Mara-Daria Cojocaru. Näherungsweise. Gedichte [Auszug]

Transkript

1 Mara-Daria Cojocaru Näherungsweise Gedichte [Auszug]

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3 ELEFANTEN Ach, könnten wir nur einander die Gedanken direkt Von der Stirn abrüsseln, wie die Land-Lamantine Die, aufgestiegen aus dem tosenden Meer, die Weisheit haben, den Streitwagen der Erkenntnis ziehen Und die Minerva hinterher, dann neumondgereinigt Den bösen Hund mit einem Niesen betäuben

4 VERSPRECHEN Zusammen den Zahn der Zeit raus geschlagen, Blut Geleckt haben oder nichts. Zum Angriff über Gegangen? Dann: Lass mich dir den Krieg erklären Auf dass du ihn verstehst. Das Messer erhitzt Auch Zunge, Gemüt zum besseren Schnitt. Was Wenn du sterben musst? Das ist keine Frage. Mein Wort

5 SCHNEEMANN Über stumme Decke Flocken fallen dicke Träge, meinen, so sie denn gefallen seien Fielen sie nicht auf. Doch ich seh jede, einzeln Klein, kristallen, doch weiß, sie alle grauen Kalte Hand im Rücken weht mich drückend, fall im Schritt nach vorn. Dreh mich um, die Schnauze voll: Wer Soll denn kämpfen wenn nicht wir? Mein Mund nun weiß Der fällt nicht auf so voller Schnee. Der Schnee, der Mann Der grient nur, heiß, verkohlter Mund und weiß: Du darfst Nicht grausam aussehen, du musst es einfach sein

6 EINSTELLUNGSSACHE Meine warmen Augen warten Du Gefällt nicht, wie ich seh Die Perspektive ändern Wie macht man das allein Ich weiß, ich stecke Das rechte links Das linke rechts hinein Recht tief, so muss es gehen Nun kalt und Du Ich freu mich auf ein Wiedersehen

7 TRAURIGE ZEIT Wo die Zeit sich gleich ist Zählt sie die Fliegen an der Wand Der Nixe ist s zu kalt geworden Auch Dornröschen wacht von selber auf Was, wenn der Ritter gar nicht reiten kann Traurige Zeit, wo man Schweben sagt Und weiß, dass alles geht Wo die Zeit den Staub frisst Da ist sie selbst arm dran Wo der Honigstock in Asche klebt Da man sich im Grund nicht lieben muss Sich jedoch prinzipiell nicht lassen kann

8 PRINZESSINNENVERDACHT Also, da wackelt man sein Leben lang Mit den Zähnen, mit den Jahren Mit dem Hintern und dem Krönchen Man hat das Ziel vor Augen Noch knapp vor Lächerlichkeit erreicht Kirschkerne waren es, die Ihr auf mein Seelchen weit gespuckt Beim letzten hüpfte mir das Herz In die Brust zurück. War ja recht lange Fort gewesen, der alte Trittbrettfahrer Was hab ich dann gemacht, die Frage? Einfach Höflich beeindruckt aus dem Fenster gelehnt Meine Haare übers Kopfsteinpflaster streichen Lassen. Viel Wirbel hat das nicht gegeben Aber das reicht ja heutzutage. Rapunzel Schrie er dann auch gleich von hinten Ich bin schon oben. Haben wir uns verstanden Haben wir uns lieb? Zahmempört Trat ich zurück und zeigt ihm, was Ich konnte. Brav, sagt er. Streichelt Seinen Kopf und kratzt mich an der Brust Dann lass es uns versuchen

9 ALTWEIBERNASS Der Asphalt platzt Mit dem ersten Regen Perlt am kahlen Löwenzahn Am abgerupften Hahnengras Ein ganzer alter Sommer lang Der Regen an mir ab

10 TIEFGANG Zwanzig Meter tiefer Brunnen Sterne am helllichten Tag Du musst den Orion Schon tagsüber schauen Dann himmel ich dich an

11 EMPIRISCHE BÄUME UND SONNENKINDER Wenn sich die Welt einen Baum schenkt, so heft Dein Herz daran, wie ich. Auf dass es buchenrot In Rinde klebt und der Sonnenschein millimeterfein Tiefe Spuren in uns fräst. Ob er bricht, wenn es Sinn macht Das weiß ich nicht. Denn es ist ihm meloneneins Und übrigens: ich gehe davon aus, mein Herz, die Welt Ist uns allen schon passiert. Neulich, die Straße runter An der oder der anderen Wäscheleine hing ein Leben Deines oder meins. Neuer Sommer, altes Kleid. Verzogen Wie du in der Sonne des So-wie-es-ist s. Doch Wenn sich die Welt einen Baum schenkt, so häng dein Herz Daran. Warum? Darum gerade ist er so schön krumm

12 SCHONUNGSWEISE Ich würd mal sagen, dass wir Glücklich waren, damals als da Weißt du noch: da in der Zeit Ein Loch war und wir darin Unverständig murmelnd, summend Stund um Stund Als wir unverbindlich glücklich Waren, unverbunden und unendlich Sichtbar nur da unten in dem Heimlich heimeligen Loch Ich würd mal sagen, dass wir Süchtig waren, süchtig nach dem Flüchtigen Moment. Die Zeit verging Natürlich doch sie verging sich Nicht an uns Da wir über Tage untertag gegraben Zu Tage traten lichtempfindlich Liebesgaben, kostbar, unantastbar Sprachlos. Sag mir, weißt du noch Ich würd mal sagen, dass wir Einfach waren, verschlafen Einfach und so haben wir Das schrecklich große Glück Verpennt

13 And for heaven s sake, publish nothing before you are thirty. Virginia Woolf