Walter Bütikofer steht lässig

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3 42 TIERHALTUNG Walter Bütikofer steht lässig angelehnt am Stalltor, in der Hand die Stroh-Gabel. Während die Fotografin den Landwirt porträtiert, schauen hinter ihm die Angus-Kühe neugierig zu. Der Bio-Landwirt in Kirchberg BE hält dreizehn Angus-Kühe und einen Muni. Zusätzlich baut er Körnermais, Brotweizen und Futtergetreide an. Bütikofer wirkt zufrieden. Das ist nicht zuletzt der erfolgreichen Wirkung seiner Nützlinge zuzuschreiben. 11Stallfliegen waren schon immer ein Problem. Sobald es warm wird, liegen sie wie ein Teppich auf meinen Kühen.» Das hat sich geändert, als Bütikofer auf einen Flyer in seinem Briefkasten aufmerksam wurde: «Fliegenbekämpfung mit Nützlingem. Neugierig - aber noch skeptisch - bestellte er im Frühjahr vor 15 Jahren seine ersten Nützlinge. Der Schädling: Stallfliege Lästige Plagegeister gibt es zuhauf, auch und insbesondere auf einem Bauernbetrieb mit Nutztieren. Im doppelten Sinne des Wortes immer zuvorderst: die Stallfliegen. Sobald die Tage und Nächte wärmer werden, treten sie in Scharen auf. Einmal im Stall, findet die Stallfliege in der feuchtwarmen Gülle einen wunderbaren Ort zur Entwicklung. Auf der Gülle-Schwimmschicht oder im feuchtwarmen Tiefstreu legt sie ihre Eier ab, aus denen nach circa sieben Tagen ihre Larven ausschlüpfen. Diese verpuppen sich an trockenen Plätzen im Gülle-Kanal oder an trockenen Rändern und Ritzen von Tiefstreu-Plätzen. Nach fünf Tagen schlüpft die adulte Stallfliege und plagt während ihrem kurzen Leben von drei bis sieben Tagen Mensch und Tier. Bekämpfungsmöglichkeiten «Stallfliegen beeinträchtigen das Wohlbefinden der Nutztiere und reduzieren deren Leistung», erklärt Veronika Maurer vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL). Zudem können Fliegen Träger von Erregern verschiedener Krankheiten sein, die sie auf Tier und Mensch übertragen. Gegen die Fliegenplage bietet die Agrarindustrie Larvizide und Adultizide an. Mit diesen chemischen Produkten kann ein Bio-Bauer aber nicht viel anfangen. Zudem ist der Einsatz von Fliegenmitteln für Bio-Betriebe stark eingeschränkt (siehe FiBL-Betriebsmittel-Liste). Doch auch für Bio Bauern hat die Agrarindustrie eine Lösung: Nützlinge. Genauer gesagt, Schlupfwespen und Güllefliegen. Das sind keine Plagegeister, die ebenso störend umherschwirren oder mit ihrem Stachel für Mensch und Tier gefährlich werden könnten. Im Gegenteil: Nützlinge reduzieren die Stallfliegen nachhaltig. Der Nützling 1: Schlupfwespe Schlupfwespen sind natürliche Helfer, die ausgewachsen nur ein bis zwei Millimeter klein sind. Im Stall sind sie kaum sichtbar, dafür umso effektiver. Wie die Stallfliegen-Larven leben Schlupfwespen mit Vorliebe im Tiefstroh. Dort sticht das Schlupfwespen Weibchen die Fliegenpuppe der Stallfliege an und legt darin bis zu acht Eier ab. Die in der Puppe heranwachsenden Schlupfwespen ernähren sich vom Wirt. Die Fliegenpuppe stirbt ab und neue Schlupfwespen schlüpfen aus. Insgesamt kann eine Schlupfwespe bis zu 200 Fliegenpuppen parasitieren. Die Entwicklungsdauer der Schlupfwespen in den Fliegenpuppen ist temperaturabhängig und dauert 15 bis Die zwei häufigsten Arten der Stallfliege Ein Schlupfwespen-Weibchen sticht mit ihrem Stachel eine Fliegenpuppe an und legt darin bis zu acht Eier ab. Die Grosse Stubenfliege (Musca domestica) verbreitet Keime zum Beispiel aus Kot, Wundsekret oder Speichel. Damit schafft sie ein grosses hygienisches Problem. Der Wadenstecher (Stomoxys calcitrans) lebt besonders in Rindvieh-Ställen in grosser Zahl. Im Unterschied zur Stubenfliege hat er einen Stechrüssel, mit dem er als adulte Fliege am Blut der Nutztiere saugt. Der Wadenstecher fliegt vor allem von draussen zu oder wird mit dem Vieh in den Stall eingeschleppt. In Kuhfladen auf der Weide findet der Wadenstecher günstige Entwicklungsbedingungen. 1c gn Nr

