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3 BRAUNSCHWEIGISCHES JAHRBUCH FÜR LANDESGESCHICHTE

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5 BRAUNSCHWEIGISCHES JAHRBUCH FÜR LANDESGESCHICHTE IM AUFTRAGE DES BRA UNSCHWEI G ISCHEN G ESCHICHTSVEREINS HERAUSGEGEBEN VON HORST-RÜOIGER JARCK Der ganzen Reihe Band 83 Q2q- N-~ n;-o O/tOIl %qcj 2002 SELBSTVERLAG DES BRAUNSCHWEIGISCHEN GESCHICHTSVEREINS

6 Das Braunschweigische Jahrbuch für Landesgeschichte erscheint in der Regel jährlich. Die Zusendung von Manuskripten erbitten wir an die Schriftleitung in: Wolfenbüttel, Forstweg 2, Telefon ( ) Anmeldungen zur Mitgliedschaft im Verein, die zum freien Bezug der Zeitschrift berechtigt, werden an die gleiche Anschrift erbeten. Über das Programm und die Aktivitäten informiert aueh Der Mitgliedsbeitrag beträgt 21,00, für Jugendliche in der Ausbildung 10,00. Bankkonten: NORD/LB, Kontonr , BLZ Postbank Hannover, Kontonr , BLZ Schriftleitung: Ltd. Archivdirektor Dr. Horst-Rüdiger Jarck Bibliographie: Bibliothekarin M. A. Ewa Schmid Rezensionen und Anzeigen: Archivdirektor Dr. Ulrich Schwarz Vertrieb: Buchhandlung Graff Sack Braunschweig ISSN Druck und Verarbeitung: poppdruck, Langenhagen

7 Vorstandsmitglieder des Braunschweigischen Geschichtsvereins 1. Vorsitzender 2. Vorsitzender Schatzmeister Geschäftsführer Ehrenmitglieder Dr. Horst-Rüdiger Jarck Dr. Walter Hagena Dipl.-Kfm. Klaus Webendoerfer Johannes Angel Dr. Richard Moderhack Dr. Günter Scheel Beirat Dr. Annette Boldt-Stülzebach Dr. Gudrun Fiedler Dr. Manfred Garzmann Dr. Hans-Henning Grote Prof. Dr. Wolfgang Milde Prof. Hartmut Röuing M. A. Prof. Dr. Gerhard Schildt Dr. Ulrich Schwarz Dr. Gerd Spies Prof. Dr. Harmen Thies Ehrenbeirat Dr. Dieter Lent Dr. Mechthild Wiswe

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9 INHALT Aufsätze Die Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig Lüneburg für das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel von 1541 von Christian Lippelt Die Emigranten der Französischen Revolution im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel von Günter Scheel Die Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig von Burkhard Schmidt Erinnerungen und Erlebnisse aus meiner Lebenszeit Von Carl Schulze in Lehre bei Braunschweig von Mechthild Wiswe Die Magnigemeinde zu Braunschweig im Kaiserreich und in der Weimarer Republik von Rainer Maaß Wolfenbüttel, Westbahnhof Notizen über ein nationalsozialistisches Arbeitslager ( ) von Ralf Busch Kleinere Beiträge Gab es wirklich eine "bedeutende" Fracht-Schifffahrt auf der unteren Oker im hohen Mittelalter? von Wolfgang Meibeyer Ein Denkmal auf Karl Wilhelm Ferdinand von Friedrich Georg Weitsch von Reimar F. Lacher Gründerkrach in Braunschweig von Norman-Mathias Pingel

10 Bibliographie Bihliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte mit Nachträgen von Ewa Schmid Rezensionen und Anzeigen Ball 0 f, R. und J. Fra s s I (Hg.): Die Jacobson-Schule. Festschrift zum 200-jährigen Bestehen (u. Strauß) Beddingen. Zwölf Jahrhunderte Geschichte (J. Schmid) B r ü s c h, T.: Die Brunonen, ihre Grafschaften und die sächsische Geschichte (J. Dolle) Ca m e r er, L. (Bearb.): Die Handschriften des Braunschweiger Geistlichen Arnold Lampen in der Stadtbibliothek Braunschweig (U. Schwarz) Es c heb ach, E. (Hg.): Deutsche Kunst in Braunschweig. Vorträge zur Ausstellung ( ) (D. Lent) Fr eis t, B.: Ludwig Beyer ( ). Direktor von Neuerkerode, Pastor in spannungsvoller Zeit (E. Eschebach) Fun k e, B.: Cronecken der sassen. Entwurf und Erfolg einer sächsischen Geschichtskonzeption am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (D. Lent). 275 Gerhard, H.-J., K. H. Kaufhold, E. Westermann (Hg.): Europäische Montanrcgion Harz (A. Singener) Hallendorf. Streifzüge durch zwölf Jahrhunderte (J. Schmid) Ha r tm a n n, H.: Die Edelherren zu Warberg (Ch. Römer) Kau e r t z, C.: Wissenschaft und Hexenglaube. Die Diskussion des Zauberund Hexenwesens an der Universität Helmstedt ( ) (H. Ch. Mempel) Gottfried Wilhelm Leibniz. Allgemeiner, politischer und historischer Briefwechsel. Sechzehnter Band Oktober April 1699 (G. Scheel) Me i er, H. und K. Neu man n: Bad Harzburg. Chronik einer Stadt (G. Fiedler) Johannes Mellinger. Atlas des Fürstentums Lüneburg um 1600 (H.-M. Arnoldt) Mi I d e, W.: Mediaevalia et Lessingiana. Kleine Schriften (P. Düsterdieck) 261

11 Mi n der man n, A. (Bearb.): Urkundenbuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden. Band 1: Von den Anfängen bis 1300 (U. Schwarz) Na u man n, M.: Stendhals Deutschland. Impressionen über Land und Leute (W. Milde) o hai n ski, U. und J. Ud 0 I P h : Die Ortsnamen des Landkreises Osterode (J. Dolle) Pet er, M.: Der Gertudistragaltar aus dem Welfenschatz. Eine stilgeschichtliche Untersuchung (A. Boockmann) Pu h I e, M. (Hg.): Otto der Große, Magdeburg und Europa (E. Eschebach) 266 Sc h m i d, J.: Grasleben - vom Bauerndorf zur Industriegemeinde (R. Försterling) Se y der hel m, B. (Hg.): Goldschmiedekunst des Mittelalters. Im Gebrauch der Gemeinden über Jahrhunderte bewahrt (J. P. Wurm) W e dem e y er, B. u. E. M. Will e m sen: Braunschweiger Hofkultur (B. Marncttc-Kühl) Liste der Mitglieder Mitgliedsliste 293 Chronik Chronik des Braunschweigischen Geschichtsvereins vom November 2001 bis Oktober VERZEICHNIS DER AUTOREN: Prof. Dr. Ralf Busch, Hamburg Reimar F. Lacher, Berlin Christian Lippelt M. A., Wolfenbüttel Dr. Rainer Maaß, Darmstadt Prof. Dr. Wolfgang Meibeyer, Braunschweig Dr. Norman-Mathias Pingel, Braunschweig Dr. Günter Scheel, Ltd. Archivdirektor a.d. Dr. Burkhard Schmidt, Braunschweig Dr. Mechthild Wiswe, Braunschwcig

12 VERZEICHNIS DER REZENSENTEN: Hans-Martin Amoldt, Braunschweig - Dr. Andreas Bingener, Siegen - Dr. Andrea Boockmann, Göttingen - Dr. Josef Dolle, Braunschweig - Dr. Peter Düsterdieck, Braunschweig - Dr. Erika Eschebach, Braunschweig - Dr. Gudrun Fiedler, Braunschweig - Reinhard Försterling, Salzgitter - Dr. Dieter Lent, Wolfenbüttel- Dr. Bcatrice Mamette-Kühl, Wolfenbüttel- Dr. Hans Christian Mcmpel, Goslar - Prof. Dr. Wolfgang Milde, Wolfcnbüttcl - Dr. Christof Römer, Braunschweig - Dr. Günter Scheel, Wolfenbüttcl - Joachim Schmid, Groß Biewende - Dr. Ulrich Schwarz, Wolfenbüttel- Dr. Ulrike Strauß, Braunschweig - Dr. Johann Peter Wurm, Lübeck

13 Die Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg für das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel von 1541 von Christian Lippelt Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel zur Zeit Herzog Heinrich des Jüngeren Als Herzog Heinrich der Jüngere (reg ) am Vorabend des Schmalkaldisehen Krieges die unten edierte Amtsordnung erließ, ahnte er wohl nicht, dass es ihm in den folgenden fünf Jahren schwer fallen würde, den inneren Ausbau seines Territoriums voranzutreiben 1. Nachdem der Herzog in den vorangegangenen Jahren durch die Eroberungen aus der Hildesheimer Stiftsfehde ( )2 sein Herzogtum territorial vergrößert sowie wirtschaftlich und politisch gestärkt hatte, war es an der Zeit, im Inneren den Schritt von der,spätmittelalterlichen Landesherrschaft' zum,frühneuzeitlichen Fürstenstaat' zu vollziehen 3 Doch erst nach der Besetzung seines Landes durch den Schmalkaldischen Bund, seiner Vertreibung und Inhaftierung auf der hessischen Festung Ziegenhain sowie der Rückeroberung Braunschwcig-Wolfenbüttels im Jahre 1547 begann eine Periode langanhaltender und tiefgreifender Veränderungen im Herzogtum, die jedoch noch einmal durch die Wirren des Mansfeldischen Feldzuges 1553 unterbrochen wurde. I Zu Herzog Heinrich d. J. vgl. Heinrich SCI!MIDT, Heinrich der Jüngere. In: NDB 8. Berlin 1969, S. 351 f.; Rainer TÄlJBRICII, "Mein Zeit mit Unruhe". Lebensskizze Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenhüttel ( ). In: Niedersachsenbuch 10, 1990, S.70-79, sowie DERS.: Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel ( ). Leben und Politik bis zum Primogeniturvertrag von IBraunschweig] Eine umfassende Biographie des Herzogs, der lange Jahre im historiographischen Schatten seines Sohnes und Nachfolgers Herzog Julius stand, fehlt noch immer. 2 Zur Stiftsfehde vgl. u.a. TÄUBRICH, Herzog Heinrich der Jüngere (wie Anm. 1), S Im Qued Iinburger Rezess vom 13. Mai 1523, der die kriegerischen Auseinandersetzungen der Hildesheimer Stiftsfehde beendete, wurde bestimmt, dass die Ämter Lauenstein, Aerzen, Grohnde, Ruthe, Poppenburg, Gronau und Erichsburg an Calenberg und die Ämter Winzenburg, Wohldenberg, Steinbrück, Lutter, BilderIahe, Liebenburg, Schladen, Wiedelah und Vienenburg an Wolfenbüttel fallen sollen; einzig die Ämter Steuerwald, Marienburg und Peine verblieben beim Bistum. 3 Ernst HINRICIIS, Fürst~n und Mächte. Zum Problem des europäischen Absolutismus. Güttingen 2000; Ernst SCHUDERT, Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter. München 1996.

14 12 Christian Lippelt Die Bemühungen um eine,modernisierung' der Zentral-, wie auch der Lokalverwaltung fanden ihren Ausdruck in einer Vielzahl von Verwaltungsordnungen. Die dadurch bedingte Normierung des Verwaltungshandelns und Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis hatte eine Ablösung des bisherigen individualrechtlichen Amtsverständnisses zur Folge, das einherging mit der Einordnung der Amtsträger in den sich herausbildenden Obrigkeitsstaat 4 Ob am Anfang dieser Reformbemühungen die Kanzlcirefonn steht, die nach Bruno Krusch auf 1535 datiert wird, scheint zweifclhaft 5 Wenige Jahre später jedenfalls erließ Herzog Heinrich der Jüngere einen Burg- und Hausfrieden, der das Zusammenleben seiner Diener und Beamten in den Residenzen und auf den Ämtern regelte 6, und 1541 dann seine Amtsordnung, die er nach der Rückkehr 1547 in leicht veränderter Form erneut an seine Amtleute ausgab 7 Gleichzeitig wurde mit dem Erlass einer Forstordnung auch die Verwaltung der Forsten, die eng mit der Amtsverwaltung verbunden war, Gegenstand der Reformbestrebungcn R Besonderes Interesse fand in diesem Zusammenhang allerdings die Ablösung des Sachsenrechtes durch das Römische Recht, die sich in der Einführung einer Hofgerichtsordnung unter maßgeblicher Federführung des aus Süddeutschland stammenden Kanzlers Joachim Mynsingcr von Frundeck manifestierte. In seiner Bedeutung für die Entwicklung des frühneuzeitlichen Fürstenstaates ist diese Reform aber nicht von den anderen Reformvorhaben zu lösen 9 Dietmar WILLOWEIT, Die Entwicklung und Verwaltung der spätminelalterlichen Landesherrschaft. In: Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 1. Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches. Stuttgart 19X3, S , hier S Bruno KRuscH, Die Entwicklung der Her/.ogl. Braunschweigischen Centralbehörden, Canzlei, Hofgericht und Consistorium bis zum Jahre In: ZHVN 1893, S ; 1894, S , hier S.276, 288; Wemer OI/l'SORGE, Zur Geschichte der Kanzlei und des Hofgerichts zu Wolfenbütlel im 16. und 17.Jahrhundert. In: Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig. Braunschweig 1954, S.9-37, hier S ; Ohnsorge vertritt die Auffassung, dass die von Krusch herangezogen Ordnung eine falsch datierte Abschrift der Kanzleiordnung von 1548 ist. HAB T780.4 Helmst. (11): Hertzog Heinrichs des Juengem zu Braunschweig vnd I.ueneburg etc. Burgk vnd Hausfried / wie der inn seiner Fuerstliehen gnaden Hoffhaltung / vnd allen vnd jeden jren Schlocssem / Heusem / Emptem / vnd amiern oertern jnn S.F.G. Fuerstenthumb gehalten sol werdenn. Wolfenbüttel Zur Überlieferung s. Anhang. Zur Lokalverwaltung demnächst: Christian LIPPEl.T, Hoheitsträger und Wirtschaftshetrieb: Die herzogliche Amtsverwaltung zur Zeit der Herzöge Heinrich der Jüngere, Julius und Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel ( ). Diss. Oldenburg [in Vorbereitung]. 8 StAWf 40 Slg, Nr. 116, fol. 3r-7r; Abdruck in: Christa GRAEFE, Forstleute. Von den Anfängen einer Behörde und ihren Beamten Braunschweig-Wolfenbütlel Wiesbaden 1989, S Die Forstordnung fand sowohl in der Polizeiordnung von 1563 wie auch in der Polizeiordnung von 15X9 Eingang. Vgl. a. Wemer BUTZ, Der Polizeibegriff im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbütlel. Umfang und geschichtliche Entwicklung bis [Braunschweig] Hier S Zu Mynsinger vgl. Sabine SCHUMANN, Joachim Mynsinger von Frundeck ( ). Herzoglicher Kanzler in Wolfenbüttel, Rechtsgelehrter, Humanist. Zur Biographie eines Juristen im 16.Jahrhundert. Wiesbaden 1983; DIES., loachim Mynsinger von Frundeck ( ), Kanzler in Wolfenbüttel. Biographische Aspekte zu einem humanistischen Rechtsgelehrten und Politiker der frühen Neuzeit. In: BsJb. 64, 1983, S

15 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 13 Die Gliederung der Lokalverwaltung im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttcl gliederte sich ab Mitte des 16.Jahrhunderts in vier Distrikte, die sich aus einer spätestens 1539 vorgenommenen militärischen Kreiseinteilung entwickelten lo : Hierbei handelt es sich um den,wolfenbüttelschen Distrikt' von den Lichtenbergen bis zum Elm, den,harzdistrikt' im Süden des Territoriums, den,weserdistrikt', der auf die Anfang des 15. Jahrhunderts welfisch gewordenen Herrschaften Homburg und Everstein zurückgeht, und den,schöningisehen Distrikt' im Osten des Fürstentums. Diese Distrikte wiederum unterteilten sich in Gerichte oder Ämter, die im 14. und 15. Jahrhundert aus den Vogteien hervorgingen 11. Gerade die Ämter waren für die Landesherrschaft von wesentlicher Bedeutung, stellten sie doch in ihrer Funktion als Verwaltungsbezirke für die Bereiche der niederen Gerichtsbarkeit, der Polizei und der Steuererhebungen sowie als grundherrliehe Wirtschaftsbetriebe die Lebensquelle des werdenden Territorialstaates dar, auch wenn dem Herzog durch Verpfändungen manch ein Amt zeitweilig entzogen war. Ein Camerbuch aller einname an gelt des Furstenthumbs Braunschweig [... } aus dem Jahre 1540/41 verzeichnet 14 Ämter, aus denen Einnahmen in die herzogliche Kammer flossen 12 Als Herzog Heinrich d. J. im Jahre 1547 nach der Vertreibung durch den Schmalkaldischen Bund die Herrschaft im Fürstentum wieder antreten konnte, war das Land in 35 Ämter aufgeteilt, von denen 25 verpfändet waren l3 Auch wenn Herzog Heinrich der Jüngere daran ging, verpfändete Ämter in seinem Territorium zu lösen, so wurde erst unter Herzog Julius der Verzicht auf Amtsverpfändungen quasi zum,staatszie1' erklärt Joscph KÖNIG, Landcsgcschichtc einschließlich Recht, Vcrfassung und Verwaltung. In: Braunschweigisehe Landesgcschichtc im Übcrblick. Hrsg. v. R. MODERHAcK. Braunschwcig, 3. Autl. 1979, S Hier S.75. Zur Kreiseinteilung: StAWf 38BAlt, Nr.5: Summarischer Auszug des gemustcrtcn Kricgsvolkes mit Übersicht über die Kreiseinteilung vom Jahre 1539 sowic StAWf 40 Slg, Nr.IH6-197: Voneichenus der vier Hauptleuthe v Im späten Mittelalter wurden die Bezeichnungen,Amtmann' und,vogt' bzw.,amt' und,vogtei' nahezu synonym gcbraucht. Hicrmit wurden in der Regel hcrrschaftliche Verwaltungsheamte bezeichnct, die einem Teil eines herrschaftlichen Tcrritoriums vorstanden. Vgl. a. Anthon ljlrich ERATH. Historische Nachricht von den im Alten und Mittlern Durchlauchtigstcn Braunschweig-Luenburgischen Hause [... ) getroffenen Erhteilungen. Frankfurt, Leipzig 1736, S. 26: "Vertrag untcr [Herzog) Magni Torquati Söhnen, daß die Regierung bey dem Acltestcn bleihen sollc" v. 1374: "Ock so schall vnd magh dy vorgenante vnse eldeste Broder dy Wylc dat he lcuet mechtig wesen [... ) Ammechtlüde vnd Vogede selten vp de Slote, vnd dy wedder vmmesetten, wanne vnd wo dick dcs Behuf is". 12 StAWf 4 Alt 1, Nr. 1944: Wolfcnbüttel, Schöningen, Harzburg, Liebenburg, Seesen, Bilderlah, Stauffenburg, Gandersheim, Winzenburg, Herrschaft Homburg, Herrschaft Ebcrstcin mit Fürstenberg, Holzminden und Forst, Wohldenberg, Lichtenberg und Steinbrück. 13 Helmut SAMSE, Die Zentralverwaltung in den südwelfischcn Landen vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Sozialgeschichte Niedersachsens. Hildesheim, Leipzig Hier S. 28 f. 14 Hertzogs J UlII zu Braunschweig vnd Lüneburg Testament, Anno auffgerichtet / nebst Kaysers Rudolphi 11. Confirrnation. In: Teutsches Reichs Archiv, Bd. 9. Hrsg. v. 1. Chr. LÜNIG. Leipzig 1712, S , hier S. 290 f.: "Ferner statuiren / ordnen / disponiren vnd setzen Wir / wollen auch hiemit ernstlich und väterlich / daß Unser zukünffliger / regierender Sohn und Erbe Hertzog Heinrich Julius gantz und gar kein Geld weder an kleinen noch an grossen Summen hinter sich borgen noch aufnehmen [... ) noch auch einiges unsers Fürstenthumb / Clöster / Herrschafftcn / Schlösser / Häuser /

16 14 Christian Lippelt Am Ausgang des Mittelalters bildete das Amt die unterste landesherrliche Justizund Verwaltungsbehörde im Herzogtum. An seiner Spitze stand der Amtmann, der für die Untertanen die örtliche Vertretung des Herzogs darstellte. Allgemein ist festzustellen, dass der Amtmann oder Vogt bis in das 15. Jahrhundert hinein in der Regel ein Adeliger war. Er verwaltete ein fürstliches Schloss oder Amt auf eigene Rechnung, oft als Pachtgut, "da an eine Besoldung mit baarem Gelde doch nicht zu denken war"15. Die Stellung des Amtmannes im 16. und 17. Jahrhundert wandelte sich durch eine Verdichtung der Aufgaben und Anforderungen einerseits und durch die Ausweitung landesherrlicher Rechte andererseits wie auch durch die Abkehr von Amtsverpfändungen in eine "sachbezogene und fest besoldete Planstelle", so dass eine Beamtenschicht entstand, die sich nun vor allem aus nichtadeligen Personen zusammensetzte, und die ein hohes Maß an Mobilität aufweisen musste 16. So entstand anstelle der "ursprünglich lehensrechtlich begründeten personalen Bindung" eine "auf Grund einer ordentlichen Bestallung mit fest umrissenen Kompetenzen" tätige Verwaltung; die bisherige "Gefolgschaft" wurde durch die "Beamtentreue" ersetzt I? Als Idealbild des fürstlichen Dieners erscheint in den frühneuzeitiichen Regierungshandbüchern "der rundum gebildete und vielseitig einsetzbare Generalist", der fromm und gottesfürchtig ist, unabhängig von seiner Konfession l8 Eng verbunden damit "ist die Forderung nach Integrität des Lebenswandels und Unbescholtenheit" 19 der Beamten. Um deren Unbestechlichkeit zu gewährleisten, werden häufige Visitationen, am besten durch den Fürsten selbst, empfohlen. So unterlagen die Amtmänner strenger herzoglicher Kontrolle, die sich nicht nur in der Verpflichtung zu regelmäßiger, meist jährlicher, Rechnungslegung ausdrückte, sondern auch in Visitationen durch den Oberamtmann oder die herzoglichen Räte. Eine weitere Absicherung stellte der persönlich vom Fürsten abgenommene Amtseid dar: "Kontrollen, Stellenbeschreibungen, ausreichende Besoldung und Amtseid signalisieren sämtlich den Übergang von der patriarchalisch geführten,hausverwaltung' des Gemeinwesens im Lehens- und im Ständestaat zur straff zentralisierten und im Umfang vervielfachten bürokratischen Herrschaftsform des Absolutismus", so Michael Stolleis 2o. Konnten sich Amtleute durch ihr loyales Bemühen um eine sorgfältige Haushaltsführung beweisen, so wurde dies mit Beförderungen und Gnadenverschreibungen honoriert. Rückblickend auf die Regierungszeit seines Vaters, Heinrichs Städte / Dörffer / Gerichte / Hö!tzer / Mühlen / Schäffereyen / Krügen / noch andere ansehnliche Stücke und Cammer-Güter von neuen verpfänden / verkauffen oder alieniren sollen". Vgl. a. Christian LIPPELT und Manuela SISSAKIS, Herzog Heinrich der Jüngere und der hraunschweigische Adel nach dem Schmalkaldischen Krieg: Die gewaltsame Lösung von Pfandschaften als Mittel der Politik. In: BsJb. 82, 2001, S Bruno KRuscH, Der Eintritt gelehrter Räte in die Braunschwcigische Staatsverwaltung und der Hochvcrrath des Dr. jur. Stauffmel. In: ZHVN 1891, S.60-93, hier S Michael STOLLEIS, Grundzüge der Beamtenethik ( ). In: Die Verwaltung 13, 1980, S , hier S.45lf. 17 Ebd., S.452. IR Ebd., S.46lf. 19 Ebd., S Ebd., S.466.

17 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 15 des Jüngeren, bemerkte Herzog Julius (reg ) in seinem politischen Testament, dass ein modernes Gemeinwesen auf das Wissen und die Routine seiner Diener angewiesen sei: "Denn was uns unzeitiger Beungnadigung / Verlaubung und Verstossung aller Kündiger / und dagegen Annehmung und Zudringung neuer unerfahrner Diener / so erst mit des Herrn Schaden und Hintergang lernen und erfahren müssen / für viele und grosse Ungelegenheiten unsern Herrn und Vatern / und uns selbst / auch mit grosser Schmälerung und Abbruch dieser unser Lande verursachet und denen zugezogen / das hat die Erfahrung bey voriger unsers Herrn und Vaters auch die jetzige gegenwärtige unsere Regierung nicht ohn wenige Zerrüttung / Nachtheil und Unrichtigkeit gegeben"21, Die Aufgaben der Amtleute Da das Amt als landesherrliche Behörde für einen Großteil der Bevölkerung die Vertretung des Grundherrn, also des Eigentümers der von ihnen bewohnten und bewirtschafteten Ländereien war, musste der Amtmann die Geld- und Naturalabgaben der Untertanen sowie die geschuldeten Dienste einfordern 22 Daneben überwachte der Amtmann die Amts- und Landesgrenzen, half bei Landesvermessungen oder führte diese selbständig durch 23 Herzog Julius z. B. verpflichtete seine Beamten, sich an der Bestandsaufnahme der Bodenschätze zu beteiligen und Berichte darüber anzufertigen, um im Rahmen einer gezielten Wirtschaftspolitik, die Wirtschaftskraft des Landes zu stärken: Hierzu gehörte auch die systematische Prospektion des Landes, die u. a. ihren Niederschlag im,skizzenbüchlein der Steinkohlcnvorkommen und Salzquellen' von 1586 fand 24. Der Amtmann hatte als herzoglicher Lokalbeamter für die Verbreitung der fürstlichen Mandate zu sorgen, die er entweder auf den Landgerichtstagen den Untertanen selber vorlas oder.. von der Cantzel durch den pastorn zwen Sontag an einander / nach geendigter Predigt" verlesen ließ25. Als Richter in erster Instanz übte der Amtmann das Richteramt für jene Bevölkerungsgruppen aus, die nicht der Gerichtsbarkeit von Klöstern oder Adeligen unterstanden. Eine für die Durchsetzung der Landesherrschaft und für die Aufrechterhaltung der Ordnung wesentliche Aufgabe der Ämter bestand in dcr Organisation und Durchführung der Landgerichte. Diese Landgerichte fanden unter dem Vorsitz des 21 Herzog Julius (wie Anm. 14), hier S Hauptsächlich handelte es sich hierbei um sogenanntes Meierland, an dem die Bauern nur ein erbliches Nutzungsrecht besaßen (vgl. Gustav OEHR, Ländliche Verhältnisse im Herzogtum Braunschweig Wolfenbüttcl im 16. Jahrhundert. Hannover, Leipzig 19(3). 23 Vgl. Ernst PITZ, Landeskulturtechnik, Markscheide- und Vermessungswesen im Herzogtum Braunschweig bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Göttingen StAWf 2 Alt, Nr. 5247; Christian LIPPELT, Das Skizzenhüchlein von 1586: Ein Beitrag zur Landcsprospektion unter Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel. In: BsJb. 81, 2000, S Zur Wirtschaftspolitik vgl. Hans Joachim KRASCHEWSKI, Wirtschaftspolitik im deutschen Territorialstaat des 16. Jahrhunderts. Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel ( ). Köln, Wien 1978, S HAB 59.5 Jur. 2 (52), v September 4.

18 16 Christian Lippelt jeweiligen Oberamtmannes 26 oder in dessen Vertretung unter dem Vorsitz des Amtmannes und im Beisein des Amtschreibers statt, die nur gemeinsam die fälligen Brüche, die Strafgelder, einsammeln durften 27 Vor diesen Landgerichten, deren Beginn durch Glockenschlagen angekündigt wurde, mussten die Untertanen "Morgens zu rechter Zeit / als den Sommer umb 6 Uhr / den Winter umb 7 Uhr" unter Androhung einer Strafe von 10 Groschen erscheinen und ihre Gewehre und Leuchten zur Begutachtung durch den Amtmann mitbringen 28. Dann brachten die herzoglichen Vögte wie auch die Vorsteher der Dörfer, die Bauermcister, ihre Klagen ein, die im Beisein der Kläger und Beklagten verhandelt wurden. Die Brüche aus diesen Verhandlungen stellten in der Regel einen wesentlichen Bestandteil der,ungewissen Einnahmen' eines Amtes dar. Diese Zahlungen sind der Grund dafür, dass eine Vielzahl von Delikten in den Amtsrechnungen überliefert wurden und uns neben Prozessakten Auskunft über delinquentes Verhalten in der frühneuzeitlichen Gesellschaft geben 29 Ebenso hatten die Amtleute die Holzgerichte für die zum jeweiligen Amt gehörenden Forsten auszurichten und durchzuführen sowie die Forstwrogen in Registern zu verzeichnen. Die in den Amtsregistern verzeichneten Delikte machen deutlich, warum "Holzdiebstähle und andere Übertretungen der Forstordnungen [... ] zu den bekanntesten historischen Erscheinungen der Massenkriminalität" gehören 30. Mit dem Erlass von Forstordnungen bemühten sich die Landesherren, "die Nutzungsberechtigung ihrer Untertanen mit dem Hinweis auf eine allgemein drohende Holznot"31, einzuschränken und so nicht nur die Holzentnahme zu begrenzen, sondern auch die "agrarische Waldnutzung zugunsten der Holzzucht" zurückzudrängen 32 Da der Wald in der agrarisch geprägten Ökonomie der Frühen Neuzeit nicht nur als Lieferant von Brenn- und Nutzholz, sondern auch als "wichtiges Futterreservoir für das Vieh" diente, griff eine landesherrliche Forstpolitik "unmittelbar in die 2. StAWf 22 AAlt, Nr. 1468, fol. 16v (Amtsregister des Amtes Schöningen 1581/82). 27 StAWf LB Nr. 618, fol. 19v (Amtsordnung 1553): Auch wollen wir wan die gerichte gehalten undt die brüche gereichet daß solche brüche in den ambten, da wir haubtleüte haben, ohne deßelbigen, auch deß ambtschreibers wißen, durch den ambtman nicht verhandelt werden, undt da keine haubtleüte sein, ohne deß schreiberß undt voigts wißen, damit also unvertheilt von etlichen keine brüche genommen werden. 28 Leopold Friedrich FREDERSDORtF, Promtuarium der Fürstlichen Braunschweig=Wolfcnbüttelschen Landes=Verordnungen in einem wesentlichen Auszuge derselben. Zweyter Theil. Braunschweig 1777, S.41O. 2<> Zur Historischen Kriminalitätsforschung vgl. Gerd SCHWERHOFF, Devianz in dcr alteuropäischen Gesellschaft. Umrisse einer historischen Kriminalitätsforschung. In: Zeitschrift für Historische Forschung 19, 1992, S. 3/l5-414; Joachim EIBACH, Kriminalitätsgeschichte zwischen Sozialgeschichte und Historischer Kulturforschung. In: Historische Zeitschrift 263,1996, S Reiner PRASS, Verbotenes Weiden und Holzdiebstahl. Ländliche Forstfrevel am südlichen Harzrand im spät<:!n 1/l. und früh<:!n 19. Jahrhund<:!rt. In: Archiv für Sozialgeschichte 36, 1996, S. 51-6/l, hier S Die Existenz solcher Holznöte wird in der Forschung oft bezweifelt (vgl. z. B. Joachim RAD KAU, Holzverknappung und Krisenbewußtsein im IH. Jahrhundert. In: Geschichte und Gesellschaft 9, 1983, S , hier S. 524) doch dürften die Wälder am Harz durch die Hüttenindustrie deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden sein (vgl. Michael FESSNER, Das Hüttenwesen am Rammclsberg nach dem Riechenberger Vertrag. In: Der Anschnitt 54,2002, S , sp. S ). 32 PRASS (wie Anm. 30), S. 51 f.

