dtv Fortsetzungsnummer David und Salomo Archäologen entschlüsseln einen Mythos von Israel Finkelstein, Neil A. Silberman, Rita Seuß

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1 dtv Fortsetzungsnummer David und Salomo Archäologen entschlüsseln einen Mythos von Israel Finkelstein, Neil A. Silberman, Rita Seuß 1. Auflage David und Salomo Finkelstein / Silberman / Seuß schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Frühchristliche, byzantinische Archäologie dtv München 2009 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN

2 Kolumnentitel 1 _

3 2 Kolumnentitel Während sich selbst kritische Bibelwissenschaftler bis heute an den Biographien Davids und Salomos abarbeiten, machen die Archäologen Finkelstein und Silberman auf erfrischende Weise Tabula rasa: Über die beiden»könige«wissen wir so gut wie nichts. Ein geeintes Königreich von Israel und Juda hat es nie gegeben. Wer waren in Wirklichkeit die mächtigen Herrscher, die in der Bibel beschrieben werden? Wer baute den Tempel? Archäologische und andere außerbiblische Zeugnisse geben Hinweise, wie nach und nach spätere Entwicklungen und Ereignisse Eroberungen, Tempelbauten, wirtschaftliche Blütezeiten mit David und Salomo verknüpft wurden. So machten der musikalische, Harfe spielende Gründer einer großen Dynastie und sein Sohn, der weise Erbauer des ersten Jerusalemer Tempels, auch noch als Verfasser von Psalmen, Liebesliedern und Weisheitsbüchern Karriere. In einem letzten Schritt zeigen die Autoren, wie David und Salomo zu messianischen Hoffnungsträgern, Vorläufern Jesu und idealen Herrschern stilisiert wurden. Der Mythos von David und Salomo erweist sich so als ein zentraler Schlüssel, um die wahre Geschichte des alten Israel, die Entstehung der Bibel und die Grundlagen der abendländischen Kultur zu verstehen. Israel Finkelstein, geboren 1949, ist Professor für Archäologie an der Universität Tel Aviv und Leiter eines Grabungsteams in Megiddo. Er gehört zu den führenden Archäologen in Israel. Neil A. Silberman, geboren 1950, ist Direktor des»ename Center for Public Archaeology and Heritage Presentation«in Belgien und Mitarbeiter internationaler Forschungsprojekte. Zahlreiche Veröffentlichungen. Bei dtv ist von Israel Finkelstein und Neil A. Silberman erschienen: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel (dtv 34151).

4 Kolumnentitel 3 Israel Finkelstein Neil Asher Silberman DAVID UND SALOMO Archäologen entschlüsseln einen Mythos Mit 17 Karten und Abbildungen Aus dem Englischen von Rita Seuß Deutscher Taschenbuch Verlag

5 4 Kolumnentitel Von Israel Finkelstein und Neil A. Silberman ist im Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen: Keine Posaunen vor Jericho (34151) Ungekürzte Ausgabe Mai 2009 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München der amerikanischen Originalausgabe: 2006 Israel Finkelstein und Neil Asher Silberman Titel der amerikanischen Originalausgabe: David and Solomon. In Search of the Bible s Sacred Kings and the Roots of the Western Tradition The Free Press, a division of Simon & Schuster, Inc. der deutschsprachigen Ausgabe: 2006 Verlag C. H. Beck ohg, München Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen Umschlagbild: Der ewige Vater mit Propheten und Sibyllen (Detail) von Pietro Perugino (bridgemanart.com/alinari) Satz: ottomedien, Darmstadt Druck und Bindung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany isbn

6 Kolumnentitel 5 Inhalt Prolog: Der Schafhirte mit der Steinschleuder Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition 12 Die biblische Geschichte in Kürze 13 Die einstigen und künftigen Könige des Abendlands 16 Anatomie eines biblischen Epos 19 Wann lebten David und Salomo? 23 Auf den Spuren Davids und Salomos 26 ERSTER TEIL Zurück zu den historischen Wurzeln 1. Banditengeschichten: Der Aufstieg Davids im Bergland von Juda (10. Jahrhundert v. Chr.) Leben an der Siedlungsgrenze 33 Der Wandel des Siedlungsmusters 36 In Abdi-Hepas Reich 39 Geächtete und Könige 42 War David ein Apiru? 44 Vom Banditen zum Stammesführer 48 Die Stratigraphie der Heldenerzählungen 50 Geschichten für kalte Winterabende Sauls Wahnsinn: Ägypten, die Philister und der Untergang des ältesten Israel (10. Jahrhundert v. Chr.) Wer, wann und wo? 59 Der Aufstieg des nördlichen Berglands 62 Ein rätselhafter Siedlungsrückgang 64 Die Rückkehr des Pharaos 65 Schischaks geheime Strategie 68 Warum bleibt Jerusalem unerwähnt? 72 Der vergessene Verrat 75 Heiliger oder Verräter? Mord, Wollust und Verrat: Davids Hof in Jerusalem (9. Jahrhundert v. Chr.) Fehlende Belege 86 Der erste israelitische Königshof 89 Der Aufstieg Judas 92 Umdeutung der Vergangenheit 96 Geographische Anhaltspunkte 100 Tod und Wiedergeburt der davidischen Dynastie 102

