Seite 1. LAG Schleswig-Holstein Sa 278/09 - Urteil Volltext-ID: 3K20960

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1 Seite 1 LAG Schleswig-Holstein Sa 278/09 - Urteil Volltext-ID: 3K20960 Vorinstanzen Vorinstanz: ArbG Lübeck Ca 486/09 Normenkette des Gerichts Keine Normenkette des Gerichts vorhanden. Stichworte des Gerichts Keine Stichworte des Gerichts vorhanden. Leitsätze des Gerichts Keine Leitsätze des Gerichts vorhanden. Orientierungssätze des Gerichts Keine Orientierungssätze des Gerichts vorhanden.

2 Seite 2 Volltext Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil Im Namen des Volkes In dem Rechtsstreit hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin als Beisitzerin für Recht erkannt: Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom Ca 486/09 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Beklagten vom Die Klägerin ist am 1986 geboren und wurde am bei dem Beklagten als Inhaber des Hotels H. H. als Leiterin des Spa- und Wellness-Bereichs eingestellt. Es war eine Probezeit von drei Monaten bis zum vereinbart worden. Die Klägerin erhielt 2 100, EUR brutto monatlich. Im Übrigen findet auf das Arbeitsverhältnis der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Schleswig-Holstein Anwendung. Im Betrieb des Beklagten existiert ein Betriebsrat. Er wurde vor Ausspruch der fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung vom gehört und hat ihr widersprochen (Blatt 11 d. A.). Es existiert ein Schriftstück/eine Vereinbarung mit Datum vom , das die Unterschriften beider Parteien trägt (Anlage K 2, Blatt 7 d. A., Blatt 46 d. A., Original im Aktendeckel). Danach wird das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Beklagten zum beendet, die Klägerin ab dem bei Fortzahlung der Vergütung unter Anrechnung auf Urlaub und Überstunden freigestellt und der Klägerin ermöglicht, an den von ihr geplanten Schulungen im Monat Februar noch teilzunehmen. Ferner wird ihr ein sehr gutes Zeugnis zugesichert. Der Text dieser Vereinbarung ist unstreitig von der Klägerin aufgesetzt worden. Ob der Beklagte ihn inhaltlich zur Kenntnis und wissentlich unterschrieben hat, ist ebenso streitig, wie die Frage, ob die Unterschrift des Beklagten gefälscht wurde oder ihm das Schreiben zur Unterschrift untergeschoben wurde. Am , der Beklagte befand sich in B, teilte die Klägerin im Hotel den Inhalt der o. g. Vereinbarung mit und wies u. a. darauf hin, dass sie ab freigestellt sei. Hierüber informierte die Beschäftigte Frau J. den Beklagten am Am hatte die Klägerin frei. An diesem Tag hörte der Beklagte den Betriebsrat zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung an (Anlage B 4, Blatt 51 f d. A.). Ab war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am sprach der Beklagtenvertreter die erste fristlose Kündigung aus, erklärte die Anfechtung der Vereinbarung und erteilte der Klägerin Hausverbot. Am widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung. Mit Datum vom wurde wegen möglicher formeller Mängel vorsorglich nochmals die fristlose hilfsweise fristgemäße Kündigung ausgesprochen (Anlage K 5, Blatt 12 d. A.). Ein Anhörungsgespräch ist mit der Klägerin vorher nicht geführt worden. Gegen beide Kündigungen hat die Klägerin rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und gleichzeitig die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Vereinbarung vom bis zum begehrt. Der Beklagte hat widerklagend diverse Ansprüche geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung vom wegen fehlender Betriebsratsanhörung für unwirksam erklärt. Die Kündigung vom habe hingegen das Arbeitsverhältnis nicht außerordentlich, jedoch ordentlich mit Wirkung zum beendet. Für die außerordentliche Kündigung vom liege kein wichtiger Grund vor. Der Beklagte habe der Klägerin nicht nachweisen können, dass die Vereinbarung vom gefälscht sei. Eine außerordentliche Verdachtskündigung sei wegen fehlender vorheriger Anhörung der Klägerin ebenfalls unwirksam. Die hilfsweise fristgemäße Kündigung sei jedoch zum wirksam, da hierfür mangels