4 TIERHALTUNG 43 Kurz & bündig Vorbeugung bei der Bekämpfung der Stallfliegen:... Stallhygiene (gründliche Reinigung im Frühjahr, Weisseln).... Brutstätten sanieren (Futterreste entfernen, Einstreu trocken halten, Tiefstreu verdichten).... Gülle-Schwimmschichtregelmässig umrühren oder umpumpen (ausser bei Güllefliegen-Einsatz).... Regelmässig ausmisten (ausser bei Schlupfwespen-Einsatz).... Natürliche Feinde schonen und fördern (z.b. Schwalben).... Gute Durchlüftung schaffen.... Fliegen fangen (Fliegenschnüre).... Bekämpfung mit Insektiziden - jedoch nur bei massenhaftem Auftreten und nicht während dem Nützlings-Einsatz (für Bio-Betriebe siehe FiBL-Betriebsmittelliste).... Vor dem Einsatz der Nützlinge ist ausführliche Beratung mit einem Verkaufsberater notwendig. Ausbringung der Schlupfwespen im Tiefstroh. Walter Bütikofer hebt das Stroh mit einer Stroh-Gabel an und verteilt die Schlupfwespen häufchenweise. 35 Tage. Weshalb die Behandlung mit der Schlupfwespe gleich nach dem Auftreten der ersten Stallfliegen im Frühjahr erfolgen sollte. Verpasst man den Zeitpunkt, ist es schwierig, die Entwicklung der Stallfliege mit der Schlupfwespe einzuholen, da sich Stallfliegen rasant entwickeln. Der Einsatz von Schlupfwespen muss dann gut geplant werden, um noch eine Wirkung zu erzielen. Ausbringung der Schlupfwespen Die Larven der Stallfliegen liegen an leicht feuchten Stellen entlang der Stall- und Boxenwände. Dort verteilt auch Walter Bütikofer seine Schlupfwespen, die mit Hobelspänen und parasitierten Futter-Puppen in einer Box geliefert wurden. «Es ist wichtig, dass man die Schlupfwespen dort verteilt, wo die Tiere nicht stehen. Ent- lang der Wand sind die Schlupfwespen - wie die Fliegenpuppen - geschützt vor Viehtritt», erzählt der Bio-Landwirt. Mit der Stroh-Gabel hebt Bütikofer das Stroh an und verteilt den Inhalt der Packung häufchenweise. Dabei dürfen Gestänge und Futtertröge nicht vergessen werden, die sich ebenfalls als gute Stallfliegen-Brutstätten erweisen. Eine Packung mit 10 ooo Schlupfwespen reicht für eine einmalige Ausbringung auf 100 m 2 Tiefstreu- oder Tretmist-Fläche. Damit sich Schlupfwespen vermehren können, müssen bei der Freilassung bereits Fliegenpuppen vorhanden sein. Weil die Schlupfwespe mehr Zeit für ihre Entwicklung braucht als die St allfliege, empfehlen Versandfirmen wie UFA-Samen Nützlinge und Andermatt Biovet eine wiederholte, zwölfmalige Aussetzung der Schlupfwespen. Nur so kann eine starke Schlupfwespen Population aufgebaut werden. Andermatt Biovet empfiehlt zusätzlich den parallelen Einsatz des Produkts «Macrobis». Eine Raubmilbe, die ergänzend die Larven der Fliegen frisst. Auch Walter Bütikofer erhält seine Schlupfwespen zwischen März und Oktober zwölf Mal, jeweils im Abstand von zwei Wochen. Seitdem er sie einsetzt, hat er weniger Probleme mit Stallfliegen. Bütikofer erzählt lachend, wie extrem der Vergleich zur Weide ist: «Meine Kühe fliehen regelrecht in den Stall, weil es dort keine Stallfliegen mehr hat.» Der Nützling 2: Güllefliege Weil Bütikofer neben Tiefstreu für die Kälber auch einen Boxenlaufstall für die Mutterkühe hat, setzt er neben Nr nin