7 6 Inhalt ZWEITER TEIL Die Entstehung einer Legende 4. Tempel und Dynastie: Die Entstehung des ersten schriftlichen Epos (spätes 8. Jahrhundert v. Chr.) Die neue assyrische Ordnung 113 Eine wirtschaftliche und soziale Revolution 117 Eine Flüchtlingswelle 123 Ein Volk, ein Tempel 126 Die erste autorisierte Version 129 Hiskias Revolte 132 Sanheribs Rache Salomos Weisheit? Klientelkönigtum und Fernhandel (frühes 7. Jahrhundert v. Chr.) Wiederaufbau nach der Zerstörung 138 Hazor, Megiddo und Geser 142 Die Pferde des Königs 146 Karawanen, Kamele und die Königin von Saba 150 Wer erbaute den Tempel? 153 König Salomos Kupferminen 155 Die Entstehung des Mythos Salomo Der Kampf gegen Goliath: Das davidische Vermächtnis und die deuteronomistische Theologie (spätes 7. Jahrhundert v. Chr.) Die deuteronomistische Darstellung 162 Weltreiche in Auflösung 165 David und die Philister 168 Neue Gebietsansprüche 171 Wer tötete Goliath? 173 Homerische Schlacht und griechische Söldner 174 Die Eroberung Bethels 177 Ein neues Bild von David und Salomo 180 Das messianische Erbe 183 DRITTER TEIL Wie die Legende Geschichte machte 7. Schutzpatrone des Tempels: Von königlicher Propaganda zur religiösen Lichtgestalt (6. bis 4. Jahrhundert v. Chr.) Eine prophetische Erneuerung 190 Das Erlöschen des davidischen Königshauses 193 Von Königen zu Priestern 195 Das Geschichtsbild der Chronik 197 Noch einmal Samaria 200 David und Salomo als Theologen 204

8 Inhalt 7 8. Messianische Hoffnungen: Vom Judentum zum Christentum (2. Jahrhundert v. Chr. bis 5. Jahrhundert n. Chr.) Das Bild der Könige in hellenistischer Zeit 207 Messianische Hoffnungen 209 Austreibung der Dämonen 213 Propheten eines neuen Evangeliums 215 Rechtsgelehrte 218 David und Salomo als christliche Allegorien 219 Neue Davids und neue Salomos 220 Epilog: Machtvolle Symbole: David und Salomo in Mittelalter und Neuzeit ARCHÄOLOGISCHE EXKURSE 1. Hat David je existiert? Die Minimalisten und die Tell-Dan-Inschrift Die Suche nach dem Jerusalem Davids und Salomos Salomos sagenhaftes Königreich: Ausgrabungen in Megiddo, Hazor und Geser Salomo und die Kupferminen: Ein Beleg für die wirtschaftliche Blüte des vereinigten Königreichs? Der Abbau der Kultstätten: Die Zentralisierung des Kults unter Hiskia Tyrannen, Städtebündnisse und Söldnertruppen: Weitere Spuren der griechischen Kultur des 7. Jahrhunderts v. Chr. in den biblischen Geschichten über die Philister Deportierte, Heimkehrer und die Grenzen Jehuds: Die Archäologie der exilischen und der nachexilischen Zeit 255 ANHANG Dank Chronologische Übersicht Literaturhinweise Register

