Heimatkundliche Blätter

Transkript

1 Heimatkundliche Blätter Nr.8/2011 Nahui, in Gotts Nam! Mit der Ulmer Schachtel die Donau hinunter Die Schwaben am an der Donaufähre bei Eining Jedes Jahr, meist in der Ferienzeit, bewegen sich etwas seltsam aussehende Schiffe, versehen mit schwarzweißen Streifen, die bayerische Donau abwärts. Die Schwaben, eine der vier kleineren Ulmer Schachteln passierte dieser Tage von Ulm kommend die Eininger Fähre. Diese Fahrten von Ulm bis Wien haben seit 1907 Tradition; manchmal, zu besonderen Jubiläen geht die Reise sogar bis zum Schwarzen Meer. Dieser Tradition geschuldet ist auch, dass beim Bau der Donau-Stauseen zwischen Ulm und Vohburg eigene Schleusen für die Fahrten der Schachteln Berücksichtigung fanden. Waren- und Personentransport auf der heimischen Donau Erste Hinweise auf Schiffs- und Warenverkehr im Bereich unserer Stadt, damals noch Seligenstadt, gibt es bereits aus dem Jahre Hier wird über die Einrichtung einer Maut- und Zollstation berichtet. Dieser Zoll wurde bis 1290 ein-

2 gehoben und verschwindet dann. Auch in Vohburg gab es ebenfalls seit Mitte des 13. Jahrhunderts einen Zoll, der im 14. Jahrhundert auf 40 Pf. stieg. Der Kelheimer Zoll wurde gleichfalls nach 1253 errichtet und ist noch im 14. Jahrhundert belegt. 1 Ulmer Fernhändler, die bereits im 12. Jahrhundert ihre Waren auf der Donau transportierten, verwendeten dazu Flöße. 2 Schiffsbau war in Ulm unbekannt. Erst 1570 begann mit bayerischem Knowhow 3 dann auch in Ulm der Bau eines Schiffstyps, auch Schopper genannt, der in Kelheim, Regensburg und weiter donauabwärts längst verwendet wurde. Die flache, kiellose Bauweise aus Tannenholz, welches mit Moos abgedichtet, also geschoppt wurde, ermöglichte eine relativ wendige Flussfahrt. Die Schiffe wurden am Zielort als Brennholz verkauft. Auswanderschiff im Donaudurchbruch bei Weltenburg, Jakob Alt ( ) Während nach Aufzeichnungen aus dem Jahre 1571 neben Lederwaren, Leinwand und Ulmer Barchent (Mischgeweben aus Leinen und Baumwolle) der Wein die wichtigste Handelsware war, veränderte sich im Laufe der Jahrhun- 1 Ernst Neweklowsky, Die Schiffahrt und Flößerei im Raume der oberen Donau, I.Bd. S. 419, 420 (Quelle: Anton Loehr, Donauhandel, S. 219) 2 Wolf-Henning Petershagen, Kleine Geschichte der Ulmer Schachteln, S Ebenda S. 28

3 derte das Handelssortiment der Ulmer Schiffer. Dominierten zunächst Textilerzeugnisse, Birnenschnitze, Hutzeln oder Feldfrüchte wie Rüben, Erbsen und Linsen, so notierte ein Chronist anno 1825, dass die Ladung der bis zu vier Schiffen, die damals jede Woche aufbrachen, mit französischem Wein, jungen Bäumen, Leder, Käse, Farbstoff, Feuersteinen, Gras- und Kleesamen, hölzerne Uhren und andere Güter des westlichen Europas nach Bayern, Österreich, Ungarn, Polen Russland und der Türkei befrachtet waren. Die Nutzlast eines Schiffes betrug bis zu 600 Zentner. 4 Natürlich beförderte man außer den bereits beschriebenen Handelswaren auch Personen. Ende des 17. Jahrhunderts wurden Soldaten samt Pferd, Geschütz und Wagen auf Schiffe verladen, um in Österreich die türkische Invasion zu stoppen. Nach den Türkenkriegen waren es Siedler aus ganz Süddeutschland, die über die Donau in die entvölkerten Gebiete hinter Wien fuhren: Die Donauschwaben. Diese Auswanderungswellen gingen bis ins frühe 19. Jahrhundert. Eine Anlandestelle, an der die Auswanderer anlegten und nächtigten lag bei Marching. Die alte Anlegestelle Auf der Holzländ bei Marching, Lageplanausschnitt von schreibt ein Russlandauswanderer: Wir sind also den 2. Juni zwischen 11 und 12 Uhr von Ulm abgefahren. Wir sind den ersten Abend glücklich nach 4 Ebenda S. 30 u. 31

4 Blendenheim gekommen, wo alle Furchtsamen beschämt wurden und am 3. Juni desto getroster in das Schiff traten und selbigen Tag auf erwünschte glückliche Reise nach Marching kamen. 5 Außer diesen Auswandererfahrten verkehrten ab 1712 die Ulmer Donauschiffe nach Fahrplan. Die Ordinarischiffe auch "Wiener Zille" oder "Schwaben- Plätte" genannt, gingen regelmäßig wöchentlich nach Wien. 6 In der Regel starteten die Ordinari in Ulm am Sonntag, häufig aber auch montags und zwar von der ersten Woche nach dem Eisgang bis Kathrein. 7 Mit dem Ausbau der Eisenbahn waren die Ulmer Schiffe nicht mehr konkurrenzfähig. Die Umstellung auf die beginnende Dampfschifffahrt erwies sich wegen der geringen Flusstiefe als untauglich. Die Donaufahrten wurden eingestellt. Ulmer Schachtel unterhalb Schloss Wackerstein, Sebastian Alt, 1826 Die Wiederbelebung der Schachtel Der Berliner Professor Eduard Hahn ließ sich 1907, also ein Jahrzehnt nach der letzten Fahrt einer Ulmer Transportzille, auf eine 16 Meter lange und 2,5 Meter breite ausgediente Steinzille eine Kabine mit zwei Räumen und einem flachen 5 Brief des Joh. Chr. Bidlingmaier, Anführer aus Oetlingen über die Fahrt von Ulm bis ans Schwarze Meer 6 Petershagen, aus die Welt vom Andreas Abele, Nahui in Gotts Nam, S. 112

5 Dach zimmern. Mit diesen Aufbauten versehen, entstand der Typus der heutigen Reiseschachteln. Professor Hahn seinerzeit auch den Begriff Ulmer Schachtel unter welchem man heutzutage diesen besonderen Schiffstyp kennt. Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges unternahm Hahn sechs Fahrten von Ulm bis Wien und kann als der Begründer der jetzigen Schachtel-Tradition angesehen werden. Denn jetzt fahren sie alle Jahre wieder: Nahui in Gotts Nam! Neustadt, den Eduard Albrecht, Heimatpfleger der Stadt Neustadt a.d.d.