Vorschlag zur gesicherten Weiterfinanzierung entflochtener Gemeinschaftsaufgaben (bisher Art. 91a und b GG)
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- Robert Kohler
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1 Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung Arbeitsunterlage 0056 Zur internen Verwendung Professor Dr. Ferdinand Kirchhof Vorschlag zur gesicherten Weiterfinanzierung entflochtener Gemeinschaftsaufgaben (bisher Art. 91a und b GG)
2 Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht Juristische Fakultät Prof. Dr. F. Kirchhof - Universität Tübingen - Wilhelmstr Tübingen An die Herren Vorsitzenden der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung c/o Bundesrat Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof Telefon: Telefax: kirchhof@uni-tuebingen.de Berlin 3. April 2004 khf/fr Vorschlag zur gesicherten Weiterfinanzierung entflochtener Gemeinschaftsaufgaben (bisher Art. 91 a und b GG) 1. Problem und Lösungsbedingungen Wenn Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a und b GG entflochten und entweder dem Bund oder den Ländern ausschließlich zugeordnet werden, müssen mit der Neuverteilung der Aufgaben auch die entsprechenden Finanzmittel auf den dann allein zuständigen Aufgabenträger übergehen. Eine überschlägige Berechnung nach dem bisherigen Stand der erwogenen Neuverteilung der Kompetenzen ergibt in der Summe die Notwendigkeit eines entsprechenden Finanztransfers vom Bund auf die Länder. Vor allem bei finanzschwachen Ländern und bei Ländern, die in erheblichem Umfang Einrichtungen besitzen, welche die bisherigen Gemeinschaftsaufgaben erfüllen, besteht die Besorgnis, ob bei der Neuverteilung Finanzmittel in aufgabengerechtem Umfang und mit hinreichender Sicherung für die Zukunft übertragen werden; eine Umschichtung hätte nicht nur zu gewährleisten, dass in der Vertikalen vom Bund zu den Ländern die notwendigen Geldmittel übergehen, sondern auch, dass sie in der Horizontalen zwischen den Ländern bei jedem einzelnen Land ent-
3 2 sprechend seinen Aufgaben ankommen. Eine Regelung der Weiterfinanzierung muss diesen Finanztransfers vor allem folgende Garantien geben: - rechtliche Sicherung eines Anspruchs - aufgabengerechtes Volumen der Finanzmittel - Kontinuität der Leistungen für einen bestimmten Zeitraum und - Freiheit von Zweckbindungen oder Auflagen 2. Ansatz beim Umsatzsteueraufkommen Bundesfinanzhilfen i.s.d. Art. 104 a IV GG würden nur vorhabenbezogene, jährliche Finanzmittel nach dem aktuellen Willen des Bundes liefern. Eine Erweiterung des Art. 104 a IV GG zur dauernden Dotation würde einen Nebenfinanzausgleich errichten und kaum alle oben vorausgesetzten Garantien geben können. Zuweisungen im Rahmen des Finanzausgleichs nach Art. 107 II GG würden einen ohnehin zu groß geratenen Ausgleich im Volumen erhöhen, die Gefahr einer Anrechnung bei allgemeinen Auseinandersetzungen über die Ausgleichsansprüche begründen und vor allem entgegen der Absicht der Kommission das Paket des Finanzausgleichs aufschnüren. Deshalb bietet sich als geeignete Lösung eine Übertragung von Steueraufkommen an. Es fließt zweckungebunden und kontinuierlich; es könnte im Volumen aufgabengerecht übertragen werden. Am besten wäre ein Zugriff auf das Umsatzsteueraufkommen, denn diese Wachstumssteuer ist schon bisher nach Art. 106 Abs. 3 GG beweglich im Finanzausgleichsgesetz (=FAG) zwischen Bund und Ländern aufgeteilt worden. Größere oder grundlegende Änderungen der Finanzverfassung wären an dieser Stelle nicht erforderlich. 3. Lösungsvorschlag a) Saldierung der Kosten unverteilter Gemeinschaftsaufgaben Zuerst sind die bisherigen Kosten für jede Aufgabe, die von einer Gemeinschaftsaufgabe zu einer ausschließlichen Bundes- oder Landeskompetenz umgestaltet wird,