9 8 Kolumnentitel

10 Kolumnentitel 9 PROLOG Der Schafhirte mit der Steinschleuder Das kleine, abgelegene Ela-Tal im südwestlichen Hügelland Israels, das Terebinthental der Bibel, ist ein Ort einzigartiger biblischer Erinnerung. 1 Sam 17 zufolge war diese schroffe und baumlose, weite Hügellandschaft Schauplatz einer dramatischen Auseinandersetzung, die in der Erinnerung der westlichen Welt bis heute lebendig geblieben ist. In der Abgeschiedenheit jenes Tals kann man sich die heroische Szene auch heute noch lebhaft vorstellen. Hier stand die geballte Streitmacht der Philister, schwerbewaffnet, siegessicher und kampfbereit, einer Freiwilligentruppe israelitischer Bauern gegenüber, die aus ihren Dörfern und Schafpferchen eilig zusammengezogen worden waren, entschlossen, das Land, das sie bewohnten, und ihren Glauben zu verteidigen. Aus den Reihen der Philister trat der furchterregende Riese Goliath. Mit Schwert, Wurfspieß und schwerer Lanze bewaffnet, mit einem Schuppenpanzer bekleidet und einem Bronzehelm auf dem Kopf, verspottete er seine leichtbewaffneten israelitischen Gegner und forderte sie auf, einen unter ihnen für einen Zweikampf auszuwählen. «Vermag er gegen mich zu kämpfen und erschlägt er mich», donnerte er, «so wollen wir eure Knechte sein; vermag ich aber über ihn zu siegen und erschlage ich ihn, so sollt ihr unsere Knechte sein und uns dienen.» Vierzig Tage lang trat der Riese vor und wiederholte seine Forderung. Die Israeliten «entsetzten sich und fürchteten sich sehr», keiner wagte es, sich ihm zu stellen. Doch dann trat der gutaussehende junge Schafhirte David auf den Plan. Er war von seinem Vater geschickt, seinen drei älteren Brüdern Proviant zu bringen, und bot sich als Retter an. Mit nichts als einem Hirtenstab und einer Tasche mit Schleudersteinen stellte er sich dem gewaltigen Goliath entgegen. Der hochmütige Philister lachte höhnisch über seinen schwächlichen Widersacher, aber David ließ sich nicht beirren und rief kühn: «Du kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Spieß, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn Zebaoth, des Gottes des Heeres Israels, den du verhöhnt hast.»

11 10 Prolog: Der Schafhirte mit der Steinschleuder Dann holte er einen kleinen Stein aus seiner Hirtentasche, schleuderte ihn und traf den Philister an der Stirn. Mit einem dumpfen Schlag sank Goliath zu Boden. Als die Philister sahen, daß ihr unbesiegbarer Held von einem Hirtenknaben getötet worden war, flohen sie in panischem Schrecken. David nahm Goliaths Schwert und hieb dem Riesen den Kopf ab eine Trophäe für Israels großen Sieg. Die Männer Israels und Judas «erhoben das Kampfgeschrei» und jagten den Philistern nach bis an die Grenze ihres eigenen Landes. Die Bedrohung der Unabhängigkeit Israels war mit einem vernichtenden Schlag abgewehrt. Davids von Gott gelenkter Aufstieg zum Verteidiger, Führer und schließlich König ganz Israels hatte begonnen. Davids Sieg über Goliath ist eine der einprägsamsten biblischen Geschichten, doch es drängen sich sofort verschiedene Fragen auf. Hat sie sich wirklich zugetragen? Können wir sie als historisch verläßlich betrachten? Wurde sie zu Lebzeiten Davids schriftlich festgehalten oder erst viele Jahre später? Gibt es eine Möglichkeit herauszufinden, wann genau sie niedergeschrieben wurde? Enthält sie uralte Schichten der Überlieferung? Warum schreibt die Bibel in einem oft übersehenen Abschnitt die Tötung Goliaths einem anderen Helden zu? Warum gleichen sie so verblüffend den homerischen Beschreibungen der legendären Zweikämpfe griechischer und trojanischer Helden? Ist es nur eine erfundene Geschichte? Gibt es versteckte Hinweise auf die Umstände und Beweggründe, die zu ihrer Abfassung führten? Worin liegt ihre Bedeutung im größeren Kontext der jüdisch-christlichen Theologie? Das vorliegende Buch versucht, alle diese Fragen zu beantworten nicht nur im Hinblick auf den Kampf zwischen David und Goliath, sondern im Hinblick auf die gesamte Lebensgeschichte Davids und seines Sohnes Salomo und ihres sagenhaften Aufstiegs zur Macht. Denn die biblische Erzählung von David und Salomo wurde über Jahrhunderte hinweg als ein Lehrstück für den Mut, das Gottvertrauen und die Weisheit betrachtet, die ein Volk aus der Unterdrückung befreien und ihm Unabhängigkeit und Wohlstand schenken Ziele, nach denen jedes Volk und jede gerechte politische Führung strebt. Die Geschichte von der Gründung eines mächtigen und prosperierenden vereinigten Königreichs Israel gestaltet ein Herrschaftsmodell, das sich der jüdischchristlichen Tradition und all jenen Gesellschaften eingeprägt hat, die ihre Legitimität aus diesem Modell bezogen. Eine Untersuchung der biblischen Saga hat daher einen doppelten Wert. Sie kann die Entste-