3 Seite 3 Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes kein Kündigungsgrund erforderlich sei. Darüber hinaus habe das Arbeitsverhältnis jedoch nicht bis zum fortbestanden. Die sich für die Vertragsurkunde vom aus ergebende Anscheinsvermutung sei schon angesichts der äußeren Gestaltung des Textes erschüttert. Die Klägerin sei insoweit darlegungs- und beweisfällig geblieben. Die Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom verwiesen. Gegen dieses dem Beklagten am zugestellte Urteil hat er rechtzeitig Berufung eingelegt und begründet. Die Berufung bezieht sich jedoch nur noch auf die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom Die Klägerin ihrerseits hat keine Berufung eingelegt. Der Beklagte ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er trägt vor, bei der Vereinbarung vom handele es sich entweder um eine Fälschung oder eine ihm untergeschobene Vereinbarung, die er nicht wissentlich unterzeichnet habe. Ein Gespräch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin habe er nie geführt. Insoweit handele es sich um eine Tatkündigung. Im Übrigen sei eine Anhörung der Klägerin entbehrlich gewesen, da sie von vornherein nicht bereit gewesen sei, sich zu den ihr gegenüber erhobenen Vorwürfen substantiiert zu äußern. Das ergebe sich aus dem Verhalten der Klägerin am und am Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom , Aktenzeichen 4 Ca 486/09, unter Ziffer 1 bis 4 abzuändern und die Klage gegen die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung vom abzuweisen, die Klage in Bezug auf das im Tenor zu 1 bis 4 enthaltene eigenständige Feststellungsbegehren, gerichtet auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis mindestens zum abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Der Beklagte habe sie wochenlang vor dem mehrfach in unangemessenem Ton unsachgemäß kritisiert. Sie habe sich vergeblich um ein Gespräch mit ihm bemüht und hierüber wiederholt mit dem Hoteldirektor gesprochen. Sodann habe sie den Vereinbarungstext vom aufgesetzt, ihn jedoch erst circa eine Woche später zu einem Gespräch in dessen Auto, das er als Büro nutzte, erreichen können. Dort habe sie den Beklagten um Unterschriftsleistung für eine Bestellung gebeten und zusätzlich die Aufhebungsvereinbarung eröffnet. Der Beklagte habe beides unterschrieben. Er habe die Vereinbarung jedoch noch nicht einmal durchgelesen, vielmehr gesagt: Damit werde sie niemals durchkommen. Gegen H. B. habe noch nie jemand gewonnen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Beklagten vom mit der Begründung festgestellt, der Beklagte habe der Klägerin die behauptete Urkundenfälschung nicht nachweisen können und das Wirksamkeitserfordernis der vorherigen Anhörung der Klägerin vor Ausspruch einer Verdachtskündigung sei nicht erfüllt. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird vorab auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen. Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt: 1. Gemäß kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Hinsichtlich des Vorliegens eines Kündigungsgrundes ist grundsätzlich der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.