4 3 über einen Mehrjahreszeitraum festzustellen. Da es dabei zu einem Zu- und Abfluss an Aufgaben und Kosten bei Bund und Ländern kommt, sind sie für jede beteiligte Gebietskörperschaft zu saldieren. Im Ergebnis wird sich auf diese Weise der Betrag umzuschichtender Finanzmittel gegenüber der Gesamtsumme der Kosten aller Gemeinschaftsaufgaben erheblich verringern. b) Verlagerung von Finanzmitteln vom Bund auf die Länder in der Vertikalen Da in der Summe eine Kostenbelastung der Länder zu erwarten ist, müssen Umsatzsteueranteile dieses Volumens in der Vertikalen vom Bund zu den Ländern verlagert werden. Dies kann ohne Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der üblichen Verteilungstechnik geschehen, indem in 1 FAG der Umsatzsteueranteil der Länder um entsprechende Prozentpunkte erhöht wird. Die Kontinuität dieser Lösung ist trotz ihrer fehlenden verfassungsrechtlichen Verankerung gewahrt, weil das FAG ein Zustimmungsgesetz ist, welches vom Bund nicht im Alleingang geändert werden kann. 1 FAG sollte in einem Paketgesetz zusammen mit den sonstigen Änderungen des Grundgesetzes novelliert werden (Art. 1: Änderungen des Grundgesetzes, Art. 2: Änderung des FAG, Art. 3...), um eine geschlossene Lösung in einer einzigen Parlamentsentscheidung zu finden. Es wäre im Einklang mit den bisherigen Garantien des Solidarpakts II angebracht, diese Änderung bis 2019 zu befristen. Mit dieser Rechtstechnik ist die Kostenfrage aus der Umverteilung der Gemeinschaftsaufgaben in der Vertikalen zwischen Bund und Ländern befriedigend beantwortet. c) Aufgabenscharfe Verteilung der hinzugekommenen Umsatzsteuermittel auf jedes Land in der Horizontalen In der Horizontalen ist sodann der vom Bund abgetretene, zusätzliche Anteil am Umsatzsteueraufkommen korrespondierend zu den neuen Kostenlasten zwischen den Ländern zu verteilen. Da die Umsatzsteuer nach Art. 107 Abs. 1 S. 4 GG horizontal nach der Einwohnerzahl den Ländern zufließt, die neuen Kosten aber aufgabenbezogen anfallen, muss hierfür das Grundgesetz geändert werden. Die Grundstruktur einer Umsatzsteuerverteilung nach Köpfen sollte nicht angetastet werden; lediglich
5 4 für den hinzugetretenen, neuen Anteil wäre - ebenfalls befristet - eine andere Verteilung vorzusehen. Rechtstechnisch ist dafür ein Vorwegabzug dieses Anteils vom Gesamtumsatzsteueraufkommen der Länder vor der sonstigen Verteilung und dessen aufgabengerechte Zuleitung an das jeweilige Land vorzusehen. Damit wird jedem Land die entsprechende Summe mit Vorrang vor der allgemeinen Umsatzsteuerverteilung garantiert, ohne die grundsätzliche Verteilungsmethode nach Köpfen zu ändern. Die befristete Sondervorschrift sollte nicht in Art. 107, sondern in Art. 143 GG (bisher: Beitrittsbedingte Übergangsregeln) aufgenommen werden, um sie gesetzessystematisch als zeitlichen und strukturellen Ausnahmefall aus besonderem Anlass hervorzuheben. Ein neuer Art. 143 Abs. 4 GG könnte lauten: Steht den Ländern ein Vorwegabzug am Aufkommen der Umsatzsteuer wegen der Aufhebung früherer Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a und b zu, so wird er den Ländern A,B,C... im Verhältnis x:y:z... zugeteilt. Dieser Absatz tritt im Jahre 2020 außer Kraft. Mit diesen zwei Verteilungsregeln werden die Kosten umverteilter Gemeinschaftsaufgaben länderscharf, aufwendungsgerecht, dauerhaft und rechtlich gesichert aufgefangen.
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