12 Prolog: Der Schafhirte mit der Steinschleuder 11 hungsgeschichte der Hebräischen Bibel (und die Verwendung ihrer Bilder und Motive im Neuen Testament) über einen Zeitraum von fast tausend Jahren hinweg nachzeichnen. Und sie kann erklären, warum das Bild Davids und Salomos in der westlichen Gedankenwelt bis heute so fest verankert ist, indem sie die historischen Gründe für die inhaltliche Ausgestaltung dieses biblischen Stoffes offenlegt. Ziel des vorliegenden Buches ist ein neuer Blick auf die Geschichte Davids und Salomos unter Berücksichtigung der zahlreichen neuen archäologischen Erkenntnisse über den Werdegang der altisraelitischen Gesellschaft, in der die biblische Erzählung entstand. Wir werden versuchen, die historischen Ereignisse vom Mythos, authentische Erinnerungen von späteren Hinzufügungen, die Fakten von königlicher Propaganda zu trennen und die Geschichte Davids und Salomos von ihren Ursprüngen bis zu ihrer endgültigen biblischen Form nachzuzeichnen. Auf den Spuren Davids und Salomos eröffnet sich ein faszinierendes Spannungsfeld zwischen historischen Fakten und sanktionierter Überlieferung, zwischen dem historischen Juda der Eisenzeit und der im Westen bis heute lebendigen Legende von den biblischen Königen des alten Israel.

13 12 Kolumnentitel EINLEITUNG David, Salomo und die abendländische Tradition Die in den Himmel strebenden Kathedralen und vornehmen Paläste des europäischen Mittelalters, die feierlichen Säle in den großen Kunstmuseen der Welt, die Predigtkanzeln in der amerikanischen Provinz und die glanzvollen Hollywood-Epen all dies belegt, daß die Geschichte von den altisraelitischen biblischen Königen David und Salomo zum bleibenden Erbe der westlichen Zivilisation geworden ist. David, der Hirtenknabe, Krieger und gottbefohlene König, und sein Sohn Salomo, der große Bauherr, weise Richter und friedliche Herrscher eines großen Reiches, wurden zu zeitlosen Vorbildern einer gerechten, von Gott sanktionierten Herrschaft. Sie prägten das westliche Bild des Königtums und dienten als Vorbild herrscherlicher Frömmigkeit, messianischer Heilserwartung und nationaler Bestimmung. Dank archäologischer Forschungen können wir heute erstmals die Grundelemente des biblischen Erzählstoffs genauer untersuchen und über Ort und Zeit ihrer Entstehung Aufschluß gewinnen. Das Ergebnis mag überraschen. Schließlich haben die archäologischen Entdeckungen der vergangenen Jahrzehnte deutlich gemacht, wie sehr sich die glanzvollen biblischen Porträts von der Lebenswirklichkeit Davids und Salomos unterscheiden. Die Legende ist jedoch keineswegs nur eine romantische Fiktion. Vielmehr wurden Personen und Ereignisse ausgehend von einem Kern authentischer Erinnerungen im Laufe der Jahrhunderte zu einem vielschichtigen und überzeitlichen literarischen Werk ausgestaltet. Mit ihren einprägsamen Bildern und dramatischen Szenen Davids Kampf gegen Goliath, sein Aufstieg vom Outlaw und Geächteten zum König, die Pracht am Hofe Salomos übermittelt diese Legende eine universelle Botschaft nationaler Unabhängigkeit und transzendenter religiöser Werte, die sich Menschen auf der ganzen Welt zu eigen machten. Wie wir jedoch sehen werden, führen die archäologischen und historischen Spuren in ein kleines eisenzeitliches Königreich, das sich aus einer bescheidenen Dorfgemeinschaft zu einem komplexen Gemeinwesen entwickelte.

14 Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition 13 Die biblische Geschichte in Kürze Die sehr ausführliche Fassung der Geschichte von David und Salomo, wie sie in den Büchern Samuel und im ersten Buch der Könige niedergelegt ist, erzählt vom Unabhängigkeitskampf des Volkes Israel und von einer Zeit beispiellosen Wohlstands. In ihren Dörfern im Bergland waren die Menschen den Angriffen und der Unterdrückung durch die Philister aus dem Tiefland ausgesetzt, die als brutale Eroberer auftraten. Daher verlangten die Ältesten Israels nach einem aus ihren Reihen, der sie schützen konnte. Bis dahin waren die einzelnen Stämme der Israeliten von geisterfüllten «Richtern» regiert worden. In dieser kriegerischen, gefahrvollen Zeit nun salbte der ehrwürdige Prophet Samuel auf Gottes Befehl und gegen die eigene Überzeugung einen trefflichen jungen Mann aus dem Stamm Benjamin zum ersten König über ganz Israel. Saul war zwar ein wagemutiger Heerführer, aber auch ein labiler Charakter; gepeinigt von tiefer Depression und Ausbrüchen ungestümer Gewalt, verstieß er wiederholt gegen das religiöse Gesetz. Gottes zweite Wahl fiel daher insgeheim auf David, den Sohn Isais, einen jungen Schafhirten aus Juda, den man an den Königshof geholt hatte, damit er Saul mit dem Spiel seiner Harfe besänftige und von seiner Melancholie befreie. Noch während Sauls Herrschaft beginnt Davids ruhmreicher Aufstieg. In der Schlacht gegen die militärische Übermacht der Philister tötet er den Riesen Goliath, erwirbt sich damit die Anerkennung des Volkes und zieht sich den Zorn König Sauls zu. Auf einer verzweifelten Flucht vor Sauls tödlicher Eifersucht in die Wüste stellt David seine Führungsqualitäten, seine Tapferkeit und Tüchtigkeit erneut unter Beweis. Als Anführer einer marodierenden Bande tapferer Männer sorgt er für gerechte Bestrafungen, wehrt feindliche Angriffe ab, vollzieht Gottes Rache und verteilt die gewonnene Beute an die Armen und Unterdrückten. Als Saul auf dem Schlachtfeld den Tod findet, wird David zum König von Juda und schließlich zum König über ganz Israel ausgerufen, zum wahren Gesalbten Gottes oder «Messias». Es ist die klassische Geschichte vom Aufstieg eines jugendlichen Helden, eines außerordentlich charismatischen Kriegers im Kampf für den wahren Glauben, der an die Stelle des gescheiterten Anführers tritt und die Hoffnungen und Träume seines Volkes verkörpert. Davids Großtaten als König von Israel dienten über Jahrhunderte