4 Seite 4 a) Die außerordentliche Kündigung vom ist nicht als Tatkündigung gerechtfertigt. Soweit sich der Beklagte auf eine von der Klägerin begangene erwiesene Vertragsverletzung zur Rechtfertigung der Kündigung beruft, ist er darlegungs- und beweisfällig geblieben. b) Der Beklagte hat der Klägerin weder eine Urkundenfälschung noch eine Manipulation noch einen Vertrauensbruch nachgewiesen. Er hat lediglich eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten vorgetragen, wie seine Unterschrift unter den Vereinbarungstext vom gelangt sein könnte. Bewiesen hat er keine dieser Varianten. Einer Parteivernehmung im Sinne des sind seine Behauptungen nicht zugänglich, denn er hat stets nur sich selbst, nicht jedoch den Gegner für eine Vernehmung benannt. Abgesehen davon fehlt bereits ein eindeutiger, substantiierter Sachverhalt, zu dem eine Parteivernehmung durchgeführt werden könnte. Die Befragung zu diversen Alternativsachverhalten würde eine unzulässige Ausforschung darstellen. Zudem besteht auch nach dem Eindruck der Kammer aus der Berufungsverhandlung durchaus auch die nicht vom Beklagten vorgebrachte Möglichkeit, dass der Beklagte seine Unterschrift willentlich unter die Aufhebungsvereinbarung gesetzt hat, ohne den Inhalt dieser Vereinbarung im Detail wissen zu wollen, weil er sich sowieso nicht an ihn gebunden fühlen wollte. So hat es die Klägerin vorgetragen. Sie hat schriftlich und auch in der Berufungsverhandlung vorgetragen, sie habe dem Beklagten gesagt, sie habe hier eine Aufhebungsvereinbarung, die er unterschreiben möge. Sie sei davon ausgegangen, dass sie mit dem Beklagten hierüber inhaltlich reden würde. Der Beklagte habe aber nur unterschrieben und dabei geäußert: damit werde sie nie durchkommen. Gegen H. B. habe noch nie jemand gewonnen. Angesichts dieser Sachverhaltsdarstellung ist der Beklagte mit seinem Kündigungsvorwurf der Urkundenfälschung und des Vertrauensbruchs darlegungs- und beweisfällig geblieben. 2. Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht als Verdachtskündigung wirksam. a) Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer solchen ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer sein. Der Arbeitgeber muss jedoch alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (vgl. nur BAG vom , 2 AZR 961/06 zitiert nach JURIS, Rz. 14 m.w.n.). Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es reicht jedoch grundsätzlich nicht aus, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung zu einer Verdachtskündigung lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen (BAG a.a.o., Rz. 15). Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung soll ihm die Möglichkeit geben, den gegen ihn bestehenden Verdacht zu entkräften. Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer eigene Kenntnis von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hat (BAG a.a.o., Rz. 18). Eine schuldhafte Verletzung der Anhörungspflicht liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken (BAG a.a.o., Rz. 16). b) Der Beklagte hat seine Anhörungspflicht schuldhaft verletzt, so dass die Kündigung vom als Verdachtskündigung schon aus diesem Grunde unwirksam ist. Der Beklagte hat die Klägerin nicht angehört. Er hat ihr zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gegeben, einen ihr gegenüber erhobenen Verdacht zu entkräften. Er hat die Klägerin noch nicht einmal mit den von ihm erhobenen Vorwürfen konfrontiert. Der Beklagte hat mit der Klägerin nach Erhalt der Kenntnis von der Existenz der Vereinbarung vom und dessen Inhalten keinerlei Kontakt aufgenommen. Er hat vielmehr sofort mit der Betriebsratsanhörung und der Kündigung reagiert. c) Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Klägerin habe erklärt, sie werde sich zum Vorwurf nicht äußern, so dass die Anhörung entbehrlich gewesen sein könnte. Soweit der Beklagte sich insoweit auf ein Verhalten der Klägerin am 19. oder in seinen Büroräumlichkeiten beruft, handelt es sich um reine Spekulationen, was die Klägerin an diesen Tagen gemacht haben könnte. Seine Behauptung, die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt die Vereinbarung gefälscht, ist durch nichts belegt. Abgesehen davon hat der Beklagte die Klägerin in diesem Zusammenhang auch nicht mit dem Vorwurf einer Urkundenfälschung konfrontiert. Die Klägerin wurde am 19./ selbst nach dem Vorbringen des Beklagten mit keinerlei greifbarem Sachverhalt und Kündigungsvorwurf konfrontiert. Insoweit ist festzuhalten, dass der Beklagte die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes geforderte Sachverhaltsaufklärung durch Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers schlicht unterlassen hat.

5 Seite 5 Das ist auch nicht durch die krankheitsbedingte Abwesenheit der Klägerin ab dem entschuldbar. Der Beklagte hätte die Anhörung gleichwohl durchführen können. Er hätte die Klägerin schriftlich mit dem gegen sie bestehenden Verdacht und den ihr gegenüber erhobenen Vorwürfen konfrontieren und sie zur Stellungnahme unter Fristsetzung auffordern können. Eine derartige Vorgehensweise ist allgemein üblich und hemmt den Lauf der Frist des. Der Beklagte hat diese Vorgehensweise jedoch unterlassen. Deshalb ist die außerordentliche Kündigung vom mangels ordnungsgemäßer Anhörung der Klägerin unwirksam. Darauf, ob hinreichende Tatsachen für das Vorliegen eines schwerwiegenden Verdachts einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung vorliegen, kommt es hier nicht mehr an. 3. Nach alledem war der Kündigungsschutzantrag der Klägerin, soweit er sich gegen die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung des Beklagten vom richtet, begründet. Der Klage ist zu Recht insoweit stattgegeben worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war. Die Kostenentscheidung folgt aus. Die Voraussetzungen des liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.