sie ist trendy und ich kann sie mir trotzdem leisten. Als Schülerin bzw. Schüler habe ich ja nicht so viel Geld. Ich finde es gut, dass sie auch Sachen aus Bio-Baumwolle verkaufen. Das versuche ich zu unterstützen. Auch in anderen Läden gibt es jetzt ja immer mehr Produkte mit irgendwelchen Siegeln. Allerdings blicke ich da nicht so ganz durch. Ich glaube, ich müsste mir richtig viel Zeit nehmen, um mich zu informieren. Dazu fehlt mir meistens die Lust. Und ihr? Was sind eure eigenen Gedanken dazu?
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