15 14 Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition hinweg als Urbild für den Traum von territorialer Expansion und göttlicher Erwählung. In Erfüllung von Gottes Verheißung, Israel zu einem großen Volk zu machen, erobert David Jerusalem, das er zu seiner Haupt- und Residenzstadt bestimmt; hier gibt er der Bundeslade, die das Volk Israel auf seinen langen Wanderungen begleitet hat, einen dauerhaften Ehrenplatz. Er vernichtet mit seiner Streitmacht alle Feinde Israels und gründet ein großes Reich, das sich vom Euphrat bis an die Grenze Ägyptens erstreckt. Als David stirbt, wird sein Sohn Salomo König, dessen Mutter die schöne Bathseba ist. Salomo regiert in Weisheit und begründet eine Zeit des Friedens und Wohlstands: eine bewegende Geschichte von der Macht und Gottesgunst eines Volks, dessen Herrscher von Gott auserwählt waren. Salomo baut in Jerusalem einen prachtvollen Tempel und regiert gerecht und weise über einen ausgebildeten Beamtenapparat, ein starkes Heer und ein großes Volk. Aufgrund seiner weitreichenden Beziehungen, seiner Handelskontakte und seines diplomatischen Geschicks gilt Salomo als der reichste und weiseste König aller Zeiten. Er heiratet eine Pharaonentochter und gewinnt Ruhm und Ansehen als kluger Richter, Verfasser von Sprichwörtern und Weltweiser, der naturgeschichtliche Kenntnisse über Bäume, Vögel, Reptilien und Fische besitzt. Als die Königin von Saba aus ihrem fernen Königreich in Arabien nach Jerusalem reist, um ihn kennenzulernen, «redete sie mit ihm alles, was sie sich vorgenommen hatte. Und Salomo gab ihr Antwort auf alles, und es war dem König nichts verborgen, was er ihr nicht hätte sagen können» (1 Kön 10,3). Salomo ist das Idealbild eines Königs, der Weisheit, Reichtum und Macht in sich vereint. Tatsächlich ist Salomos Herrschaft in Jerusalem eine Zeit, in der die göttliche Verheißung zu ihrer greifbarsten Erfüllung gelangt und dem Volk Israel Wohlstand, Gelehrsamkeit und Macht zuteil wird. Salomos Regierungszeit ist seither in wehmütiger Erinnerung als das Goldene Zeitalter, in dem sich die geistliche und materielle Verheißung erfüllt hatte und dessen Wiederkehr man erhofft. Doch in der Bibel haben David und Salomo auch menschliche Schwächen, die so schwer wiegen wie ihre von Gott geschenkten Gaben. Vor Saul auf der Flucht, tut sich David mit den feindlichen Philistern zusammen und untergräbt mit seiner großen Popularität Sauls Autorität. Unmittelbar nach Sauls Tod bestreitet David wenig überzeugend die Verantwortung für die Ermordung von Sauls engsten Anhängern und Nachkommen. Seine Ehe mit der schönen Bathseba ist die

