Lebende Bilder selbst gemacht Von Daniela Dietrich und Christian Appelt

Transkript

1 TriCKFilM Fotos: deutsches Filminstitut abb. 1: Die Faszination selbst gemachter animation liegt in der erschaffung von Bewegungen. knetmasse eignet sich besonders, um die plastische animation kennen zu lernen. Lebende Bilder selbst gemacht Von Daniela Dietrich und Christian Appelt Animation findet man im Alltag fast überall. wir erleben bewegte Zeichen, Figuren und Symbole nicht nur in Form des klassischen Trickfilms in Kino und Fernsehen, sondern auch im Computerspiel, in Software-Anwendungen, als visuelle gebrauchsanleitung an Automaten oder auf dem Anzeigefeld unseres Mobiltelefons. Mit einfachen Materialien lassen sich auch im unterricht Trickfilm-ideen in bewegung setzen. Animation dient manchmal der reinen Unterhaltung, oft aber auch der Wissensvermittlung. Sie hilft uns, komplexe Aufgaben besser zu bewältigen, zum Beispiel durch Avatare oder Assistenten, leichter zu verstehen oder simuliert Ereignisse, die erst in Zukunft eintreten werden. Vor allem aber ist Animation ein Mittel kreativen und künstlerischen Ausdrucks, das prinzipiell jedem zugänglich ist. Sie kann im Unterricht oder Kurs mit technischen Werkzeugen wie Videokamera und PC realisiert werden, aber auch mit einfachsten Zeichen- und Bastelmaterialien. Die Faszination animierter Bilder liegt nicht im Aufwand und der Komplexität des Ergebnisses, sondern im direkten gewissermaßen eigenhändigen Erschaffen einer synthetischen Bewegung. Schließlich leitet sich Animation vom lateinischen animare ab, was soviel heißt wie etwas zum Leben erwecken. Das Prinzip der bewegten Bilder Film und Fernsehen basieren wie alle Bewegtbild-Medien darauf, dass das menschliche Gehirn eine rasche Abfolge von ähnlichen Bildern, in denen eine sukzessive Veränderung des Inhalts stattfindet, zu einer flüssigen Bewegung verbindet. Bei der Filmaufnahme werden in jeder Sekunde 24 Einzelbilder aufgezeichnet, eine Minute Film setzt sich also aus 1440 einzelnen Momentaufnahmen zusammen. Jedes Einzelbild kann man sich als eine Art Zeitscheibe vorstellen, die eine bestimmte Phase der gefilmten Bewegung enthält, man spricht daher auch von Phasenbildern. Bei der Vorführung muss der Bildwechsel so rasch ablaufen, dass unser Gehirn die Zeitlücken zwischen den einzelnen Bildern nicht mehr bewusst wahrnimmt dann verschmelzen die einzelnen Momentaufnahmen zu einer geschlossenen Bewegung. So entsteht die Illusion des bewegten Bildes auf der Kinoleinwand oder dem Bildschirm. Animation als synthetischer Film Normale Filmbilder entstehen in Echtzeit unmittelbar bei der Aufnahme, die Dauer des Vorgangs entspricht normalerweise der Aufzeichnungslänge. Bei der Animation findet die Aufnahme nicht in Realzeit statt, sondern Einzelbild für Einzelbild, wobei zwischen den Bildern das Aufnahmeobjekt verändert wird. Bei der Vorführung spielt es keine Rolle, ob die Aufnahme am Stück oder Bild für Bild stattfand, die 24 Bilder pro Sekunde laufen als flüssige Bewegung ab. Diese Illusion der lebenden Bilder entsteht nur dann, wenn die aufeinander folgenden Bilder ähnlich sind und Veränderungen nur allmählich von Bild zu Bild eintreten; wenn die Abfolge der Einzelbilder am gleichen Ort wahrgenommen wird; wenn der dargestellte Vorgang in genügend Bewegungsphasen zerlegt wurde; wie viele das sind, hängt von der Komplexität und Länge der Handlung ab. In der Praxis reichen auch weniger als 24 Bilder pro Sekunde, um Bewegung glaubhaft darzustellen. Man nimmt beim Trickfilm in der Regel jede Phase das kann eine Zeichnung oder die Po- 32 Praxis Schule