19 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 17 Zusammenhänge bäuerlichen Wirtschaftens und Lebens" ein 33 Ob die alltäglichen Übertretungen der Forstordnungen vor allem als Ausdruck eines bäuerlichen Widerstandes gegen die landesherrliche Forstpolitik zu begreifen sind, wie es Reiner Prass für das Südharzgebiet festgestellt hat, wäre für Braunschweig-Wolfenbüttel noch zu klären. Solche Forstordnungen jedenfalls hatten den Charakter eines Landesgesetzes, in dem "die Bewirtschaftung aller in einem Territorium gelegenen Waldungen" geregelt werden sollte, wobei die Aufsicht in den Gemeindewaldungen und die Verfolgung von Forstfreveln durch die landesherrlichen Beamten, die Förster, Vögte und Amtmänner, ausgeführt wurde 34 Die Bedeutung der Amtsordnung vom 10. August 1541 In einer noch überwiegend agrarisch strukturierten Gesellschaft mit überwiegender Naturalwirtschaft stellte ein domaniales Finanzierungssystem die Grundlage für den,staat' des 16. Jahrhunderts dar 35 Folglich entsprang der Erlass einer Ordnung, die den Verwaltungsablauf auf den landesherrlichen Domänen regelte, den gutsherrlichen Interessen des Herzogs. Leider ließen sich bisher keine Hinweise auf die Urheberschaft dieser Amtsordnung finden, so dass die Frage offen bleiben muss, ob sich Herzog Heinrich der Jüngere und seine Räte auf,ausländische' Vorbilder stützen konnten, oder ob die Ordnung allein aus den Erfahrungen und Erfordernissen der Amtsführung erwachsen ist 31i Sicher zeigte aber Herzog Heinrich der Jüngere mit seiner Amtsordnung, dass er als Grundherr und Hausvater die verantwortungsvolle und effektive Bewirtschaftung seiner Güter beherrschte 37 Die eigene erfolgreiche Bewirt- 33 Ebd. S GRAEFE, Forstleute (wie Anm. 8), S. 70. " Vgl. Kersten KRÜGER, Finanzstaat Hessen Staatsbildung im Übergang vom Domänenstaat zum Steuerstaat. Marburg Auch in der älteren Literatur, so bei earl GESENIUS, Das Meyerrecht mit vorzüglicher Hinsicht auf den Wolfenbüttclschen Theil des Herzogthums Braunschweig-Lündmrg. 1. Bd. Wolfenbüttd 1801,2. Bd. Wolfenbüttel 1803, Bruno KRUSCH (wie Anm. 5) oder bei Gustav OEIIR (wie Anm. 22) finden sich keine Hinweise auf Vorbilder oder Urheber. In der jüngst erschienen Untersuchung von Thomas Klingebicl stellt sich die Frage gar nicht erst, da er die Amtsordnungen und die Instruktionen für die Oberamtleute einzig in Hinblick auf die Entwicklung des Visitationswesens und der Disziplinierung der Beamtenschaft betrachtet; s. Thomas KLINGEBIEL, Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der Fnihen I'euzeit Untersuchungen zur Staatsbildung und Gesellschaftsentwicklung im Hochstift Hildesheim und im älteren Fürstentum Wolfenbüttcl. Hannover 2002, S Oie Amtsordnung des Amtes Meissen von 1543 setzt deutlich andere Schwerpunkte (Heinz PANNACII, Das Amt Meissen vom Anfang des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Berlin 1960; Edition S ). Die,Verwaltungs Ordnung für das Amt Kassel' von 1535 hingegen mit ihren Bestimmungen über die Anlegung von Salbüchern, zur,vollständigen Einbringung der Amt~einnahmen', zur,neuregclung der amtsinternen Rechnungsführung' sowie zur Enragssteigerung entspricht weitgehend der Wolfenbütteler Amtsordnung von 1541 (KRÜGER (wie Anm. 35), S , Edition S ). 37 Paul MÜr-;CH, Die,Obrigkeit im Vaterstand' - zu Definition und Kritik des,landesvaters' während der Frühen Neuzeit. In: Hof, Staat und Gesellschaft in der Literatur des 17. Jahrhunderts. Hrsg. v. Elger BLüHM u. a. Amsterdam 1982, S , hier S. 20 spricht in diesem Zusammenhang vom engen "Verbund von Haus- und Territorialregiment". Oass den in den Amtsordnungen festgeschriebenen Regeln nicht immer nachgelebt wurde, belegen die vielfältigen Mängelpunkte, die bei jeder Rechnungslegung und Amtvisitation schriftlich fixiert worden sind. Zur Frage der Wirkungsmacht von Ge-

20 18 Christian Lippe/t schaftung der Ämter diente so als Vorbild für die Untertanen und wurde zur Voraussetzung für die erfolgreiche Regierung eines Landes, wie es schon Justus Menius in seiner,oeconomia Christiana' von 1529 dargestellt hatte: "Denn daran ist kein zweiffel / aus der Oeconomia odder haushaltung / mus die Politia odder landregirung / als aus einem brunnequell entspringen vnd herkomen I Darumb man sich des gantzlich versehen mag I vnd weyset sich auch mit der that aus / das / gleich wie man ynn lendern vnd stedten haushelt / so sind die regiment aueh"38. Die Auffassung vertrat noch viele Jahrzehnte später der Wolfenbütteler Kammermeister Lorenz Berkclmann in seiner Unterthenigen einfelligen trewhertzigen erinnerung S. F. G. furstliehe eammer betreffendt, die er Herzog Friedrich Ulrich am 10. November 1613 vorlegte 39. In seiner Ablehnung der Amtsverpachtung stellte Berkelmann deutlich heraus, dass ein Herzog, der seine ämbter nützlich zu bestellen undt deroselben uffkünffte zum besten an zu wenden wisse, seine Befähigung zum guten Regiment zur Schau stelle. Verbunden mit der in der Hausväterliteratur und den Regierungshandbüchern postulierten "ethische[n] Integrität des Vaters, die allen Hausgenossen als nachahmenswertes Exempel voranleuchten soll" sowie einem "an den Prinzipien Frömmigkeit, Ordnung, Fleiß, haushälterische Sparsamkeit orientierte[n] Tugendkatalog", der "noch lange im Idealbild des guten Fürsten nachklingt"4o, ist auch das Bemühen des Fürsten, sich selbst um die Belange seines Territoriums zu kümmern. Und von diesem,persönlichen Regiment', wie es Gerhard Oestreich genannt hat!, ist es nur noch ein kurzer Weg zur theoretischen Definition absolutistischer Herrschaft. Der Inhalt der Amtsordnung Der inhaltliche Schwerpunkt der Amtsordnung aus dem Jahre ebenso wie der ihrer Nachfolger - liegt auf der sorgfältigen Bewirtschaftung und Instandhaltung der herzoglichen Domänen. Der Amtmann als verantwortlicher Beamter ist der Adressat, an den sich die Amtsordnung richtet und dessen Handeln hierdurch geleitet werden soll, während die Schreiber - hier speziell die Kornschreiber - als untergeordnetes Personal kaum Erwähnung finden. Überhaupt scheinen Amtschreiber erst ab den er Jahren durch höhere Anforderungen und erweiterte Arbeitsfelder im setzen und Verordnungen in der Frühen Neuzeit vgl. Jürgen SCHLUMBOHM, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden - ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates? In: Geschichte und Gc'Scllschaft 23, 1997, S sowie Karl HÄRTER, Soziale Disziplinierung durch Strafe? Intentionen früh neuzeitlicher Policeyordnungen und staatliche Sanktionspraxis. In: Zeitschrift für Historische Forschung 26, 1999,S '" An die hochgehorne Furstin / fraw Sihilla Hertzogin zu Sachsen / Oeconomia Christiana / das ist / von Christlicher haushaltung Justi Menij. Mit einer schönen Vorrede D. Martini Luther. Wittenberg S. Biiij. 39 StAWf 2 Alt, Nr. 4551: Hierin fixierte er seine im Dienst für die Herzöge Julius und Heinrich Julius von Wolfenbüttel gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen als Regierungsratschläge für den gerade an die Regierung gekommenen Herzog. 4ü MÜNCII (wie Anm. 37), S Gerhard OESTREICH, Das persönliche Regiment der deutschen Fürstcn am Beginn der Neuzeit. In: DERs., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Berlin 1969, S

21 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 19 Zuge einer rationelleren und perfektionierteren Amtsverwaltung zum festen Bestandteil des Amtspersonals geworden zu sein. Die Einführung eines Kautionswesens belegt deutlich, dass die Amtschreiber nun mehr oder weniger eigenverantwortlich rechnungslegende Tätigkeiten auszuführen hatten, die Mitte des Jahrhunderts einzig den Amtleuten vorbehalten waren 42. Neben dem Ackerbau und der Viehzucht wird auch der Umgang mit dem Amtsgesinde und den dienstpflichtigen Untertanen umfassend geregelt. Die Verpflichtung zu regelmäßiger und sorgfältiger Rechnungslegung, die ihren Ausdruck in einer Vielzahl von Amtsregistern fand, und die Hinweise auf Visitationen lassen allerdings die Frage nach den Gestaltungsspielräumen der Amtleute aufkommen. Augenfällig ist mit Ausnahme der Verpflichtung zur Besserung von Wegen und Straßen die Nichtberücksichtigung von polizeilichen Aufgaben, gerade vor dem Hintergrund der Verwaltungswirklichkeit, die ihren Niederschlag in Amtsrechnungen, Bruchregistern und vielfältigen herzoglichen Mandaten und Edikten gefunden hat. An erster Stelle der Amtsordnung stehen die Regelungen zur regelmäßigen, rechtzeitigen und vollständigen Einnahme der Geld- und Kornzinsen, der Beden, der Dienstgelder und der Brüche und zur damit verbundenen Rechnungslegung, während erst sehr viel später die Abführung der Naturaleinnahmen und des Naturalüberschusses an die Hofstatt geregelt wird. Alle diese Einnahmen hatte der Amtmann in die entsprechenden Register einzutragen und hiervon die in der Amtsordnung geregelten Ausgaben zu leisten. Den verbleibenden Überschuss schließlich hatte er bei der alljährlichen Abnahme der Rechnung bar zu erlegen. Die folgenden Bestimmungen widmen sich dem Gesinde und seiner Entlohnung und - an späterer Stelle - dem Deputat und den Mastschweinen sowie dem durch den Amtseid und den Burgfrieden geregelten Zusammenleben auf dem Amt. Die ausdrückliche Erwähnung der unterschreiber, vogte, hofmester, holtzforster, saetmester, koch, schluter, becker unnd pfortner zeigt, welche Berufsgruppen zum wesentlichen Personalbestand eines Amtes gehörten. Je nach Arbeitsanfall konnte dieser durch weitere Knechte und Mägde ergänzt werden, wobei Neueinstellungen allerdings eines ausdrücklichen herzoglichen Befehls bedurften. Zur wesentlichen Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses, das mit einer vierteljährlichen Frist zu zwei Terminen kündbar war, gehörte die Leistung des Amtseides, in dem die Beamten und das Gesinde zu geloben hatten, unser bestes unnd framen zuthun sowie nachteil unnd schaden in alle irem vormogen unnd vorstandt zuweren; eine Formel, die fester Bestandteil der schriftlichen Bestallung werden sollte 43 Daran anschließend wurde der Amtmann verpflichtet, keine Erträge des Amtshaushaltes ohne Befehl zu verkaufen, einzig die Häute und Felle gestorbener Kühe und Schafe sowie die alter Hammel konnte er veräußern, musste dies jedoch stuck weis 42 Demnächst LIPPELT (wie Anrn. 7). 4J Beispielsweise StAWf 3 Alt, Nr. 33, fol. 3r-6v, hier fol. 3v: [.../ und sonst uns und unsern Erben trew und holt sein / unser und ihr hestes / nutz und VOr/heil wissen / schaden / nachteiliges und arges aher in alwege abwenden {.../ (Bestallung des Lorenz Backhaus als Amtmann zu Sehöningen, 1579 August 2R).

22 20 Christian Lippelt nach der jar zal im Amtsregister berechnen, wie überhaupt sämtliche Ausgaben durch Quittungen belegt werden mussten. Ein wesentlicher Punkt dieser Amtsordnung ist die Anweisung an die Amtleute, mit Hilfe der Bauern aufs newe ein erbhufe register anzufertigen, in dem jedes Dorf seines Amtes mit den darin liegenden Höfen, Gärten, Wiesen und Äckern mit allen Rechten und Pflichten beschrieben werden sollte. Die Register mussten zweifach angelegt werden, wovon ein Exemplar in die herzogliche Rentkammer überstellt und das andere im Amt behalten werden sollte, damit sich die Gerichtsuntertanen daraus jederzeit über ihre Besitzungen sowie über ihre Rechte und Pflichten erkundigen könnten. Als Grund für das herzogliche Interesse an der Anlage solcher Register wurde in den Verordnungen mehrfach hervorgehoben, dass eine Schwächung des Herrendienstes durch ungenehmigte Hofteilungen verhindert werden solle 44 Außerdem ist die Bedeutung der Erbregister für die Erhebung des Scheffelschatzes hervorzuheben, der von allen Zehnten und Zinsen gegeben werden musste. Um also festzustellen, "welche Zehnten, Höfe und Güter verpachtet waren und wer die Zinsen davon bezog", konnte der Amtmann auf die Erbregister zurückgreifen. Der Hauptgrund für die Anlage der Erbregister war sicher das Bemühen um eine exakte Ermittlung und Einziehung von Steuern und Diensten. Da das landesherrliche Interesse daran schon vor der Anordnung von 1541 vorhanden war, überrascht es nicht, dass das älteste überlieferte Erbregister bereits 1524 aufgestellt worden ist 45 Über die Vorgeschichte und Motive jedoch, die zur Anlage der Erbregister führten, ist bisher nichts bekannt. Eventuell besteht aber ein Zusammenhang mit den sog. Habsburger Urbaren des Herzogtums Württemberg, einer Reihe von Lagerbüchern, die während der Vertreibung des Herzogs Ulrich, 1520 bis 1534, von der österreichischen Regierung des Herzogtums nach einheitlichen Richtlinien, ebenfalls aus unbekanntem Anlass, erstellt wurden. Herzog Heinrich d. J., der nicht nur an Ulrichs Restitution mitwirkte, sondern auch mit dessen Schwester Maria (t 1541) verheiratet war, konnte durchaus Kenntnis von diesen Lagerbüchern gehabt haben. Festzustellen ist jedenfalls, dass im 16. Jahrhundert viele Landesherren solche Beschreibungen anfertigen ließen. Einen naturgemäß großen Bereich der unten edierten Amtsordnung nehmen die Regelungen zum Ackerbau ein: Ausdrücklich wird vom Amtmann gefordert, dass er zusammen mit den Vögten und Hofmeistern den Amtsacker in möglichst gleich große Felder einteilen und Kenntnis über die Eigenheiten eines jeden Feldes haben solle, um so durch genaue Beobachtung und Analyse der natürlichen Gegebenheiten die Ressourcen seines landwirtschaftlichen Betriebes optimal zu nutzen. Das ausgesäte und eingeerntete Getreide - genannt werden hier Gerste, Hafer, Wicken und Erbsen, an anderer Stelle werden noch Roggen und Mohn erwähnt - hat der Amtmann ebenso in seinen Registern zu verzeichnen, wie das ausgedroschene und ausgemahlene 44 Vgl. im Folgenden l'itz (wie Anm. 23), S. 42 f. 45 StAWf 19 Alt, Nr. 50: Erbregister des gerichts Gandershaim Anno etc 24 geschrebin.

23 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 21 Korn 46 Genau bestimmte Tagesleistungen für Herrendienste und Tagelöhner bei der Ernte und beim Dreschen sind ebenso durch die herzoglichen Beamten zu überwachen wie die sorgfältige Erfüllung dieser Arbeiten, die bei den Tagelöhnern nicht gegen Korn abgegolten werden dürfen. Deutlich wird darauf hingewiesen, dass die DreschdehIcn und Scheunen in baulich gutem Stande gehalten und sauber und rein ausgebracht werden sollen, das die meuse unnd ander bose gewermbt darauß kommen. Als geltendes Maß sowohl für die Einnahmen wie für die Rechnungslegung wurde das braunschweigische Maß festgeschrieben, wenn dennoch Abgaben nach altem Herkommen in anderen Maßen eingenommen wurden, so hatte der Amtmann in der Rechnung den Gegenwert in braunschweigisehem Maß zu vermerken. Bemerkenswert in Hinblick auf die Vereinheitlichung der Abläufe in den Ämtern ist auch die Vorschrift, sich beim Backen des Brotes für das Gesinde und die herrendienstpflichtigen Untertanen nach dem Vorbild der Wolfenbütteler Hofküche zu richten. Ein weiterer Komplex der Amtsordnung widmet sich der Aufzucht, Haltung und Schlachtung von Huf- und Federvieh, wobei die Schafzucht und die Milchwirtschaft den größten Raum einnehmen. Für die Milchwirtschaft war in den Amtshaushalten und auf den Vorwerken die jeweilige,meyersche' verantwortlich. In der Amtsordnung finden sich ausführliche Regelungen, die nicht nur die Arbeitsabläufe beim Umgang mit dem Vieh, beim Melken und beim Buttern betrafen, sondern auch die Überwachung dieser Arbeiten und die Rechnungslegung durch den Amtmann oder Amtschreiber ins Auge fasste. Deutlich kommt in diesem Abschnitt aber auch die Bedeutung der Amtshaushalte für die naturalwirtschaftliehe Ausstattung des Hofes zum Ausdruck, wenn der Amtmann aufgefordert wird, für das fürstliche Hoflager jährlich zu Pfingsten eine tonne meybutter von eitel kuhe milch zu machen und diese nach Wolfenbüttel zu schicken. Doch nicht nur meybutter gehörte zu den Naturalien, die aus den Ämtern zum sogenannten Küchentermin oder auf Anforderung, abzuführen waren: Neben den Rauchhühnern, einer Abgabe, die jede Feuerstelle des Amtes jährlich zu leisten hatte, den Capaunen und jungen Hähnen sollen ebenfalls ochsen, alte koy, rinder, heme/, alte schnitschaff, schwein, speck, butter, kese, hopfen, rocken, garsten, maltz, erwessen, bohnen, rubesamen, mahn unnd sonst allerley korn aus den Wirtschaftshöfen nach Wolfenbüttel geliefert werden. Einzig die auf den Ämtern benötigte Fastenspeise, also Hering, Rotscher oder Stockfisch, nahm den entgegengesetzten Weg: Sie sollte von der Wolfenbütteler Hofstatt bezogen werden. Weitere Vorschriften befassen sich mit der Beschreibung und Bewirtschaftung der Hopfengärten und der Fischteiche, die in der Regel Bestandteil eines jeden Amtes waren. Die eingenommenen und ausgegebenen Fische musste der Amtmann quantitativ erfassen und in Registern verzeichnen - eine Vorschrift, die vorher schon für sämtliche Lebensmittel, die ausgegeben werden, sei es auf das Gesinde, den Herrendienst oder auf fürstliche Ablager, getroffen worden ist. '6 Die überlieferten Kornrcgister der Ämter zeigen, dass der Roggen die wichtigste Gctreideart gewesen ist. Wcnn die Amtsordnung an einer Stelle von korn, weitzen, gersten, hubern, wicken und erbessen spricht. so wird dies auch im Sprachgebrauch augenfällig.

24 22 Christian Lippelt Zum Unterhalt des Amtshaushaltes sowie zur Instandhaltung von Wegen, Straßen, Dämmen und Brücken im Amtsbezirk hatte der Amtmann die zum Herrendienst verpflichteten Untertanen heranzuziehen und zum Besten des Amtshaushaltes zur Arbeit einzuteilen. Dazu musste der Amtmann oder sein Amtschreiber wöchentliche Verzeichnisse der Dienste anfertigen und der herzoglichen Rentkammer schicken. Da die Diensteinteilung in den Händen der Vögte lag, gehörte es zu den Pflichten des Amtmannes zu kontrollieren, daß die vogte nicht auß gunst oder gabe, freündtschafft oder feindschafft einzelne Untertanen bevorzugten oder benachteiligten. Nach all diesen ausführlichen Bestimmungen zur Bewirtschaftung des Amtshaushaltes werden die Amtleute abschließend aufgefordert, in ihren Ämtern Ölmühlen anzulegen sowie die Auslastung der Getreidemühlen sicher zu stellen, darmit die moln iren vordinst unnd gewinst uns in bringen mögen. An keiner anderen Stelle dieser Ordnung wird das Streben nach Verdienst und Gewinn so deutlich betont, wie bei den Mühlen, die ohnehin ein herzogliches Regal darstellten. Die letzten Bestimmungen der Amtsordnung regeln den Umgang der Amtleute mit dieser Ordnung: Zu den Rechnungsterminen haben sie ihre Ordnung mit sich zu führen und müssen auf Nachfrage der rechnungsprüfenden Beamten darüber bericht geben können. Des weiteren ist es ihnen oder den Hauptleuten auf den Ämtern verboten, diese Ordnung zu beschreiben, sie abzuschreiben oder anderen zum Lesen zu geben. Die Kornschreiber jedenfalls sollen nur das lesen und wissen, was die Erfüllung ihrer Aufgaben betrifft. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit, ja zur Geheimhaltung der Amtsangelegenheiten, die nach Willoweit aus dem vertraulichen Umgang der (Hof-)Beamten mit dem Herrscher entsprang 47, drückte sich auch im Gebot aus, ohne Befehl keine Fremde auf den Ämtern zu speisen und zu beherbergen oder sich ohne Urlaub keine Nacht vom Amtshaus zu entfernen. Außerdem waren die Amtleute verpflichtet, sollten sie aus ihren Stellungen ausscheiden, die Amtsordnung und sämtliche weiteren Schriften aus der Amtsregistratur abzugeben. Die Amtsordnung endet schließlich mit dem herzoglichen Vorbehalt, dise unser amptordenung stetigs und al/etzeit zu andern, zu bessern unnd die nach unserm gefallen zuvormehren, so oft es dem Herrscher gefalle. Edition Vorbemerkung Von der Amtsordnung des Jahres 1541 konnten fünf Fassungen nachgewiesen werden: Drei Exemplare, die als Abschriften aus der Zeit nach dem Schmalkaldischen Krieg anzusehen sind, wurden im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover ermitteit 4R Zwei Exemplare befinden sich im Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel: Als Vorlage für diese Edition dient die unter der Signatur 40 Slg, Nr WILLOWEIT (wie Anm. 4), S , Zur Cberlicferung s. Anhang.

25 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 23 überlieferte Fassung für das Haus und Amt Liebenburg vom 14. August Wie alle überlieferten Fassungen trägt auch diese kein Siegel. Ob die Unterschrift des Herzogs original ist, wie Ernst Pitz meint, muss offen blciben 50 Es ist anzunehmen, dass es sich hier um eine Abschrift aus dem Jahre 1547 handelt, die angelegt wurde, um den erneuten Erlass der Ordnung vorzubereiten. Die Aufschrift Lebenburgk sowie die folgende Bemerkung (Diese und andere ambt ordenung sein wol vernewet, vermeheret, etwas verandert und verkarget aber gar nichts gebessert) auf fol. 11r stammen von einer anderen I land als der Text der Amtsordnung, möglicherweise ebenfalls aus dem Jahre Von einer dritten Hand, ebenfalls aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, stammen die Rubrizierungen am linken Rand des Textes, die in der Edition dem betreffenden Absatz in spitzen Klammern voran gesetzt werden. Unter der gleichen Signatur ist eine Fassung überliefert, die sich textlich kaum von der Liebenburger Amtsordnung unterscheidet, aber wcder Herzog Heinrich dem Jüngeren noch einem braunschweigischen Amt zuzuordnen ist: Ob diese Fassung als Vorlage für die überlieferten Fassungen oder als Abschrift - eventuell im Zusammenhang eines Verordnungsaustausches mit befreundeten Fürstentümern - anzusprechen ist, muss ebenfalls offen bleiben 51 Die Edition der Amtsordnung folgt den von WaIter Heinemeyer erstellten Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen 52 Das heißt im Wesentlichen, der Text wird buchstabengetreu wiedergegeben mit Ausnahme von j und v, die nur konsonantisch, sowie i und u, die nur vokalisch gebraucht werden. Große Anfangsbuchstaben werden ausschließlich am Satzanfang oder bei Eigennamen verwendet. Trennung und Interpunktion sind modern. Die Gliederung des Textes hingegen sowie Konsonantenhäufungen wurden beibehalten. Abkürzungen in der Vorlage wurden ebenso wie offensichtliche Schreibfehler vom Bearbeiter stillschweigend aufgelöst. Die Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren von 1541 [l2r] Unsers von gots gnaden Hainrichs des Jungern Hertzogen zu Braunschweig unnd Luneburg ete hauß unnd ampt ordenung unsres hauß unnd schloß Lebenburg unnd wollen ernstlich, bevehlen auch gemeltern unsrem amptman das er solcher unser ordenung mit innahm unnd ausgabe gelts korns vichs unnd allem allenthalben nachkome, daran geschieht unser wille unnd meynung, wollen es in gnaden erkennen. Erstlich sol unnser amptman die gelt unnd korn zinß des hauß und ampts nicht verringern unnd vorandern, sondern die alle vor der rechnung innahmen unnd der kein im rest anstehen lassen. 49 StAWf 40 Slg, Nr. 105, fol. 11 r-21 v: sechs Doppelblätter in Kanzleiformat mit Fadenheftung, moderne Foliierung in Bleistift. 50 Pm: (wie Anm. 23), S StAWf 40 Slg, Nr. 105, fol. 1r-lOr. Auf fol. Ir unten befindet sich folgende Bleistiftaufschrift: Von Schwerin abgegeben 1891; die unteren 2/3 des letzten Blattes sind abgeschnitten. 52 Richtlinien für die Edition landesgeschichtlkher Quellen. Hrsg. v. Walter HEINEMEYER. Marburg, Hannover, 2. Auf]

26 24 Christian Lippelt Item es sol auch unser amptman die uffkomen der herbstbeden, meybeiden, dergleichen das dinstgelt unnd andere ufkomen des hauß zu rechter zeit, wen die betagt, innahmen. <Breke geben> Desgleichen sol er es mit den bruchen unnd der ufgefellen, wie die gebruget in gebracht werden, auch halten, das der keine im rest befunden werden. Unnd wan die betagen, in nehmen unnd alles nach ordenung in das register zur innahme vortzeichnen. Unnd [12v] was uber seins ampts erlaubte außgabe von solcher iname pleibt, sol er neben der kunftigen rechnung bar erleggen. Von solcher innahme des hauses sol unser amptman one bevelch, dan das im in disser ordenung erlaubt, nicht ausgeben. Nemlich das gesindelohn, unnd was zu underhaltung unnd furtbringung des ackerbaus unnd der viehezucht von noten unnd one schaden nicht umbgehen mag werden unnd was zu zimlicher noturft kuchen unnd keller gehort. <Gesindelen> Item es sol der amptman kein gesinde mehr annehmen, das als er jtz hat, ine auch das lohn (ohne bevelch) nicht steigern oder verhöen, das gesinde auch zu rechter zeit betzalen. Dannoch darauff wol mercken, das er dem gesinde nicht mehr vorstecke, unnd am lohn abgebe, dan als ein jder nach der zeit vordint mag haben, darmit wan sich einer abgebe oder entlaufen wurde, nicht mehr entfangen, dan er vordint hette. <Gesindelen> Item es sol der amptman das gesinde alle halbe jar stetz ablohnen unnd inen nichts [l3r] schuldig pleiben, unnd widerumb auch darauf sehen unnd sehen lasse, das ein yder in seinem dinst zur arbeit angehalten und gefordert werde, darmit in dem kein vorzug infalle, also, was heut pillich gescheen solt, morgen erst gethan werde. Dartzu sol der amptman auch kein gesinde annehmen, sondern zuerst wol eins jdern weiß sich erkundigen unnd erfahren, das ehr getrewe fleissige unnd frome dinsten uberkomen unnd haben moge. <Dath gesinde mit eyden zuvorstrickken> Unnd das die unterschreiber, vogte, hofmester, holtzforster, saetmester, koch, schluter, becker unnd pfortner ader was sonst von gesinde, so baldt sie in den dinst andretten, geloben, schweren und eidhaftig werden, unser bestes und fromen zu thun, nachteil unnd schaden in alle irem vormogen unnd vorstandt zu weren, unnd wan dan ein yder sein angenohmen zeit ausgedint hat, sol derselbig des eidts alsdan ersten widerumb frey und los sein, doch das ein yder seinen dinst dem andern ein virtl jar,)3 zuvorn vor dem abtziehen als zu Sanct Johans 54 im somer und zu weinachten ufkundigen. 53 Ca/. Br. 10, Nr. 654: ein halb Jahr. 54 Juni 24.

27 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 25 Und das auch under dem gesinde freidt unnd einigkheit sey und von inen unser burgk unnd hausfriden gehalten werde pey peen [13v] unnd straff, darinnen vorleibt unnd ausgetruckt ist. Wie wir dem am pt man des hiebevor einen abtruck desselbigen haben zustellen lassen. <Kein Korn zu vorkauffen> Item wir wollen, das der amptman von den in gen ohmen weitzen, gersten, rocken, rubsamen, maen, erbessen, der butter und kese, hemmei, schaff, lemmer, koy, ochssen, kelber, wullen etc unnd von aller aufkommung und nutzung des hauß gahr nichts vorkauffe ane bevelch. <Snithuet> Allein die koyheute, schnitt- unnd schaffel sollen lme erlaubt sein, jdoch das er die stuckweis nach der jarzal im register berechne. Was aber von alten hemeln, die nicht lenger ubergehen mogen unnd wir in unserm hoflager nicht bedurffen wurden, sollen ime ufs teuerste zu vorkaufen erlaubt sein. Und so ehr etwas daruber auß dem ampt gelde, korn, viech, wulle, butter, keß, fisch, genß, huner, ei ger uf bevelch ausgibt, des sol ehr alle wegen quitantz nehmmen; one dieselbigen sol ime in der rechnung nichts passiert werden. [14r 1 < Erffhuffe register> Item wir wollen auch, das der amptman jtz vorstundt unnd zum furderlichsten ein erbhuferegister aufs newe mache, also das ein dorff nach dem andern ordentlich beschreiben: Was darinnen vor ackerhofe unnd kothofe bebawett, wuste unnd unbebawett garten, worde etc. liggen, was un wivel ackers darzu einem jtzlichen geh ort; Welcher acker zehentfrey sey ader nicht unnd was ein yder darvon zu zinse unnd malder gibt unnd wer die gutshern sein unnd das der amptman in solcher beschreibung den pawern bey iren eiden unnd vormeydung der straff ansage, das ein jder solchs recht beschreiben lasse, das jennige so er also an hofen, acker, garten, wisen etc. bebawet oder wuste under sich hat, auch was der vor freyheit, pflicht unnd unpflicht uf sich hat, ordentlich vortzeichnen unnd solche register zwifach mache, eins anher in unser rentherey mit dem ersten uberantworte unnd das an der sich daraus des gerichts und der armen leut gelegenheit eigentlich unnd gruntlichen zu erkunden, darnach er einen jdern nicht uber desselbigen vermoge in allem kan wissen zugebrauchen, im ampt behalten etc. <Wuste derpstadt> Dergleichen sol er die wusten dorfstedt allenthalben im gericht, wur die gelegen unnd wie [14v] die heisen, auch was dartzu von acker sonderlich geh ort, unnd wer den under dem pflug hat unnd wem die zinse unnd zehen den zukomen, inmassen wie vorstehet, auch beschreiben alles in ein register. Gleicher gestalt soll der amptman die wisen nach morgenzal auch im register haben, und wivel haw drauf gemacht unnd widerumb hin gethan wirt, berechnen.