16 Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition 15 Folge von Verführung und Ehebruch und eines eiskalten Manövers, das Bathsebas Gatten Uria dem Tod auf dem Schlachtfeld überantwortet. Später erweist sich David als unfähig, die gewalttätige Rivalität seiner Söhne Amnon und Absalom zu verhindern. Als Absalom versucht, David zu stürzen, zeigt sich der alternde König angreifbar und unsicher. Er weint, als er von Absaloms Hinrichtung erfährt: «Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!» (2 Sam 18,33) Zu unterschiedlichen Zeiten in seinem Leben ist David ein skrupelloser Führer, ein unersättlicher Liebhaber und ein zaudernder, von Kummer erfüllter Vater. Mit anderen Worten, er ist zutiefst menschlich, verstrickt in Schicksal und Schuld. In ähnlicher Weise besitzt auch der biblische Salomo eine dunkle, schwache Seite. Salomo zerstört am Ende seinen Ruf als gottesfürchtiger Erbauer des Tempels, als er den Verlockungen durch fremdländische Frauen und Götter erliegt. Er nimmt Frauen der Moabiter, Ammoniter, Edomiter, Hethiter und Sidonier in seinen Harem auf, die die heilige Stadt zur Götzenanbetung verführen. Da wird Gott zornig. Ehemals besiegte Völker erheben sich zum Aufstand. Nach Salomos Tod spalten sich die zehn nördlichen Stämme Israels ab und gründen ein eigenes Königreich. Es ist ein eindrucksvolles Lehrstück darüber, wie die religiöse Untreue eines dem Luxus verfallenen Herrschers ein Goldenes Zeitalter zerstören kann. Doch Gott hatte David das ewige und bedingungslose Versprechen gegeben: «Dein Haus und dein Königtum sollen beständig sein in Ewigkeit vor mir und dein Thron soll ewiglich bestehen» (2 Sam 7,16). Trotz Salomos moralischer Verfehlungen und des Zerfalls seines großen Reichs verspricht Gott dem Volk Israel, den Nachkommen Davids die ewige Treue zu bewahren; eines Tages werde die Demütigung ein Ende haben (1 Kön 11,39). Welche größere Sicherheit konnte es für ein Volk geben als das Versprechen, trotz der menschlichen Fehler und Schwächen seines Herrschers in Wohlstand und Sicherheit leben zu können? Die biblischen Porträts von David und Salomo sind überdimensional und eindrucksvoll, in kräftigen Farben gemalt. Sie zeigen Menschen voller Widersprüche und religiöser Verfehlungen. Doch Gottes Versprechen, David und alle seine Nachkommen auf ewig zu schützen, vermittelt die Hoffnung, eines Tages werde ein neuer David oder ein neuer Salomo kommen und das Volk Israel in ein zweites, noch glanzvolleres Goldenes Zeitalter führen.

17 16 Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition Die einstigen und künftigen Könige des Abendlands Aus altisraelitischer Sicht waren David und Salomo lokale Gründerväter. In der jüdisch-christlichen Tradition, die sich im Lauf der Jahrhunderte entwickelte und erweiterte, verkörperten sie weit mehr. Eingebettet in den biblischen Kanon und die jüdisch-christlichen Überlieferungen, werden sie als die größten Führer des von Gott auserwählten Königreichs Israel verehrt, als geistige Ahnherren von Fürsten, Königen und Potentaten in der ganzen westlichen Welt. Nach der Zerstörung des eisenzeitlichen Königreichs Juda im Jahr 586 v. Chr. wurde der legendäre Ruhm Davids und Salomos in beispielloser Weise gehegt und gepflegt. Der große Patriarch Abraham ruhte friedlich in seinem Grab in Hebron. Der große Gesetzgeber Mose kehrte nie wieder zurück. David und Salomo jedoch waren die Empfänger einer göttlichen Verheißung, die dem Volk Israel das Überleben und letztlich Erlösung versprach. Der Stammbaum Davids, Sohn des Isai, war ein Versprechen für die Zukunft, wie bitter die Gegenwart auch immer sein mochte. Wie es im Buch Jesaja heißt: Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des Herrn. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften. (Jes 11,1 5) Über Jahrhunderte hinweg waren die jüdischen Heilserwartungen von dieser Hoffnung getragen. Doch nicht nur die jüdischen. Als die hebräischen heiligen Schriften in Form des Alten Testaments vom Christentum übernommen wurden, bildeten David und Salomo die Grund-

