Digitaler Netzschutz mit zukunftsorientierter Kommunikation
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- Stefanie Schwarz
- vor 8 Jahren
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1 Digitaler Netzschutz mit zukunftsorientierter Kommunikation Dr. Siegfried Lemmer, Siemens AG Nürnberg Bei der Schutztechnik für Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetze hat sich seit Jahren die digitale Technik durchgesetzt. Digitale Schutzgeräte haben neben den Schutzfunktionen häufig weitere Steuerungs- und Überwachungsfunktionen und sind mit umfangreichen Kommunikationsmöglichkeiten ausgestattet. Dementsprechend haben ausreichende Kenntnisse im Bereich der Kommunikation eine steigende Bedeutung für den Schutztechniker. Bild 1 zeigt, für welche Anwendungen Kommunikationsschnittstellen heute in digitalen Schutzgeräten eingesetzt werden können: Stationsbus Leittechnik Internet / INTRANET Zum Schutzgerät am Gegenende Modem RUN ERROR 7SJ DE RUN ERROR 7SJ DE F F F F Prozessbus F F4. 0 +/- F F4. 0 +/- Optischer Wandler Leistungs- Schalter Bild 1: Kommunikationsfunktionen bei digitalen Schutzgeräten Kommunikation mit einem Zentralgerät der Stationsleittechnik. Übertragen werden hier Störfallinformationen und Messwerte (vom Feld zur Zentrale) sowie Steuerbefehle (von der Zentrale zum Feld). Es gibt diverse herstellerspezifische und herstellerunabhängige Protokolle. Seite 1/7
2 Zur Kommunikation mit anderen Feldgeräten in der Station. Diese Kommunikation wird bisher noch nicht sehr häufig eingesetzt und kann z.b. für die Anlagenverriegelung verwendet werden. Zur Kommunikation mit einem PC zur. Der Zugriff kann direkt am Gerät, über den Stationsbus oder von fern erfolgen. Diese Kommunikation ist herstellerspezifisch. Zur Kommunikation mit einem Schutzgerät am anderen Leitungsende beim Leitungsdifferentialschutz oder auch bei Distanzschutzgeräten mit Signalvergleichsverfahren (Wirkschnittstelle). Hierzu liegt inzwischen eine VDN-Empfehlung vor. Zur Kommunikation mit nichtkonventionellen Wandlern mit digitaler Schnittstelle oder mit digital anzusteuernden Schaltgeräten (Prozessbus). Diese Kommunikation wird auch von dem neuen Standard IEC behandelt. In diesem Vortrag wird jedoch nicht weiter darauf eingegangen. Der folgende Teil des Vortrages bezieht sich hauptsächlich auf die Kommunikation mit einer Stationsleittechnik. In diesem Umfeld hat sich im Bereich der öffentlichen Versorgung die Kommunikation nach IEC (früher VDEW-Schnittstelle ) durchgesetzt. Bild 2 zeigt hierzu ein typisches System: Netzleitstelle Corporate Network TCP/IP IEC IEC IEC LWL sternförmig... IEC RS485-Bus Schaltanlage Bild 2: Station mit Kommunikation nach IEC Das Kommunikationssystem hat eine Master-Slave-Struktur mit einem Zentralgerät als Master und den Schutzgeräten als Slaves. Die Kommunikationsverbindungen können sternförmig (optisch oder elektrisch RS232) oder busförmig (RS485) aufgebaut werden. Seite 2/7
3 Insbesondere im Industriebereich sind allerdings auch eine Vielzahl weiterer Kommunikationsprotokolle im Einsatz (z.b. PROFIBUS DP oder FMS, MODBUS, LON-Bus, ). Bei den SIPROTEC 4-Geräten von SIEMENS wird die nötige Flexibilität bei der Kommunikation dadurch erreicht, das separate Kommunikationskarten (Bild 3) gesteckt werden können. Bild 3: Kommunikationskarte Obwohl sich die Schnittstelle nach IEC erfolgreich etabliert hat, werden in vielen Anwendungen auch ihre Grenzen sichtbar: Die Master-Slave-Struktur führt bei großen Anlagen zu Einschränkungen; eine direkte Kommunikation zwischen einzelnen Schutzgeräten ist nicht möglich. Der Standard hat seinen Schwerpunkt beim Schutz und berücksichtigt nicht die