28 26 Christian Lippelt Item es sol auch der amptman mit zuthadt der vogt und hofrnester allen burckakker, die saetfelder gleich in drey teil unnd velder recht nach morgenzal außteilen unnd vorgleichen und also das ein jder feldt eben so groß sey unnd sovel morgen hab als das ander und des ackers art unnd gelegenheit wol abmercke unnd erlenern: Was der zum pesten vor korn trage, und darauf wachsen wil, das darnach der acker antzurichten sey und solch korn darein geseit werde. <Sathkorne> Unnd das das saetkorn umb das jar ader ye umb das dritte jar gewislich vornewet auch die saet nach gelegenheit des ackers verandert werde. <Lanth> Unnd sol der amptman, wivel morgen landes in ein jder art beseyt, stetz anschreiben unnd wivel korn, weitzen, gersten, habern, wicken und erbessen darin [1Sr] nach himpten ader scheffln zur saet kumpt, dartzu die garben, die in der ernzeit nach stigen und schocken im feide unnd in der schewern zellen unnd darnach lassen austrischen unnd waß alsdan ein yder schock ader stig gibt, eigentlich vortzeichnen. <Drescher> Und so es an den treschedielen were, die wochen nur zwier lassen aufbringen. Auch die ordenung mit den treschern halten, das ein yder herndienster den tage einen scheffl unnd die tagloner anderthalben scheffi korn tresche, jdoch sich zuerkunden nach gelegenheit der jar unnd so das korn wol geraten mehr treschen mogen unnd also dan tag vergebens nicht hin- unnd zubringen. Unnd das dennoch den treschern darauff gesehen werden, das die das korn recht rein austreschen und rein machen. Unnd das vese korn oder echterese, wie man das nent, sol vorab sonderlich von einem ydern korn genohmen, auch in die innahme geschrieben werden. Unnd wo das widerumb hinkompt. das als vor das vieh gegeben wirt, recht im kornregister berechnet werde gleich dem reinen korn. Unnd das bey den sommertagen die treschetelen nach notturfft gemacht unnd was sonst [l5v] an stellen unnd schewren mangelt unnd zerbrochen ist, auch gebessert werde. Das man im winter unnd ungewitter daran nicht vii flicken unnd bawen dorffe. Desgleichen das die schewren, darin das korn gelegt sol werden, alletzeit vor dem newen gantz sauber und rein ausgebracht, das die meuse unnd ander bose gewermbt 55 darauß komen unnd was an den wenden unnd tachen zuflicken unnd den thorn und lucken zuprochen wieder gemacht, das die vorschlossen werden unnd was in dem aufbringen und anschreibens des ausgetroschen korns unser bevelch unnd ordenung weiter ist, das dem also mit getrewem fleiß naehgekomen werde. 55 Cal. Br. 10, Nr. 654: schedliche Thicr statt bose gewermbt.

29 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 27 <Molenkorn> Unser amptman sol auch den rocken und andere korn auß dem molen als die metzen, wievii seheffl das in einer jden molen des jars getragen unnd ehr der emfangen hat, eigentlich zur innahm und wohin derselbige widerumb gegeben wirt zur ausgabe schreiben, darmit er unß darvon rechten bericht thun moge. Dartzu [16r] sol der amptman hinfurho kein korn im felde umb korn schneiden oder in schewren austreschen lassen, sonder was des mit dem vorpflichten herndist nicht mag gethan unnd ausgetrosehen werden, mit gelde aus dem ampt vorlohnen, ydoch was uf ein ydes gehet stuckweiß vorstendiglich anschreiben unnd berechnen, solchs wollen wir ime erlauben. Es sol auch der amptman alle korn, mehl und maltz nach braunschweigischer maß innehmen und ausgeben, auch berechnen unnd des einen braunschweigischen himpten unnd scheffel haben, van aber solchs in den zinsen und maidern, so zum hauß gehoren, abtragen wurde, so sol er die zinß mit dem alten maß innehmen unnd dennoch die nach braunschweigischem maß im register vorgleichen unnd die ubermaß darzu schreiben. <Spisekorn> Unnd das best 56 sol vor das gesinde unnd herndinst auf die weiß, groß unnd maß, wie uf unserm hauß Wulfenbuttel unnd in andern unsern amptern das gebacken wirt, auch gebacken werden und darin die ordenung und rechnung stellen, das die mit den andern ampten gleich ubereintragen. Auch mit anschreibung deßelbigen das kuchenregister allenthalben halten, wie wir ime deß hineben ein vortzeichnuß haben geben lassen, und so wir uff unserm hauß Liebenburg etliche [16v] ablager halten wurden, alsdan sol dasjennige, so uf unß unnd unser diener in kuchen unnd keller gehett, in ein eigen register gleicher gestalt geschrei ben unnd in der amptrechnung berechnet werden. <Vihetucht> Wir wollen, das unser amptman uf die viehzucht auch ein sonder f1eissig aufsehens haben, unnd das jerlich des jungen viehs sovil als es die gelegenheit mit dem futter unnd sonst jmer leiden wil. Unnd sonderlich das die jungen, so von gutten muttern kommen, zugetzogen werden, auch den winter uber das vieh f1eissig lassen ausfuttern unnd das es ime an gutem futter nicht mangelt, dem vieh stro lassen schneiden, ein geheck unnd gemenges machen, dz das vich wol ausgefuttert in die weide widerumb korne, unnd ein yder vieh, es seyn koy, rinder, bullen, hemel, schaff, schwein etc. underscheidentlich nach dem alter unnd jarn der haupter in das register berechnet unnd geschrieben werden, wie ime deß hineben auch ein vortzeichnuß der innahm und ausgabe zugestalt ist worden. 56 Cal. Br. 10, Nr. 654: brodt.

30 28 Christian Lippelt <Schaffe> Unnd das unser amptman sonderlich darauff die achtung habe, das den schafmestern unnd knechten uber ir zal als den sehafmester 200 haupter unnd ydern Knecht 100 haupter die helft tugliche [17r] hamel unnd die ander helft gute milche schaff gehalten werde. Unnd das sie auff Walburgis 57 oder ehr nach gelegenheit des jars unnd der zeit, die lerner von den muttern absetzen unnd die auf den milcheimer gehen lassen. Unnd das alßdan der schafer schaff ir teil milch sein. Gleicher weiß sol sovil muglich der amptman unser ordenung under den schaffvich auch halten unnd den schafern auf das aufmelcken wol aufsehen, unnd sonderlich das die ir eigen schaf nicht vor rechter zeit lassen aufseigen. Unnd darauff mercken, wivel milchs die in das molckenhauß teglichs bringen. Unnd also auf den abgang des mulckens wol achtung geben. Item wie es auch jerlichs mit der bctzalung unnd berechnung des vichs auch entfangung der starbfelle, unnd ohrenmal unnd wan die wulle abgeschnitten wirt, dem hirtenlager unnd winterfutterung gehalten sol werden unnd was sonst mangelt, sol inen jerlichs durch die visitatores, so wir dartzu verordnen, uf sein des amptmans erfordern angetzcigt werden, demselben also fleissig one nachlaß zufolgen. <Wulle> Item die wulle sol der amptman zu rechter zeit lassen abschneiden, unnd gutte achtung haben, das die schacf zuvor recht gewaschen werden [17v] unnd wen die wolle also abgeschnitten ist, sol er unß oder unsern Rethen bevelch uberkomen, wurhin ehr dieselbige fuhren sol lassen unnd unß darvon uf solchen bevelch alletzeit ein wagtzettell, was die gewogen, vom wagmester in unser rentherey zuschicken. <Schaffe> Unnd ap durch unheil von unserm vorat der schaff etliche sturben, so sol der amptman die ursache sich zeitlich erkunden und das von sich sagen unnd radt darinnen suchen, darmit demselbigen vorgekommen moge werden, auch darnach trachten, das ander an der abgegangen stedt, wider vorschafft unnd der vorrat in seinem werdt pi eibe. <Hanen, huner> Wir wollen auch, das der amptman den vorradt der hanen unnd huner uf unserm vorwerck dermassen anrichte, das wir vor unß zu unscrm hoflager des jars etliche caphanen unnd junge hanen haben unnd bekomen mogen. Die rauchuner sol er, wie unnd von wem er die bekumet, eigentlich anschreiben und dieselben nach laut der vorigen vortzeichnuß in unser hoflager auch schicken. \7 Mai 1.

31 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 29 <Bawle... >58 Item es sol auch unser amptman die innam mit kyen, pferden und waß sie sonst zugeben schuldig sein, der halßeigen [18r] leut eigentlich halten und nicht nachlassen, sondern, von wem ehr die bekomet, eigentlich inschreiben, unnd wohin er die wider tut. Jdoch sol ime darvor gelt zunehmen sein. <Dem vieh ein spennigen korn zu geben> Item wie der am pt man es auch mit den pferden unnd andern vieh, so es an habern zur futterung mangeln wurde, mit dem rocken ader garsten densclbigen zu vorfuttern halten sol, er zu jder zeit, so es unß oder unsern rethen von ime angetzcigt wirt, bcvelch uber komen. Desgleichen sol ehr unsern dienern ir vorsproehen korn, ane unsern ader unser redt schriftlichen bevelch nicht geben ader folgen lassen, so auch Got der Herr durch seinen gotlichen willen die mast im geholtze entziehen wurde, unnd ehr uf die mastschwein rocken oder gersten haben musse, sol ehr uns ader unsern rethen auch antzeigen, unnd darauff unsern bevelch entfangen. Unnd so mast vorhanden, dasselbige antzeigen, auch keine frembden schweine, so uf unsern hauß nicht gehorig, darin nehmen one unser ader unser redt wissen unnd bewilligung. <Hering, rotseher> Item was der amptman von hering, ratseher ader stockfisch zur haußhaltung alle jar bedurffen wirt, das sol er uf ader gegen die fasten auß unserm hoflager zu [18v] Wulfenbuttell bekomen unnd der ane schriftlichen bevelch nichts kaufen. Item es sol der amptman auch den meyerschen bevehlen, das die den morgen zu rechter zeit milchen den mittag unnd abents und das die koy dan in die stelle ingebunden unnd alle rein ausgemolcken werden, d(aß) die obermeyerschen auch mit dem mulcken reinlich umbgehe, das schmant ader vlot fleissig sam eie, und butter. Unnd die butter in den andern tag in den molden stehen lasse, das das wasser und die ubrige feuchtigkheit darauß flisse, und d( aß) oftmals abgise, ehr sie die in die tuhnnen inknete, unnd wan die meigersche die butter inkneden wil, das sie alsdan nochmals ein wenig nach notturfft mit saltz besprenge, unnd umbknede, unnd also in die thunnen legge, darin die der schreiber ader amptman nach Ib wegen sol unnd das zur in nahm in das register schreiben, wivel in ein thunnen kommen. Wen es aber donner und blixen wetter ist, das sie dan desgleichen die buttern in den dritten tag in den molden stehen lasse unnd die dan also widerumb umbknede, mit saltz nach notturfft besprenge unnd vorware, das die unvordorben pleiben, dan so die zu schanden wurde, sol der [19r] amptman darzu antworttcn, was nhun mit innehmung der puttern und kese die ordenung weiter ist, dem sol der amptman also nachkomen und thun und vor alles sol der amptman vor unß jarlichs, ehr das schafmulcken zukompt, eine thunnen meybuttern von eittel kumulcken machen unnd aufsetzen lassen, die ehr in unser hoflager gegen die Pfingsten senden soll. 58 Lesart unklar.

32 30 Christian Lippe/t <poeisch gewegen> Item es sol auch unser amptman alles fleiß von kuen, rindern, hemel, schafen, kelbern und was sonst geschlachtet wirt nach pfunden zur innahm unnd ausgabe der kuchen, schreiben unnd also berechnen. <Prouiand nach Wulffenbuttel> Item es sol unser amptman alles dasjenige, so ime in unser hoflager zusenden zugeordenet ist, unnd des eine vorzeichnuß, uf weiche zeit das gescheen sol, hiebeuorn zugeschickt ader noch jerlichs von unserrn kuchenmester bekomen wirt, auf den angesetzten tag one abgangk gewislich senden. Unnd was er sonst uber seins amptshaushaltung und geburliche notturftt auch uher die ordenung zuentberen hat, es sey ochsen, alte koy, rinder, hemel, alte schnitschaff, schwein, speck, butter, kese, hopfen, rocken, garsten, [19v) maltz, erwessen, bohnen, rubesamen, mahn unnd sonst allerley korn, soichs sol er stets fleissig uberlegen unnd unserm obersten vogt zu Wulfenbuttll antzeigen und sich des seines bevelchs daruf halten. <Hoppengarden> Item es sol auch unser amptman die kulen in den hopengarden lassen zellen unnd in sein amptregister zuschreiben, als wie groß die hopfengarden sein, wivel kulen unnd stacken der habe und hopfe daruf wechst, des auch sonderlich rechten bericht wisse zuthun und zuberechnen. <Visschedecke> Desgleichen sol der amptman in der rechnung die fischteich, wivil jar ein ider hat zugestanden, wurmit der besetzt unnd was darauß wider gefangen unnd wurhin die fische widerumb gekomen sein berechnen. Unnd wie groß ein yglicher teich sey nach morgenzal auch in den register haben, auch die leich- unnd streichteich: wie das unser fischordenung vermag in vesten baw und besserung zuhalten. Die bey wettertagen bessern lassen, zu zeit der grossen wesserung fleissig aufsehen, das die teiche an den tehmen keinen schaden nehmen unnd im somer in der flachszeit, das die an frischen wasser keinen mangel leiden. [20r] Unnd den leuten zuvorpiten, dass sie in die teich keinen flachs zu rusten leggen, auch an den gruttzappen, in- und umbflussen nach aller notturft wol verwart sey unnd werden. <Visehe nach der wichte> Was auch von fischen darauß den ader fischwassern gefangen werden, die sol ehr nach pfunden in ein innahm, so vii ehr der zur kuchen behelt, zur ausgabe schreiben, auch was er der in unser hoflager schickt, des von dem kuchenmester ader schreiber quitantz nehmen. Gleicher gestalt sol ehr es mit den grunen, großen, kleinen unnd allerlej fischen auch halten.

33 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 31 < BrenhoItz> Item mit dem brenholts zur teglichen fewerung sol es gleicher gestalt gehalten werden, unnd von wochen zu wochen, wuvil des gefuhrt unnd verbrendt wirt, es sey zu kuchen, braw-, back- unnd pfordthauß auch die gemach und stuben allenthalben, dar das hingduhrt wirt, berechent werden. <Herndeinste> Item wir wollen auch ernstlich, das er den herndinst, wurzu er den wochentiich gepraucht unnd sonderlich, was ein jder die wochen gethan, als wivel morgen der gepfluget, wivel fuder mist der gefuhrt unnd sonst allerlej arbeit, darbeneben recht und tauglich lassen an- [20v] schreiben unnd des ein wochenzettel alle Montag one einiche entschuldigung in unser rentherey schicken, auch auf den dinst die achtung haben, das der f1eissig unnd getrewlich gethan werde, unnd gleich zugehe, aiß das die vogte nicht aus gunst ader gabe, freuntschaft ader feindtschafft einen vorubergehen sitzen lassen und den andern uber sein pflicht hoher beschweren bey vorrneidung unser schweren ungnadt unnd straff. <Keynen zu speisen> Item es sol auch unser amptman nymants von unsern dienern uf das hauß ader furwerck nehmen, futter und mahl geben, es sey dan, das ime von unß ader unsern rethen, marschalck und vogt des ein underschriebener bevelchs ader eszettel getzeiget werde, ader er habe des zuvor eins vor alle sonderlich bevelch. Item es sol unser amptman one unsern beve\ch nichts bauen, was er mit dem herndinst nicht aufrichten kan, allein die tach, brucken, grunde, thoren und fenster in bau unnd besserung zuhalten unnd darauff, was die belonnung ertragen wil, sol ime bevohlen und erlaubt sein unnd was sonst mehr von not wegen aldar zu bawen und zu bessern [21r] were unnd sein wurde. Solchs sol er zuvor unß antzeigen und schriftlich bevelch daruf entfangen unnd sich demsc1bigen gemeß halten. Auch im ampt unnd gericht die bosen wege auf der gemeinen strassen mit prucken und demmen stetz bessern durch und mit dem herndinst. Item es sol auch unser amptman ader ander unser eidthaftigen diener one urlaub kein nacht vom hauß sein und pleiben, sondern, dahin den amptman die amptsachen erheischen, reiten, sich seins bevelchs laut disser unser amptordenung gemeß unnd gehorsamlich halten, auch alle unser sachen unnd thun fleissig und getrewlich ausrichten. <Molen> Item es sol auch unser amptman fleissig daran sein, das die molen mit den malgesten 59 wol gefurdert unnd nicht vii stil stehe, darmit die moln iren vordinst unnd gewinst uns inbringen moge, unnd eine olymolen antzurichten versuchen. LetzIich sol unser amptman hirnegst, wen er zur rechnung verschrieben und bescheiden ist, dise seine amptordenung mit sich bringen unnd bey ime haben, unß ader den jenningen, so wir zur rechnung vorordenen, daruf bericht wisse zugeben. Es sol- S9 Cal. Br. 10, Nr. 654: mahlgestcincn.

34 32 Christian Lippelt len unser haupt man ader amptman [21 v] dise ordenung keinswegs beschreiben noch abschreiben lassen, ader andern zulesen geben, sondern die bey ine vorschwegen unnd vorborgen halten, den kornschreiber darauß auch nicht mehr, dan sovil als sein ampt belanget, lesen unnd wissen lassen unnd wan der amptman von seinem dinst abtzeucht, alßdan dise unser amptordenung unnd andere bevelch was er dern hat, ader uberkomen mecht, neben den registern unß ubergeben. Welchs wir ime hirmit bey seinem eidt eingebunden haben unnd wollen unß zu ime gnediglichen vorstehen, er werde disser unser amptordenung auch sonst seinen pflichten und eiden also stedt vest nachsetzen. Wir wollen unß aber vorbehalten haben, dise unser amptordenung stctigs und al Ictzeit zu andern, zu bessern unnd die nach unserm gefallen zu vormehren, so oft unß das gefellig. Actum 60 under unserm hantzeichen und ufgedrucktem pet schafft am Sontag nach Laurentii 61 Anno [15]41 H(einrich) H(erzog) z(u) B(raunschweig) u(nd) L(ünebur)g mein hant Anhang: Überlieferte Amtsordnungen der Jahre 1541 und Die Amtsordnung von 1541 August 14. HStAH Cal. Br. 10, Nr. 654, fol. lr-12: Unser von Gots gnaden Heinrichs des Jungern Hertzogen zu Braunschweygk und Lunebllrgk etc ambt ordnung unsers Hauses Wintzenburgk und wollen ernstlich, befehlen auch gemeltem unserm amptman daselbst, das er sollicher IInser ordnunge mit einname und ausgabe, gelt, korn, viehes und allem nachkomme, daran geschicht unser wille, und meynung inn gnaden zuerkennen. HStAH CaI. Br. 10, Nr. 654, fol. 13r-25: Unser von Gots gnaden Heinrichs des Jungern Hertzogen zu Braunschweig und Luneburgk etc ambtordnung unnsers hauses Wintzenburgk, unnd wollen ernstlich, beuehlen auch gemelfem unnserm amptman doselbst, das ehr solcher unnser ordnung mit einnahme vnd ausgabe, gelt, korn, viehes unnd allem, nachkomme, daran geschicht unser wille unnd meinung inn gnaden zuerkennen. HStAH Cal. Br. 10, Nr. 39, fol. 31r-36v: Unser von Gots gnaden Heinrich der Junger Hertzog zu Braunswig und Leuneburgk etc ambtsordenung wies mit einnamen und aüsgeben sol gehalten werden. Letztere diente wohl als Vorlage für Beilage Nr. XXIII bei Carl GESENIUS, Das Meyerrecht mit vorzüglicher Hinsicht auf den Wolfenbüttelschen Theil des Herzogthums Braunschweig-Lünehurg. 2. Bd. Wolfenbüttel 1803, S " Ca[. Br. 10, Nr. 654: Actum Wolffcnbuttcl [... J. 6' August 14.

35 Amtsordnung Herzog Heinrichs des Jüngeren 33 StAWf 40 Slg, Nr. 105, fo!. llr-21v: Unsers von gots gnaden Hainrichs des Jungem liertzogen zu Braunschweig unnd Luneburg p hauß unnd ampt ordenung unsres hauß unnd schloß Lebenburg f... }. StAWf 40 Slg, Nr. 105, fo!. lr-lor: Unser von gotts gnaden N. amptordnung unsers hauses N. und wollen ernstlich beuehlen auch gemeltem unserm amptman daselbst das ehr solcher unser ordnung mit innam und ausgabe gelt kom und viehes und allem allenthalben nachkomme dran geschicht unser will und meinung in gnadenn zuerkennen etc. 2. Die Amtsordnung von 1547 August 18. HStAH Ca!. Br. 10, Nr. 445, fo!. 3v-llr: Unser von gots gnaden Henrich des Jungem Hertzogen zu Braunschweig undt Luneburg amptsordnung wie es mit einnhemen und ausgeben, sol gehalten werden für das Haus Bilderiahe. HStAH Ca!. Br. 10, Nr. 479, fo!. 1-12r: Furstliche gegebene haußordnung des hauses Lebenburgk // Unnser vonn Goths gnaden Henrichs des Jungem Hertzogenn zu Braunschweig unnd Lunenburg etc amptsordnung wie es mit eynnemen unnd aussgeben soll gehaltten werden. HStAH Ca!. Br. 21, Nr. 39, fol. 37r-44v: Unnser von Gottes gnaden Henrich des Jungem Hertzogen zu Braunschweig unnd Leuneburgk p ambtsordenung wie es mitt innhemen unnd außgebenn soll gehalten werden für das Haus Greene. HStAH Ca!. Br. 21, Nr. 39, fo!. 60r-89v: Amptordnung des furstenthumbs Braunschweigk für das Haus Lutter am Barenherge von 1547 August 20. HStAH Hild. Br. 1, Nr. 1035, fo!. 2r-7v: Unser von Gotts gnaden Henrich des Jungem Hertzogen zu Brunswich unnd Luneburch etc ambtsordenung wy es mith innhemen unnd ausgeben sol/ gehaltenn werdenn wahrscheinlich aus der Registratur des Amtes Gandersheim in einer Abschrift wohl des Jahres StAWf LB 618, unpag.: Unser von Gottes gnaden Heinrich des Jüngern Hertzogen zu Braunschweig undt Lüneburgk etc ambtßordnung, wie es mit innehmen undt außgeben soll gehalten werden in einer Abschrift wohl des Jahres StAWf 40 Slg, Nr. 118, fo!. 2r-Sv: Unser von Gotts gnaden Henrich des Jungem Hertzogen zu Braunschweig und Luneburg etc ambtsordnung, wie es mit innahmen und ausgeben soll gehalten werden in einer Abschrift wohl des Jahres StAWf 4 Alt 1, Nr. 718, unpag.: Unser von Gottes gnaden Heinrich des Jüngeren Hertzog zu Br(aunschweig) undt Luenb(urg) amptsordenung wie es mit einnehmen undt außgeben sol gehalten werden in einer Abschrift nach 1613.

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37 Die Emigranten der Französischen Revolution im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttef von Günter Scheel Im Jahre 1989 wurde weltweit an jenen 14. Juli 1789 vor zweihundert Jahren erinnert, an dem in Paris von einer aufgebrachten Volksmenge die Bastille erstürmt und damit die französische Revolution ausgelöst wurde. Mit dem Umsturz der politischen und gesellschaftlichen Strukturen in Frankreich veränderte sich auch Europa tiefgreifend, indem nicht nur das Bürgertum anstelle des Adels eine bestimmende politische Kraft wurde, sondern auch das Ideengut der Revolution bis in das 20. Jahrhundert wirksam geblieben ist. Besondere Aufmerksamkeit fand dieses weithistorische Ereignis in der Publizistik und Geschichtsforschung Frankreichs, wo anlässlich des Bicentenaire nicht nur die Errungenschaften der Revolution in Feiern beschworen, sondern auch kritische Fragen gestellt wurden, nämlich, ob die Revolution nützlich oder schädlich, notwendig oder vermeidbar gewesen wäre. Die wichtigste Frage ist wohl jene, ob der mit den Schlagworten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eingeleitete gesellschaftliche Wandel, den führende Köpfe wie Marat und Robespierre mit Mitteln des Terrors glaubten durchsetzen zu müssen, nicht auch auf evolutionärem Wege durch vernünftige Reformen zu verwirklichen gewesen wäre. Immerhin haben in den Revolutionsjahren und der anschließenden Napoleonischen Aera von 27 Millionen Franzosen 2 Millionen ihr Leben verloren. Im Jahre 1993 ist dann die Revolutionsdiskussion erneut angefacht worden, denn am 21. Januar vor 200 Jahren war der französische König Ludwig XVI. nach einem Schuldspruch des gleichzeitig als Anklagebehörde und Richter fungierenden Konvents vom 17. Januar durch die Guillotine in Paris hingerichtet worden. Am 16. Ok- I Allgemeine Literatur in Auswahl: Ghislain de DIESBACH, Histoire de I'cmigration 17R9-1RI4. Paris Für Niedersachsen: Die Französische Revolution und Niedersachsen , hg. von Reinhard OBERSCIIELP, Texthand. Hildesheim 19R9, S. 142 (=Veröff. d. Nds. Landeshihliothek Hannover 10); Das Kurfürstentum Hannover und die Französische Revolution. Quellen aus den Jahren , hg. von Gerhard SCHNEIDER. Hildesheim 19R9; Gerhard SCHNEIDER, Kurhannover im Zeichen der Französischen Revolution. ßielcfcld 1990 (= Hannoversche Schriften zur Regional- und Lokalgesch. 1); Elisabeth KRUSE, Die Emigranten der Französischen Revolution in Kurhannover. Hannover 1990 (Quellen und Darstellungen zur Gesch. Nds. 104); Für das Fürstentum Braunschweig Wolfenhüttel: Heinrich MACK, 22. Sitzung des Geschichtsvereins am zu Wolfenhüttel, in: Bs. Magazin 9, 1903, S ; Paul SANDER, Französische Emigranten in Deutschland. Untersuchungen über die politische Tätigkeit und das tägliche Lehen der Emigranten im Rheinland und im Hzgtm Braunschweig-Wolfenbüttel. Phil. Diss. Bs

38 36 Günter Scheel tober verlor dann Königin Marie Antoinette auf gleiche Weise ihr Leben. Beider Sohn, der Dauphin, als Ludwig XVII. gezählt, starb 1795 im Alter von zehn Jahren in der Haft im Pariser Temple. Von juristischer Seite wird zwar zugegeben, dass Louis Capet, so wurde Ludwig XVI. nach seiner Absetzung genannt, ein faires Verfahren bekommen habe und zu Recht wegen Landesvcrrats verurteilt worden sei. Aber das Todesurteil war nach Auffassung des französischen Juristen Paul Lombard aus mehreren Gründen nicht zwingend geboten. Zum einen beanstandet dieser die miserable Verteidigungsstrategie der Anwälte des Königs, zum anderen stellte er fest, dass ein Abgeordnetcr aus Belgien gar nicht stimmberechtigt gewesen sei, so dass das mit einer Stimme Mehrheit gefällte Todesurteil ungültig und ein Fehlurtcil gewesen sei 2 Dass ein Teilaspekt der Revolutionsgeschichte, das Emigrantenproblcm, gerade in der Gegenwart Aktualität besitzt, belegt die von Philip Manset im Juli 1999 in London organisit:rte Tagung "French emigres in Europe " und die Jahrestagung 2002 der Gesellschaft für historische Migrationsforschung in Blaubeuren mit dem Thema "Revolution und Migration". Zum Zeitpunkt der Hinrichtung Ludwigs XVI. hatten bereits viele königstreue Franzosen und jene, die sich als Adlige oder katholische Priester bedroht fühlten, die Heimat in Richtung Spanicn, England, die Niederlande und Deutschland verlassen. Geographische Schwerpunkte der Emigration waren außer Paris vor allem die Küstenregionen Bretagne und Normandie sowie die Gebiete an Rhein und Mosel sowie die südöstlichen Mittelmeerdepartements 3. Unter den Emigranten befanden sich auch die Brüder des Königs, der Graf von der Provence und dcr Graf von Artois, die in der Restaurationsepoche nacheinander als Ludwig XVIII. und Karl X. Könige von Frankreich werden sollten. Sie hatten in den Kurfürstentümern Mainz und Trier untcr dem Kommando des Prinzen Conde eine Emigrantenarmee aufgestellt, mit deren Hilfe die Geflüchteten auf eine baldige Rückkehr nach Frankreich hofften. Dies sollte sich jcdoch angesichts der militärischen Erfolge der Revolutionsarmeen als Illusion erweisen. Ende 1791 befanden sich bereits 15 bis Emigranten auf linksrheinischem Gcbiet 4 Die Hinrichtung des Königs und die anschließende Schreckensherrschaft unter Danton und Robespierre in den Jahren 1793/94 ließen den Flüchtlingsstrom erneut ansteigen. Jetzt verließen auch diejenigen Frankreich, die trotz der diskriminierenden Gesetzgebung gegen Geistlichkeit und Adel der Jahre 1792/93 zunächst in der Heimat geblieben waren. Sie begaben sich mit den sich an Rhein und Mosel aufhaltenden Emigranten in das Innere Deutschlands, wo die verfolgten Priester vor allem in den Bistümern Asyl zu erhalten hofften. Was war in diesen Jahren in der französischen Gesetzgebung geschehens? Bereits 1789 sind die Kirchengüter verstaatlicht wordcn, 1790 wurde ein Gesetz über den 2 Paul LOMBARD, Le proces du roi, Paris 1973, S. 290 f.. 3 Vgl. die Karte bei Donald GRHR, The incidence of the Emigration during the Freneh Revolution. Camhridge 1951, nach S Kurt VON RAUMER, Deutschland im 18. Jahrhundert. Wiesbaden 1980, S. 88. (=Handbueh der deutschen Gesch., hg. von Leo Just, Bd 3,1,1). 5 Übersichten der einschlägigen Emigrantengesctzgebung mit Quellenanhang: Marcel RAGON, La lcgislation sur les emigres Paris 1904.

39 Emigranten der Französischen Revolution 37 zivilen Status des Klerus beschlossen sowie ein priesterlicher Eid auf die Konstitution verlangt und 1791 ein Dekret über eidverweigernde Priester verkündet. Zahlreiche eidverweigernde Priester ermordete man im September Dem Adel nutzte es nichts, dass er schon 1789 freiwillig auf einen Teil seiner Privilegien verzichtet hatte, denn 1790 wurde per Dekret der Adel abgeschafft und die Führung adliger Titel verboten. Vom 1.0ktober 1791 an erließ dann die Nationalversammlung rigorose Gesetze gegen die Emigranten wurden sie definitiv enteignet und im Falle ihrer Rückkehr mit der Todesstrafe bedroht. Das Verlassen des französischen Territoriums stellte man 1793 unter Strafe und verfügte die Eintragung aller Emigrierten in eine alphabetische Liste, die fortgeschrieben wurde. Schließlich verdammte man sie im März 1793 auf alle Zeit vom französischen Boden, erklärte sie für zivil rechtlich tot und zog ihr Vermögen zugunsten der Republik ein. Eine vorübergehende Lockerung dieser Bestimmungen nach der Beendigung der Terrorherrschaft wurde in der Direktorialverfassung vom wieder aufgehoben. Noch im Dezember 1799 bestimmte Artikel 93 der Konsulatsverfassung dass die Rückkehr der Emigranten verboten und ihr Eigentum der Republik verfallen sei. Da man diese Bestimmungen sehr großzügig handhabte, waren schon 1795 zahlreiche Ausgewanderte nach Frankreich zurückgekehrt, indem sie Pässe mit falschen Namen vorlegten, die nicht auf der Emigrantenliste standen. Darauf befanden sich im Januar 1793 etwa , im Frühjahr und im Oktober Personen 6 Insgesamt sind nach neu esten Schätzungen in der Revolutionszeit etwa Franzosen, darunter nur ca Adlige, bei einem Bevölkerungsanteil von 28 Millionen Menschen emigriert, also nicht einmal ein Prozent1. Die Zahl der Hingerichteten schätzt man auf Erst als am 26. April 1802 von Napoleon eine Generalamnestie verkündet wurde, sind die meisten Emigranten nach Frankreich zurückgekehrt. Entschädigungszahlen für erlittenes Unrecht waren schon damals ein Problem, das in der Restaurationszeit nach einer Debatte im Parlament in den Jahren 1824/25 dahingehend gelöst wurde, Emigrantenfamilien mit Rentenzahlungen in Höhe von 866,5 Millionen Francs für die erlittenen Vermögensverluste, namentlich für die Enteignung von Grund und Boden, zu entschädigen~. Überblickt man die räumliche Verteilung der französischen Emigranten in Niedersachsen, so stellt man fest, dass ihr bevorzugtes Ziel nicht etwa das größte Territorium Kurhannover, sondern das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel gewesen ist. Ein Zeitgenosse, der hannoversche Bürger Bernhard Hausmann, hat sich in seinen Erinnerungen zum Jahre 1792 dazu folgendermaßen geäußert: Die größte Teilnahme wendete sich den Emigranten zu, welche anfingen, hier einzutreffen, größtentheiis in den 6 Francois FURH und Denis RICHET, Die Französische Revolution. Frankfurt a. M. 196!l, S. 344; KRUSE (wie Anm. 1), S. 34 f.; Wilhelm BRINGMANN, Louis XVIII. von Frankreich im Exil. Blankenburg !l. Frankfurt a. M. 1995, S. 52 f.; Hippolyte TAINE, Die Entstehung des modemen Frankreich, Bd. 3. Mecrshurg 0.1., S Winfried SCIIULZE, Revolutionserinnerung und Revolutionsopfer. Die Debatte um die Entschädigung der Emigranten der Französischen Revolulion IIl24/25, in: Historische Zs. Bd. 257, 1993, S FURET (wie Anm. 6), S. 4RR. 9 SCIIULZE (wie Anm. 7), S , bes. S. 54.