18 Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition 17 elemente eines neuen metaphysischen Entwurfs. Nach christlichem Verständnis übernahm Jesus und durch ihn die christlichen Könige die messianische Verheißung, die David von Gott empfangen hatte. In der islamischen Tradition erhielten Dâwûd und Süleyman einen Platz als große Könige und weise Richter, die Allahs Willen ausführten. Die Legende von David und Salomo wurde damit zu einem zentralen Gleichnis des Königtums und der göttlichen Gunst in der Wüste Arabiens ebenso wie an den regnerischen Küsten Skandinaviens und der Britischen Inseln. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese biblischen Szenen, Symbole und Bilder auch in Werken der bildenden Kunst gestaltet: der judäische Hirtenknabe, der, eine Tasche mit Schleudersteinen umgehängt, über den toten Goliath triumphiert; der junge Mann mit der Harfe, der böse Geister zu bannen vermag; der lüsterne König, der der Frau eines anderen nachstellt und den Tod ihres Mannes herbeiführt; und der weise Königssohn und Nachfolger Davids, der die exotische Königin von Saba mit großem Pomp bei sich empfängt und der in unermeßlichem Glanz und Reichtum regiert. Die Schilderung von Davids und Salomos göttlicher Salbung, majestätischer Herrschaft und imperialer Machtfülle bringen eine universale Sicht der göttlichen Führung und der nationalen Bestimmung zum Ausdruck. Die biblischen Erzählungen von David und Salomo lieferten symbolische Grundelemente, die sich zahlreiche spätere regionale und überregionale Herrscher zu eigen machten. Der römische Kaiser Konstantin gerierte sich nach dem Antritt seiner Herrschaft über ein christianisiertes Römisches Reich als ein neuer Salomo. Justinian brüstete sich, mit dem Bau der gewaltigen Hagia Sophia in Konstantinopel Salomo noch übertroffen zu haben. Der Frankenkönig Chlodwig verkörperte eine bäuerlich-schlichtere Variante Davids. Karl der Große, am Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt, stilisierte sich als neuer David und Schöpfer eines geeinten monarchischen Europas, das nicht biblische Legende, sondern mittelalterliche Wirklichkeit werden sollte. Viele andere französische, deutsche und englische Herrscher der nachfolgenden Jahrhunderte eiferten dem Beispiel König Davids nach. Die Wurzel Jesse ist ein Bildmotiv, das die Fassaden der großen europäischen Kathedralen des 13. Jahrhunderts schmückte, um den Gläubigen die unverbrüchliche Kontinuität des Stammbaums Davids vor Augen zu führen. Aus dem ruhenden Jesse (Davids Vater Isai) ver-

19 18 Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition zweigten sich geschnitzt oder in Stein gemeißelt, gemalt oder als Buntglasfenster die Äste eines Baums in organischer, von Gott beglaubigter Herrschaftsfolge: von David mit der Harfe und Salomo mit der Krone über die späteren Könige Judas bis hin zu Jesus, den Heiligen und den gekrönten Häuptern des Mittelalters. In ähnlicher Weise pflegte der große osmanische Eroberer und Gesetzgeber Sultan Süleyman «der Prächtige» das Image eines zweiten Salomo, um seine politische und religiöse Autorität zu beglaubigen. Mit ihren Skulpturen verschafften die Bildhauer der Renaissance, allen voran Michelangelo, Donatello und Verrocchio, David als der Personifikation souveränen Handelns und des vertrauensvollen Bewußtseins von der eigenen schicksalhaften Bestimmung universelle Geltung. Die Gemälde Rembrandts im goldenen Zeitalter der niederländischen Malerei, die Dichtung John Drydens in England nach der Cromwell-Ära und die Schlachtengesänge der frühen amerikanischen Kolonisten setzten neue Akzente: David wurde hier zum Vorbild derer, die wahnsinnige Sauls vom Thron stürzen und auftrumpfende Goliaths zu Fall bringen. Neue Absaloms wurden für ihre treulose Rebellion verurteilt und betrauert, und neue Salomos herrschten über große Reiche. Die altisraelitischen Könige David und Salomo waren jetzt nicht mehr nur Heroen aus ferner biblischer Zeit oder mythische Vorläufer des menschgewordenen Christus. Sie dienten als Rollenvorbilder, denen die weltlichen Herrscher neuer «biblischer» Völker nacheiferten. Noch heute, da im Westen vom Königtum lediglich noch das zeremonielle Gepränge geblieben ist, bleibt die Faszinationskraft Davids und Salomos ungebrochen. Ob sie als historische Gestalten angesehen oder wegen ihrer mythischen Größe bewundert werden, ihre Geschichte die Geschichte von den Gründerkönigen eines geeinten Israel ist ein wichtiger Bestandteil der abendländischen Kultur. So lückenhaft die Bibelkenntnis der meisten Menschen heute auch ist, sie wissen genau, was mit dem «Kampf Davids gegen Goliath» oder mit einem «salomonischen Urteil» gemeint ist. Mit anderen Worten: Ohne David und Goliath wäre unsere Welt eine andere. Die biblischen Geschichten über David und Salomo sind im Westen Herrschaftsmodell und Urbild königlicher Machtfülle, von dem wir, sei es bewußt oder unbewußt, alle beeinflußt sind.