2 sition einer Trickpuppe sein zweimal auf, um Zeit zu sparen. Durch diesen Trick kommt man mit 12 statt 24 Bewegungsphasen für eine Sekunde Animation aus. Animation praktisch Rollkino Die einfachste Form der Animation ist das Rollkino: Man faltet ein Blatt Papier, legt es mit dem Knick nach oben vor sich und zeichnet auf die untere Lage zum Beispiel eine Figur mit offenen Augen. Dann klappt man das Oberteil über die Zeichnung und paust die Figur durch, allerdings mit einer kleinen Veränderung: Die Augen sind jetzt geschlossen. Wenn man nun die Oberseite rasch auf- und zuklappt, wechseln die beiden Phasenbilder sich ab, und es sieht so aus, als ob die gezeichnete Figur blinzele. Daumenkino Ähnlich funktioniert das Daumenkino, im Englischen auch flip book genannt, weil man es zum Betrachten über den Daumen abblättert. Man beginnt auf dem untersten Blatt, zeichnet ein leicht verändertes Bild auf die nächste Seite, und so geht es weiter, bis die Bewegung abgeschlossen (oder der Block voll) ist. Blättert man das Daumenkino nun rasch ab, so springt jeweils das nächste Bild auf die Position seines Vorgängers, und wir sehen eine bewegte Zeichnung. Das ist Trickfilm ganz ohne Kamera. Wundertrommel und Lebensrad Lange bevor Kinofilm und Fernsehen erfunden wurden, gab es die Wundertrommel (Zoëtrop) und das Lebensrad (Phenakistiskop), optische Spielzeuge, mittels derer zum ersten Mal die Illusion lebender Bilder gezeigt werden konnte. Dreharbeiten im trickfilmstudio Eine einfache Videokamera und ein PC, die miteinander verbunden werden, geeignete Animations-Software, ein Stativ und ein stabiler Arbeitstisch genügen schon, um ein einfaches Trickstudio einzurichten. Spezielle Animations-Software (als Freeware erhältlich) speichert bei jedem Mausklick oder Tastendruck ein Einzelbild. Nun wird das Aufnahmeobjekt weiterbewegt oder leicht verändert, und man nimmt das nächste Bild auf. Am Ende des Animationsprozesses wandelt das Programm die aufgenommenen Einzelbilder in eine Videodatei um, die am Bildschirm betrachtet oder auf DVD gebrannt werden kann. Der Legetrick Beim Legetrick nimmt die Kamera flache Vorlagen aus Papier, ausgeschnittene Fotos oder Serien von Zeichnungen von oben auf. Der Fantasie des Trickfilmers sind keine Grenze gesetzt: von Gummibärchen, ausgeschnittenen Fotos, Silhouettenfiguren, Schrauben, Münzen, Sand, über Muscheln und Wollfäden bis hin zu farbigem Kunststoffgranulat gibt es eigentlich nichts, was nicht animiert werden kann. Knetmasse eignet sich besonders gut, um ohne große Vorbereitungen die plastische Animation kennen zu lernen. Auch Spielzeuge wie Modelle oder Puppen bieten sich als Darsteller auf der Trickfilmbühne an. ideen in Bewegung Animation sollte nicht kompliziert sein einfache Formen und Objekte eignen sich am besten, denn es dauert ja einige Zeit, bis alle Aktionen Bild für Bild aufgenommen sind. Hinweise zu den Materialien Die Faszination selbst gemachter Animation liegt nicht im Aufwand vor der Kamera, sondern in der Erschaffung von Bewegung an sich. Wenn ein Stück farbiger Knete sich von selbst verwandelt oder wie eine Schlange davon kriecht, ist das als Ergebnis spannender als komplizierte Trickfiguren und detaillierte Kulissen. Darin besteht die eigentliche Magie des Mediums: Formen, Materialien und Strukturen werden mittels der Vorstellungskraft und der eigenen Hände zum filmischen Leben erweckt. AutorEn Daniela Dietrich leitet die Museumspädagogik des deutschen Filmmuseums in Frankfurt. Sie kuratierte die trickfilmbezogenen Ausstellungen Stop Motion (2005) und Ausgezeichnet! Oscars in Animation (2004). Außerdem hat sie zahlreiche Kurs- und workshop-angebote für die praktische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und erwachsenen entwickelt. Christian Appelt forscht zu verschiedenen bereichen der Filmtechnikgeschichte und schrieb beiträge zum Thema Animation und Spezialeffekte, z.b. in