40 38 Günler Scheel kläglichsten Verhältnissen. Der Hauplzug derselben ging zwar nach Hamburg und Braunschweig, wo sie bei dem Herzoge earl Wilhelm Ferdinand eine besonders hilfreiche Aufnahmefanden, doch blieben auch manche in Hannover zurück 10. Herzog Karl Wilhem Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel machte mit den Emigranten zum ersten Male als Oberbefehlshaber der verbündeten österreichischen und preußischen Truppen und des Emigrantenkorps im ersten Koalitionskrieg von persönlich BekanntschaftlI. Wie Kaiser Leopold 11. und der englische König Georg III. mochte auch er die teilweise zur Schau gestellte hochtrabende Haltung der Flüchtlinge nicht. Sie bestürmten ihn mit Ratschlägen und suchten ihn zu einer energischeren Kriegführung zu bewegen. Eine besonders verhängnisvolle Rolle spielte der Marquis de Limon-Hallwin, der zunächst als Kabinetssekretär zweier Schwestern Ludwigs XVI. tätig gewesen war, dann als oberster Finanzverwalter des Herzogs von Orleans sich im Kreise der Gegner Ludwigs XVI. befand und nach seiner Emigration 1792 in Wien als zwielichtiger Literat bekanntgeworden ist. Er legte Karl Wilhelm Ferdinand ein im Kreise der Emigranten beratenes und von ihm verfasstes Manifest vor, mit dem der Stadt Paris die Zerstörung angedroht wurde, wenn die Revolutionäre dem König ein Leid zufügen würden 12 Da die Monarchen Österreichs und Preußens das Manifest billigten, sah sich Karl Wilhelm Ferdinand genötigt, dieses am 25. Juli in Koblenz zu unterzeichnen und kurz darauf zu veröffentlichen, was er im Nachhinein sein Leben lang als großen Fehler bedauert hat. Ein Sturm der Entrüstung brach in Frankreich los und verstärkte die militärischen Anstrengungen des Revolutionsheeres, das den verbündeten Armeen in der Kanonade von Valmy am 20. September 1792 erfolgreich trotzte. Großmütig hat der Braunschweiger Herzog Limon-Hallwin verziehen, dass sein politisches Ansehen durch das unbedacht formulierte Manifest Schaden erlitten hatte. Er gewährte ihm 1795 in Braunschweig Asyl, wo er zunächst beim Fabrikanten Grabenhorst im Johannishof (Assek. Nr. 252), danach bei der Kommissionsratswitwe Lastrop (Assek. Nr. 452) Unterkunft fand. Dort ist er auch am 15. August 1799 gestorben und auf dem Friedhof der katholischen Nicolaikirche beerdigt worden 13. Wegen der Unstimmigkeiten über seine Kriegführung legte Karl Wilhelm Ferdinand 1794 den alliierten Oberbefehl nieder und kehrte nach Braunschweig zurück. Mit dem Sonderfrieden von Basel, den Preußen am 5. April 1795 mit Frankreich schloss und dem Frieden von Campo Formio zwischen Österreich und Frankreich endete 1797 der erste Koalitionskrieg. Ein als Offizier in der Emigrantenarmee kämpfender Elsässer, der Graf Heinrich Maximilian Montjoie Froberg, beeindruckte Karl Wilhelm Ferdinand derart, dass er ihn gegen den Widerstand der eigenen Offiziere 10 Bcrnhard HAUSMANN, Erinnerungen aus dem achtzigjährigen Leben eines hannoverschen Bürgers. Hannover 1873, S Sclma STERN, Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg. Hildesheim und Leipzig 1921, S Karl Theodor HF.IGEL, Das Manifest des Herzogs von Braunschweig, in: Silzungsherichle d. bayer. Akademie d. Wissenschaften, phi!. -hist. Klasse 1896, Heft 4. München 1897, S Ein Originalexemplar: StAWf lall 22 Nr a. 13 Ingrid HENZE, Zwei Grabsteine französischer Emigranten in Helmstedt: Di\ligre und de Limon-Hallwin, in: BsJb. 73, 1992, S

41 Emigranten der Französischen Revolution als Stabskapitän in ein braunschweigisches Dragonerregiment übernahm. Montjoie Froberg, der dann bis 1806 zunächst als Kammerjunker des Herzogs und danach als sein Kammerherr zu seinen engsten Vertrauten gehörte, wurde wegen seines großen Einflusses in Braunschweig nicht gern gesehen. Nach der Niederlage und tödlichen Verwundung Karl Wilhelm Ferdinands bei Auerstedt 1806 entstand das Gerücht, Montjoie Froberg, der sich im Hauptquartier befand, habe zusammen mit einer französischen Schauspielerin, die er dem Herzog als Geliebte zugeführt hatte, den Plan der Schlacht an die Franzosen verraten, was aber kaum zutreffen dürfte l4 Die Einsicht, dass die französischen Revoluitionsheere nicht besiegt werden könnten, sondern weiter vordrangen, veranlasste zahlreiche Emigranten, sich nach 1792 aus den Gegenden an Rhein und Mosel auch nach Niedersachsen zu begeben. Zu den ersten französischen Emigranten in Braunschweig zählte zweifellos die Familie des ehemaligen französischen Kriegsministers Puysegur. Seinem Bruder, dem Erzbischof von Bourges, gestattete Kar! Wilhelm Ferdinand bereits am 18. Februar 1794 die Messe in seiner braunschweigischen Wohnung am Eiermarkt (Ass. 452) zu lesen. Eine solche Genehmigung erhielten später auch der Chevallier Vallet des Barres (1797), die Comtesse de Grammont (1799), Frau von Rochechouart de la Rochefoucould (1800), der Marquis de Pont (1802) und der Bischof von Digne (1803). 40 geflohene französische Priester sorgten in der katholischen Nicolaikirche in Braunschweig und in der Petruskirche in WolfenbüUel für die geistliche Betreuung der Glaubensbrüder. Ab Januar 1795 geben die Kirchenbücher dieses Gotteshauses Auskunft über die Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle der Emigranten l5 In der Literatur häufig als einer der frühesten französischen Ankömmlinge bezeichnete Graf Egmont aus den Spanischen Niederlanden kam hingegen erst nach einem Zwischenaufenthalt Anfang Januar 1795 in Minden am Ende dieses Monats nach Braunschweig, wo er sich beim Kaufmann Thies am Petritor Hinter Brüdern (Ass. 63 u. 64) mit 8 Personen einquartierte. Graf Egmont blieb bis zu seinem Tode am 3. Dezember 1801 in Braunschweig, wo er auch seine letzte Ruhestätte fand l6 Fast gleichzeitig und koordiniert begannen sich die Regierungen in Braunschweig und Hannover mit den Emigranten zu beschäftigen. Die ersten Verordnungen, in Hannover am 29. Oktober, in Braunschweig am 3. November 1792 verkündet, stimmten sogar fast wörtlich überein. Darin wurden die Unterbehörden, Ämter und Städte angewiesen, alle Personen französischer Herkunft, die nicht aus geschäftlichen Gründen einträfen, den Aufenthalt zu verbieten. Wegen der sich verschärfenden politischen Situation während der Terrorherrschaft und wegen des immer stärker ansteigenden Flüchtlingsstroms, sind die Bestimmungen sowohl in Braunschweig als auch in Hannover im November 1794 insofern gelockert worden, als nunmehr Emigranten die Möglichkeit eröffnet wurde, auf besonderen Antrag eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Hierzu mussten sich die Angekommenen namentlich mit Wohnsitz, 14 MAcK (wie Anm. 1), S S Franz Wilhelm WOKER, Geschichte der norddeutschen Franziskaner-Missionen. Freiburg im Brsg. 1908, S. 516; Karl GRUBE, Zur Geschichte der katholischen Kirche in Braunschweig. BS 1908, S. 73 f.. 16 StAWf 299 N 176; StadtABs CVIl E5. BI. 11 Nr. 47 und StAWf 8 Kb 6, S. 14; GRUBE (wie Anm. 15), S. 54. Kirchenbuchkopien befinden sich in: StAWf 8 Kb 1,2; 2; 3; 5; 6.

42 40 Günter Scheel Berufs- und Standesbezeichnung bei den örtlichen Polizeibehörden registrieren lassen. Diese waren wiederum verpflichtet, den Geheimen Räten die Emigrantenlisten einzureichen 17. Die im Avertissementvom 8. November 1794 enthaltenen Bestimmungen wurden allen Ankommenden durch die Aushändigung eines Exemplars an den Toren bekannt gemacht. Nach den im Staatsarchiv Wolfenbüttel und im Stadtarchiv Braunsehweig vorhandenen Listen lh setzte der Flüchtlingsstrom in der zweiten Hälfte 1794 ein und schwoll bis Ende des Jahres kräftig an, so dass zum Jahreswechsel in Braunschweig 35 Flüchtlingsfamilien aus Brabant und Holland mit 213 Personen und 67 französische Familien mit 190 Personen, also insgesamt 403 Emigranten, gezählt wurden. Über die im gleichen Zeitraum nach Wolfenbüttel gekommenen Flüchtlinge liegen erst seit dem April 1795 Quellenbelege vor. Ende 1795 befanden sich jedoch dort 100, Mitte Emigranten. Diese Zahlen stiegen bis Ende 1797 noch einmal kräftig an: Wolfenbüttel 247, Braunschweig 497 und Blankenburg von 55 im Jahre 1796 auf 82 Emigranten, so dass die Gesamtzahl in diesen drei Städten 826 betrug. Einige Emigranten sind auch in Helmstedt und Holzminden nachweisbar. Wenn man berücksichtigt, dass einige der in den Listen aufgeführten Flüchtlinge sich nur vorübergehend im Fürstentum Braunschweig aufgehalten haben, andererseits aber nicht alle Neuankömmlinge darin erfasst sind, dürfte sich die Gesamtzahl der Emigranten Ende 1797 zwischen 800 und 900 Personen bewegt haben. Aus politischen Rücksichten auf das revolutionäre Frankreich gab Karl Wilhelm Ferdinand nach Abschluss des Friedens von Campo Formio am 28. Dezember 1797 mit einem Avertissement 19 bekannt, dass alle Emigranten innerhalb von vier Wochen das Land verlassen müßten. Da Ausnahmen bei Krankheit, Betreibung eines nützlichen Gewerbes und anderen Argumenten zugelassen waren, die von einer hierfür eingerichteten herzoglichen Kommission überprüft wurden, beantragten viele Emigranten diese Ausnahmeregelung und erhielten sie, so dass in den Jahren noch an über 50 braunschweigische Emigrantt:n staatliche Unterstützungen gezahlt worden sind. Letztendlich war der Herzog mit ihrem Verbleib unter der Bedingung einverstanden, dass sie nichts Auffallendes täten, sich ruhig zurückzögen und keine Beziehungen zur herzoglichden Familie unterhielten. Die Emigrantin Gräfin Ferronays schildert die Verwirrung, die herrschte, als Karl Wilhelm Ferdinand ihren Vater und einige andere Emigranten zu sich rief, um ihnen mitzuteilen, dass er kein Asyl mehr gewähren könne. Sie betont allerdings: Vom nächsten Tag an vergaß er nichts, um die schreckliche Maßregel zu lindern, die so viele Unglückliche wieder auf die Straße warf, und die sie ohne Geld und beim Nahen des 17 Für Hannover: Druck bei OUERSCIIELP (wie Anm. 1), S. 110; für Braunschweig: StAWf 40 Slg Die Emigrantenverordnungen sind der Bevölkerung regelmäßig durch den Abdruck in den Braunschweigischcn Anzeigen bekannt gemacht worden; das Avertissement vom StAWf 40 Slg Vgl. aueh die Übersicht bei Leopold Friedrich FREDERSDORFF, Promtuarium 6, BS 1797, S ; 7, BS 1816, S. 67f.; IR StAWf lai! 22 Nr und 1902; 299 N 176; 30 Sig 6 Nr. 192 Bd 1; 2 Big 1107 BI , 46-4R; StABs C VII ES. 19 StAWf 40 Sig und 2 Big 1107, BI. 58; gedr.: Bs. Anzeigen 4. Stück vom ; Übersetzung: SANDER (wie Anm. 1), S. 43 f..

43 Emigranten der Französischen Revolution 41 Winters überraschte. Der Herzog und seine Frau verteilten große Summen. Sie gingen sogar so weit, die Plätze in allen Wagen zu bezahlen 2o Auch die Herzoginmutter Phillipine CharIotte war konsterniert und bekundete ihrer Berliner Schwägerin Elisabeth Christine am 29. Dezember 1797 ihr Mitgefühl für die ungewisse Zukunft der in Braunschweig befindlichen Emigranten: Le Duc a recu la commissian de la Republique de faire partir tous fes emigres qui sant ici avec le comte de Provence, qui est ii Blanckenbourg, ce qui a cause une terrible deroute et m 'a faite peine ii cause que la pluspart sont des malheureux qui ne savent ou donner de la tete 21 Ursache für diese Abschiebungsmaßnahmen waren Drohungen des in Berlin akkreditierten französischen Gesandten Caillard wcgen des Ludwig XVIII. in Blankenburg gewährten Asyls. Karl Wilhelm Ferdinand verhandelte mit Caillard persönlich in Berlin und versicherte dem Gesandten, Ludwig XVIII. und die Emigranten so bald wie möglich zur Abreise zu veranlassen 22 Wenn man die 497 Emigranten in der Stadt Braunschweig im Dezember 1797 demographisch aufschlüsselt, so ergeben sich folgende Zahlen: 321 männliche, 176 weibliche Personen, darunter 86 Kinder. Dazu kamcn als Dienstpersonal: 73 Männer und 56 Frauen. In der ständischen Zusammensetzung stellte der Adel mit 233 Personen fast die Hälfte der Emigranten. 28 Personen waren geflohene Geistliche. Als Vermieter haben in Braunschweig Quartiere zur Verfügung gestellt: 42 Handwerker, 21 Witwen, 15 Kaufleute, 13 Beamte, 5 Gastwirte, 4 Gelehrte, 3 Ärzte, 2 Offiziere und 2 Organisten. Der braunschweigische Adel trat als Vermieter nicht in Erscheinung. Lediglich der Herzog stellte das Mosthaus (Burg Dankwarderode) zur Verfügung. Hochrangige Emigranten aus der politischen und kirchlichen Sphäre sind in der Stadt Braunschweig gewesen: Graf Egmont, einst Gouverneur der Spanischen Niederlande, der Erzbischof von Bourges Puysegur und die Bischöfe von Lisieux de la Ferronays und von Laon, Sabran. Emigranten von internationalem wissenschaftlichen Ruf waren der fast blinde Abbe Delisie, der berühmteste französische Lehrdichter des 18. Jahrhunderts, Harlay, Professor der Mathematik und Physik der Universität Douay, und der Niederländer Willem Bilderdijk, auch Tristerband genannt, berühmt als Poet und Historiker und anerkannt als Sprachforscher der Orientalistik 23 Unter den in Wolfenbüttel im September 1796 befindlichen 247 Emigranten, darunter zahlreiche Offiziere, war der adelige Anteil mit 64 Personen prozentual weit geringer als in Braunschweig. Neben den aufgenommenen 21 katholischen Priestern bildeten auch 20 Handwerker und Künstler, die in der Tapetenfabrik des Emigranten Thouvenot und den bei den Fabriken von Vallet des Barres für Seifen und Stahlwaren beschäftigt wurden, eine besondere Gruppe. Für die Unterbringung spielte auch hier die ständische Herkunft im allgemeinen keine Rolle. Es haben, zum Beispiel, gräfliche Familien auch bei IIandwerkern Quartier bezogen. Außer ihnen vermieteten in 20 STERN (wie Anm. 11), S Französischer Originaltext: COSTA DE BEAUREGARD (wie Anm. 90), S.53f.. 21 StAWf 299 N 61, BI BRING MANN (wie Anm. 6), S J STERN (wie Anm. 11), S. 248.

44 42 Günter Scheel Wolfenbüttel auch Kaufleute, Advokaten, Chirurgen und Behördenbedienstete Wohnungen. Einige Emigrantenfamilien bevorzugten einen Hotelaufenthalt. Bei der monatlichen Mietfestsetzung berücksichtigte man gewöhnlich die Anzahl der Familienmitglieder. Die Handwerker nahmen durchschnittlich pro Person und Monat einen Taler Quartiergeld. Zwischen 2 und 4 Talern ließen sich die Witwen bezahlen. Um die monatlichen Mietzahlungen transparent zu machen, mögen sie mit der Kaufkraft von einem Taler für Lebensmittel im Jahre 1798 in Beziehung gesetzt werden. Man bekam dafür 12 Pfund Rindfleisch oder 9 Pfund Leberwurst oder 36 Pfund Weizenmehl. Bauhandwerker wie Maurer und Zimmerleute verdienten damals im Winter 8 und im Sommer 10 Groschen täglich bei einem zwölfstündigen Arbeitstag. Um einen Taler zu verdienen mussten sie demnach im Winter 4 1/2 oder im Sommer 3 1/2 Tage arbeiten. Für einen Mietzins von 2 Talern hätten sie demnach 9 bzw. 7 Tage tätig sein müssen. Die herausragende Persönlichkeit, die vom 24. August 1796 bis zum 10. Februar 1798 in Blankenburg Aufnahme fand, ist der französische König Ludwig XVIII. gewesen. [Er wird nach der Hinrichtung seines Bruders Ludwig XVI. und dem Tode des Dauphins Ludwig XVII. im Jahre 1795 so gezählt]. Immer in Sorge von den Häschern der französischen Republik verfolgt und ermordet zu werden, hat er unter dem Pseudonym Comte de Provence oder Comte de Lilie häufig seinen Wohnsitz gewechselt. Zunächst hielt er sich nach der Flucht aus Frankreich 1791/92 in Koblenz auf, ging dann 1792/93 nach Hamm, von dort nach Turin und danach von 1794/96 nach Verona und schließlich zur Emigrantenarmee des Prinzen Conde nach Riegel im Schwarzwald. In DilIingcn entging er im Juli 1796 knapp einem Attentat. Dass Kar! Wilhelm Ferdinand ihm in Blankenburg Asyl gewährte, verdankte der König dem Marschall Charles Eugene Gabricl Marquis de Castries, der mit dem braunschweigisehen Herzog befreundet war und seit Anfang 1796 zu seinen privilegierten Emigrantengästen gehörte, obwohl er ihm im Siebenjährigen Krieg im Gefecht beim Kloster Kamp 1760 eine Niederlage beigebracht hatte 24 Der Marschall gehörte zum Gefolge Ludwigs XVIII., als dieser sich von 1792/93 zusammen mit seinem Bruder in Hamm aufhiclt 25 Seit Februar 1795 fand er zusammen mit den Prinzen von Chalais, dem Herzog von Montmorency, der Gräfin de Mailly nebst Tochter, der Herzogin Cailus sowie seiner Mätresse, der Comtesse de B1ot, Aufnahme in Wilhelmsthal bei Eisenach. Dort ist de Castries des öfteren von Herzog Carl August besucht worden 26 Mitte Juli 1796 kam die Gruppe, die mit 24 Rene Gaspard Duc DE CASTRIES, Le man!chal de Cast ries. Paris 1956, S ; BRINGMANN (wie Anm. 6), S. 121 f.; Thomas LINDNF.R, Die Peripetie des Siebenjährigen Krieges. Berlin 1993, S Peter VEDDELER, Französische Emigranten in Westfalen Münster 1989, S (Veröff. d. staatlichen Archive des Landes Nordrhdn-Westfalen, Rdhe C, Bd. 2H); RÜdiger Rohert BEER, Der Marquis de Cast ries. Gegner und Gastfreund Karl Wilhelm Ferdinands, Herzog zu Braunschweig und Lüncburg, in: BsJb. 56, 1975, S. 156 f.. 26 Briefwechsel des Herzogs-Großhcrzogs earl August mit Gocthe. hg. von H. WAHL 1, 1915, S. 201 f. u. S. 427; Hans TÜMMLER, Carl August von Weimar, Goethes Freund. Stuttgart 1978, S. 123 f..

45 Emigranten der Französischen Revolution 43 Dienstpersonal 44 Personen umfasste zunächst ohne den Marschall nach Wolfenbüttel, der am 15. August nachfolgte 27 Eine standesgemäße Unterbringung wurde lediglich der Familie de Castries im Schloss in Wolfenbüttd und dem Erzbischof von Reims, Tayllerand-Perigord, mit seiner Schwester im "Kleinen Schloss" beim Drosten Rodenberg gewährt. Der Erzbischof war in den Jahren ein eifriger Benutzer der Bibliotheca Augusta und lieh vor allem kirchenrechtliche Literatur aus 28 Im Wolfenbütteler Schloss stand ihm ein Saal als Kapelle zur Verfügung, wo er gottesdienstliche Handlungen vornehmen konnte 29 Die Gräfin von Bcchtolsheim, die dort von ihm gefirmt wurde hat in ihren Erinnerungen seine Persönlichkeit anschaulich geschildert 30 Karl Wilhem Ferdinand war zwar bereit gewesen, dem König Ludwig XVIII. Asyl zu gewähren, aber er hatte es abgelehnt, ihm ein fürstliches Gebäude, wie etwa das Schloss in Wolfenbütte1 oder Blankenburg zur Verfügung zu stellen. So fand der am 24. August 1796 in Blankenburg angekommene Monarch eine bescheidene Unterkunft in einem Bürgerhaus in der Langen Straße (Ass. 264), das der Witwe des Brauers Schröder gehörte. Dort bewohnte er drei Zimmer in der ersten Etage. Durch Intervention beim Braunschweiger Herzog erreichte er es jedoch, dass ihm Ende 1797 das geräumige Faktoreigebäude in der Tränkestraße zur Verfügung gestellt wurde. In diesem Hause befanden sich bis dahin Behördenwohnungen und ein Lager von Eisengeräten für den Bergbau. Ein direktes persönliches Zusammentreffen mit dem französischen König vermied Karl Wilhelm Ferdinand. Sein Verbindungsmann in Blankenburg war der dortige Regierungspräsident von Schleinitz und von Seiten des französischen Königs sein erster Kammerdiener, der Herzog von Villequier. Falls die Franzosen materielle Wünsche, wie etwa die Beschaffung von Möbeln, Brennholz und Essgeschirr unterbreiteten, wurde der Blankenburger Kammerdirektor Fredersdorf eingeschaltet. Der engere Hofstaat, mit dem Ludwig XVIII. in Blankenburg erschien, bestand zunächst aus 28 Personen. Er vergrößerte sich aber im Juli 1797 um 25 Personen der Equipage, die mit Genehmigung des Herzogs zum Teil im Blankenburger Schloss einquartiert wurden. Bei der Abreise aus Blankenburg am 10. Februar 1798 bestand sein Gefolge einschließlich der Dienerschaft aus 82 Personen. Der König lebte sehr zurückgezogen, erledigte täglich vormittags seine umfangreiche politische Korrespondenz mit drei Sekretären und empfing durchreisende Emigranten. Anschließend ging er in einfacher Kleidung in Begleitung von Leibwächtern spazieren. Das luxuriöse Diner wurde von einem Leibkoch, einem Pastetenbäcker und einem Konditor mit Hilfspersonal zubereitet. An Kaviar, Wein aus Malaga und Schokolade mangelte es nicht. Für das Wohlbefinden waren der Leibarzt du Vernier und der Chirurg Colon verantwortlich. Geistlichen Beistand leisteten der ehemalige Abt von St. Denis de F1euriel als Hofprediger und der Abbe Edgeworth als Beichtva- 27 Vgl. die bei BEER (wie Anm. 25), Abb. 8 u. 9 nach S. 168 gedruckte Liste. 28 Mechthild RAABE, Leser und Lektüre im IH. Jhdt. Die Ausleihhücher der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel München, London, New York, Paris, Bd. 1,1 1989, S BEER (wie Anm. 25), S. 162; SHRN (wie Anm. 11), S )n earl Graf ÜBERNDORH (Hg.), Erinnerungen einer Urgroßmutter (Katharina Freifrau von Bcchtolsheim geb. Gräfin Bueil). Berlin 1902, S. 85 f..

46 44 Günler Scheel ter. Dreimal wöchentlich fand mit engen Vertrauten eine Ratssitzung statt, an der manchmal auch der aus Wolfenbüttel herübergekommene Marschall de Cast ries teilnahm. Zu seiner Zerstreuung übersetze der König mit Vorliebe Horaz oder spielte zusammen mit der Comtesse Marsan und der Princesse Charlotte de Rohan Whist. Die deutsche Sprache zu erlernen lehnte er ab. Am 10. März 1797 richtete er eine Proklamation an die Franzosen, in der er um die Restauration der Monarchie warb. Da Karl Wilhelm Ferdinand ihn wie die übrigen im Fürstentum befindlichen Emigranten nach dem Frieden von Campo Formio Ende Dezember 1797 auf französisches Drängen auffordern musste, Blankenburg zu verlassen, reiste er am 10. Februar 1798 über Leipzig, Frankfurt/ Oder und Bromberg in das ihm vom Zaren zur Verfügung gestellte Quartier in Mitau ab, wo er am 20. März eintraf. Erst 1814 konnte er nach einem Zwischenaufenthalt in England wieder den Bourbonenthron besteigen, den er bis zu seinem Tode im Jahre 1824 innehatte 3!. Der Zustrom von Asylanten führte in den Jahren 1795 bis 1797 in den Städten Braunschweig, Wolfenbüttel und Blankenburg zu einem erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung, von dem vor allem Handel und Gewerbe profitierten. Der vermehrte Geldumlauf hatte aber eine eminente Preissteigerung für Konsumgüter und Mieten zur Folge. Dies traf vor allem jene, die auf feste Bezüge angewiesen waren, während die Gewerbetreibenden den Preisauftrieb durch Verteuerung ihrer Produkte auffingen. Unter den Emigranten gab es nur wenige, die über sehr bedeutende finanzielle Mittel verfügten, wie etwa die Gräfinnen de Pont und de Mailly, eine Tochter des Marschalls de Castries, sowie die Baroninnen Murard und de la Jaliere, die für den katholischen Gottesdienst in Wolfenbüttel Paramente stifteten 32 Graf und Gräfin Egmont wiederum unterstützten geflohene Landsleute finanziell großzügig. Beide verstarben kurz nacheinander 1801 in Braunschweig, wo sie auf dem katholischen Friedhof ihre letzte Ruhestätte fanden. Über ein großes Vermögen verfügte auch Etienne Francois dj\ligre 33, der einer angesehenen Familie des französischen Amtsadels entstammte und von erster Präsident des Pariser Parlaments gewesen ist. Er emigrierte bereits 1789 und kam im Februar 1795 mit Ehefrau und 6 Bediensteten nach Braunschweig. Da er mehrere Millionen Livres vor seiner Flucht auf ein Londoner Bankkonto transferiert und auf seinem Fluchtweg über Brüsscl, London und Hamburg erfolgreich an der Börse spekuliert hatte, konnte er im Braunschweiger Exil ein sorgenfreies Leben führen und große Summen als Darlehen an andere Emigranten geben. Am 21. Februar 1800 ist er im 73. Lebensjahr in Braunschweig gestorben und auf dem katholischen Nicolaifried- 31 Über die Lebensumstände Ludwigs XVIII. in Blankenburg vgl. Gustav Adolph LF.IBROCK, Chronik der Stadt und des Fürstentums Blankenburg, Bd. 2. Blankenburg 1865, S XI; BRINGMANN (wie Anm. 6), S R, , auf S. 2X4 f. Druck des Manifests. Zur Unterbringung der Equipage s. StAWf 1 Alt 22, BI ; über die materiellen Ililfsleistungen für die Franzosen s. ebd. 3 ß1g Bruno AXMAI'N, Die Gesch. der katholischen Pfarrgemeinde SI. Petrus in Wolfenbüttel. Erholzheim 1957, S Über ihn vgl. HEI'ZE (wie Anm. 13), S

47 Emigranten der Französischen Revolution 45 hof beigesetzt worden. Sein ihm errichteter Grabstein existiert noch, aber nicht in Braunschweig, sondern in Helmstedt, wohin er nach 1945 mit dem Grabstein des Manifestverfassers Limon Hallwin gebracht wurde. Limon gehörte nicht zu den wohlhabenden Emigranten, sondern zu den Flüchtlingen, die durch Karl Wilhelm Ferdinand jahrelang finanziell unterstützt worden sind 34 Diese Unterstützung der mittellosen Emigranten beruhte in Braunschweig auf einem komplizierten System, indem verschiedene Kassen die Zahlung der Beihilfen vornahmen, zunächst die "Extraordinaire Caße bei fürstlicher Cammer" von Trinitatis 1794 bis Trinitatis , die zum ersten Male am 18. Mai 1794 an zwei emigrierte französische Geistliche 20 Pistolen, die 100 Taler entsprachen, auszahlte 36 Als die Zahl der Emigranten seit 1795 steil anstieg, war diese Kasse bald überfordert. Inzwischen hatten die Emigranten 1795 selbst eine Hilfseinrichtung in Form einer Emigrantenkollektc ins Leben gerufen. Sie wurde von dem Erzbischof von Bourges, Puysegur, und dem Bischof von Lisieux, de la Ferronays, verwaltet und erhielt zunächst aus der Kammerkasse monatlich einen Zuschuss von 20 Talern 37. Aus der Kammerkasse wurde auch die von holländischen Emigranten errichtete Hilfskasse mit monatlich 30 Talern unterstützt. Sie ist von einem Gremium verwaltet worden, in dem zunächst die Kammerherrn Lampsins, van der Hoeve und Tollius und ab 1800 die Herren de Bigot und Boyer zuständig waren 38 Wegen des weiterhin großen Zustroms ankommender Emigranten sah sich die Emigrantenkollekte bald nicht mehr in der Lage, alle Wünsche um Unterstützung zu erfüllen, so dass sich Kar! Wilhelm Ferdinand im August 1796 entschloß, eine staatliche "Caisse de secours" ins Leben zu rufen, die nun für die Unterstützungszahlungen zuständig war und bis zum Jahre 1802 von dem Geheimen Justizrat Biel und danach von dem Kanzleisekretär Wittekopp verwaltet wurde. Ihr benötigtes Kapital wies der Herzog aus der Kammerkasse oder der Geheimen Kanzleikasse an3~. Außerdem hatte sich die fürstliche Familie zu monatlichen Beihilfen aus privaten Mitteln verpflichtet: der Herzog selbst mit 20 Talern, die regierende Herzogin 10 Taler, die verwitwete Herzogin Philippine Charlotte 12 Taler, der Erbprinz, die Erbprinzessin und die Äbtissin von Gandersheim je 5 Taler und die Oberhofmeisterin von Kameke 10 Taler 4D Zu diesen privaten Spenden und den Beihilfen der Kammer von jährlich insgesamt etwa 1000 Talern mussten aus anderen staatlichen Kassen im Spitzenjahr 1797 noch 450 Taler zugeschossen werden, damit die "Caisse de secours" liquide blieb. Obgleich zahlreiche Emigranten nach 1797 Braunschweig verließen, blieb sie tür Emigranten mit erteilter Aufenthaltserlaubnis noch weiter bestehen, war aber wegen des geschrumpften Geschäftsumfangs im Februar 1805 mit der Geheimen 34 Ebd. S StAWf 17 III Alt 288 und StAWf 17 I1I Alt 288, BI Über das Verfahren informieren detailliert folgende Aktenbände im StAWf 4 Alt 19 Nr. 3648, 71 Alt 206, 2Alt 2919,2920 u. 2924a. III StAWf 4 Alt 19 Nr Vgl. StAWf 71 Alt Ebd. BI. 22.