20 Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition 19 Anatomie eines biblischen Epos Um zu verstehen, wie sich dieser Archetyp entwickeln konnte, gilt es zunächst, seine schriftliche Quelle zu untersuchen, die Bibel. Bevor wir uns der Archäologie zuwenden, müssen wir uns mit der Frage befassen, wann und warum die Bibel geschrieben wurde. Für die moderne Bibelwissenschaft sind Leben und Wirken Davids und Salomos in genau bestimmbaren literarischen Textbausteinen niedergelegt, die anhand stilistischer, begrifflicher und sprachlicher Merkmale datiert werden können. Durch inhaltliche Analyse der einzelnen Abschnitte der Hebräischen Bibel kamen viele Exegeten zu der Erkenntnis, daß die Erzählung von David und Salomo in den beiden Büchern Samuel und im ersten Buch der Könige Teil eines eigenständigen und in sich geschlossenen literarischen Werks ist, des sogenannten Deuteronomistischen Geschichtswerks mit den Büchern Josua, Richter 1 und 2, Samuel sowie Könige 1 und 2. Dieses Werk, auf das wir im folgenden immer wieder Bezug nehmen, ist die wichtigste biblische Quelle zur Geschichte Israels. Es erzählt von den unruhigen, wundermächtigen und denkwürdigen Ereignissen von der Durchquerung des Jordans, der Eroberung Kanaans und der Gründung der israelitischen Königreiche bis zur tragischen Zerstörung Jerusalems und zum Babylonischen Exil. Die Bezeichnung «Deuteronomistisches Geschichtswerk» verweist auf die zahlreichen theologischen und sprachlichen Gemeinsamkeiten mit dem letzten der Fünf Bücher Mose, dem Buch Deuteronomium. Von allen Büchern der Tora enthält nur das Deuteronomium die strenge Verpflichtung des Volkes Israel zur ausschließlichen Verehrung seines Gottes und detaillierte gesetzliche Bestimmungen kultische Anweisungen ebenso wie Speisevorschriften und Regelungen zu Geldverleih und Ehescheidung. Diese Gesetze werden unmißverständlich als göttliche Gebote übermittelt: Gehorcht ihnen das Volk Israel, wird Gottes Segen mit ihm sein, es wird wachsen und gedeihen; mißachtet es sie, wird es dafür teuer bezahlen. Während also das Deuteronomium die gesetzlichen Bestimmungen darlegt, erzählt das Deuteronomistische Geschichtswerk in aller Ausführlichkeit vom göttlichen Wirken in der Menschheitsgeschichte. Es beschreibt nicht nur Ereignisse und Akteure der Bibel, sondern macht durch sie verständlich, warum die Eroberung des verheißenen Landes mit solcher Gewalt geschah und

21 20 Einleitung: David, Salomo und die abendländische Tradition warum die Israeliten unter ihren heidnischen Nachbarn zu leiden hatten. Und es erklärt Triumph und Scheitern der Könige David und Salomo, ihrer Nachfahren und des ganzen Volks Israel als Folge der Treue oder Untreue gegenüber den im Deuteronomium niedergelegten Geboten. Nach Ansicht vieler Bibelwissenschaftler entstand das Deuteronomistische Geschichtswerk in der uns heute vorliegenden Form im ausgehenden 7. Jahrhundert v. Chr. während der Regierungszeit König Josias von Juda ( v. Chr.), also rund dreihundert Jahre nach David und Salomo.* Das heißt jedoch nicht, daß das Deuteronomistische Geschichtswerk in seiner heutigen Gestalt eine völlig neue oder völlig frei erfundene Komposition ist. Trotz seiner kompromißlosen und eindeutigen theologischen Botschaft ist es ein literarischer Flickenteppich. Es ist das Ergebnis der Überarbeitung älterer Texte, nicht das zu einem bestimmten Zeitpunkt entstandene Originalwerk eines einzelnen Verfassers oder einer Autorengruppe. Der Text enthält eklatante Widersprüche und Brüche, einzelne poetische Stücke, Zitate aus anderen Werken, geographische Listen, all das immer wieder von langen erzählerischen Passagen unterbrochen. Im Gesamtzusammenhang des Deuteronomistischen Geschichtswerks ist die Erzählung von David und Salomo (in den beiden Büchern Samuel und den ersten elf Kapiteln des ersten Buchs der Könige) selbst wiederum eine Sammlung älterer Quellen. Verbunden und oft auch unterbrochen durch poetische Passagen, lange Namenslisten, Abrisse heldenhafter Geschichten, ausführliche geographische Beschreibungen und Angaben zur Verwaltungspraxis, gibt es drei längere Abschnitte, die in chronologischer Reihenfolge die wichtigsten Ereignisse im Leben Davids und Salomos erzählen. Diese vermutlich frühen Texte werden in der Forschung als «Die Geschichte von Davids Aufstieg» (1 Sam 16,14 2 Sam 5), «Die Geschichte von der Thronfolge Davids» (2 Sam 9 20 und 1 Kön 1 2) und «Die Geschichte Salomos» (1 Kön 3 11) bezeichnet. «Die Geschichte von Davids Aufstieg» erzählt von der Salbung des jungen Schafhirten David in Bethlehem, von seiner Ankunft an Sauls Königshof, seinem Kampf mit Goliath, seiner Flucht vor Sauls Nachstellungen, seinen Abenteuern als Anführer einer Bande von Flüchtigen und Söldnern, von Sauls Tod und Davids Nachfolge auf dem Thron * Zur Entstehung des Deuteronomistischen Geschichtswerks siehe Kapitel 6.