Diedes Tochter. oder wie Hertha die Holle fand. so oder so ähnlich erzählt und wieder aufgeschrieben. und illustriert. von Anke Ilona Nikoleit

Transkript

1 Diedes Tochter oder wie Hertha die Holle fand so oder so ähnlich erzählt und wieder aufgeschrieben und illustriert von Anke Ilona Nikoleit

2 Diedes Tochter Vor recht langer Zeit, als der Herrscher Pippin von Heristal noch regierte, da lebte am Fuße des Meißners ein Freisasse namens Diede und der hatte eine wunderschöne Tochter. Als die Tochter nun im heiratsfähigen Alter war, da wurde sie umschwärmt von den Männern der Gegend, aber sie hatte ein Auge auf den starken, schönen, schneidigen Holle geworfen und bald waren die beiden dann auch verheiratet. Diedes Tochter führte sich gut als Frau und Hausfrau und Gattin. Sie sorgte für ihren Mann, ihr Garten gedieh wunderbar, und spinnen konnte sie, wie keine zweite. Aber er, Herr Holle, er war der größte Faulpelz, ein regelrechter Taugenichts seine Schneidigkeit und Stärke und Schönheit verlor er immer mehr, immer öfter ging er in die Kneipe und vertrank und verspielte und vertrank und verspielte und vertrank und verspielte was er hatte. Und selbst wenn er mal mit seinen Leuten zur Jagd ging und Wild mit brachte, dann brachte er es eben nicht mit nach Hause, sondern verspielte es in der Kneipe. 2

3 Und so kam es, dass er eines Tages gegen einen Fremden spielte und Haus und Hof verlor und dann spielte er sogar gegen sich selbst als Einsatz; und er verlor, und so musste er mit dem Fremden mitziehen und sein Knecht sein. Ob der mit ihm glücklich wurde, das sei dahin gestellt, und um ihn, den Holle, geht es auch gar nicht in dieser Geschichte. Er ist nur Namensgeber, Schicksalsträger. Als dann der Fremde vor der Tür stand und Haus und Hof in Beschlag nahm als sein Eigentum, da stand Frau Holle mittellos auf der Straße. Nur ein paar Tiere waren ihr geblieben, die gehörten ihr, Ziegen, Schafe, ein paar Gänse, der Hund. Zu ihren Eltern wollte sie nicht zurück. Also zog sie auf den hohen Meißner, hinein in das dichte Gebirge und man vergaß sie, man glaubte sie sogar tot. Aber Frau Holle war nicht tot, sie verstand es dort zu Leben, sie wusste, welche Pflanzen man essen konnte, welche Pflanzen Wunden heilen. Sie konnte sehen, wie das Wetter wird, ob der nächste Morgen Regen oder Sonne bringt. So lebte sie den Frühling, den Sommer und den Spätsommer im Gebirge und kannte bald alle Plätze, die ihr und den Tieren Nahrung und Unterschlupf gaben. 3

4 Für den Winter musste sie sich Gedanken machen, ja. Aber da geschah etwas! Sie entdeckte eine neue kleine Lichtung. Eigenartig, dass sie hier oben hinter der Bergkuppe noch nie war. Und mitten auf dieser Lichtung stand ein Haus, darin waren Futter und Stroh für mindestens einen Winter. Sie ging neugierig um das Haus herum band die Ziegen an und ließ den Hund auf die Schafe aufpassen. Sie selbst ging die Gegend erkunden und da entdeckte sie auch einen Teich, einen dunklen verborgenen Teich. Also war auch Wasser für sie und die Tiere da. Sie war voller Freude doch als sie sich dem Teich näherte da begann er zu brodeln. Schon wich sie zurück, da stieg mitten aus dem Teich, aus dem dunklen Wasser, eine ganz in weiß gekleidete große Frau auf. Sie setzte ihren Fuß auf den Boden und kam nun unmissverständlich auf die Holle zu. "Hab keine Angst! Ich bin Hertha, die Herrin der Erde und ich bin von meiner Insel Rügen aus dem Norden hier her kommen um auch diesen Teil meines Reiches zu besuchen." Sie berührte die Holle fast und ging nun um sie herum. 4