48 46 Günter Scheel Kanzleikasse zusammengelegt worden. Damals betrug ihr Finanzbedarf immer noch 1140 Taler. Selbst in der Zeit des Königreichs Westphalen sind einzene französische Emigranten noch mit Staats mitteln finanziell unterstützt worden 41 Neben der Inanspruchnahme der "Caisse de secours" haben sich zahlreiche Emigranten mit Bittbriefen an den Herzog gewandt, die er mit persönlichen Anweisungen an die Geheime Kanzleikasse oder seine persönliche Schatullkasse zu befriedigen suchte. Die Höhe und die Dauer der Unterstützungszahlungen, die vom Herzog seiber oder einem der Geheimen Räte angewiesen werden mussten, war sehr unterschiedlich. Monatliche Unterstützungsbeiträge betrugen gewöhnlich zwischen 10 und 20 Talern, einmalige Unterstützungen von 100 bis 200 Talern waren nicht selten, 500 Taler in Gold für ein Patengeschenk an die Gräfin Caraman im Jahre 1798 allerdings die Ausnahme 42 Außer den finanziell Unabhängigen und den auf staatliche Unterstützung angewiesenen Emigranten gab es eine dritte Gruppe, die durch Heimarbeit, Handel, Gewerbe und Gründung von Manufakturen ihren Lebensunterhalt im Exil verdiente. Einer der rührigsten und ideenreichsten Unternehmer ist der Chevalier Henri Franz Xaver Val Ict des Barres gewesen, der sich mit einer sieben köpfigen Familie 1795 in Wolfenbüttel niedergelassen hat. In Frankreich war er Oberjägermeister des französischen Königs gewesen. Mit drei weiteren gleichzeitig angekommenen französischen Emigranten, dem Comte de Blerancourt und den Chevaliers de Villeaubois und de Grangues schloss er sich mit drei Einheimischen zu einem Unternehmerkonsortium zusammen, das beim Polizeidepartement um Erlaubnis zur Gründung einer Fabrik französischer Seifen bat 43 Nach der Genehmigung etablierte sich die Fabrik im Grüttemannschen Hause in der Langen Herzogstraße 61 und war in der Lage, bereits am 15. August 1795 in den Braunsehweigischen Anzeigen darauf hinzuweisen, dass auf der bevorstehenden Laurentiusmesse in einer Bude auf dem Altstadtmarkt alle Sorten französischer Seife nach den billigsten Preisen angeboten werden 44 Die Firma war auch im Exportgeschäft tätig, wie eine im September beschlagnahmte Seifensendung belegt45. Seit 1796 unterhielt der Emigrant Longeaux am Bohlweg in Braunschweig ein ständiges Lager von französischen Seifen- und Lichtfabrikaten aus Wolfcnbüttel, wie er in den Braunschweigischen Anzeigen am 30. Januar 1796 annoncierte 46 Außer diesen unternehmerischen Aktivitäten bemühte sich Vallet des Barres 1796 in Braunschweig um eine Lizenz zur Fabrikation französischer Liköre 47 Besonderes Interesse der Landesregierung erweckte sein schon seit Mai 1795 verfolgter Plan, in Wolfenbüttel eine Stahl-, Feilen und Waffenfabrik zu errichten. Hier- 41 StAWf 2 Alt 2914, BI ; 2 Alt 2919, BI.73,103,131; 2 Alt 2920, BI. 27; 2 Alt 2924a (Rechnungen der Geheimen Kanzleikasse Yon ); 4 Alt 19 Nr. 3648; Alt 302 ff (Kammerrechnungen ab 1800); 71 Alt 246, BI StAWf 1 Alt 22 Nr BI ; 4 Alt 19 Nr StAWf 16 Alt V 65, S Rsg. Anzeigen 63. Stück. 4S StAWf 16 Alt V 69, S Rsg. Anzeigen 9. Stück. 47 StAWf 16 Alt V 69, S

49 Emigranten der Französischen Revolution 47 für erhielt er am 12. Oktober 1795 ein herzogliches Privileg 48 Als Fabrikgebäude wurde ihm die bisher der Pappenherstellung dienende Schlenter Mühle am Harztor zur Verfügung gestellt. Für die Umbauarbeiten unterstützte ihn der braunschweigische Staat mit erheblichen Materiallieferungen stand jedoch fest, dass die Fabrikgründung gescheitert war 49 Vallet des Barres kehrte nicht nach Frankreich zurück, er starb achtzigjährig am 19. Februar 1828 in Braunschwcig 5o. Ein erfolgreicherer Geschäftsmann war der Emigrant Picrre de Thouvenot-Mique. Er hatte zunächst in Wcimar zusammen mit seinem Landsmann M. de Wendel die Gründung von Eisenfabriken angeregt. Mit dem Ilmenauer Eisenhammer wurde das de Wendelsche Projekt mit intensiver Einschaltung Goethes in die Wege geleitet, konnte aber durch dcn plötzlichen Tod de Wcndels und trotz der Bemühungen seines Werkmeistcrs Maurice nicht erfolgreich verwirklicht werden 5!. Thouvenot-Mique begab sich danach mit eincm Team von Gehilfen nach Braunschweig, wo er sich im August 1794 zunächst erbot, das braunschweigische Eisenhüttenwescn zu reformieren. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht akzeptiert. Stattdesscn erhielt er am 8. Januar 1795 zusammen mit den Brüdern Montjoie Grafcn Froberg ein herzogliches Privileg für die Anlage einer Manufactur von in Farben vermahlten Papier zu Tapeten und sonstiger Verzierung der Zimmer, ingleichen von in Farben gedruckten Cattun und Leinewand auf ewige Zeiten... auf dem Schlosse in Wolfenbüttel 52 Da die Grafen Montjoie bald aus der Firma ausstiegen, assoziierte sich Thouvenot mit dcr Familie Janvier. Die Kosten für die Vorrichtung der Fabrikationsräumc der Tapetcnfabrik im Schloss sowie die Anschaffung kupfcrner Kessel und Marmorwalzen übernahm die herzogliche Kammer. Um die Produktion aufnehmen zu können, musste sich Thouvenot Taler aus der Leihhauskasse als Vorschuss borgen. Bereits 1796 wurde produziert, in den Braunschweigischen Anzeigen annonciert und u.a. ein Tapetendepot bei den Emigranten Docagne und Delorme im Sacke in Braunschweig eingerichtet 53 Dicse Tapetenfabrik, über die am 17. März 1795 berichtet wird 5 4, dass die Ministcr laut über die Entweihung des alten Schlosses murren, hat bis Mitte des 19. Jahrhunderts bestanden. Zur Zweckentfremdung des Schlosses trug eine weitere Fabrikgründung bei, denn am 28. März 1798 erhielten die Emigranten Girangy und Chiflet die Genehmigung, in der zweiten Schlossetage eine Baumwollspinnerei nach englischem Muster einzu- 4A StAWf 2 Alt 12341, BI StAWf 2 Alt 12341, BI. 7-8; Alt 293, BI. 144, 146. >0 StAWf 8 Kb 8 Bd. 2, S Hans TÜMMI.ER, Goethe und die Tragödie des Emigranten de Wendel in I1menau (1795), in: Gocthe in Staat und Politik. Köln 1964, S und StAWf 16 Alt V 68, S " Die umfangreichen Akten über die Gründung und den Betrieb dieser Fabrik liegen in: StAWf 2 Alt Ebd. in 2 Alt 12334, BI Konzept des Privilegs mit dem der Eingabe vom (BI ) entsprochen wird. Das Angebot zur Verbesserung des braunschweigischcn Eisenhüttenwesens ebd. BI. 3-4, die Ablehnung BI. 15. S3 Bsg. Anzeigen 13. Stück vom , 43. Stück vom , 44. Stück vom , 45. Stück vom ,61. Stück vom Christiane Trapp an Elise von der Recke, : StAWf 298 ~r 488, BI. 152, gedr.: Paul ZIM MERMANN (Hrsg.). Aus den Briefen Ernst Christian Trapps an Elise von der Recke, in: Bsg. Magazin 24, 1918, S. 123.

50 48 Günler Scheel richten 55. Die Kosten für die baulichen Veränderungen im Schloss übernahm wie bei Thouvenot die Kammerkasse war die Maschine einsatzbereit. Der bei der Produktion anwesende Werkmeister Beyer berichtete der Regierung am 28. Januar 1800, dass innerhalb einer Stunde mit der Kratzmaschine ein Pfund gut gekratzter Baumwolle produziert worden sei und dass er festgestellt habe, dass auch die Spinnmaschine zufriedenstellend arbeite 57 In Braunschweig sind außer einer von dem Marquis de la Maisonfort angelegten Druckerei in der Reichenstraße, für die er am 10. März 1797 eine herzogliche Konzession erhiclt 58, nur noch zwei 1794 und 1795 eröffnete Handschuhfabriken der Emigranten Boyer und Dubois als größere Emigrantenunternehmen zu nennen 59 Für die Einrichtung eines Handelskontors erhielt der Emigrant Delorme am 15. Juni 1795 eine Konzession, mit seinem Landsmann Docange Galanteriewaren anbieten zu dürfen betrieb er auch eine Cichorienkaffeefabrik. Für die Erbauung und den Betrieb einer Warmwasserbadeanstalt am Hafentor in Braunschweig, die auch Kranken und Armen offen stand, erhielt der französische Chirurg Dr. L. A. Valentin in den Jahren namhafte finanzielle Unterstützungen. Er war 1797 als Pariser Emigrant nach Braunschweig gekommen und blieb dort bis An ihn erinnerte sich die Freifrau von Bechtolsheim in ihren Memoiren als Freund und geistreichen Gesprächspartner des Abbe Delisle 6o. Sehr rege waren die wirtschaftlichen Aktivitäten der Emigranten in Blankenburg 61 Im Hause des französischen Galanteriehändlers de Ribiere eröffnete der Chevalier de Montueil eine Leihbibliothek und betrieb mit seinem Vermieter außerdem eine Fabrik von Messinggarnituren, die auch Beschläge für Regenschirme herstellte. Das Vertriebsnetz wurde bis Hamburg, Leipzig und Frankfurt ausgebaut. Außer dem Comte de Mastin, der in Blankenburg in einer Fabrik Tapetcnnägc1 herstellte, erweiterte der Marquis de Crottat seinen seit 1796 dort betriebenen Modewarenhandel durch die Anlage einer Fabrik, die Filzschuhe und Fußdecken produzierte und zehn Arbeitskräfte beschäftigte. An dieser Fabrik beteiligten sich als Compagnons vier wei- " Vgl. den Bericht des Drosten Rodenherg vom in: StAWf 2 Alt 14295, BI. 7-9 und elx!. BI. 12 die Genehmigung des Herzogs vom Nachweise in: StAWf 17 III Alt Nr. 302, BI ; Nr. 308, BI. 225, 229, Nr. 312, S " Bericht in: StAWf 2 Alt 14295, BI Vgl. über ihn und die Konzession: Martina GRAF, Buch- und Lesekultur in der Residenzstadt Braunschweig zur Zeit der Spätaufklärung unter Herzog Karl Wilhclm Ferdinand ( ). Frankfurt a. M. 1994, S. 69 f.. 5. Vgl. Bsg. Anzeigen 9. Stück vom , 61. Stück vom und StAWf 16 Alt V 63, S StAWf 16 Alt IV 58, S ; 16 Alt V 65, S. 1581; 17 III Alt 320, S. 148; 321, S. 269, 271; 337, S. 123; 339, S. 318, 366; 342, S Bsg. Anzeigen 60. Stück vom und 71. Stück vom Peter ALBRECHT, Die Förderung des Landesausbaues im Herzogtum BS-Wolfenbüttcl im Spiegel der Verwaltungsakten des 18. Jhdts ( ). BS 1980, S (~ Bsger Werkstücke, Reihe A, Bd. 58). ÜULRNDORFF (wie Anm. 30) S Über die in Blankenburg vorhandenen Emigrantenunternehmen siehe: StAWf 2 Big 1107 sowie 30 Slg 6 Nr. 192 Bd 1 und SANDER (wie Anm. 1), S. 55 und LEIBROCK (wie Anm. 31), S. 275 f., STERN (wie Anm. 11), S. 250f..

51 Emigranten der Französischen Revolution 49 tere Emigranten: sein Bruder, der Marquis de Janvre und die Herren Bilotti und Maillard. Außer diesen größeren Unternehmungen in den Städten Braunschweig, Wolfenbüttel und Blankenburg ist noch auf zahlreiche Einzelaktivitäten von Emigranten hinzuweisen, die, wie etwa das Angebot von in Heimarbeit angefertigten Gegenständen 62, die Erteilung von Sprachunterricht oder die Unterweisung im Zeichnen und Schönschreiben, in den Braunschweigischen Anzeigen inseriert wurden 63 Zwei französische Leihbibliotheken und eine Lesebibliothek standen in Braunschweig bereit, den Literaturbedarf von Emigranten und Einheimischen zu decken 64. Im Jahre 1800 erhielt die Familie des Grafen des Arts die Genehmigung im Hohnsteinschen Hause in der Fallerslebener Straße in Braunschweig ein Erziehungsinstitut zu begründen, das durch staatliche Brennholzlieferungen bis zum Jahre 1804 unterstützt wurde 65 Der Emigrant Charles Natalis sammelte mit einer zunächst betriebenen Speisewirtschaft soviel Kapital an, dass er das Hotel de Prusse in der Straße Am Damm erwerben konnte 66 Sein Sohn Friedrich Eduard August wurde herzoglicher Haushofmeister und sein Enkel Albert Natalis 67 gehörte zu den Gründern der international renommierten Nähmaschinenfabrik Grimme, Natalis und Co. Äußerst schwierig war es für Emigranten, in Braunschweig die Konzession für den Vertrieb von Kaufmannswaren bzw. Kurzwaren zu erhalten, weil das Victualienamt oder die Gilden wegen der Konkurrenz für die einheimischen Händler gewöhnlich Einspruch erhoben. Daher wurde ein diesbezüglicher Antrag des Emigranten Alexis Francois Chevalier de Pallet im Dezember 1794 vom Polizeidirektor abgelehnt. Erst als Pallet im September 1795 eine Einheimische geheiratet hatte, wurde ihm erlaubt, mit Tabakwaren zu handeln 68 Zwar nicht so umfangreich wie in Ilamburg, aber doch sehr bedeutend war die gegenrevolutionäre Buchproduktion in Braunschweig und Wolfenbüttel, wie die hier entweder in französischer Sprache oder deutscher Übersetzung gedruckten Werke bedeutender französischer Autoren belegen. Darunter befanden sich die beiden meist übersetzten Bücher von Jacques Mallet du Pan und Louis-Sebastien Mercier. Mallet du Pan, revolutionskritischer Beobachter aus der Schweiz, ließ sein von Friedrich Gentz übersetztes Werk "Über die Französische Revolution und die Ursachen ihrer 62 ßsg. Anzeigen 93. Stück vom ,98. Stück vom J MACK (wie Anm. 1), S. 47; SANDER (wie Anm. 1), S. 51; Bsg. Anzeigen 20. Stück vom ,77. Stück vom ,82. Stück vom ,86. Stuck vom ,79. Stück vom , 72. Stück vom sowie Bsg. Maga:lin 20. Stück vom GRAf (wie Anm. 58), S StAWf 17 III Alt Nr. 312, S. 339, 346, 362; Nr. 316, S. 265, 362, 366; Nr. 320, S. 261; Nr. 332, S 362 und Bsg. Anzeigen 90. Stück vom ; StAWf 16 Alt IV 58, S und MACK (wie Anm. 1), S Braunschweigisches Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. von H. -R.1ARCK und G. SCHEEL, Hannover 1996, S StAWf 2 Alt und cbd. 16 Alt IV 58, S und 17487; 16 Alt V 65, S und 1853.

52 50 Günter Scheel Dauer", das 1793 in London und Brüssel erschienen war, 1794 bei Vieweg in Braunschweig und Berlin verlegen 69 Die Herzoginwitwe Philippine Charlotte meinte am 9. Januar 1794, dass lous [es grands seigneurs eussent lu cet ouvrage plus tot ou en lissent encore la lecture, pour prendre leurs precautions, puisque l'auteur juge sainement des circomstances presentes 70 Von Louis Sebastien Mercier, einem liberal konservativen Zeitungsherausgeber wurde sein 1798 in Paris gedrucktes Buch "Le nouveau Paris" als "Das neue Paris" in der Übersetzung von Carl Friedrich Cramer in zwei Bänden 1799 ebenfalls bei Vieweg in Braunschweig gedruckt und verlegt7l. Ein Sittengemälde der vorrevolutionären Zeit, in der er beruflich als französischer Intendant der Finanzen tätig gewesen war, entwarf Gabriel Senac de Meilhan, der sich von 1794 bis 1795 in Braunsehweig aufhielt, in einem Buch, das 1795 in Hamburg publiziert worden war und im gleichen Jahre in Braunsehweig in deutscher Übersetzung von K. H. G. von Venturini bei EThomas mit dem Titel "Frankreich vor der Revolution in Beziehung auf Regierung, Sitten und Stände nebst einem Gemälde der vornehmsten Männer unter Ludwig XVI." erschienen ist publizierte derselbe Autor dann bei P. E Fauche in Hamburg und in Braunschweig in vier Bänden sein Werk "L'emigre", das den Menschen im antirevolutionären Exil gewidmet war. Bei Meyer in Braunschweig erschien 1795 französisch und in deutscher Übersetzung von C. E Chr. Wagner das Buch des einstigen französischen Ingenieuroffiziers und Mathematikers Sylvestre Chauvelot "Das Buch der Wahrheiten oder Bestimmung der unmittelbaren Ursachen der französischen Revolution,m. Gleichzeitig veröffentlichte er im Waisenhausverlag eine "Einführung in die Geometrie" und 1797 eine "Lettre a Kant sur I'insuffisance de ses preuves po ur etablir la Perfectabilite du genre humain". Darin wendet er sich gegen diejenigen, die Kants Ansehen herabsetzen und seine Grundsätze mißdeuten oder verkehren. Dabei hatte er wohl vor allem jene im Auge, die Kants 1793 veröffentlichte Schrift "Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft" kritisierten und mit dazu beitrugen, dass Kant die Amtsenthebung von seinem Königsberger Lehrstuhl drohte. Es gab damals nach der Kabinettsorder des preußischen Ministers Wöllner vom 1. Oktober 1794 ernsthafte Bestrebungen in Braunschweig, Kant an die Universität Helmstedt zu berufen, die allerdings er- 69 Jaeques MAnn nll PAN, Considerations sur la nature de la revolution franeaise. I.ondrcs Zur Biographie vgl. Alhert S080UL, Dictionnaire historique de la revolution Franeaise. Paris 1989, S StAW 299 N 61, BI StAWf 2 Alt 291H BI. 38: 2 Taler als Geschenk an einen Emigranten Mereier am laut Rechnungsbuch der Geheimen Kanzleikasse. Zur Biographie vgl. SOBOUL (wie Anm. 69) S Gabriel S~:NAC DE MEILHAN, Du gouvernement, des moeurs, et des conditions en France, avant la revolution, avec le caractere des principaux personnages du regne de Louis XVI.. Hamburg Zur Biographie vgl. Andre VIEl WAHR, La vie et I'oeuvre de Scnac dc Meilhan. Paris Sylvestrc DE CHAUVELOT, Le livre des verites contcnant les causes direetes de la Revolution Francoise. Braunschweig 1795 und Introduction a la geometrie. Braunschweig Zur Biographie vgl. Dictionnaire dc Biographie Francaise 8, 1959, Sp. 910.

53 Emigranten der Französischen Revolution 51 folglos blieben 74. Von 1795 bis 1800 war Chauvelot als Französischlehrer an den beiden Braunschweiger Gymnasien Martineum und Catharineum tätig 75. Ein "Examen des Principes de la Revolution Francoise", 1795 bei Schröder in Braunschweig erschienen, hatte den Sorbonneprofessor Jean Baptiste Duvoisin zum Verfasser, der im Jahre 1800 bei Fauche in Braunschweig auch noch seine berühmte "Demonstration Evangelique" herausbrachte. Dieser bedeutende Theologe aus dem Gefolge des Bischofs von Laon, der später 1802 Bischof von Nantes wurde, war als theologisch-politischer Schriftsteller so angesehen, dass Karl Wilhelm Ferdinand die Anweisung gab, von Duvoisins 1798 in London erschienenem Buch "Dcfense de I'ordre social contre les principes de la revolution francaise" 70 Exemplare für 100 Taler anzuschaffen 76. Auch von dem Buch "La religion vangee, poeme en 10 chants" des emigrierten Kardinals Francois-Joachim de Pierres Bernis, das 1795 in Parma und 1796 in Paris und Straßburg erschienen war, kaufte der Herzog für 21 Taler 16 Groschen 30 Exemplare und ließ sie binden 77 Von Kar! Wilhem Ferdinand subventioniert wurde auch die vom Grafen Goulet besorgte Übersetzung eines im englischen Exil entstandenen und 1797 in Braunschweig bei Fauche veröffentlichten Buches des Mirabeaugegners Marquis Trophime Gcrard de Lally-ToIcndal mit dem Titel" Vertheidigung der französischen Ausgewanderten"78. Mit dieser Publikation, von der bereits zwei Monate nach Erscheinen 10 Auflagen erschienen waren, suchte der Verfasser sowohl mit juristischen als auch politischen Argumenten die Emigranten zu rechtfertigen, ihre juristische Rehabilitation und Entschädigung zu erreichen und ihre politische Stellung im nachrevolutionären Frankreich zu definieren. Auf das von dem Marquis Antoine-Francois Bertrand de MolleviIIe verfasste Buch, dessen Übersetzung mit dem Titel "Über das letzte Regierungsjahr Ludwigs XVI.", in zwci Tcilen 1798 bei Fricdrich Thomas in Braunschweig erschien, sei wenigstens hingewiesen 79 und erwähnt, dass der Hofmeister der Familie des Grafen Pouilly, der Abbe Pierrard, mit mehreren in Braunschweig bei Kircher, Fauche und Reichard zwischen 1797 und 1800 gedruckten Schulbüchern zur Erlernung der französischen Sprache hervorgetreten ist. Der Ordinarius für die französische Sprache am ColIe- 74 Der Brief vom , erschienen Braunschweig und Blankenburg 1797, wurde bereits angezeigt und besprochen im Bsg. Magazin 48. Stück vom Nachdruck in I. KANT, Gesammelte Schriften 12, 1902, Nr. 685; Erläuterungen dazu in Bd. 13, 1922, Nr Vgl. auch STERN (wie Anm. 11), S StAWf 16 Alt IV 58, S und ebd. VI Hs 15 Nr. 3D, S. 26 das Manuskript von H. DÜRRE, Geschichte des städtischen Gymnasiums namentlich des Martineums und Katharineums, auf S. 26 mit falscher Namensform Chevreux. 76 StAWf 17 III Alt 308, BI. 251; vgl. Bsg. Magazin 13. Stück vom Zur Biographie vgl. Dictionnaire (wie Anm. 73), Bd. 12, 1970, Sp f.. 77 StAWf 4 Alt 19 Nr und 17 III Alt 298, BI. 156a. Zur Biographie vgl. Dictionnaire (wie Anm. 73), Bd. 6, 1954,Sp Trophime Gerard LALL y-toi.fndal, Dcfence des emigres francais adressee au pcuple francais. Hamburg Zur Biographie vgl. Dictionnaire (wie Anm. 73), Bd. 19, 1997, Sp. 432 f.. 7. Antoine- Francois, comte BERTRAND DE MOLLEVILLE, Memoires secrcts pour sen'ir 11 I'histoire de 1a derniere annee du regne de Louis XVI.. London und Paris Zur Biographie vgl. Dictionnaire (wie Anm. 73) Bd. 6, 1954, Sp

54 52 Günter Scheel gium Carolinum, Professor Boutmy, hielt sie für so gelungen, dass er sie von seinen Vorlesungen und Übungen zu Grunde legteho. Der aktuellen Unterrichtung und literarischen Bildung der Emigranten diente eine in Braunschweig wöchentlich herausgegebene kulturpolitische Zeitschrift mit dem Titel "L1\beille" (die Biene), die von dem Emigranten de La Maisonfort redigiert wurde und vom 2. Januar bis zum 25. September 1795 erschienen ist 81 Sie brachte nach dem Vorbild des "Mercure de France" politische Nachrichten aus den europäischen Staaten, insbesondere Frankreich, und literarische Essays, druckte aber auch die Aufrufe ab, die Ludwig XVIII. aus dem Exil an seine Landsleute in Frankreich richtete. Mit konterrevolutionärer Propaganda mussten sich die französischen Autoren offenbar zurückhalten, denn sonst wäre LJ\.beille wohl wie das 1797 in Braunschweig kursierende Werk von einem Prince Victoire de Cholet Vermandois "Memoire po ur le retablissement de la Monarchie francaise" verboten und polizeilich eingezogen worden, obgleich der Autor noch nach Erscheinen seiner Schrift Ende Oktober 1797 eine finanzielle Zuwendung von 25 Talern aus der Geheimen Kanzleikasse erhielt 82 La Maisonfort war 1794 nach Braunschweig gekommen und wurde am 6. April 1797 Mitglied des "Großen Clubs", einer Vereinigung, die sich der Verbreitung des Bildungsguts der Aufklärung verpflichtet fühlte und in dem viele Emigranten als Gäste verkehrten. Vor ihm waren bereits dort die Emigranten General de Chamborant, der Kommandant von Valenciennes und der Baron de Pujol am 5. Februar bzw. 2. April 1795 aufgenommen worden 83 Die Autoren, auf deren Bücher hingewiesen wurde, lebten mit Ausnahme von Lally-Tolendal alle mehr oder weniger lange als Emigranten in Braunschweig oder wurden staatlicherseits von dort finanziell unterstützt. Einige von ihnen, La Maisonfort, Duvoisin und Chauvelot, sind eifrige Benutzer der Bibliotheca Augusta in Wolfenbüttc1 gewesen, wo sie sich die für ihre schriftstellerische Tätigkeit benötigte Literatur beschafften. Aber auch die Namen zahlreicher weiterer Emigranten sind im Ausleihbuch dieser Bibliothek verzeichnet, wobei die Prinzessin Rohan, die Großnichte der Prinzessin Marsan, Bücher aus fast allen Wissensgebieten konsultiert hat 80 Sie wurden regelmäßig in den Bsg. Anzeigen und im Bsg. Magazin angezeigt bzw. besprochen, z. B. Bsg. Magazin 27. Stück vom ; ßsg. Anzeigen 16. Stück vom Boutmy kündigte für das Wintersemester 1798 am Carolinum an: "Der Professor Ordinarius Boutmy liest Montags und Donnerstags von 8-9 Uhr über die neu heraugckommene französische Sprachlehre für Deutsche des Abbe Pierrard, welche in der Thomaßisehen Buchhandlung hiesclbst zu hahen ist", s. auch Rsg. Magazin Stück 34 vom , Stück 7 vom , Stück 34 vom und Stück 15 vom Vgl. auch GRAF (wie Anm. 58), S. 69. "I Ein "Prospectus" für diese Zeitschrift wurde den Bsg. Anzeigen beigegeben. Fundortnachweise: Britta BERG, Zeitungen und Zeitschriften aus Braunschweig. Braunsehweig 1995, S. 35 (= Bsg. Werkstücke 93). 82 StAWf 12 A Neu 5 Nr. 6240; 2Alt 2918 BI. 80 u. Bsg. Anzeigen 78 Stück vom Ludwig HÄNSELMASN, Das erste Jahrhundert des Großen Cluhs in Braunsehweig. Bmunschweig 1880, S.53.

55 Emigranten der Französischen Revolution 53 und offenbar als Bücherenthusiastin alle anderen Benutzer hinsichtlich ihrer Lesegewohnheiten in den Schatten stellte 84 Mehrere Emigranten waren darauf bedacht, ihren Söhnen auch in der Fremde eine wissenschaftliche Ausbildung zu ermöglichen, so dass sich in den Jahren 1795 bis 1804 zehn von ihnen am Collegium Carolinum in Braunschweig immatrikulieren ließen: Cantarel aus Bordeaux (1795), Herzeeie aus Amsterdam, Bouverot aus Soisson und Lariandrie aus Paris (1796), Rochefort aus Utrecht und de la Saussaye aus Holland (1797), O'Mahony aus Paris (1798), St Martin de Bagnac (1799) aus Frankreich. In Helmstedt studierten 1794 der Sohn des in Braunschweig lebenden französischen Sprachlehrers d'orville und 1801 ein Angehöriger der Familie Herzele Rs Wenn wir uns dem täglichen Leben der Emigranten im Braunschweiger Exil, ihren Bekanntschaften und Lebenskreisen zuwenden, geben hierüber neben staatlichen Akten über gewährte materielle Hilfeleistungen, wie etwa die kostenlose Lieferung von Brennholz, zwei andere Quellenarten Auskunft. Es sind dies Erlebnisberichte der Flüchtlinge selbst und Nachrichten, die sich über Emigranten in Briefen und Tagebüchern von einheimischen Braunschweigern finden. Sieht man einmal von den naturgemäß nicht vermeidbaren Beziehungen der Emigranten als Mieter zu ihren Vermietern ab, die ja im wesentlichen dem Handwerker- und Kaufmannsstande angehörten, so dürften sich auf dieser Ebene kaum engere persönliche Kontakte herausgebildet haben. Streitigkeiten über Mietzahlungen bildeten die Ausnahme. Gesellschaftlichen Kontakt unterhielten die Flüchtlinge hauptsächlich zu den wie sie aus Frankreich vertriebenen Leidensgenossen, aber auch in den gesellschaftlich führenden Schichten in Braunschweig waren sie gern gesehene Gäste. Die Gräfin Bueil, die später den Grafen Bechtolsheim heiratete und Deutsche wurde, schildert in ihren Memoiren aus der Perspektive eines Kindes sehr anschaulich ihre Umgebung, den Lehrer Abbe Duvoisin H6 - wir lernten ihn bereits als Schriftsteller kennen - und den Erzbischof von Reims Tayllerand Perigord, von dem sie in der für ihn eingerichteten Kapelle im Wolfenbütteler Schloss zusammen mit zwei anderen Emigrantenkindern Kommunion und Firmung erhiclt 87 Nach Anleitung von Klosterfrauen aus der Umgebung des Erzbischofs lernte sie Handarbeiten anzufertigen. Ihre Familie hatte Zugang zur Hofgesellschaft, so dass wir der Gräfin interessante Charakteristiken der fürstlichen Familie verdanken. Besonders imponiernd fand sie die Haltung der damals über achtzigjährigen Witwe Herzog Karls I., Philippine Charlotte, bei der sie auffallende Ähnlichkeit mit ihrem Bruder Friedrich dem Großen bemerkte, als sie dessen Porträt 84 Mechthid RAABE (wie Anm. 2K) hat in Bd. 2, l'ik9, S in einern Kapitel "Französische und flandrische adelige Emigranten nach 1795" die von diesen entliehenen Bücher aufgelistet. H~ Die Matrikel des Collegium Carolinum und der Technischcn Hochschule Carolo Wilhclmina zu Braunschweig , bcarb. von Pctcr DÜSTER"'''CK. Hildcsheim 1983 (= Vcröff. d. IIistor. Kommission für Nds. und Bremen IX, 5) Nr. 1274, , 1319, , , Oie Matrikel der Universität Hclmstedt , bearb. von Herbert MUND HENKE. Hildesheim 1979 ( Veröff. d. Histor. Kommission für Nds. und Bremen IX, I) Semester 1797" Nr. 24 sowie Semester 1801 I Nr Carl Graf ÜOERNDORFF (Hrsg.), (wie Anm. 30), S Ebd. S. 85 f..

