Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Wissenschaft und Forschung DIE SENATORIN
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- Rüdiger Eberhardt
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1 Seite 1 von 8 Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Wissenschaft und Forschung DIE SENATORIN Senatsfrühstück für Esther Bejarano (90) 16. Januar 2015, 12:00 Uhr, Gästehaus des Senats Es gilt das gesprochene Wort. Sehr geehrte Frau Bejarano, Frau Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, sehr geehrte Familie Bejarano, meine Damen und Herren, sehr herzlich begrüße ich Sie im kleinen Kreis, wie es sich die heutige Jubilarin gewünscht hat, von überwiegend Familienangehörigen. Auch in unserer Runde sind Vertreterinnen der Jüdischen Gemeinde Hamburg und der Hamburgischen Bürgerschaft. Seien
2 Seite 2 von 8 Sie willkommen. Vor etwas mehr als zehn Jahren ist das Buch Wir leben trotzdem erschienen, das Sie, Esther Bejarano, mit Birgit Gärtner geschrieben haben. Jede Leserin, jeder Leser wusste, worauf das Wort trotzdem anspielte. Ihre Lebens- und Überlebensgeschichte war allen bekannt, die darum wissen wollten. Schön ist, dass es bei der ersten Ausgabe nicht geblieben ist; von mindestens zwei weiteren weiß ich. Vielleicht bereiten Sie schon die nächste vor? Wenn nicht, dann wahrscheinlich deshalb, weil Sie anderweitig beschäftigt sind. Nicht, weil Sie keine Lust mehr auf Öffentlichkeit hätten oder der Meinung wären, mit 90 Jahren wäre es doch mal an der Zeit, vom Sofa aus zurückzublicken. Vielmehr stehen Sie nach wie vor auf der Bühne, und
3 Seite 3 von 8 eigentlich wollte ich dazu heute nicht sagen: Die Musik hält Sie jung Muss ich auch nicht. Sie sagen es ja selbst viel genauer, und ich darf aus der Sendung neulich im Deutschlandradio zitieren: Das ist so: Wenn ich mich mal ganz schlecht fühle und ich habe ein Konzert vor mir, dann sage ich immer: O Gott, heute kann ich überhaupt nicht singen, also das gibt eine Katastrophe. Und mein Sohn sagt immer: Jaja, das kennen wir schon, das kennen wir schon. Und dann komme ich auf die Bühne und plötzlich sind alle meine Zipperlein mein Rücken tut mir weh, meine Beine tun mir weh, ich hab keine Stimme und so weiter das ist alles verschwunden. Auf der Bühne bin ich topfit. Es ist mir eine Freude und eine besondere Ehre, dass ich Sie, liebe Esther Bejarano, heute bei einem Senatsfrühstück zu Ihren Ehren hier im Gästehaus des Senats empfangen kann. Übrigens: In der Nähe des
4 Seite 4 von 8 Rathauses waren Sie auch gerade wieder sehr präsent, denn unten in der Rathauspassage hing eine Ankündigung, wo und mit wem Sie demnächst auftreten würden. Und wem es zu mühsam ist oder wen sein Zipperlein hindert, dort hinzugehen, der kann Sie auch vom eben erwähnten Sofa aus singen hören und sehen, bei YouTube, wo Sie als Die Unermüdliche gefeiert werden, zum Beispiel mit Coincidence oder der Microfone Mafia. Und Musik ist ja nur ein Standbein, hätte ich fast gesagt; besser ist vielleicht: nur eine Sprache, die Sie als Künstlerin und als erzählende, berichtende Zeugin einer fürchterlicher Zeit sprechen. Und das kann man wörtlich nehmen, denn als Künstlerin haben Sie Lieder von Widerstand und Befreiung schon in acht Sprachen gesungen: deutsch, französisch, italienisch, neapolitanisch, spanisch, türkisch, hebräisch und
5 Seite 5 von 8 jiddisch. Zusammen auch mit jungen Musikerinnen und Musikern unterschiedlicher Stilrichtungen. Und eben mit ihren Kindern, von denen Ihr Sohn Joram schon zitiert wurde, und mit Ihrer Tochter Edna, die ich hoffe, ich darf daran erinnern 1970 einen Top-Ten-Hit in England hatte. Families that play together, stay together, heißt es. Das ist in der Realität nicht immer so, in Ihrem Fall freut es mich besonders. Schon vor langer Zeit waren Sie bei Konzerten der Jüdischen Gemeinde in Hamburg zu hören, ebenso im literarischen Café Wendeltreppe. Politische Lieder zu singen, zog Sie dann immer mehr an. Vieles ist auf Platten und CDs dokumentiert, die als so genannte Tonträger jetzt auch schon wieder aus der Mode kommen. Aber, wie gesagt, auch im Internet findet man die Musik von Esther Bejarano und ihren Mitmachern. Ganz zu schweigen von einem Foto, das dort auch
6 Seite 6 von 8 steht und das Sie mit der Hamburger Autorin Peggy Parnass zeigt vor einem Ballonflug über Hamburg im Mai Ich kenne viele Menschen, die da lieber auf dem Sofa sitzen bleiben Ehrungen für Ihre Lebensleistung als Künstlerin und Friedensaktivistin haben Sie hier in Hamburg mehrfach erhalten, so im Jahr 1994 die Biermann-Rathjen- Medaille, zuletzt vor knapp drei Jahren das Große Bundesverdienstkreuz. Ich bin froh, sagen zu können: Die Stadt Hamburg weiß, was sie Ihnen der Saarländerin, die seit 1960 Hamburgerin ist was sie Ihnen verdankt. Meine Damen und Herren, Ihnen allen ist Esther Bejaranos bisherige Lebensgeschichte gut bekannt. Viele in der Stadt wissen, wie lange und intensiv sie ihre Zeit schon der Erinnerungskultur in unserem Land widmet. Sie, Frau Bejarano, sind beharrlich. Sie engagieren sich seit mehr als 30
7 Seite 7 von 8 Jahren gegen Rechtsextremismus und klären Jugendliche über die Zeit des Nationalsozialismus auf als eine, die weiß, wovon sie redet. Liebe Esther Bejarano, Sie haben die Nazizeit am eigenen Leib erlitten, sie wurden als Jüdin verfolgt und ins KZ verschleppt. Sie haben im Mädchenorchester von Auschwitz mitgewirkt. Man stockt auch heute, wenn man das ausspricht. Aber für Sie war es eine Chance, die Sie genutzt haben, um weiterzuleben. Ihre Eltern waren in Riga ermordet worden. Sie sind 1945 nach Palästina ausgewandert, haben die Musik zum Beruf gemacht und sind fünfzehn Jahre später aus Israel nach Deutschland zurückgekehrt, ein Entschluss, der Ihnen garantiert nicht leicht gefallen ist, und von dem ich nur hoffen kann, dass Sie ihn nie bereut haben. Wir sind Ihnen dankbar für die Gespräche, die Sie in
8 Seite 8 von 8 ungezählten Schulen geführt haben, um jungen Menschen ihre Erfahrungen mit der Nazidiktatur zu schildern, in der Hoffnung, möglichst vielen von ihnen mit Ihrer Lebenserfahrung den richtigen Weg zu weisen. Meine Damen und Herren, wir bilden hier heute einen kleinen Kreis, auf Ihren ausdrücklichen Wunsch, Frau Bejarano, und dazu passt keine zu lange Rede. Ich freue mich, dass Sie da sind, und auf das nächste Mal.
E r s t e r B ü r g e r m e i s t e r
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