inzwischen in vielen Schutzgeräten enthaltenen Steuerfunktionen Eine Parametrierung ist im Standard nicht vorgesehen. Wegen dieser Grenzen und angesichts der erheblichen Fortschritte, die die Kommunikationstechnik seit der Entstehung der VDEW-Schnittstelle gemacht hat, wurden schon vor Jahren Aktivitäten gestartet, einen neuen, weltweit akzeptierten Standard für die Kommunikation zu schaffen. Dieser Standard IEC wurde inzwischen fertig gestellt und SIPROTEC 4 Geräte mit einer Kommunikation nach diesem Standard sind bei SIEMENS verfügbar. In den folgenden Abschnitten werden einige Grundzüge des Standards vorgestellt. Zu Beginn der Arbeiten am Standard IEC wurde festgelegt, Ethernet als Basis für die Kommunikation zu verwenden. Dabei ist zu beachten, dass durch die Einführung von Ethernet alleine noch kein wesentlicher Nutzen für die Anwender zu erzielen ist. Wichtig ist die Interoperabilität zwischen Geräten verschiedener Hersteller. Dazu muss innerhalb der Norm eine bitgenaue Festlegung erfolgen, welche Informationen in welcher Form zu übertragen sind und welche Prozeduren dabei einzuhalten sind. Weitere wichtige zu lösende Anforderungen waren eine direkte Kommunikation zwischen Schutzgeräten, die Möglichkeit, weitere Dienste auf demselben Bus zu übertragen sowie die Schaffung von standardisierten Datenformaten für das Engineering. Bild 4: Interoperabilität Seite 3/7
4 Trennung von: Anwendung (z.b. Schutzfunktion) IEC 61850: Daten M odell Dienste (z.b. Meldung, Befehl) Dienste, Regeln Kommunikation (z.b. MMS/TCP/IP/Ethernet) Abbildung weil Daten sich nicht ändern aber die Kommunikationstechnologie Bild 5 Der Standard IEC verfolgt die Idee, für alle Daten, die auf der Kommunikationsschnittstelle von Schutzgeräten zu übertragen sind, genaue Datenformate festzulegen, ohne dabei Einfluss auf die Struktur der Schutzfunktionen zu nehmen. Um dabei auch möglich robust gegen eine zukünftige Weiterentwicklung der Kommunikationstechnik zu sein, wurde die in Bild 5 dargestellte Trennung von Anwendungen, Diensten und Kommunikation beachtet. Das Datenmodell von IEC basiert auf logischen Knoten. Die gesamte Funktionalität eines Schutzgerätes wird in einzelne Bausteine, die logischen Knoten zerlegt. Dies sind einzelne Schutzfunktionen (z.b. Stufen eines Überstromzeitschutzes) oder auch Mess- oder Steuerfunktionen. Für jeden im Standard enthaltenen logischen Knoten ist festgelegt, wie die Eingangsdaten (z.b. Blockiersignale), die sdaten (z.b. Ansprechwerte) und die Ausgangsdaten (z.b. Auskommandos) zu beschreiben sind. Trotzdem behält natürlich jeder Hersteller die Möglichkeit, die Schutzfunktionen selbst so zu gestalten, wie er es für richtig hält. Im Standard IEC ist ebenfalls festgelegt, wie ein schneller Informationsaustausch zwischen einzelnen Schutzgeräten einer Station erfolgen soll. Dieser Datenaustausch wird GOOSE (Generic Object Oriented Substation Event) genannt. Geräte, die Informationen anbieten, versenden diese per Multicast. Die darauf abonnierten Geräte empfangen diese Nachricht. Damit können beispielsweise Verriegelungen ohne Einsatz eines zentralen Masters realisiert werden. Da das Engineering ein wesentlicher Kostenfaktor bei der Errichtung von Stationsautomatisierungssystemen ist, wird im Standard IEC auch der Engineeringprozess herstellerübergreifend festgelegt. Bild 6 zeigt den Ablauf unter Verwendung des Programms DIGSI: Seite 4/7