56 54 Günter Scheel sah 88 Die geistige Beschränktheit der älteren Söhne Karl Wilhc1m Ferdinands führte sie wohl einem "on dit" zu folge darauf zurück, dass dieser sie im frühen Kindesalter im Sinne der Erziehungstheorien von Rousseau durch eiskalte Bäder habe abhärten lassen. Angeblich mussten sie auch stets Kopf und Füße unbedeckt im Freien verweilen 89 Die freundliche Aufnahme der Emigranten, das Wohlwollen Karl Wilhe1m Ferdinands und die gewährte materielle Hilfe hebt auch die Gräfin Ferronays hervor. In den "Souvenirs" ihres Mannes, des Grafen Auguste de la Ferronays, die unter dem Titel "En Emigration" gedruckt wurden 90, verteidigt sie den Herzog gegen die Vorwürfe seiner angeblich misslungenen Kriegführung im ersten Koalitionskrieg und nimmt ihn in Schutz. Sie entlastet ihn auch von der angeblichen Urheberschaft des unglücklichen Manifests gegen die französische Republik, das er 1792 unterschrieben und veröffentlicht hatte. Den eigentlichen Verfasser dieses folgenreichen Pamphlets, den Baron Limon Hallwin, nennt sie intrigant de bas hage 9l Die Gräfin schildert auch den selbstlosen Einsatz ihres nahen Verwandten, des Bischofs von Lisieux, für die Sicherung der materieiien Existenz der Emigranten, die teilweise in kalten, zugigen Zimmern unzumutbar untergebracht waren 92 Wie wir den Briefen der Herzoginmutter Philippine Charlotte an ihre Schwägerin Elisabeth Christine, der Witwe Friedrichs des Großen, entnehmen können, hat sie seit dem ersten Eintreffen der Flüchtlinge diese nicht nur bemitleidet, sondern auch tatkräftig materiell unterstützt. [n einem bedauernswerten körperlichen Zustand traf sie den Exminister und Intendanten der französischen Festungen Puysegur an. Über ihn schreibt sie am 27. Oktober 1794: Er versetzt mich in große Sorge, wenn ich ihn anblicke. Der arme Mensch zittert von Kopf bis Fuß. Da er für den inzwischen enthaupteten französischen König eingetreten ist, konnte er der Guillotine nur dadurch entkommen, daß er sich versteckt hielt. Wenn man ihn auf den König anspricht weint er wie ein Kind 93. Am 2. Dezember 1795 berichtet Philippine Charlotte nach Berlin, dass die regierende Herzogin Augusta für die adligen französischen Emigranten im Redoutenhaus ein Casino eingerichtet habe, wo die Möglichkeit zur Konversation bestand, wo man tanzen konnte und wo Erfrischungen gereicht wurden 94 Ein solcher Casinobesuch, an dem des öfteren auch Philippine Charlotte teilnahm, ist im Gedächtnis der Gräfin Ferronays haften geblieben 95. Ihre besondere Fürsorge ließ Philippine Charlotte auch der lothringischen Prinzessin Marsan aus dem Hause Rohan angedeihen. Sie war einst in Paris Hofmeisterin des RR Ebd. S Ebd. S COSTA OF. ßEAUREGARD (Hg.) En emigration. Souvenirs tirees des papiers du Comte A. dc la Ferronays ( ).2. Auf). Paris 1901, S Ebd. S Ebd. S StAWf 299 N 61, S. 96, nach dem französischen Original frei übersetzt. 94 Ebd. S COSTA OE BEAUREGARO (wie Anm. 90), S. 31, 51.

57 Emigranten der Französischen Revolution 55 hingerichteten französischen Königs und seiner Brüder gewesen und kam im März 1795 mit ihrer Nichte Prinzessin von Rohan und deren zwei Kindern in Braunschweig an und wurde zunächst im Wolfenbütteler Schloss mit insgesamt 26 Personen einquartiert 96, aber bereits Ende des Jahres siedelte die Familie nach Braunschweig über. Unmittelbar nach der Ankunft des Grafen von der Provence Ende August 1796 in Blankenburg besuchte ihn die Prinzessin Marsan dort im September und Oktober, um dann im Winter1797/98 mit ihren Verwandten ganz nach Blankenburg überzusiedeln, wo sie sich als dessen Hofmeisterin nützlich machte und als Gesellschafterin mit ihm Whist spielte 97 Erst einige Monate nach der Abreise Louis XVIII. im Februar 1798 ließ sie sich im August 1798 vom Regierungspräsidenten Schleinitz ihre Pässe aushändigen, um dem König mit einer Suite von 14 Personen nach Mitau zu folgen 98 Insbesondere freundete sich Philippine Charlotte mit der Prinzessin Louise Francoise Pauline Montmorency an 99 Diese war aus ihrem Exil in Wilhelmsthal bei Eisenach im Dezember 1795 nach Braunschweig gekommem, wo sie zum Kreis des emigrierten französischen Marschalls de Castries und des Erzbischofs von Reims Tayllerand-Perigord gehört hatte!oo. Als Kar! Wilhelm Ferdinand erfuhr, dass seine Mutter sie in ihrem Testament mit einer stattlichen Summe Geldes und einer namhaften Pension bedenken wollte, verfügte er 1799 ihre Entfernung aus Braunschweig nach Wo! fenbüttel. Sie erschien auch dort, kehrte aber schon nach einem Jahr mit dem Bemerken nach Braunschweig zurück, dass ihr die in Wolfenbütte! vermittelte Wohnung beim Drosten Rodenberg im Kleinen Schloss nicht gefalle lo!. Kar! Wilhe1m Ferdinand scheint sich wohl auf Drängen seiner Mutter mit dieser Situation abgefunden zu haben. Im August 1803 erwies ihm die Prinzessin Montmorency jedoch einen wertvollen Dienst, als sie in Wolfenbüttel die Betreuung der durchreisenden Gemahlin Ludwigs XVIII. übernahm I02 Auch nach dem Tod ihrer Gönnerin Philippine Charlotte im Jahre 1801 blieb die Prinzessin Montmorency in Braunschweig wohnen, wo ihr Kar! Wilhelm Ferdinand die im Testament seiner Mutter zugesprochenen Taler 1801 in Gold auszahlen ließ loj Außerdem konnte sie die ihr im Testament zugesprochene Rente von jährlich Talern vom Februar 1801 bis zum Juni 1807 in vierteljährlichen Raten von 375 Talern pünktlich in Empfang nehmen!04. Wie die Prinzessin Montmorency schlossen sich auch andere Emigranten nicht der Ende der neunziger Jahre einsetzenden Rückwandererwelle an, sondern wurden in 96 StAWf 1 Alt 22 Nr. 1901, BI. 2 und 30; Nr. 1902, BI. 7 und 92; 299 N 61, S BRIl'GMANN (wie Anm. 6), S. 160 und StAWf 3 Blg 1527, BI StAW 277 N 20, BI Ingrid MÜNCII, Testament und Begräbnis der Herzogin Philippine Char1otte, in: BsJb. 68, 1987, S und StAWf 299 N 61, S. 113, 117, Vgl. den Briefwechsel des Herzogs/ Großherzogs Carl August mit Goethe, hrsg. von H. WAHL, 1, 1915, S. 201 f. u. S. 427 f. sowie Hans TÜMMLER, Carl August von Weimar, Gocthes Freund. Stuttgart 1978, S. 123 f StAWf 1 Alt 22 Nr. 1901, BI und Nr. 1902, BI StAWf 1 Alt 22 Nr. 1901, BI. 32 u StAWf 1 Alt 23 Nr. 452; MÜNCH (wie Anm. 99), S Die Zahlungen sind in den Kammerrechnungsbänden bis zum Jahre IX07 verbucht: StAWf Alt 320,326332,337,339,342 (hier S. 338 die letzte Buchung).

58 56 Günter Scheel der Stadt Braunschweig sesshaft, hinterlegten ihre Testamente im Stadt gericht Braunschweig und sind in Braunschweig verstorben 105. Darunter befanden sich außer den Adligen d'arbonneau (gest. 1809), Mayaud de Boislambert (gest. 1815), Ofarell de Lislee (gest. 1816), Vallet des Barres (gest. 1828); de Puche (gest. 1829) auch drei katholische Geistliche: Belin (gest. 1817), Delhoste (gest. 1820) und Lequeur (gest. 1828). Erst 1847 verstarb achtzigjährig der Emigrant Chastenet und 1858 lebten in Braunschweig noch Nachkommen der Emigrantenfamilien Boyer, Bramerel, Natalis und Simonis. Die Fabrikantenfamilie Natalis ist sogar noch bis 1942 mit der Oberin Hermine Natalis nachweisbar i06 Ausgeschlossen ist schließlich nicht, dass es sich bei einigen der im Jahre 2002 in Braunschweig und Wolfenbüttellebendenden Angehörigen der Familie Simonis um Nachkommen der Emigrantenfamilie aus Verviers handelt. Ähnlich war auch die Situation in Hannover, wo noch 1800 der emigrierte französische Hofrat Peter Paul de Tabary die Witwe des guillotinierten Franzosen N. le Bas de Courrnont heiratete; am 10. März 1801 starb in Hannover 75-jährig der Emigrant Henry d'astaniere 107. Mitleid und Bedauern über die unglückliche Situation der Emigranten spricht aus einem Brief der Ehefrau des bekannten philantropischen Schulreformers Professor Trapp an Elise von der Recke, in dem Christi na Trapp am 17. März 1795 ausführt: Man sieht und hört der Leiden so mancherley, daß man ohnmöglig heiter sein kan. Fast täglich kommen arme, unglückliche Emigranten, die um Unterstützung bitten. Leute vom Stande stehen hier auf dem Jahrmarkt mit Putz aus. Auch Iraf ich die Woche einen Fr. Offizier der den Kaufmann so gut machte, als wenn er von Jugend auf Kaufmann gewesen wäre. Die Menschen jammern einem und sie leiden mit so viel Muth. Eben sind wir im Begriff, eine junge liebenswürdige Frau aufzunehmen, deren Mann zur Armee gehen will, sie ist von feinen Sitten, geschickt in allen weiblichen Arbeiten, spielt Clavier und Harfe, und würd uns zur Übung im Französischen sehr nützlich sein 108. Wertvolle Nachrichten über das Leben der Emigranten in Braunschweig und Wolfenbüttel enthalten die Memoiren des braunsehweigischen Kammerdirektors Gottfried Philipp von Bülow und des Juristen Friedrich Karl von Strombeck. Beide sind im Jahre 1833 veröffentlicht worden. Strombeck betont aus Wolfenbütteler Sicht, dass die Emigranten bei sämtlichen braunschweigischen Gesellschaften und Zirkeln Zugang gehabt hätten und dass er im Umgang mit ihnen seine französischen Sprachkenntnisse vervollkommnen konnte. Außerdem betrachtete er den Umgang mit ihnen als ein bedeutendes Bildungsmittel, mit Personen, die ganz andere Verhältnisse kennengelernt hatten, als unsere beschränkten waren, genauen und täglichen Umgang zu pflegen. Denn es war nicht selten, besonders wenn Besuch von Braunschweig (wo es auch nicht an Emigranten fehlte,) oder sogar von dem Hofe Ludwigs XVIII. von los Vgl. das Kirchenhuch der katholischen Nicolaikirche, in: StAWf 8 Kb 8, Bd. 2, S. 2,8,32,75,77,83 und Ebd. 31 Neu Fb. 3 (Testamente). 106 Dies ergab eine Durchsicht der Adressbücher der Städte Bs. u. Wolfcnbüttd. 107 Vgl. Joachim STlJDTMANN, Adlige in den Kirchenhüchern der SI. CIemens Propstei in Hannover, in: Hannoversche Geschichtsblätter NF 3, 1934/35, S. 176 u Z,MMERMANN (wie Anm. 54), S. 123.

59 Emigranten der Französischen Revolution 57 Blankenburg angekommen war, daß wir in unsern Theecirkeln zugleich einen Erzbischof(den von Rheims), ein Paar Bischöfe, einen Marechal de France, und einen Parlaments-Präsidenten erblickten, die sich dann nicht selten mit uns jungen Leuten, die wir ihrer Sprache mächtig waren, und ihren Deductionen und Prophezeiungen achtungsvoll zuhörten, unterhielten 109. Auch der spätere braunschweigische Kammerdirektor Gottfried Philipp von Bülow erinnerte sich an das Engagement der Emigranten in den großen gesellschaftlichen Vereinigungen. Er bestätigt ihnen, daß ihr Benehmen im Ganzen untadelhaft war und Vergehungen überall nicht gegen sie zur Sprache kamen. Wer von ihnen es vermogte, half seinen bedrängten Landsleuten nach Kräften aus, und böse Schuldner waren unter ihnen eine Seltenheit. Bülow vergisst allerdings nicht, auf die negativen Seiten des größeren Geldumlaufs und der gestiegenen Nachfrage nach Konsumgütern hinzuweisen, die dazu geführt habe, dass die Preise feinerer Lebensmittel und Mieten, aber auch der Verdienst der Handwerker und Arbeiter zu einer bis dahin unerhörten Höhe 110 angestiegen seien. Schließlich sei in diesem Zusammenhang noch der Sekretär des Geheimen Rats und Legationsrat Friedrich Christian Ludwig Henneberg zitiert, der am 30. Oktober 1797 dem Blankenburger Kammerdirektor Leopold Friedrich Fredersdorf gesteht: Es scheint nun so unser Loos zu seyn, uns noch eine Zeit lang mit den Franzosen zu quälen- indeß hat diese Quälerey wieder sein Angenehmes, da es mir das Vergnügen verschafft, mich mit ihnen öfterer zu unterhalten, als ich nach lästiger Correspondence sonst vielleicht thäte 111. Ein distanziertes Verhältnis zu den braunschweigischen Emigrantenfamilien spricht aus dem Brief, den Karoline Böhmer, die spätere Ehefrau von August Wilhelm Schlegel, an ihre Freundin Louise Gotter am 28. Juni 1795 gerichtet hat. Ihre Verärgerung beruht wohl auf gekränkter weiblicher Eitelkeit, weil ihr in Braunschweig nicht die erwartete Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Karoline schreibt: Alle vorräthige Gastfreundlichkeit und Gefälligkeit gegen Fremde wird an Ausländern erschöpft; das ist deutsche Art und Sitte. Wirklich, es ist wunderbar: man schimpft auf diese Menschen, weil sie zur Theurung bey tragen, aber man unterstüzt, man nimt sie in Gesellschaft auf, läßt alte Bekannte durch sie verdrängen, und selten ist es Mitleid oder entschiednes Wohlgefallen, um des willen man so viel für sie thut; die Blödigkeit unsrer Nation unterwirft uns nur so leicht einem fremden Einfluß- wir laßen uns fortreißen durch die dreistere Selbstschäzung einer jeden andern; man braucht uns nicht einmal zu bezaubern und zu überreden, um den Herrn über uns zu spielen. Es hat mir immer hart und engherzig geschienen, diese armen Flüchtlinge allenthalben zu verjagen, und doch deucht mich, wenn ich das Wesen hier so mit ansehe, ich würde als Fürst 109 Friedrich Karl VON STROMBECK, Darstellungen aus meinem Leben und meiner Zeit. Teil 1, Braunschweig 1!l33, S Gottfried Philipp VON BÜLOW, Beiträge zur neueren Braunschweigischen Geschichte. Braunschweig 1!l33, S StAWf 1 Alt 22 Nr. 1902, BI. 33.

60 58 Günter Scheel die Parthie ergriffen haben, welche Euch vor ihrem Besuch schüzt. Das sag ich keineswegs als Gegnerin ihrer Meinungen, sondern als Deutsche 112 Dass die Meinung über den Aufenthalt der Emigranten in Blankenburg geteilt gewesen ist, berichtet Wilhelm Ferdinand Müller, der Blankenburg besuchte, als sich dort mit dem französischen König etwa Emigranten aufhielten. Er bemerkte, dass ihre Anwesenheit dem Warenproduzenten zugute komme. Während diejenigen, die von Besoldungen leben müssen, wegen der erheblichen Verteuerung der Konsumgüter Nachteile hätten, könnten die Unternehmer ihre Einnahmen durch Preiserhöhungen ihrer Fabrikate vermehren 113. In diesem Tenor sind auch die Notizen abgefasst, die der Blankenburger Bäckermeister Elias Christian Oldenbruch in ungelenken Schriftzügen seinem Tagebuch anvertraute. Während sein Schwiegersohn als Hofbäkker des französischen Königs tätig war, logierten bei seinem Sohn zwei französische Prinzen und ein Graf, die monatlich mit Heizung die stattliche Summe von 32 Talern Miete zahlten. Er raisonnierte: fihl Unruhe war ja damit verknüpft, doch machte das fihle geldt alles wider gut 114 Zu einem fremdenfeindlichen Zwischenfall, dem einzigen mir bekannt gewordenen, kam es in Blankenburg am 23. März 1798, als durch die Unachtsamkeit ein Feuer in der Faktorei, dem einstigen Wohnsitz des gerade abgereisten französischen Königs ausbrach, das aber schnell gelöscht werden konnte. Da sich angeblich einige Einwohner zu Schimpfworten gegen noch nicht abgereiste Emigranten hinreißen ließen, beschwerten sich diese bei Kar! Wilhelm Ferdinand. Dieser war über den Vorfall derart betroffen, daß er am 27. März 1798 sofort mit einer Verfügung an die Regierung in Blankenburg reagierte, in der er forderte, die unglücklichen Fremdem vor Beleidigungen zu schützen. Außerdem mahnte er: Übrigens vertrauen Wir zu euch und Unserer gesammten dortigen Dienerschaft, daß ihr mit selbigen den dasigen Einwohnern mit gutem Beispiel vorgehen, die Fremden, von denen die Stadt ohnehin noch manchen Verdienst hat, mit Achtung und Liebe behandeln, und den gemeinen Mann bei vorkommenden Gelegenheiten belehren werdet, was Menschenliebe und Pflicht gegen seinen Nächsten von ihm hierunter fordern 115. Wie wir belegen konnten hat auch seine Mutter Philippine Char!otte die gleiche fürsorgliche Haltung gegenüber den Emigranten bewiesen. Menschlichkeit und Nächstenliebe als Grundpfeiler der Humanität, das sind die Motive von Kar! Wilhelm Ferdinand von Anfang an gewesen, den französischen Emigranten in seinem Lande eine menschenwürdige vorübergehende Zuflucht stätte zu bieten. 112 Caroline. Briefe aus der Frühromantik, nach G. WAITZ hg. von Erich SCHMIDT. Bd 1, Leipzig 1913, S. 362 f. Ahgedruckt bei Richard MODER HACK, Besucher im alten Brdunschweig, Braunschweig 1992, S. BOL 113 Wilhelm Ferdinand MÜLLER, Meine Streifereien in den Harz. Bd 1, Weimar IHOO, S Büchlein und Aufzeichnung von passierenden Dingen (Ms) StAWf VI Hs 5 Nr StAWf 3 Blg 1952, BI. 2, vgl. BI. 6.

61 Die Welfen parteien im Herzogtum Braunschweig von Burkhard Schmidt 1 Der geschichtliche Hintergrund Nach gewonnenem Krieg gegen Österreich im Jahre 1866 annektierte Preußen das mit Österreich verbündete Königreich Hannover und verjagte König Georg V., der auf seinem Schloss in Gmunden im Salzkammergut Zuflucht fand. Dass dieses Ereignis in dem nun zwischen der Provinz Hannover und dem preußischen Stammland liegenden kleinen Herzogtum Braunschweig die schlimmsten Befürchtungen hervorrief, liegt auf der Hand. Gleichwohl schien der Bestand des Herzogtums zunächst gesichert, als am Braunschweigs Selbständigkeit anerkannt wurde. Das Herzogtum unter dem seit 1830 regierenden Herzog Wilhelm trat dem Norddeutschen Bunde bei und durfte sich fortan des Schutzes seiner unabhängigen inneren Entwicklung im Rahmen der Bundesverfassung erfreuen. Das weitere Schicksal des Herzogtums Braunschweig schien dennoch dadurch in Gefahr, dass Herzog Wilhelm kinderlos war und keinen direkten Thronfolger besaß. Mit dem Aussterben der Linie Braunschweig-Bevern des fürstlichen Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg vererbte sich nach der Successionsordnung des welfischen Fürstenhauses und zufolge 14 der braunschweigischen Landesverfassung 1 die Regierung im Herzogtum auf das Oberhaupt der königlich-hannoverschen Linie. In Braunschweig erkannte man, dass Preußen die Übernahme der Macht der hannoverschen Linie im Herzogtum Braunschweig jedenfalls solange verhindern würde, solange diese die Annexion Hannovers nicht anerkannte. Um für einen solchen Konflikt nach dem Tode des Herzogs Wilhc1m vorzusorgen, wurde schon bald ein Regentschaftsgesetz in Angriff genommen. Ein erster Versuch, ein solches Gesetz zu erlassen, scheiterte 1873 jedoch daran, dass es der Kaiser ablehnte, die vorgesehene Garantie zur Durchführung des Gesetzes zu übernehmen. Der spätere Präsident der Landesversammlung Fritz von Veltheim ( ) stieß bald darauf aber erneut eine gesetzliche Regelung der "auf gemessene Zeit berechneten, interimistischen Zu- 1 "Die Regierung wird vererbt in dem Fürstl. Gcsammt-Hause Bmunschweig-Lüneburg nach der Linealerbfolge und dem Rechte der Erstgehurt, und zwar zunächst in dem Mannesstamme aus rechtmäßiger, ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe. Erlischt der Mannesstamm des Fürstlichen Gesammt-Hauses, so geht die Regierung auf die weibliche Linie nach gleichen Grundsätzen über."

62 60 Burkhard Schmidt stände" an, die zum Regentschaftsgesetz vom führte. In dem Gesetz wurde in Ergänzung der Landesverfassung und, um die verfassungsmäßige Verwaltung des Herzogtums "bei künftig eintretenden Thronerledigungen" zu sichern, bestimmt, dass für den Fall, "dass der erbberechtigte Thronfolger am sofortigen Regierungsantritte irgendwie behindert sein sollte", eine provisorische Regierung durch einen "Regentschaftsrat" erfolgen sollte. Bei "fortdauernder Behinderung des Thronfolgers am Regierungsantritte" war vorgesehen, nach einem Jahr aus dem Kreis der nicht regierenden Prinzen der deutschen Fürstenhäuser einen Regenten zu wählen. Am beendete der Tod die langjährige Regierung des Herzogs Wilhelm, dem seine Anhänger gern den Beinamen "der Gerechte" gegeben hatten. Die Befürchtungen, die Anlass des Regentschaftsgesetzes waren, verwirklichten sich umgehend. König Georg und nach seinem Tode am sein Sohn, der Herzog Ernst August von Cumberland ( ), hatten mit Preußen keinen formellen Frieden geschlossen, sondern an ihren Ansprüchen auf Hannover festgehaiten. Noch am Todestag des Herzogs WilheIm kündigte deshalb Ernst August in einem an das Braunschweigische Staatsministerium gerichteten Patent an, er werde "das Herzogtum in Besitz nehmen und die Regierung über dasselbe antreten"3. Das braunschweigische Ministerium lehnte jedoch den Auftrag zur Publikation dieses Patents ab, weil "der Regentschaftsrat die provisorische Regierung übernommen habe" und verwies Ernst August zur Geltendmachung seiner Ansprüche an "Kaiser und Reich". Diese Antwort trug der Auffassung Preußens Rechnung, wie sie auch schon am in einer in Braunschweig von dem Kommandeur der in Braunschv1eig stehenden preußischen Truppen verbreiteten Proklamation zu lesen gewesen war. Preußen, das sich mit dem Herzog von Cumberland in einem "idealen Kriegszustande" sah, beantragte dann auch am beim Bundesrat, "die Überzeugung der verbündeten Regierungen auszusprechen, dass die Regierung des Herzogs von Cumberland in Braunschweig mit dem inneren Frieden und der Sicherheit des Reiches nicht verträglich sei"4. Am schließlich erklärte der Bundesrat 5 den Thronerben Ernst August an der Ausübung der Regierung behindert, "da derselbe sich in einem dem verfassungsmäßig gewährleisteten Frieden unter Bundesmitgliedern widersprechenden Verhältnisse zu dem Bundesstaate Preußen" befinde. Die braunschweigische Landesversammlung wählte nach Ablauf der im Regentschaftsgesetz vorgesehenen einjährigen Frist am den Prinzen Albrecht von Preußen ( ) zum Regenten. 2 Gesetz, die provisorische Ordnung der Regierungsverhähnisse bei einer Thronerledigung betreffend, vom (Gesetz- und Verordnungs-Sammlung 1879 Nr. 3, S. 5); vgl. dazu und auch zur geschichtlichen Entwicklung des Gesetzes ausführlich: August TRIEPs, Das Braunsehweigisehe Regentschaftsgesctz vom 16. Februar 1879 in seiner staatsrechtlichen Redeutung, Braunschweig 1910; auch Albert RHAM~, Die Verfassungsgesetze des Herzogthums Braunschweig, Braunschweig 1900, S. 67 ff.. 3 Patent, abgedruckt z. B. bei Christian Fürchtegott LIEBRECIIT, Wo ist das Recht?, Ludwigslust IHH6, S. 19, und Wilhclm ZENKER, Was hindert unsern Herzog noch an seiner Ausübung der Regierung?, Braunschweig 1896, S Abgedruckt bei LIF.BRECHT (wie Anm. 3), S. 21., Gestützt auf Art. 76 Abs. 1 der Reichsverfassung, der lautete: "Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen Teils von dem Bundesrate erledigt."

63 Wel!enparteien im Herzogtum Braunschweig 61 2 Der Beginn der welfischen Bewegung Gleich mit der Annexion Hannovers war in der neuen preußischen Provinz eine welfische Bewegung ins Leben gerufen worden, die auf eine Wiedererstehung des Königreichs hinarbeitete. Aus ihr ging Ende 1869 der "Hannoversche Wahlverein" und damit die "Deutsch-Hannoversche Partei" hervor". Anders in Braunschweig: Während der Regierungszeit Herzog Wilhelms sahen sich die Anhänger des welfischen Fürstenhauses noch nicht ernsthaft bedroht, jedenfalls aber nicht herausgefordert, sich gleichsam vorsorgend zu einer das Herzogshaus und eine rechtmäßige Thronfolge stützenden Vereinigung zusammenzuschließen. So war der Wolfenbütteler Rechtsanwalt und Notar Dr. Franz Dedekind ( ), der Sohn des Obergerichts präsidenten Franz Josua Dedekind ( ), eher ein einzelner, aber um so mehr unerschrockener und lautstarker Kämpfer für die Sache des Welfenhauses, der sich beseelt von einer tiefen Preußenfeindlichkeit der hannoverschen Bewegung beigesellte. Die feurige Art und Weise seiner Betätigung, die Dedekind wiederholt Geld- und Freiheitsstrafen vornehmlich wegen Beleidigung und ähnlicher Delikte einbrachte, konnten bei Anhängern des Herzogshauses, zwar eine gewisse Bewunderung auslösen, sie aber nicht einen. Einen ersten Schritt in diese Richtung bedeutete deshalb erst die Gründung des "Clubs Welf" im Jahre 1883, an dessen Spitze der Gärtnermeister Albert Schwenke stand. In dieser "Vaterländischen Vereinigung" fanden sich unter dem Wahlspruch des Herzogs Wilhelm "Recht muss doch Recht bleiben" die Anhänger des monarchisch-legitimistischen Prinzips zusammen, die für die Erhaltung und Bewahrung der Erbrechte des Hauses Braunschweig-Lüneburg eintreten wollten. Anders als etwa Dedekind, der in seinem Beruf als Rechtsanwalt seine Ablehnung des Deutschen Reiches besonders deutlich dadurch zum Ausdruck brachte, dass er die Reichsjustizgesetze nicht anwandte, sondern konsequent die althergebrachten veralteten Formen verwendete 7, stand der Cluh Welf aber doch auf dem Boden der Reichsverfassung. Er trat für den Erhalt der Selbständigkeit des Landes Braunschweig in einem vereinten Deutschland ein, aber gegen ein Aufgehen in einem preußischen Staat (" Wir wollen Deutsche, aber keine Preußen sein. "). Neben dem Club Welf gab es in Braunschweig zunächst keine weitere vergleichbare Organisation. Zwar gab es noch den "Vaterländischen Verein Herzog Friedrich Wilhelm"8. Dieser hielt jedoch mehr die Erinnerung an vergangene Zeiten wach, als dass er politisch die jüngere Linie des Hauses Braunschweig-Lüneburg - die Hannoveraner - unterstützte. Auch der Tod des Herzogs Wilhelm, ja selbst die Verhinderung der Thronbesteigung durch dessen legitimen Nachfolger Ernst August, dem Herzog von Cumberland, und die Einrichtung der Regentschaft hatten nicht zu einer welfischen Bewegung im Herzogtum gefiihrt. Wirklich treue Anhänger des Herrscherhauses wa- 6 Edgar HARTWIG, Welfen (Deutsch-Hannoversche Partei). in: Lexikon zur Parteiengeschichte, Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland ( ). hg. von Dieter FRICKE, Werner FRITSCH. Herbert GOTlWALD, Siegfried SCHMIDT und Manfred WElSSBFCKER. Köln , Band 4, S. 4S2-490, hier: S. 4S3. 7 Brunonia IS8S. 8 Brunonia 3.8. IS87.

