Herbert Maisch Das Unverstehbare verstehen

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3 Herbert Maisch Das Unverstehbare verstehen

4 »edition psychosozial«

5 Herbert Maisch Das Unverstehbare verstehen Acht forensisch-psychologische Täterbegutachtungen im Strafprozess Herausgegeben von Irmgard Antonia Rode und Gerhard Jacobs Mit einem Nachwort von Heinrich Hannover Psychosozial-Verlag

6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < abrufbar. der Originalausgabe 2007 Psychosozial-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Umschlagabbildung: Jean Dubuffet»La vie des sous-sols«(unterirdisches Leben) 1951 VG Bild Kunst, Bonn 2007 Umschlaggestaltung nach Entwürfen des Ateliers Warminski, Büdingen. Printed in Germany ISBN Print-Ausgabe ISBN E-Book-PDF

7 Inhalt Irmgard Antonia Rode und Gerhard Jacobs Vorwort: Die Einsamkeit des Sachverständigen im Strafprozess 7 Forensisch-psychologische Gutachten von Herbert Maisch (ausgewählt und bearbeitet von Irmgard Antonia Rode und Gerhard Jacobs) 9 I. Partnertötungen 11 Fall 1: Herr B., 28 Jahre alt, Spieler, erschlägt seine Ehefrau im Affekt 13 Fall 2: Herr E., 39 Jahre alt, Jugendrichter, erwürgt seine Ehefrau im Affekt 33 Fall 3: Frau L., 52 Jahre alt, erschießt ihren Ehemann im Affekt mit einem Revolver 49 II. Rivalentötungen 75 Fall 4: Herr F., 44 Jahre alt, tötet seinen Rivalen im Affekt mit einer Pistole 77 Fall 5: Herr M., 27 Jahre alt, erschießt in alkoholisiertem Zustand seinen Rivalen 91 Fall 6: Herr N., 27 Jahre alt, ersticht in einer Paniksituation seinen Rivalen mit einem Messer 109 5

8 III. Sexuell motivierte Tötung 129 Fall 7: Herr P., 25 Jahre alt, erwürgt aus sexuellen Motiven heraus einen neunjährigen Jungen 131 IV. Kindstötung 145 Fall 8: Frau R., 21 Jahre alt, ledig, tötet in einem Hotel ihr neugeborenes Kind 147 Veröffentlichungen von Herbert Maisch 163 Doris Maisch Biografische Notizen zu Herbert Maisch 167 Heinrich Hannover Nachwort: Bedeutung von Herbert Maisch für die Strafverteidigung 175 Interview mit Herbert Maisch im Jahr Zu den Autoren 191 6

9 Vorwort: Die Einsamkeit des Sachverständigen im Strafprozess Irmgard Antonia Rode und Gerhard Jacobs Im November 1995 hielt Herbert Maisch in Frankfurt am Main bei der Mitgliederversammlung der Rechtspsychologen des Berufsverbandes Deutscher Psychologen einen eindrucksvollen Vortrag mit dem Titel:»Bleib erschütterbar und widersteh! Die Einsamkeit des Sachverständigen im Strafprozess.«Diese Überschrift charakterisiert auch das Verhalten und Befinden des Sachverständigen Maisch in zahlreichen kontroversen Prozessen, in denen er als Gutachter tätig war. Anpassung an die Meinung anderer aus taktischen Gründen lag ihm nicht, er vertrat seine fachlich begründeten Positionen unbeirrbar, auch wenn er sich dabei manchmal einsam fühlte. Im Nachwort zu diesem Buch macht der Strafverteidiger Heinrich Hannover, der einige der Prozesse miterlebte, dies anhand mehrerer Beispiele deutlich. Nach dem Tode von Herbert Maisch am 12. Oktober 1997 entwickelten Frau Maisch und Herr Rechtsanwalt Hannover die Idee, einige Gutachten von Herbert Maisch der Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck stellte Frau Maisch das gesamte Gutachtenarchiv ihres Mannes zur Verfügung. Wir freuen uns, dass wir mit diesem Buch eine Dekade später an Herbert Maisch erinnern können. Vor dem Hintergrund der schon lange geführten Diskussion um Qualitätsanforderungen an Gutachten und auch im Zusammenhang mit der begonnenen Weiterbildung zum Fachpsychologen für Rechtspsychologie haben wir die Überzeugung gewonnen, dass die Veröffentlichung von Gutachtenauszügen von Herbert Maisch für Psychologen, Psychiater und Juristen lehrreich sein dürfte. Herbert Maisch hat seine Klienten bei der Vorbereitung der Gut- 7