5 Typ- (ICD-File) System- (ICD-File) (ICD-File) Typ- Typ- Hersteller B System- (SCD-File) Jedes Gerät muss eine Gerätebeschreibung zur Verfügung stellen können Hersteller X Systemkonfiguration Genormte Datei Hersteller spezifisches Engineeringtool Bild 6: Engineeringprozess nach IEC mit DIGSI Zunächst erfolgt eine Parametrierung der einzelnen Geräte. Bei SIPROTEC-Geräten erfolgt dies mit dem Programm DIGSI. Nach IEC erzeugen die Konfigurierprogramme eine genormte Datei (ICD-File), die alle kommunikationsrelevanten Informationen für das betreffende Gerät enthält. Die Informationen aller Geräte werden dann für die gesamte Station in einem Systemkonfigurator verknüpft. DIGSI stellt diese Funktionalität in seiner aktuellen Version zur Verfügung. Dabei können auch ICD- Files anderer Hersteller verarbeitet werden. Der Systemkonfigurator erzeugt daraus eine Datei, die alle Verknüpfungen beschreibt (SCD-File). Diese Datei kann dann zur endgültigen Parametrierung der Schutzgeräte aber auch einer Leittechnik verwendet werden. Ein wesentliches Merkmal des neuen Standards IEC ist die Sicherstellung von Interoperabilität: Geräte verschiedener Hersteller können an einem Kommunikationsbus betrieben werden Protokollumsetzer können entfallen Herstellerunabhängiger Austausch von Engineeringdaten Um diese Interoperabilität sicherzustellen hat Siemens parallel zur aktiven Gestaltung des Standards gemeinsam mit anderen Herstellern Interoperabilitätstests durchgeführt. Damit konnten bereits in der frühen Phase der Geräteentwicklung mögliche Inkompatibilitäten erkannt und gelöst werden. Die Ergebnisse dieser Tests wurden zuletzt auf der CIGRE 2004 in Paris vorgestellt (Bild 7, links). Zusätzlich wurde mit der KEMA in den Niederlanden ein neutrales Testinstitut mit der Prüfung der in den SIPROTEC-Geräten verfügbaren Schnittstelle auf Konformität zur Norm beauftragt. Siemens hat hier als weltweit erster Hersteller ein entsprechendes Zertifikat erhalten (Bild 7, rechts) Seite 5/7
6 Bild 7: Vorstellung der Interoperabilitätstests und Testzertifkat der KEMA Bild 8 zeigt den Aufbau eines Bussystems für eine Schaltanlage mit IEC 61850: 62,5µ oder 50µ LWL Switch 100 Mbit/s redundanter Ethernet Ring Standby Patch- kabel Gerät 2 Gerät 1 Abgangsfelder Gerät 3 Einspeisefeld Gerät 4 Abgangsfeld Bild 8: Beispielkonfiguration für Stationsbus Hier sind die Geräte über elektrische Verbindungen sternförmig an Switches angeschlossen. Diese Switches sind Geräteausführungen, die die nötigen Standards für den Einsatz in Schaltanlagen erfüllen. Die Switches sind untereinander und mit der Stationsleittechnik über einen optischen Doppelring verbunden. Seite 6/7
7 Die Realisierung der Schnittstelle in den SIPROTEC-Geräten erfolgt dabei wie auch bei anderen Protokollen- mit Kommunikationskarten (Bild 9). Damit sind auch heute schon installierte Geräte später auf den Standard umrüstbar. Bild 9: Kommunikationsmodul Insbesondere bei der Erneuerung der Sekundärtechnik in Schaltanlagen sind häufig Situationen anzutreffen, wo nicht alle Geräte mit einer einheitlichen Kommunikation ausgerüstet sind. Deshalb wurden bei Einführung des Standards IEC Wert darauf gelegt, auch hierfür Lösungen anbieten zu können. Bild 10 zeigt hierzu eine Beispielkonfiguration: Netzleitstelle IEC Corporate Network TCP/IP IEC Station Bus Profibus DP Schutz Steuerung Industrie IEDs Hub IEC (Ethernet) Schutz - Steuerung IEC (+ Erweiterung VDEW) Schutz - Steuerung Hub ILSA (geplant) Profibus FMS Schutz - Steuerung Bild 10: Beispielkonfiguration mit gemischter Kommunikation In diesem Beispiel sind Geräte mit serieller Kommunikation (IEC und auch die im Siemens-Stationsleitsystem LSA früher eingesetzte ILSA- Kommunikation) über Ethernet-Hubs an den Stationsbus angeschlossen. Geräte mit PROFIBUS-Kommunikation können direkt an das Zentralgerät angeschlossen werden. Seite 7/7
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