64 62 Burkhard Schmidt ren so sehr in der Minderheit, dass sie sich gegen die erdrückende Übermacht derer, die preußisch eingestellt oder am Schicksal des Wclfenhauses desinteressiert waren, kein Gehör verschaffen konnten. Die Herzogstreuen warteten zunächst ab "wie die Kinder auf den Weihnachtsmann"9. Schwenke erkannte dies bald und auch, dass der Club WeIf bei einer Beschränkung auf vereinsinterne Versammlungen politisch nichts bewirken würde. Er rief deshalb am als Verleger und Redakteur die erste welfische Zeitung, die "Brunonia", ins Leben, der er sich nach dem Verkauf seiner Gärtnerei alsbald ganz widmen konnte. Etwa 500 Abonnenten bezogen diese Halbmonatszeitung, 200 Exemplare nahm in Hannover der welfische Politiker Ludwig Windthorst für den Herzog ab JO Schwenke verstand die Zeitung als Organ der "Interessen der braunschweigischen Welfenpartei"; diese sei "nicht schwach an Zahl", bedürfe jedoch noch der inneren Organisation. Die Herausgabe der "Brunonia" gebe nun das Mittel dazu, die "Möglichkeit, alle Patrioten im Herzogtume einander geistig näher zu bringen und geistig zu vereinen" 11. Die Herausgabe der "Brunonia" brachte tatsächlich einen ersten Schwung in die welfische Bewegung verdreifachte sich die Mitgliederzahl im Club We1f 12 Auch außerhalb der Stadt Braunschweig fand die welfische Sache zunehmend Gehör; so rief der Dachdeckermeister August Rohrbeck schon im März 1886 in Königslutter ebenfalls einen "Club Welf" ins Leben 13. Gleichwohl gelang nicht das, was mit der Herausgabe der "Brunonia" eigentlich erstrebt war, eine Organisation der welfischen Genossen. Die wdfische Bewegung erfuhr zudem durch Querelen innerhalb ihres Kemverbandes, dem Club Welf, eine Schwächung. Dem Kassierer der Vereinigung, dem Bildhauer Langenheim, wurde die Unterschlagung von Mitgliedsbeiträgen vorgeworfen. Wegen dieser Beschuldigungen legten in der Versammlung am bis auf Langenheim sämtliche Vorstandsmitglieder ihre Ämter nieder. Als es zu keiner Einigung kam, trat Schwenke mit 42 Gefolgsleuten aus dem Club Welf aus und gründete einen neuen Verein unter dem Namen" Welfenclub 1883/87". Beide Vereine bekundeten jedoch ihre Absicht, "in Frieden und Eintracht neben einander weiter zu wirken" 14. Frieden herrschte zumindest aber nicht im Club Welf, der sich ein weiteres Mal spaltete. Der Streit eskalierte bis hin zu einer gerichtlichen Klage um die Vereinsfahne 15, was dcn zunächst gleichnamigen Klubs auch zu unterscheidungskräftigen Namen verhalf. Es gab nunmehr den "Alten Club WeIf' und den "Club Welf von der Stammfahne". Zu diesen welfischen Vereinen traten 1888 der Welfenclub in Schöningen und 1889 die "Altbraunschweigische Vereinigung" in Braunschweig hinzu. Dass die Be- 9 So August HAMPE, Familie Hampe - Erinnerungen aus alten und neuen Tagen (= StadtA Bs H ~r. 9R), S Hans PIIILIPPI, Preußen und die braunschweigische Thronfolgcfrage 1R Hildesheim 1966, S Brunonia Brunonia 8. I Brunonia Brunonia " Vgl. Brunonia

65 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 63 wegung gleichwohl noch immer wenig Rückhalt in der Bevölkerung fand, zeigt sich darin, dass dem die Bewegung anführenden Welfenclub 1883/87 im Jahre 1891 lediglich 105 Mitglieder angehörten 16 Auch das Eingehen der Zeitung "Brunonia", die am ein letztes Mal erschien, ist ein deutliches Zeichen geringer Unterstützung. Um das Jahr 1894 herum und wohl auch durch den Einsatz einzelner Welfenanhänger, die sich wie der Rittergutsbesitzer Werner Graf von der Schulenburg-Hehlen ( )17, der in Groß-Lichterfelde ansässige, aber für die welfische Sache Werner Grafvon der Schulenburg-Hehlen ( ) StA Wf, 5 N 429, Foto 1917 streitende Schriftsteller und Premierleutnant a.d. Otto Elster ( )J8 oder die Brüder earl und Viktor Hampe in Holzminden durch Reden und Reisen in besonderem Maße engagierten, gelang es der Bewegung aber doch, sich eine breitere Basis zu geben und im ganzen Herzogtum "Altbraunschweigische" oder "Vaterländische Vereinigungen" zu gründen Brunonia Zu ihm vgl. Braunschweigisches Biographisches Lexikon: 19. und 20. Jahrhundert. Im Auftrag der Bsg. Landschaft hg. v. Horst-Rüdiger JARCK und Günter SCHEEL. Hannover 1996, S Zu ihm vgl. Hanns Martin ELSTER, Otto Elster ( ), in: Wilhelm Raabe und sein Lebenskreis, Festschrift zum 100. Geburtstag des Dichters. Berlin 1931, S Vgl. HAMPE (wie Anm. 9), S. 356 f..

66 64 Burkhard Schmidt 3 Die Gründung der Braunschweigischen Rechtspartei und die gedanklichen Grundlagen der Partei Am 27./ konstituierte sich in Frankfurt am Main die Deutsche Rechtspartei 2o In diesem losen Zusammenschluss fanden sich neben anderen antipreußischen und partikularistischen Bewegungen insbesondere die legitimistischen Gruppierungen der 1866 von Preußen annektierten Länder Hannover, Kurhessen, Nassau und des Stadtstaates Frankfurt wieder, so dass die Deutsch-Hannoversche Partei und die 1890 gegründeten Hessischen Rechtspartei eine Führungsrolle beanspruchen konnten. Die Gründung der Deutschen Rechtspartei mag Anlass gewesen sein, auch in Braunschweig die in den verschiedenen vaterländischen Vereinigungen verstreuten welfischen Kräfte in einer Parteiorganisation zu bündeln. Am jedenfalls wurde mit der "Braunschweigischen Rechtspartei" in einer im "Sächsischen Hof" in Braunschweig abgehaltenen öffentlichen Versammlung die erste welfische Partei gegründet 21 Die Partei verstand sich als "Protest gegen das im Jahr 1866 dem braunschweigischen Volke und seinem braun schweiger Fürstenhause angetane, seitdem unser ganzes öffentliches Leben beherrschende und die Seele unseres Volkes vergiftende Unrecht und gegen die unvermeidlichen Folgen dieses Unrechts"22. Hauptziel der Partei war demgemäß die Erhaltung der Selbständigkeit des Herzogtums Braunschweig Wolfenbüttel unter einem selbständigen Herzog und damit die Herrschaft des Herzogs Ernst August von Cumberland und zu Braunschweig und Lüneburg als Vertreter des angestammten Fürstenhauses. Die anderen Ziele der Parteien traten dahinter deutlich zurück und waren wenig mehr als eine Umschreibung des Hauptziels, wenn die Partei zugleich für eine Betonung und Stärkung des Rechtsbewusstseins in der Bevölkerung sowie die Durchsctzung des monarchisch-legitimistischen Gedankens eintrat. Die Braunschweigische Rechtspartei verstand sich als Glied der auf denselben Grundprinzipien aufbauenden Deutschen Rechtspartei. Sie hob jedoch die besondere staatsrechtliche und politische Lage im Herzogtum Braunschweig hervor und betonte "partikularistisch-eigennützig" deshalb das zunächst zu erreichende Ziel, die Herrschaft des Herzogs in einem selbständigen Herzogtum Braunschweig. Die Probleme Hannovers und die "rechtlich unantastbare Anwartschaft" des Herzogs auf Hannover waren für die Rechtspartei zweitrangig, auch wenn die Partei sich in dem Streit zwischen Hannover und Preußen eindeutig auf die Seite Hannovers schlug und politisch die Lösung der braunsehweigischen Thronfolgefrage mit der Hannovers verbunden sah Herbert GonWALD, Deutsche Rechtspartei (DRp) , in: Lexikon zur Parteiengeschichte (wie Anm. 6), Band 2, S , hier: s Altbraunschweigische Volkszeitung Wilhelm STEINWEDEL, Altbraunschweigische Volkszeitung H Soweit Hans Georg ASCHOH, Welfische Bewegung und politischer Katholizismus , Düsseldorf 19H7, S. 295, und auch PHILIPPI (wie Anm. 10), S. 97, als Fernziel der Partei die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Hannovers beschreiben, widerspricht diese Bewertung der Fokussierung der Partei auf die Situation des Herzogtums ßraunschweig und wird auch durch Partei programm und die Umstände der Auflösung siehe jeweils weiter unten - widerlegt.

67 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 65 Innenpolitisch machte sich die Rechtspartei den Kampf gegen eine "allmächtige, aber sichtbare Verpreußung" Braunschweigs in Justiz, Verwaltung, Verfassung, Kirche, Schule und Militär zur Aufgabe. Der braunschweigischen Regierung machte sie den Vorwurf, die braunschweigische Art und braunschweigische Sitte nicht genügend zu wahren und Einrichtungen nach preußischem Vorbild zu schaffen. Sie trat damit dafür ein, das föderative Prinzip innerhalb des Rahmens der deutschen Reichsverfassung festzuhalten und zu stärken. In wirtschaftlicher Hinsicht schlug sich die Braunschweigische Rechtspartei auf die Seite des Mittelstandes, der über eine Stärkung der berufsständischen Organisationen, die Unterstützung von Produktionsgenossenschaften und die Bekämpfung der Konsumgenossenschaften und der "Auswüchse der Gewerbefreiheit" gefördert werden sollte. Da die Welfen meinten, ihre politischen Grundüberzeugungen aus hehren Grundprinzipien herleiten zu können, und sich durchaus nicht als Interessenpartci sahen, verstanden sie sich schon von diesem gedanklichen Ansatz her als Gegner der Sozialdemokratie als Vertreterin der Arbeiterbewegung. Gleichwohl verband die Welfen mit den Sozialdemokraten, dass sie auch ihnen zugestanden, auf ihre Weise für "Gerechtigkeit" einzutreten. Man erkannte die SPD als Vertreterin der unteren Volksklassen an und meinte sogar, dass die braunschwcigischen Sozialdemokraten und ihre Führer den welfischen Bestrebungen viel weniger verständnislos oder gar feindselig gegenüberstünden "als gewisse andere Leute, die ihre Zugehörigkeit zu»nationalen«, monarchischen Parteien" behaupteten 24 Damit waren insbesondere die Nationalliberalen gemeint, deren Zeitung, der "Hannoversche Courier", als" Todfeind allen Welfentums" betrachtet wurde. Den Nationalliberalen warfen die Welfen vor, nicht "staatstragend", sondern umstürzlerisch zu sein, weil sie "nicht das Recht und die Treue" wollten, sondern die Fundamente der staatlichen Ordnung dadurch erschütterten, dass sie "ihre eigene Schöpfung, das Werk von 1866, zu erhalten" suchten 25 Mit einem solchen Vorwurf war aber umgekehrt das eigene reaktionäre Ziel deutlich gemacht, was dadurch unterstrichen wurde, dass auch die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich gefordert wurde 26 Ihre Mitglieder rekrutierten die Welfen vornehmlich aus dem Mittelstand. Selbständige und angestellte Handwerker und Kaufleute waren in der Mehrheit; aber auch Gärtnereibesitzer, Gastwirte, Beamte und Arbeiter waren in nicht unbedeutendem Maße vertreten. Von den Intellektuellen traten hingegen nur wenige der Bewegung bei, auch wenn sie, was insbesondere für die wenigen Rechtsanwälte gilt, Führungspositionen innehatten Vaterländische Volkszeitung 16. I G.M. (Georg MEYER), Was wollen die deutschen Rechtsparteien?, Altbraunschweigischer Volkskalcnder 1901, S STEINWEDEL (wie Anm. 22). 27 Vgl. zur Zusammensetzung der im Rahmen der welfischen Bewegung als besonders intellektuell geltenden Vaterländischen Vereinigung Brunonia: Brunonia

68 66 Burkhard Schmidt 4 Die Entwicklung der Welfenparteien Die Geschicke der jungen Partei wurden zunächst maßgeblich von ihrem Vorsitzenden Carl Herrmann geprägt. Er besaß in Braunschweig eine Buchdruckerei, die er nutzte, um ab dem die "Altbraunschweigische Volkszeitung" als Parteiorgan herauszubringen 28 Herrmann war aber nicht nur für den Druck verantwortlich, er war auch Verleger und Chefredakteur. Die Mitgliederzahl der Partei - zu Beginn des Erscheinens der Zeitung waren es im gesamten Herzogtum etwa 300, in der Stadt Braunschweig allein begann bald stetig zu wachsen, auch bedingt durch Agitation in den Ortschaften und die Gründung neuer vaterländischer Vereinigungen. Zu dem ersten Parteifest am aus Anlass der Feier der Schlacht bei Ölper nahmen immerhin bis Menschen teil, die damit zeigten, dass der Partei durchaus ein gewisses Potential zur Verfügung stand. Am 8./ wurde in dem Restaurant "Zu den sieben Türmen" in Braunschweig ein erster Parteitag abgehalten. Auf diesem Parteitag wurden in engagierten Redebeiträgen unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Mitgliedschaft überdeutlich. Parteimitglieder um den Vorsitzenden der am gegründeten Vaterländischen Vereinigung Brunonia in Wolfenbüttel, den Stationsvorsteher Carl BarteIs, sprachen sich dafür aus, sich von der Deutschen Rechtspartei loszusagen und dementsprechend im Parteinamen den Anklang an diese Partei zu beseitigen. Der Streit um diese Frage konnte zunächst durch eine Resolution überdeckt werden, die Otto Elster formuliert hatte, und in der neben den Grundüberzeugungen, das Eintreten für das angestammte Fürstenhaus und das Recht im Allgemeinen, die Selbständigkeit gegenüber der Deutsch-Hannoverschen Partei ausdrücklich betont wurde 3o Der Parteifrieden dauerte jedoch nicht lange. Unmittelbar nach dem Parteitag rief der junge Stadtoldendorfer Tierarzt Krüger zur Gründung einer "Altbraunschweigisehen Verfassungspartei" auf und fand Anhänger nicht nur in der Brunonia. Die Brunonia setzte am im Saale des Kaffeehauses in Wolfenbüttel eine Versammlung an, um über das Krügersehe Programm zu beraten. Die Diskussion geriet heftig und war Anlass für Elster, durch den Entwurf einer Parteistruktur eine Einigung zu versuchen. Elster schlug einen Zentralvorstand bestehend aus dem 1. und dem 2. Vorsitzenden, einem Geschäftsführer und 2 Beisitzern vor sowie an jedem Orte einen Vertrauensmann, der die geschäftlichen Vermittlungen zwischen dem Geschäftsführer und den Mitgliedern bewirken sollte. Der Zentral vorstand sollte die Anhänger im gesamten Herzogtum fester zusammenschließen. Diese Parteistruktur fand Zustimmung und wurde sogleich umgesetzt. Von den Vertrauensleuten wurde Elster zum 1. Vorsitzenden und Werner Graf von der Schu \enburg-hehlen zum 2. Vorsitzenden gewählt. Für die damit geschaffene Gesamtorganisation für das Herzogtum Braunschweig bildete die auf den Stadtbereich be- 2. Die Zeitung erschien zunächst nur samstags, dann mehrmals in der Woche und schließlich ab täglich. 2. Altbraunschweigische Volkszeitung Altbraunschweigische Volkszeitung

69 WelJenparteien im llerzogtum Braunschweig 67 schränkte Braunschweigische Rechtspartei als Unterorganisation nur noch dcn Stamm. Für Herrmann, der die Geschäftsführeraufgabe in der Landesrechtspartei übernommen hatte, wurde der Buchhalter Albert Gerecke zum Vorsitzenden der Stadtrechtspartei gewählt. Die neue Parteistruktur wurde auf dem 2. Parteitag am in B1ankenburg von den Parteigenossen abgesegnet, jedoch wurde der Streit um den Parteinamen auch in Blankenburg fortgesetzt. Der Vorsitzende der Altbraunschweigischen Vereinigung in Holzminden, der Notar earl Hampe, erklärte, es müsse jeder Verdacht abgestreift werden, dass man die Partei mit der deutschen Rechtspartei verwechseln könne, und griff einen früheren Vorschlag Schulenburgs auf, die Partei "Braunschweigische Landespartei" oder "Altbraunschweigische Volkspartei" zu nennen. Einen Kompromiss fand man schließlich in einer "Bindestrich-Lösung". Aus der "Braunschweigischen Landesrechtspartei" wurde eine "Braunschweigische Landes-Rechts Partei"3!, die sich das folgende Parteiprogramm 32 gab: 1 Das erste und oberste Ziel der Braunschweigischen Landes-Rechts-Partei ist, zu bewirken, dass Se. K. H. der Herzog Ernst August von Cumberland und zu Braunschweig-Lüneburg nicht länger an der Ausübung der Regierung im Herzogtume behindert werde, da diese Behinderung das Rechtsgefühl des braunschweigischen Volkes verletzt und dem monarchischen Gedanken im ganzen deutschen Volke tiefe Wunden schlägt. 2 Die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei hat ihren Wirkungskreis im Herzogtum Braunsch weig und steht auf dem Boden der Landes- und Reichsverfassung. 3 Die Braunschweigische Landes-Rechts-Parteifindet ihr Grundprinzip in der Aufrechterhaltung des Rechts. Die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei tritt deshalb nicht nur für das Recht des angestammten Fürstenhauses, sondern auch für das Recht des Volkes und jedes einzelnen Standes ein, sie erblickt in dem sittlichen und historischen Recht, das sich auf Gottes Gesetz und Ordnung gründet, das Hauptprinzip des öffentlichen Lebens. 4 Die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei ist eine politische Partei auf monarchischer Grundlage, sie steht den besonderen Zielen aller anderen Parteien, wie sie auch heißen mögen, fern, ohne die persönliche Freiheit des Einzelnen in dieser Beziehung beschränken zu wollen. Sie kämpft nicht gegen Personen, sondern gegen das System, welches Se. K. H. den Herzog Ernst August von der Ausübung der Regierung im Herzogtum Braunschweig fern hält. Die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei erkennt in Sr. K. H. dem Prinzen Albrecht von Preußen den gesetzmäßigen Regenten und Vertreter des an- 31 Altbraunschweigische Volkszeitung lr Altbraunschweigische Volkszeitung

70 68 Burkhard Schmidt gestammten Landesherrn an, erstrebt dagegen die definitive Regelung der braunschweigischen Thronfolge im Sinne des legitimen Rechts, der Verfassung des deutschen Reiches und des Herzogtums Braunschweig. Weit davon entfernt, den Bestand des deutschen Vaterlandes antasten zu wollen, ist die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei nur bestrebt, das deutsche Reich insofern auf eine gesichertere Grundlage zu stellen, als dem historischen und verfassungsmäßigen Rechte wieder Geltung verschafft werde. Die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei bringt Sr. Majestät, dem deutschen Kaiser das Vertrauen entgegen, dass Se. Majestät recht bald Allerhöchst Sein hochherziges Wort wahr machen werde: "Recht muss doch Recht bleiben!" Mit diesem Bibelzitat (Psalm 94, 15) nahm man Bezug darauf, dass Kaiser Wilhelm naeh der Lösung der Welfenfondsfrage 1892 diesen Wahlspruch des Herzogs Wilhelm unter ein Bildnis des Kaisers gesetzt hatte, das dieser dem Freiherrn Ernst von Hammerstein als Dank für dessen Vermittlungstätigkeit geschenkt hatte 33. Mit der Verabschiedung eines Parteiprogramms und dem Kompromiss in der Namensfrage waren die Meinungsverschiedenheiten mit der Brunonia aber nicht beigelegt, sondern entbrannten erst richtig. Die Brunonia warf der Parteiführung Radikalismus und Hannoveranismus war. Dabei war Schulenburg, auf dem "das Odium eines Hannoveraners" lastete, eine geeignete Zielscheibe, hatte er doch von 1890 bis 1893 dem Reichstag für den hannoverschen Wahlkreis Northeim-Osterode-Einbeck Uslar angehört. Auf den Punkt gebracht wurde der Streit in der Kontroverse um die Person Bismarcks, den die Brunonia wegen der Einigung des Deutschen Reiches Verehrung entgegenbrachte. Die Parteiführung warf Bismarck demgegenüber vor, dass die Nachwehen seiner Politik gerade den rechtmäßigen Landesherrn vom Thron fernhielten, so dass eine Verehrung Bismarcks zusammen mit dem Herzog einer Huldigung von Gewalt und Recht gleichzeitig gleichkäme: Niedersachsen seien "nicht gewohnt, die Hand zu lecken, die sie geknetet"34. So spalteten sich nur wenige Wochen nach dem Parteitag die" Welfen gemäßigter Observanz", die Brunonia und die mit ihr verbundenen Vereinigungen, von der Landes-Rechts-Partei ab. Sie gründeten in Braunschweig als Tochterverein die" Vaterländische Vereinigung" und brachten zum Ende des Jahres 1896 mit der "Brunonia" im Verlag von Heinrich WesseI in Wolfenbüttel auch eine eigene wöchentlich erscheinende Zeitung heraus. Das Jahr 1897 brachte für die Landes-Rechts-Partei weitere Rückschläge. earl Herrmann, der Geschäftsführer der Partei sowie Verleger und Redakteur der Parteizeitung, wurde Anfang des Jahres zahlungsunfähig, weil er eine dringliche Verpflichtung von 700 Mark nicht auslösen konnte, und ging in Konkurs. In seinem letzten Artikel in der Altbraunschweigischen Volkszeitung warf er unter dem Titel "Zur Aufklärung" der Partei vor, ihm nicht geholfen zu haben, obwohl er Tausende zur Förderung der vaterländischen Sache aufgebracht habe. Die Altbraunschweigische Volkszeitung J3 Vaterländische Volkszeitung Altbraunschweigische Volkszcitung

71 Weljenparteien im Herzogtum Braunschweig 69 wurde am eingestellt; Herrmann trat von seinem Posten als Geschäftsführer der Partei zurück und trat verbittert aus der Partei aus. Der bisherige 1. Schriftführer Hermann Meinburg übernahm von Herrmann das Amt des Geschäftsführers. Seit dem erschien dann im Verlag Ferdinand Dessau - wöchentlich - die "Vaterländische Volkszeitung für das Herzogtum Braunschweig" als Nachfolgeblatt für die Altbraunschweigische Volkszeitung. Die Redaktion übernahm zunächst der Parteivorsitzende Otto Elster und ab dem dessen Bruder Robert (gest. 1907), ein Rechtsanwalt, der bereits seit Juni 1896 als Nachfolger des zurückgetretenen Gerecke auch den Vorsitz in der Stadt-Rechts-Partei innehatte. Zu den parteiinternen Schwierigkeiten hinzu wurden aber auch von außen Probleme in die vaterländische Bewegung und ihre Parteien hineingetragen. Die braunschweigische Staatsregierung wies im November 1897 diejenigen Beamten, die vaterländischen Vereinigungen angehörten, an auszutreten, weil in der gegenwärtigen Lage die Tätigkeit dieser Vereine mit den Interessen des Landes unvereinbar sei 35. In gleicher Weise gaben die preußischen Militärbehörden den Befehl aus, dass Landwehr- und Reserveoffiziere aus den vaterländischen Vereinen auszutreten hätten. Die zahlreichen Protestkundgebungen blieben erfolglos, so dass die welfischen Parteien durch die Austritte erheblich geschwächt wurden. Zumindest einer löste den Konflikt für sich jedoch anders: Kurd von Damm ( )36, seit 1892 Stadtdirektor in Kurd von Damm ( ) Altbraunschweigischer Volkskalender 1904, S Vaterländische Volkszeitung ; vgl. auch Klaus Erich POLLMANN, Das Herzogtum im Kaiserreich ( ), in: Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick im Dritten Reich. Hg. von Horst-Rüdiger JARCK und Gerhard SCHILDT. Braunschweig 2000, S , hier: S. 827; PHILIPPI (wie Anm. 10), S. 10l. 36 Zu ihm vg l. Braunschweigisches Biographisches Lexikon (wie Anm. 17), S. 130.

72 70 Burkhard Schmidt Wolfenbüttel und Gründungsmitglied der Brunonia, schied aus dem Staatsdienst aus und eröffnete in Wolfenbüttel eine Rechtsanwaltskanzlei. Auf dem 4. Parteitag der Landes-Rechts-Partei am in Braunschweig - nach Wahlniederlagen bei der Reichstagswahl (s.u.) - wurde eine 9köpfige Kommission unter Leitung des Rechtsanwalts Elster zusammengestellt, die die Aufgabe haben sollte, mit den Brunonen über eine eventuelle Einigung zu beraten 37 Schon Anfang November meldete Robert Elster auf einer Parteiversammlung der Stadtpartei den Erfolg seiner Bemühungen: Die Leitung der Wolfenbütteler Richtung sei zu der Überzeugung gekommen, dass das Programm der Rechtspartei das richtige sei und die bei den Organe verschmolzen werden müssten. Meinungsverschiedenheiten bestünden allein noch wegen des Namens, weil die Wolfenbütteler der gemeinsamen Partei den Namen "Braunschweiger Welfenpartei" geben wollten 38 Es stellte sich bald heraus, dass Elster ein zu optimistisches Bild von den Verhandlungen gezeichnet hatte. Die "Braunschweiger Neuesten Nachrichten" berichteten über eine Plenarsitzung der Vaterländischen Vereinigung in Braunschweig vom : nunter» Verschiedenes«gelangte dann auch die angeregte Einigung beider welfischen Richtungen zur Besprechung. Es wurde bedauert, dass entgegen den bisherigen Abmachungen der beiderseitigen Delegierten, in der Stadt-Rechts Partei sich das Bestreben geltend mache, in nichts nachzugeben.... Der Leitung der Landes-Rechts-Partei sich ganz unterzuordnen, komme einer Auflösung gleich. Es müsse daher entschieden Stellung genommen und die Rechte der Vaterländischen Vereinigung bei den Verhandlungen energisch verfochten werden. Es wurde der Antrag gestellt, die Delegierten zu beauftragen, bei der Beratung über den Namen der neuen Parteibildung für die Bezeichnung»Braunschweiger Volkspartei«oder eine ähnliche zu stimmen. Unter allen Umständen müsse aber der Name Rechtspartei verschwinden. Wenn sich darüber keine Einigung erzielen lassen, müsse es bei den bestehenden Verhältnissen bleiben.«in der Stadt-Rechts-Partei wurde daraufhin am eine Resolution angenommen, dass die Verhandlungen nicht eher wieder aufzunehmen seien, ehe nicht die Wolfenbütteler Richtung sich offen zu den Prinzipien der Rechtspartei bekannt habe und dem Versammlungsbericht der Vaterländischen Vereinigung in den "N euesten Nachrichten" rektifiziere 4o Ein solches Ultimatum war nicht akzeptabel. So gründeten die Brunonen am ihre eigene Partei, die den Namen "Braunschweigisch-welfische Partei" trug. Ihr 1. Vorsitzender, der Kaufmann Richard Sollmann, der auch der Vaterländischen Vereinigung in Braunschweig vorstand, berichtete in der Eröffnungsrede: Die Verhandlungen der beiderseitigen Kommissionen über eine eventuelle Einigung seien resultatlos, aber in Frieden verlaufen. Beschlos- J7 Vaterländische Volkszeitung ' Vaterländische Volkszeitung ; vgl. auch Braunschweiger Neueste Nachrichten Braunschweiger Neueste Nachrichten UNH. 40 Vaterländische Volkszeitung

73 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 71 sen sei, ein freundschaftliches Zusammengehen herbeizuführen und eine gemeinschaftliche Kommission zu wählen, die sich namentlich mit Wahl angelegenheiten zu beschäftigen habe. Die gemäßigten Töne aus Wolfenbüttel nahm die Landes-Rechts-Partei auf ihrem 5. Parteitag am 26./ in Holzminden auf und berief erneut eine Kommission, die in Verhandlungen mit den Brunonen eintreten sollte. Der Kommission gehörten der Geschäftsführer der Landes-Rechts-Partei Georg Meyer an, der dieses Amt seit Mai 1898 als Nachfolger von Meinburg ausübte 4 1, weiter der Rechtsanwalt Hermann Dedekind ( )42, seit Januar Vorsitzender der Stadt-Rechts Partei, und schließlich August Rohrbeck, Stadtverordneter in Königslutter und Vorsitzender der dortigen Vaterländischen Vereinigung 43 Die Verhandlungen mit der Braunschweigisch-wc1fischen Partei über eine Einheit der Parteien verliefen zwar im Sande 4 4, trugen aber doch insoweit Früchte, als sich bcide Parteien darauf einigten, die Vaterländische Volkszeitung zum als "Gemeinsames Organ" herauszugeben. Otto Elster übernahm im Zuge dieser Veränderung wieder die politische Redaktion von seinem Bruder Robert 45. Zum trat eine einschneidende personelle Veränderung bei der Landes Rechts-Partei ein. Der Vorsitzende Otto Elster, dessen Amtszeit eigentlich noch bis 1905 dauern sollte 4 /i, trat an diesem Tage in den Dienst des Prinzen von Schaumburg Lippe zu Nachod als Bibliothekar ein und legte sein Amt als 1. Vorsitzender der Partei nieder 47 Der Geschäftsführer Georg Meyer übernahm zunächst kommissarisch den Vorsitz, die Redaktion der Vaterländischen Volkszeitung wurde wieder in die Hände von Robert Elster gelegt. Die Suche nach einem geeigneten Vorsitzenden schien schwierig, weil der 2. Vorsitzende Graf von der Schulenburg bereits Ende 1900 seine Absicht angekündigt hatte, sein Amt niederzulegen 48, und die Möglichkeit drohte, dass er nicht zur Verfügung stand. Schulenburg konnte sich dem Drängen der Partei jedoch nicht verschließen und wurde auf dem 8. Parteitag am in Schöningen zum 1. Vorsitzenden gewählt 49 Mit Hermann Dedekind als 2. Vorsitzenden erhielt er einen Stellvertreter, der als "Meister der Rede" 50 ohnehin schon einen Gutteil der welfischen Agitation trug und ihn so entlastete. 4] Vaterländische Volkszeitung Zu ihm vgl. Braunschweigisches Biographisches Lexikon (wie Anm. 17), S Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Der 6. Parteitag am in Königslutter hatte auf Vorschlag des Geschäftsführers Meinburg eine Satzungsänderung dahingehend beschlossen, dass die Vorsitzenden und der Geschäftsführer statt bisher auf ein Jahr auf 5 Jahre gewählt wurden (Vaterländische Volkszeitung ). 47 Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Ein weiterer Versuch Schulenhurgs auf dem 11. Parteitag am in Blankenburg, den Parteivorsitz an einen anderen abzugeben, gelang wegen des Drängens der Delegierten ebenfalls nicht (vgl. Vaterländische VolkszeilUng ). 50 Vaterlandische Volkszeitung

74 72 Burkhard Schmidt Obwohl die bei den Welfenparteien nach den anfänglichen Querelen eine Basis für ein gemeinsames Handeln gefunden hatten, gab es zwischen ihnen noch einmal Irritationen, als plötzlich zum Jahre 1904 der Sohn des ehemaligen Braunschweiger Justizministers Adolf Wirk ( ), der Oberstleutnant a.d. Dr. jur. Gustav Wirk ( )5\ eine Monatsschrift unter dem Titel "Brunonia" ins Leben rief. In der ersten Ausgabe äußerte Wirk zwar den Wunsch, die Zeitung zum Organ der konservativen Partei im Herzogtum machen zu können. Ab dem stellte Wirk dann aber jeweils rund 11f2 Seiten der "Brunonia" der Braunschweigisch-welfischen Partei zur Verfügung, die unter der Überschrift "Aus der Partei" hier ihre Parteinachrichten veröffentlichte. Ab demselben Zeitpunkt stellte die Vaterländische Volkszeitung lediglich noch das Organ der Landes-Rechts-Partei dar. Auch wenn dies nach außen den Eindruck vermitteln musste, dass damit die Welfen parteien nicht mehr an einem Strang zogen, beeilte sich die "Brunonia" doch mit der Erklärung, die Lösung der Verbindung zu der Vaterländischen Volkszeitung bedeute» nichts weniger, als dass nur Feindschaft zwischen uns herrschen soll. Wir erkennen unumwunden das hohe selbstlose Streben, die große wissenschaftliche Bedeutung und die absolute Integrität der Männer an, die an ihrer Spitze stehen. Der Hauptunterschied ist der, dass sie die Frage, Bismarck betreffend, anders als wir beantworten. Unser Ziel ist das Gleiche, freuen soll es uns stets, wenn wir auch dieselben Wege zu ihm hin wandeln. «52 An der gemeinschaftlichen Arbeit der Parteien änderte sich durch die Trennung der Parteizeitungen in der Tat nichts. Sie sahen sich nicht als Konkurrenten, sondern als Kämpfer für dieselbe gerechte Sache. Und so verkündete Schulenburg auch öffentlich, dass es der Rechtspartei "nur zur lebhaften Freude gereichen" werde, wenn die Braunschweigisch-welfische Partei "auf ihrem, den Rechtsstandpunkt weniger betonenden Wcge gelingen" würde, eine Versöhnung des Welfenhauses mit Preußen herbeizuführen nahm die Landes-Rechts-Partei eine neue Satzung in Angriff. Der innerparteilichen Verfassung hatte 4 N r. 2 des Braunschweigischen Vereinsgesetzes 54 entgegengestanden, wonach politische Vereine "mit anderen Vereinen nicht in der Art in Verbindung treten" durften, "dass entweder der Verein den Beschlüssen und Organen des anderen unterworfen oder mehrere solcher Vereine unter einem gemeinsamen Organe vereinigt werden." Im Zuge der Vereinsrechtsreform 1904 sah die Partei die Möglichkeit, die vaterländischen Vereinigungen offiziell in die Parteistruktur einzubeziehen. Mitglieder der Partei sollten nun "sowohl Vereine wie Einzelne werden, welche sich zu den Prinzipien und Zielen der Partei bekennen" ( 5 Abs. 1 Satz der " Zu ihm vgl. Braunschweigisches Biographisches Lexikon (wie Anm. 17), S Brunonia 1905, S So auf dcm 11. Parteitag in Blankcnburg am (vgl. Vaterländische Volkszeitung ). '4 Gesetz, polizeiliche Maßregeln gegen den Mißbrauch des Vereins- und Versammlungsrechts und die Bestrafung gesetz- und ordnungswidriger Vereine und Versammlungen betreffend, vom !!53 (Gesetz- und Verordnungs-Sammlung 1!!53 Nr. 37, S. 1!!1)