5 "Ich habe dich beobachtet, du lebst hier schließlich schon eine gewisse Zeit und du hast meinen Gefallen gefunden. Ich möchte, dass du meine Vertreterin in diesem Teil meines Reiches wirst! Hier!" Wieder vor ihr stehend reichte sie ihr eine silberne Glocke, "nimm diese Glocke. Wenn du sie läutest, kannst du dir wünschen, was du willst." Und die Holle nahm die Glocke wie von selbst, ohne zögern entgegen. "Auch den Berg überlasse ich dir, nicht nur das Haus, den Berg ganz, mit allem, was darin ist", sagte Hertha, wendete sich um und ging zurück zum Teich, während sie weiter sprach: "Ach ja! Wenn du nicht mehr in meinen Diensten stehen willst, dann brauchst du die Glocke nur in diesen Teich werfen, darin ist eine Quelle, ein Tor. Die Glocke findet so ihren Weg zurück zu mir und ich weiß dann Bescheid." Sie setzte ihren Fuß auf das Wasser, der Teich brodelte und mit dem nächsten Schritt versank sie darin, so wie sie zuvor daraus aufgestiegen war. Frau Holles Haus erledigte sich auch alle Arbeit von selbst und so hatte sie nun Zeit und ging oft um den hohen Meißner herum und besuchte sogar wieder die nahegelegenen Dörfer. 5

6 Traf sie liebe Kinder schenkte sie den Jungen Haselnüsse und den Mädchen Blumen. Sie erzählte ihnen Geschichten und manchmal trug sie ein solches Kind auch zum Teich, wenn es schlief, und badete es im Teich, so dass es ein Glückskind wurde und wenn Frauen keine Kinder bekamen, so mussten sie nur im Holle Teich baden, dann waren sie fruchtbar. Die Holle unterstütze insbesondere Frauen, die in Not waren und fleißige Frauen sowieso. Den Fleißigen schenkte sie extra Wolle oder Flachs oder fertiges Leinen, den Faulen beschmutzte sie den Flachs. Eine ihrer besonderen Strafen für faule Frauen war, dass diese sich am nächsten Morgen nackt auf einem kalten Stein liegend, oder auch im Schnee wenn es die Jahreszeit war, wieder fanden. Weil es sich aber herum sprach, dass die Holle den in Not geratenen Frauen half, kamen auch viele junge Dirnen zu ihr, die von ihren Liebhabern verlassen wurden. Frau Holle versuchte sie aufzuheitern und durch leichte Arbeiten zu zerstreuen. Das alles nahm Überhand und die Unglücklichen wollten auch nicht den ganzen Tag lang spinnen bei der Holle. Es kam zu Missgust und Neid und so zankte bald eine mit der anderen und bald lagen sie sich kreischend in den Haaren. Da läutete schlussendlich die Holle mit der Glocke und verwandelte sie alle in junge Kätzchen und scheuchte sie aus dem Haus. 6

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8 Und die Männer? Frau Holle duldete sie höchstens. Sie begünstigte überhaupt nur die guten Männer, die ihre Frauen wirklich liebten. Es kam vor, dass von Zeit zu Zeit nun, sagen wir dreierlei Arten von Männern und Burschen hoch auf den Meißner kamen: Erstens die, die meinten, es müssten doch schöne Jungfrauen da oben sein, schließlich sagt man, die Holle nehme sie auf! Also kamen die Burschen um sie zu finden. die Katzen aus den Kietzkammern lockten sie dann auch hinauf, insbesondere dann, wenn sie ihren Bräutigam wieder erkannten. Zweitens die Trinker, die den Weinkeller suchten, den es hier geben sollte, den Weinkeller in dem sich Fass bei Fass des herrlichsten Weins finden würde, von dem man trinken könne, soviel man wolle. Drittens die Schatzräuber! Ja und solche Männer und Burschen wurden von der Holle in Schweine oder Kälber verwandelt. Die meisten von Ihnen vertrieb sie vom hohen Meißner, aber einige behielt sie und opferte jeweils zu Neumond eines der Tiere der Göttin Hertha. 8

9 KJUI Darstellung Märchen Sprache Juli 2016 Quellenangaben soweit vorhanden aus "Göttin Holle" GardenStone 2. Auflage des Buches mit der ISBN