bugs bunny & Co. die Stars der warner bros. (1996), Stop Motion die fantastische welt des Trickfilms (2005) oder Film und Computer digital media visions (1998). Literatur KiT laybourne: The Animation book. A Complete guide to Animated Filmmaking, new york 1998 STOP MOTiOn die FAnTASTiSCHe welt des PuPPenTriCKFilMS Frankfurt 2005 Das beigefügte Arbeitsmaterial (M1 M4) erlaubt Versuche mit selbst gezeichneten Bildstreifen. Wichtig ist es, einen in sich geschlossenen Bewegungsablauf zu wählen, denn bei allen rotierenden optischen Spielzeugen wiederholen sich die Phasenbilder zyklisch. Ideal sind Objekte, die ihre Form verändern, etwa tanzende oder springende Figuren. Wichtig: Der Höhepunkt der Bewegung sollte in der Mitte des Streifens liegen, und die letzte Zeichnung muss logisch an die erste anknüpfen, damit bei der Wiedergabe kein Sprung entsteht. Links Kostenlose Animations- Software: TriCKFilM CAM (deutsch) Freeware-Programm für windows, das gut für erste Trickfilm-Versuche geeignet ist. download z.b. unter STOP MOTiOn AniMATOr (englisch) Freeware-Programm für windows, das einzelbildaufnahmen und erstellen von Animationsclips ermöglicht. download z.b. unter daumenkinodruckmaschine Freeware-Programm, das Videosequenzen als daumenkino ausdruckt. download z.b. unter MOnKey JAM (englisch) Freeware Programm für windows, das einzelbildaufnahmen und editieren der bildsequenzen erlaubt. download z.b. unter Websites zum thema Animation: (deutsch) com (englisch) MateriaLien Zu diesem Beitrag gehören folgende Materialien ( im Heft): trickfilm M 1 bastelanleitung wundertrommel M 2 Schablone Seitenteile M 3 bilderstreifen M 4 Schablone für bilderstreifen zum selber gestalten Praxis Schule

3 Bastelanleitung: Arbeitsmaterial Wundertrommel I M 1 Bastelanleitung Wundertrommel Material Stecknadel zwei kleine Unterlegscheiben Spraydosen-Deckel oder Kleinbild-Filmdose Klebstoff und Schere (wer möchte:) Buntstifte zum Ausmalen der Motive Anleitung Schneide zuerst die Seitenteile aus und fixiere sie an beiden Enden mit ein wenig Kleber auf schwarzen Fotokarton. Schneide dann die Teile an den durchgezogenen Linien aus. Vergiss nicht die Schlitze an den Seitenteilen, die sich am besten ausschneiden lassen, indem du sie einschneidest, nach hinten knickst und dann abschneidest. Dann knicke die Falze an der gestrichelten Linie nach innen, aber nicht die seitlichen n! Ziehe das Papier vorsichtig von der schwarzen Pappe ab. Jetzt klebe die Seitenteile der Trommel zu einem Zylinder (Kreis) zusammen. Zeichne mit einem Zirkel den Trommelboden auf die schwarze Pappe (Durchmesser = 13,6 cm) und schneide den Kreis aus. Bestreiche die nach innen geknickten Falze mit Klebstoff und setze den Trommelboden von oben hinein, der schwarze Karton zeigt nach unten. Steche die Nadel durch den Mittelpunkt des Trommelbodens in den Spraydosen-Deckel (oder die Filmdose) und lege die Unterlegscheiben zwischen den Boden und den Spraydosendeckel (oder die Filmdose). Nun musst du nur noch die Bilderstreifen ausschneiden und zu einem Band zusammenkleben. Die Bilder werden sich scheinbar bewegen, wenn du die Wundertrommel drehst und durch die Schlitze schaust. Siehst du nicht durch die Schlitze in die Trommel, wirst du auch keine bewegten Bilder erkennen können. Das Auge braucht nämlich für diese Illusion eine Unterbrechung zwischen den einzelnen Bildern. Bei der Wundertrommel wird diese Unterbrechung durch die Zacken am Rand der Trommel erreicht. Dadurch treffen die von den Bildern ausgehenden Lichtstrahlen nur durch die Schlitze dein Auge. In Deinem Gehirn, wo der im Auge beginnende Sehreiz ankommt, verschmelzen diese blitzschnell aufscheinenden Einzelbilder zu einem Bewegungseindruck (Stroboskop-Effekt). 34 Praxis Schule