5 Die Schlupfwespen werden in einer Box mit Hobelspänen versandt. Dabei reicht eine Packung mit Schlupfwespen für eine Tiefstreu- oder Tretmist-Fläche von 100 Quadratmeter je Ausbringung. Schlupfwespen auch Güllefliegen ein. «Die Kühe laufen hier auf Spaltenböden, damit die Gülle leichter abfliessen kann. Aber auch hier hatte ich ein Problem mit der Stallfliege.)) Wird die Gülle nicht regelmässig gerührt oder abgepumpt, entsteht eine Gülle-Schwimmschicht. A uf d ieser können sich die Stallfliegen-Larven ungestört entwickeln. Für Schlupfwespen ist dieses Milieu nicht geeignet. Deshalb setzt Bütikofer im Flüssigmist-Bereich die Güllefliege ein. Sie ähnelt im Aussehen der Stallfliege, ist jedoch lichtscheu, fliegt kaum und lebt ausschliesslich im Güllekanal. Ausbringung Güllefliegen Walter Bütikofer bekommt seine Güllefliegen in Säckchen mit Hobelspänen geliefert, in denen die Güllefliegen-Puppen eingebettet sind. Er platziert sie neben dem Gülle-Kanal: «So können die geschlüpften Fliegen gleich in den Gülle-Kanal fliegen. Wenn sie noch nicht gesch lüpft sind, das kommt an kühleren Tagen vor, warte ich noch etwas ab, bevor ich die Säckchen aufstelle.» «Der Landwirt könnte die geöffnete Packung mit den Güllefliegen auch in der Nähe des Gülle-Kanals aufhängen oder den Inhalt der Packung in den Güllekanal streuen. Dies erklärt Juliane Preukschas, Wissenschaft! iche Mitarbeiterin UFA-Samen Nützlinge. Einmal im Gülle-Kanal, legen die Güllefliegen ih re Eier in die Schwimmschicht. Die geschlüpften Güllefliegen-Larven ernähren sich räuberisch und fressen während ihrer Entwicklung bis zu 20 Stallfliegen-Larven. Danach verpuppen sie sich wieder und der Zyklus beginnt von vorne. Auch die Ausbringung von Güllefliegen muss zur Etablierung einer Population wiederholt erfolgen. UFA Samen Nützlinge empfiehlt eine zwölfmalige Aussetzung, Andermatt Biovet nur eine vier- bis sechsmalige Ausbringung im Abstand von ein bis drei Wochen. Eine Packung Güllefliegen-Puppen reicht zur Besiedelung von 100 m' Schwemmkanal-Oberfläche. Ist die A nsiedlung der Güllefliege einmal erfolgt, was acht bis zwölf Wochen dauern kann, schützt sie im Warmstall im Idealfall jahrelang vor Stallfliegen-Plagen. Walter Bütikofer wird auch diese Saison seine Nützlinge einsetzen: «Der Erfolg mit den Nützlingen ist grandios. Manchmal überlege ich mir, ob ich versuchshalber eine Saison aussetzen sollte. Einfach, um zu schauen, wie sich die Fliegenplage entwickelu D<'n Kopf' schüttc' lnd, schaut Bütikofcr in den Stall zu sei nen Angus-Kühen: «Aber wa1 um sollte ich d.1s? Meine Kiih<' ~iml w frieden und ungestört. Das wi ll ich nicht riskieren.)) Stallfliegen vermehren sich 15 f\.1~1 pro lahr Stal!Aiegen sind tagaktive Insekten mit der grössten Populationsgrösse in den Sommermonaten. Ihr Verhalten und ihre Lebensdauer sind sehr stark von den Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Feuchtigkeit abhängig, wobei die Optimaltemperatur zwischen 20 und 25 Grad liegt. Ab einer Minimaltemperatur von 15 Grad verzögert sich ih re Entwicklung und sie werden träge. Durch die «guten» Umgebungsbedingungen in Ställen sind bis zu 15 Generationen pro Jahr möglich. Stallfliegen können als Larve oder Puppe überwintern. Nr