10 Vorwort achten überraschend häufig aufgesucht. Dies war nach seiner Überzeugung die Voraussetzung für die differenzierte Beschreibung der Täterpersönlichkeit, der inneren Zustände bei der Tatbegehung und der psychodynamischen Abläufe im Vorfeld und während der Straftat. In diesem Sinn haben die Gutachten von Herbert Maisch Modellcharakter. Die Gutachtenaufträge an Herbert Maisch betrafen überwiegend Fragen der Schuldfähigkeit bei Tötungsdelikten. Zur Auswahl der Fallgeschichten sichteten wir eine größere Anzahl von Gutachten und wählten solche aus, die wir als prototypisch für spezifische Deliktuntergruppen ansahen: Partnertötungen, Rivalentötungen, sexuell motivierte Tötungen, Kindstötungen. Die Gutachten sind nicht vollständig aufgeführt, dies hätte den Rahmen des Buches gesprengt. Wir referieren Auszüge aus den Gutachten von Herbert Maisch, verändern seine Formulierungen nicht. Der größte Teil der wiedergegebenen Texte stammt aus den Zusammenfassungen in den Gutachten des Sachverständigen. Aus Gründen des Datenschutzes haben wir die Gutachten anonymisiert. Den einzelnen Gutachten schicken wir zum besseren Verständnis zunächst eine kurze Falldarstellung voraus, dann folgen die Gutachtenauszüge. Soweit uns zugänglich, werden wesentliche Inhalte aus dem jeweiligen Urteil zitiert. Am Schluss erläutern wir die Gründe für die Auswahl der einzelnen Gutachten. 8

11 Aus den psychologischen Gutachten von Herbert Maisch (ausgewählt und bearbeitet von Irmgard Antonia Rode und Gerhard Jacobs)

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13 I. Partnertötungen

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15 Fall 1: Herr B., 28 Jahre alt, Spieler, erschlägt seine Ehefrau im Affekt. Falldarstellung: Herr B. tötet seine Ehefrau etwa zwei Jahre nach der Eheschließung. Um finanzielle Schwierigkeiten in der Ehe auszugleichen, hatte Herr B. zu spielen begonnen. Frau B. beschwört ihren Mann, das Spielen aufzugeben. Es gibt erregte Diskussionen, schließlich äußert Frau B. Trennungsabsichten. Die Streitereien spitzen sich zu bis zu beiderseitigen Tätlichkeiten am Vorabend des Tötungsdeliktes. Am Tattag bereitet Herr B. seiner Frau das Frühstück. Über den abendlichen Vorfall wird nicht gesprochen. Herr B. verbringt eine Stunde in einem Spielsalon, nachdem seine Frau das Haus verlassen hat, um zu arbeiten. Als diese am Nachmittag zurückkehrt, entflammt erneut ein Streit, in dessen Verlauf die Frau dem Ehemann vorwirft, er sei zu nichts nütze, was ihn heftig erregt. Frau B. geht zu Bett um zu schlafen. Herr B. legt sich dazu, um ebenfalls zu schlafen, hierzu ist er aber zu angespannt und zu erregt. In diesem Zustand greift Herr B. zu einem Werkzugkorb, der in unmittelbarer Nähe des Bettes steht, nimmt eine 40 cm lange Eisenfeile und schlägt mit dieser mindesten 4 Mal auf den Kopf seiner Frau. Schon der erste Schlag führt zu einer Zertrümmerung des Schädels. Frau B. stirbt unmittelbar nach Erhalt der Schläge. Als Herr B. keine Lebenszeichen mehr feststellen kann, verlässt er fluchtartig die Wohnung und nimmt den erstbesten Zug, der nach Paris fährt. Am Abend kehrte er zurück, sucht für eine halbe Stunde einen Spielsalon auf und geht dann nach Hause. Er setzt sich auf das Bett neben seine tote Frau und starrt sie zwei Stunden lang an. Dann legt er sich neben sie und schläft ein. Am nächsten Tag kauft er Schlaftabletten in der Absicht, sich das Leben zu nehmen. Zu Hause löst er die Tabletten in Tee auf. 13