75 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 73 neuen Satzung). Mit der ncuen Satzung sollte auch die Eintragung der Partci im Vereinsregister herbeigeführt werden. Auf dem 11. Parteitag in Blankenburg am wurde die neue Satzung der Landes-Rechts-Partei verabschiedet. Abschnitt I der Satzung, der "Name, Sitz, Ziele und Wirkungskreis der Partei" sowie das "Verhältnis zu anderen Parteien", insbesondere also zu den hannoverschen Welfen, betrifft, lautete 55 : 1 Name und Sitz der Partei Die Partei führt den Namen Braunschweigische Landes-Rechts-Partei. Eingetragener Verein; sie hat ihren Sitz in der Stadt Braunschweig. 2 Grundprinzip und Ziele der Partei Das Grundprinzip der Partei ist die Anerkennung des Rechts als der entscheidenden Richtschnur für das politische Leben. Ihr Ziel ist die Rückkehr des angestammten welfischen Herrscherhauses auf den Thron Heinrichs des Löwen mitte1st Beseitigung des von Preußen erwirkten Bundesrats-Beschlusses vom 2. Juli Wirkungskreis der Partei Zur Erreichung dieses Zieles bedient sich die Partei aller rechtlich zulässigen Mittel; insbesondere will sie die öffentliche Meinung über das gute Recht des Landes Braunschweig und seines Herrscherhauses aufklären, die Verdunkelung oder Verletzung dieses Rechtes bekämpfen, den Rechtssinn, das niedersächsische Stammesbewusstsein und die wahre deutsche Treue zum Welfenhause in der Bevölkerung stärken und beleben, das Interesse für die braunschweigische Geschichte pflegen, im gegebenen Zeitpunkte auch durch Eingaben an die zuständigen Stellen auf die Erreichung ihrer Ziele hin wirken. Sie wird zu diesem Zwecke vaterländische Vereine gründen, vaterländische Festlichkeiten veranstalten, durch die Presse und durch Abhaltung öffentlicher Versammlungen um die Verbreitung vaterländischer Gesinnungen bemüht sein und überall, wo es angezeigt erscheint, bei Wahlen mit allen Kräften die Wahl Gleichgesinnter fördern und der Wahl Feindlichgesinnter entgegen arbeiten. 4 Verhältnis zu anderen Parteien Gegenüber allen Parteien, welchen Namen sie auch tragen mögen, behauptet die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei unbedingte Selbständigkeit, und zwar auch dann, wenn jene auf dem gleichen Boden wie sie stehen und die gleichen Ziele mit ihr verfolgen. Nach 12 der Satzung bestand der Vorstand der Partei aus 8 Mitgliedern. Dies waren die beiden Vorsitzenden Schulenburg und Dedekind, der Parteigeschäftsführer, seit März 1904 Gustav Weich mann, der Partcikassierer August Brinkmann, der Redak- " StA WF, 133 Neu Nr

76 74 Burkhard Schmidt teur und der Geschäftsführer der Parteizeitung, Robert Elster und Hugo Brennecke, sowie zwei Beisitzer. In besonders wichtigen Angelegenheiten sollten noch 5 Herren als außerordentliche Beisitzer zu einem erweiterten Parteivorstand hinzugezogen werden. Die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei wurde im April 1906 unter dem Geschäftszeichen "Band I S. 158 No. 45" im Vereinsregister des Amtsgerichts Braunschweig eingetragen 56 Die folgende Jahre verliefen innerhalb der beiden Welfenparteien und zwischen ihnen in ruhigen Bahnen. Zu den Personalien der Parteiführung ist nur zu berichten, dass 1910 für Sollmann der Rechtsanwalt und Notar Hugo von Dähne (geb. 1861) die Führung der Braunschweigisch-welfische Partei übernahm und im selben Jahr bei der Landes-Rechts-Partei der Geschäftsführer Gustav Weichmann durch August Rohrbeck abgelöst wurde. 5 Parteiarbeit und Agitation 5.1 Die Thronfolgefrage Die Arbeit der Welfenparteien war anfangs ganz auf die Gründung und den Aufbau vaterländischer Vereinigungen als Basisorganisationen in der Region fixiert. Ihre Repräsentanten reisten im Herzogtum umher, um auf Veranstaltungen für ihre Ziele zu werben und Mitglieder zu gewinnen. Obwohl ein unmittelbarer Einfluss auf die Braunschweiger Politik damit nicht bevorstand, war die Agitation für das Staatsministerium doch Grund zur Sorge. Das Staatsministerium und insbesondere der ihm seit 1889 vorstehende Minister Dr. Albert von Otto ( ) versuchten mit einer pragmatischen, vielleicht auch opportunistischen, jedenfalls aber preußenfreundlichen Politik die staatliche Selbständigkeit des Herzogtums Braunschweig zu erhalten, indem sie die Thronfolgefrage nicht hochspielten und von dem Thronfolger ganz im Sinne Preußens einen Verzicht auf das Königreich Hannover forderten. Das selbstbewusste, preußenfeindliche Verhalten insbesondere der Landes-Rechts-Partei bedrohte diese Politik, weil die zahlreichen Agitationsveranstaltungen und die neu gegründeten Welfenorganisationen gegenüber Preußen Erklärungsbedarf schufen. Dass das Staatsministerium in der deshalb ft:indlich~n Haltung g~g~nüber den Welfenparteien zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen nicht unterschied und das preußenfreundlichere Auftreten der Brunonen nicht honorierte, mag daran gelegen haben, dass eine Differenzierung zumindest im fernen und mit den Feinheiten nicht vertrauten Preußen nicht verstanden worden wäre. Die auf Konfrontation mit den Welfenparteien ausgerichtete Politik des Staatsministeriums, die ihren ersten Ausdruck darin gefunden hatte, dass die Beamten, die vaterländischen Vereinigungen angehört hatten, zum Austritt gezwungen wurden, fand in der Landesversammlung breite Zustimmung. Als Referent der Kommission für staatsrechtliche Angelegenheiten brachte der Abgeordnete Wilhelm Semler 56 Vaterländische Volkszeitung Die Registerakten sind nach Auskunft des Amtsgerichts Braunschwcig durch Kricgseinwirkung vernichtet worden.

77 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 75 ( ) am eine die Thronfolgefrage betreffende - später einstimmig angenommene - Resolution ein, in der davon die Rede ist, dass "die teilweise direkt reichsfeindlich auftretende welfische Agitation die Wohlfahrt des Landes zu gefährden und den Anschein zu erwecken geeignet" sei, "als ob der gegenwärtig im Herzogtume auf Grund des Landesgesetzes vom und des Bundesratsbeschlusses vom bestehende Zustand dem Rechte nicht entspreche" 57. In der Beratung des Antrages hielt v. Otto am eine Rede, die bei den Welfen seinen Ruf begründete, die für das Herzogtum" verhängnisvollste Persönlichkeit" gewesen zu sein. Der Landes-Rechts-Partei warf er vor, eine Politik zu betreiben, die "bedeute, dass das Deutsche Reich, das man endlich erreicht habe und an dem alles in Liebe hänge, dass dieses Deutsche Reich in Stücke gehen solle"58. Nachdem sich auch die Braunschweigisch-welfische Partei etabliert hatte und beide Welfen parteien mit der Zeit eine Basis für ein gemeinsames Vorgehen gefunden hatten, kam es Ende des Jahres 1900 zu einer ersten tatsächlichen Machtprobe zwischen Staats ministerium und Welfen parteien. Im Dezember 1900 griffen deren Vorsitzende Otto Elster und Richard Sollmann eine Anregung des Grafen von der Schulenburg auf, die dieser schon am dem Herzogt. Konsistorium und dann noch einmal am dem Prinzregenten Albrecht erfolglos vorgetragen hatte 59 : Sie baten die Landessynode um die "Aufnahme der kirchlichen Fürbitte für den Landesherrn in das allgemeine Kirchengebet". Die Landessynode holte ein Gutachten des Landgerichtsrats Wilhelm Kulemann ( ) ein. Kulemann war nach eigenen Angaben 60 zwar früher ein "begeisterter Verehrer des Fürsten Bismarck" gewesen und hatte von 1887 bis 1890 auch für die Nationalliberalen im Reichstag gesessen, hatte sich aber inzwischen zu einem von allen Seiten geachteten selbständig denkenden Geist gewandelt. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Herzog zwar Landesherr, aber von der Ausübung der landesherrlichen Rechte ausgeschlossen sei. Diese Auffassung konnte die Welfen ebensowenig wie das Staatsministerium erfreuen, das auf dem Standpunkt stand, der Herzog sei auch nicht als Landesherr anzuerkennen. Das Staatsministerium warnte die Synode, "im wohlverstandenen Interesse des Staats" in Erörterungen darüber einzutreten, ob der Herzog von Cumberland de jure rechtmäßiger Landesherr des Herzogtums Braunschweig sei, weil das "geeignet sein könnte, zum Nachteil einer glücklichen Entwicklung der Geschichte des Herzogtums in den Kreisen der Bevölkerung Zweifel bezüglich der vollen verfassungsmäßigen Rechte des gegenwärtigen Trägers der höchsten Staatsgewalt entstehen zu lassen"61. Die Welfen versuchten durch ein Gegengutachten des Landgerichtspräsidenten Dr. Adolf Dedekind ( ), einem überzeugten Welfen, Anhänger für ihren Standpunkt zu gewinnen. Doch dies half nichts. Bei der Verhandlung der Landessynode am wurde der auf dem Gutachten Kulemanns aufbauende Kommissionsantrag, die Eingabe der welfischen,; Landtag Sitzungsbericht , S " Landtag Sitzungsbericht , S " Vaterländische Volkszeitung () Wilhclm KULEMANN, Politische Erinnerungen. Bcrlin 1911, S. 40. Zu dem Antrag an die Landessynode dort auch S. 213 ff.. 61 Vaterländische Volkszeitung

78 76 Burkhard Schmidt Parteien unberücksichtigt zu lassen, gegen 2 Stimmen angenommen. Immerhin konnte sich die Vaterländische Volkszeitung freuen: "Für den Standpunkt der Regierung einzutreten, sah sich kein einziger Abgeordneter veranlasst"62. Die gutachterliche Stellungnahme Kulemanns, der Herzog sei Landesherr, ermunterte die Welfen schon im Februar 1902 zu einem weiteren Vorstoß. Die Vorsitzenden der Parteien reichten bei der Landesversammlung eine Eingabe ein, mit der sie eine Änderung der Eingangsformel der erlassenen Landesgesetze und Verordnungen zu erreichen suchten 63 Die verwendete Formel "Von Gottes Gnaden, Wir Albrecht, Prinz von Preußen, Regent des Herzogtums Braunsehweig" widerspreche dem allgemein in Deutschland üblichen Herkommen, wonach in der Eingangsforme1 der Gesetze und Verordnungen der Name des an der Regierung behinderten Landesfürsten, für den die Regierungsverwesung geschehe, erwähnt werde. Die Welfen schlugen einen Zusatz wie: "Im Namen Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs Ernst August" vor. Das Staatsministerium reagierte mit einer vom lustizminister Dr. August Trieps ( ) selbst verfassten Denksehrift 64, der darin die Auffassung vertrat, es fehle derzeit an einem Landesfürsten; der Regent führe die Regierung nicht als Stellvertreter einer bestimmten Person, sondern "für den, den es angehe". Die juristische Deduktion verband Trieps aber auch mit einer politischen Argumentation und mit Angriffen gegen die Welfenparteien: "Neben den Beziehungen zu dem angestammten Fürstenhause fällt bei dem Braunschweiger der Wert der staatlichen Selbständigkeit in das Gewicht. Für Letzere aber bietet Sicherheit allein die auf dem Regentschaftsgesetze beruhende Regentschaft, die bei Wahrung aller Rechte und Interessen durch ihre spezifische Gestaltung die Folgen der bestehenden Gegensätze auszugleichen bestimmt ist. Schwer verständlich ist es daher, wenn in Braunschweig politische Bestrebungen hervortreten, welche einseitig ohne genügende Würdigung der Sach- und Rechtslage sich tatsächlich gegen das Regentschaftsgesetz und gegen die den Willen dieses Gesetzes entsprechende Regentschaft, damit aber in ihren Wirkungen gleichzeitig gegen die Erfüllung unterliegender Hoffnungen richten. «65 Die Auffassung, dass weder der Herzog von Cumberland noch sonst jemand der Landesherr des Herzogtums Braunsehweig sei, forderte eine "Verwahrung" der Welfenpartei an die Landesversammlung und eine Protestversammlung im Wilhelmsgarten heraus, an der ca Welfenanhänger teilnahmen 66 Auch der Landgerichtspräsident Dr. Adolt Dedekind 67 wie sein gleichnamiger Sohn ( )68, der Amts Vaterländische Volkszeitung ; vgl. insoweit und auch im Folgenden PHILIPPI (wie Anm. 10), S. 113 ff.. 63 Vaterländische Volkszeitung ; Wilhe1m HARTWIEG, Um Braunschwcigs Thron 1912/13. Braunschweig 1964, S. 28. " Vgl. v. Ono, Landtag Sitzungsbericht , S Zitiert nach Adolf DWEKIND JUN., Die Regentschaft für den, welchen es angeht. Braunschweig 1902, S.40f.. 66 Vaterländische Volkszeitung Braunschweigische Landeszeitung , Vaterländische Volkszeitung

79 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 77 richter in Braunschweig war, traten mit Publikationen gegen die Denkschrift hervor, die an Schärfe nichts zu wünschen übrig ließen. Landgerichtspräsident Dedekind schrieb, "ein solcher Ausschluss des allgemein gültigen Thronfolge-Grundsatzes" nähere sich "in bedenklicher Weise, dem Verfasser der Denkschrift vielleicht unbewusst, dem in 81 Ziff. 2 des Strafgesetzbuches bedrohten Verbrechens der gewaltsamen Änderung der in einem Bundesstaate bestehenden Thronfolge (Hoch verrat)"69. Dieser Hochverratsvorwurf führte zu einem Disziplinarverfahrens gegen den Landgerichtspräsidenten, das mit einem Verweis abgeschlossen wurde 7o Die Justizkommission der Landesversammlung beantragte am , das Gesuch der welfischen Parteien zu der Eingangsformelfrage unberücksichtigt zu lassen und begründete dies damit, dass es "der Natur der Sache und der Entstehungsgeschichte des Regentschaftsgcsctzes widerstrcitcn" würde, "wcnn man die bisher geübte Praxis bei Publikationen der Gesetze und Verordnungen verlassen würde". Die Justizkommission folgte auch dem Gutachten von Trieps: Die Regierung werde zur Zeit zwar im Interesse des Herzogs von Cumberland als Thronfolger geführt, nicht aber in dessen Namen 7!. In der Beratung dcr Vorlage am wies v. Otto zum wiederholten Male "auf die Bedenklichkeit, auf die ernsten Gcfahren" hin, "die die stcte und neue Anregung der sogenannten Welfenfrage, die an dieselbe knüpfende Agitation" der Selbständigkeit des Herzogtums bringen könne 72, und nutzte die Debatte zu scharfen Angriffen gcgen die Welfen parteien: Er sehe "keinen Unterschied mehr zwischen der Bewegung in Hannover und derjenigen in Braunschweig". Die Welfen meinten zwar, sie handelten im Interesse des Hauses Braunschweig, stünden jedoch im direkten Widerspruch zu den Interessen des Hauses Braunschweig und zugleich des Herzogtums. Der Regent beachte zwar die ständigen Angriffe noch nicht und erfülle seine Pflicht unbeirrt aller welfischen Bestrebungen. Jedoch könne die größte Langmut zu Ende gehen. Gelänge es den Welfen, ihre Bewegung wie im letzten Jahr noch weiter zu steigern und risse dem Regenten die Geduld, sei man auf dem besten Wege zu einer Statthalterschaft 73 Der Antrag der Justizkommission und ein von dem nationalliberalen Abgeordneten Hermann Hauswaldt eingebrachter Antrag, mit dem in einer Erklärung der Landesversammlung die Treue zu Kaiser und Reich beschworcn wurde, wurde einstimmig angenommen 74 Die Rede v. Ottos hatte die Gräben zwischen ihm und den Wclfen noch tiefer werden lassen. Gerade bei der Braunschweigisch-welfischen Partei, die sich um Distanz zu den hannoverschen Welfen bemühte, wurde mit Verbitterung aufgenommen, dass v. Otto nicht zwischen den beiden Gruppierungen unterschied. So wurde auf dem 5. "" Vgl. Anm Ziticrt nach DEDEKIND (wie Anm. 65), S. 42/ Vaterländische Volkszeitung , vgl. hicrzu auch Ilse DEDHIND, Untcr Glas und Rahmcn Briefc und Aufzeichnungen Ein Jahrhundert aus der Sicht einer Braunschweigcr Familie. Braunschweig 2000, S. 233 ff.. 71 Vaterländische Volkszcitung Landtag Sitzungsbericht , S Ebd., S Ebd., S. 291.

80 78 Burkhard Schmidt Parteitag der Braunschweigisch-welfischen Partei in Braunschweig am der folgende Beschluss gefasst: "Die Braunschweigisch-welfische Partei weist die von dem Herzoglich Braunschweigischen Staatsminister Dr. jur. von Otto dem Sinne seiner Rede nach am 12. Mai 1902 im Braunschweigischen Landtage ihr gemachte Unterstellung, als verfolge sie dieselben Tendenzen wie die hannoverschen Welfen, um so entschiedener als unberechtigt zurück, als der Braunschweigische Staatsminister irgend eine einzige Tatsache für die Schlüssigkeit seiner Behauptung anzuführen weder vermocht noch versucht hat, was in Hinsicht auf die Stellung des Behauptenden und den Ort, an dem er sprach, um so schwerer in's Gewicht fällt, als die verfassungsmäßigen Rechte und die ihnen entsprechende, berechtigte monarchische Gesinnung einer großen Anzahl allen Ständen angehörenden braunschweigischer Staatsangehöriger durch eine ~wlche Unterstellung auf das Empfindlichste ohne jeden Grund angegriffen und verletzt worden sind. "75 Noch im selben Jahr sorgte für welfische Aufregung ein Gesetzentwurf, der eine authentische Auslegung des 6 des Regentschaftsgesetzes vorsah. In dieser Vorschrift war die Wahl eines Regenten für den Fall geregelt, dass der Thronfolger nicht innerhalb eines Jahres seit der Thronerledigung die Regierung angetreten hatte. Die Weifen lasen aus dieser Bestimmung, dass mit dem Tode des derzeitigen, an der Regierung behinderten Thronfolgers Ernst August automatisch auch die Regentschaft des Prinzregenten Albrecht ende und der Verhinderungsfall neu geprüft werden müsse. Demgegenüber wollte das Staatsministerium auf der Grundlage der Trieps'schen Denkschrift eine Auslegung des Gesetzes dahin festlegen, dass die eingetretene Regentschaft bei Wechseln in der Person des erbberechtigten Thronfolgers nicht ende, "vielmehr solange bestehen bleibe, bis ein an der aktuellen Ausübung der Regierung nicht behinderter erbberechtigter Thronfolger die Regierung antrete"76. In der Debatte sah sich das Staatsministerium im Landtag ungewohntem Widerstand gegenüber. Der Braunschweiger Kreisdirektor Konrad Langerfeldt (gest. 1913) verstand den Gesetzentwurf nicht als authentische Interpretation, sondern als Ergänzung des Regentschaftsgesetzes und Verlängerung der Regentschaft über den Tod des Herzogs Ernst August hinaus, die einem Eingriff in die geltende Thronfolgeordnung mindestens sehr ähnlich sehe. Ein solches Mittel sei erst gerechtfertigt, wenn alle gegebenen Mittel versucht worden wären, die Regierung des Herzogtums aus der Lage zu befreien, was aber nicht der Fall sei 77 Langerfeldt brachte mit neun weiteren Abgeordneten den Antrag ein, an das Herzogliches Staatsministerium das Ersuchen zu richten, "die geeigneten Schritte zu tun, damit sowohl Se. Majestät der deutsche Kaiser und König von Preußen, als auch Se. König\. Hoheit der Herzog von Cumberland Kunde erhält von dem lebhaften Wunsche des Herzogtums, die bestehende Ungewissheit in den Regierungsverhältnissen beseitigt zu sehen, damit ferner klargestellt wird, was als erforderlich und genügend angesehen ist, damit Se. König!. Hoheit der Herzog von " Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Landtag Sitzungsbericht , S. 561.

81 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 79 Cumberland nicht länger als behindert an der tatsächlichen Ausübung der Regierung gilt, und damit endlich ersehen werden kann, warum eine Beseitigung der Behinderung bisher noch nicht eingetreten ist"78. Langerfeldt sah sich in der Landesversammlung scharfen Angriffen ausgesetzt, wie etwa dem Semlers, der in dem Antrag Langerfeldts eine "Reproduktion" der außerparlamentarischen Agitation in der Landesversammlung sah 79 Befürworter wie Gegner des Langerfeldtschen Antrages fühlten sich dann auch aufgerufen, gegen die welfische Agitation Front zu machen. Das Mitglied des Staatsministeriums, der Geheimrat Adolf Hartwieg ( ), sah als Folge des Antrages aber eine Stärkung der welfischen Bewegung voraus. Er rief aus: "... ich glaube, dass der Antrag Langerfeldt der Agitation im Lande neuen erwünschten Stoff zu erhöhter Agitation geben wird. Warten Sie einmal ab, meine Herren, welches Triumphgeschrei, welches Wutgeheul, welcher Hohn, welcher Spott in der nächsten Zeit erklingen wird - dann werden Sie die Folgen sehenf'<80 Hartwieg schlug auch vor, in Überlegungen einzutreten, ob den Beamten, nicht nur die Mitgliedschaft in den welfischen Vereinen, sondern auch die Teilnahme an den Versammlungen verboten werden könne 8!, und polemisierte in scharfer Form auch gegen die Vaterländische Volkszeitung. - Der Gesetzesentwurf über die Auslegung des Regentschaftsgesetzes wurde am angenommen 82 Ein weiterer Vorstoß in der Thronfolgcfrage ging vom 9. Parteitag der Braunschwcigischen Landes-Rechts-Partci in Braunschweig am 10./ aus. Hier wurde einstimmig der Antrag angenommen, "eine Eingabe an sämtliche deutsche Fürsten und Freien Städte zu richten, in der die Entwicklung der braunschweigischen Thronfolgefrage mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte des letzten Regentschaftsgesetzes zusammenfassend dargestellt und die Bitte ausgesprochen wird, für die endliche Thronbesteigung des rechtmäßigen Landesherrn Herzogs Ernst August von Cumberland und zu Braunschweig und Lüneburg wirksam zu werden und eine baldige Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom herbeizuführen"83. Mit diesem Beschluss hatte sich die Landes-Rechts-Partei jedoch üherhoben. Dies hatte wohl auch der Vorstand der Partei erkannt und führte den Beschluss nicht aus. Auf dem folgenden, dem 10. Parteitag am in Bad Harzburg, rechtfertigte der Vorstand dies damit, dass der Zeitpunkt noch nicht gelegen schiene H4 Die Initiative wurde nun von anderer Seite ergriffen. Gustav Wirk, der Herausgeber der "Brunonia", verfasste gegen Ende 1904 eine Adresse an den Reichskanzler v. " Ebd., S. 580; Vaterländische Volkszeitung Landtag Sitzungsbericht , S Landtag Sitzungsbericht , S. 604., Ebd., S Vgl. Vaterländische Volkszeitung Der genaue Titel des Gesetzes lautet: Gesetz, betreffend authentische Erklärung des 6 des Gesetzes vom 16. Februar 1879 Nr. 3 wegen provisorischer Ordnung der Regierungsverhältnissc bei einer Thronerledigung vom 4. Dez (Gesetz- und Verordnungs-Sammlung 1902 Nr. 48. S. 263). 83 Vaterländische Volkszeitung !4 Vaterländische Volkszeitung

82 80 Burkhard Schmidt Bülow, in der er den Nachweis zu führen versuchte, dass nach den Rechtsgrundsätzen dem Herzog Ernst August Hindernisse nicht in den Weg gelegt werden könnten, und in der er bat, dass der Reichskanzler die ihm verliehene große Macht zugunsten des Rechts einsetzen möge. Wirk sammelte eine Reihe von Unterschriften und wandte sich an dcn welfischen Reichstagsabgeordneten Kurd von Damm mit der Bitte, die Adresse dem Reichskanzler zu gelegener Zeit zu überweisen. v. Bülow lehnte indes die persönliche Annahme ab und verwies v. Damm an den Chef der Reichskanzlei v. Loebel!. Eine Antwort erhielt Wirk nicht. Bei den Welfen der Landes-Rechts-Partei führte diese Aktion zu herber Kritik. Albert Gerecke, der frühere Vorsitzende der Stadt-Rechts-Partci, rügte, dass die Adresse in weichestem Moll gehalten gewesen sei, denn: "Wie man in den Wald hineinruft, so schallts heraus, diesmal war der Hineinruf so leise, dass keine Antwort erfolgte. "85 Auch v. Damm selbst geriet in das Schussfeld der Landes-Rechts-Partei, weil er im Reichstag während der schon 2 Jahre seiner Zugehörigkeit nichts gesagt habe, "was dem Herrn Reichskanzlers auch nur im Entferntesten unangenehm sein könnte"h6. Ein Antrag Rohrbecks, nunmehr seitens der Landes-Rechts-Partei eine neue die Thronfrage betreffende Adresse an den Reichstag in Form einer Massen-Petition zu richten, wurde auf dem 11. Parteitag in Blankenburg am jedoch mit einer eindeutigen Mehrheit abgelehntl!7. Neue Aktivitäten um die Thronfolge ergaben sich für die Welfen zwangsläufig durch den Tod des Prinzregenten Albrecht von Preußen am in Camenz. Noch am selben Tag riefen die Vorstände beider Welfenparteien auf, "auf eine sofortige Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom hinzuwirken"s8. Die Angelegenheit schien zunächst auch ganz im Sinne der WeIfen zu laufen. Der Landtag verabschiedete am eine Resolution, wonach die Wahl eines neuen Regenten zunächst zurückgestellt und der Regentschaftsrat aufgefordert wurde, den Reichskanzler als Vorsitzenden des Bundesrates zu ersuchen, die zur Beseitigung der die Thronfolge Ernst Augusts verhindernden Gegensätze geeigneten Schritte zu tun und zugleich die Resolution zur Kenntnis der Preußischen Staatsregierung und des Herzogs von Cumberland zu bringen R9 v. Bülow antwortete in getrennten Schreiben einmal als Preußischer Minister des Auswärtigen und einmal als Reichskanzler. Ganz formell wies er darauf hin, dass er dcn Bundesratsbeschluss vom so lange als maßgebend behandeln müsse, als derselbe nicht durch einen neuen Beschluss des Bundesrats aufgehoben oder abgeändert sei 9o Während diese Antworten dem Regentschaftsrat schon ausreichten, die Landesversammlung um Einverständnis zur Wahl eines Regenten zu ersuchen'ji, organisierten die Welfen parteien für den 10. und " Vaterländische Volkszeitung So Heinrich Hillcke auf dem 11. Parteitag in Blankenburg am (vgl. Vaterländische Volkszeitung, ). Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung " Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung

83 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig Protestversammlungen im Wilhelmsgarten 92 Als am dannunter Begleitung von weiteren Protest veranstaltungen der Welfen - der Bundesrat einstimmig und unter alleiniger Stimmenthaltung Braunschweigs beschloss, dass "eine entschiedene Änderung in der dem Beschluss vom zu Grunde liegende Sach- und Rechtslage nicht eingetreten sei"93, war der Weg für eine Neuwahl eines Regenten endgültig vorgezeichnet. So gab auch der Braunschweigische Landtag sein Bemühen um die Thronübernahme Ernst Augusts auf und beschloss am , sich mit der Wahl eines Regenten einverstanden zu erklären 94 Vor allem die Einstimmigkeit dieses Beschlusses, die den fehlenden Rückhalt der Welfen im Landtag offenkundig machte, rief den heftigsten Protest der Welfenparteien hervor. Am versammelten sich noch einmal rund Menschen in einer Protestversammlung im Konzerthaus; am fand erneut eine Versammlung in Brünings Saalbau vor mindestens Personen statt 95 Schließlich hielt der Abgeordnete v. Damm am im Reichstag eine Rede zur Braunschweigischen Thronfolgefrage, die bei den Welfen mit Begeisterung aufgenommen wurde und half, die bisherigen Vorbehalte ihm gegenüber abzubauen 96 All dies brachte für die Welfen jedoch keinen Erfolg. Am wurde Prinz Johann Albrecht von Mecklenburg ( ) zum Regenten gewählt. Der neue Regent gewann bei den Welfen allerdings alsbald Sympathie, wie schon durch die Anordnung, dass an den Lanzenfähnchen der Husaren die Landesfarben repräsentiert wurden 97 und die blau-gelbe Standarte wieder auf dem Residenzschloss wehte 98. Das volle Wohlwollen der Welfen erhielt er aber, als er in einem Kirchengesetz anordnete, dass in den Kirchengebeten im Gottesdienst "überall da, wo Fürbitte oder Dank für den Regenten des Herzogtums zum Ausdruck gelangt, im Anschluss daran des Herzoglichen Hauses Braunschweig in allen seinen Gliedern in Fürbitte bzw. Danksagung gedacht werden" solle 99 Damit war eine alte Forderung der Welfen erfüllt. 5.2 Sonstige Parteipolitik Hatte jedenfalls die Landes-Rechts-Partei ihre politischen Vorstellungen nicht nur auf die Thronfolgefrage beschränkt und sich auch als eine Partei gesehen, die die Lösung der Thronfolgefrage überdauern würde, entfernte sie sich in der praktischen Politik von diesem Ausgangspunkt mit der Zeit immer mehr. Die geschilderten Auseinandersetzungen mit dem Staatsministerium und der Landesversammlung nahmen für die Welfenparteien den weitaus größten Teil ihrer Parteiarbeit in Anspruch. Breite 92 Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung S Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung PHILIPPI (wie Anm. 10), S Kirchengesetz, Abänderung der Kirchengebete betreffend, vom (Gesetz- und Verordnungs-Sammlung 1909 Nr. 10, S. 113); vgl. Vaterländische Volkszeitung

84 82 Burkhard Schmidt Politikbereiche fanden in der parteiinternen Diskussion nicht statt. Nicht einmal auf die wirtschaftlichen Fragen jener Zeit suchte die Partei eine Antwort. So wurde auf dem 7. Parteitag der Landes-Rechts-Partei in Schöppenstedt am der Vorschlag der Ausarbeitung eines wirtschaftlichen Programms ausdrücklich abgelehnt. Statt dessen wurde eine Resolution Sehulenburgs angenommen, die lautete: "Die Rechtspartei ist keine wirtschaftliche Partei, sondern dazu berufen, alle treuen Anhänger des Rechts und insbesondere des Rechts unseres Welfenhauses in sich aufzunehmen. Sie kann sich daher ihrer Natur und Zusammensetzung nach nicht auf ein bestimmtes wirtschaftliches Programm festlegen. " In der Partei gab es zwar auch in der Folgezeit, insbesondere vor Wahlen, immer wieder Diskussionen um die Frage, inwieweit zu wirtschaftlichen Fragen StelIung bezogen werden solite. Den Kandidaten wurden inhaltliche Vorgaben aber niemals gemacht. Auf dem 11. Parteitag 1905 in Blankenburg sprach sich erneut eine Mehrheit dafür aus, dass kein wirtschaftliches Programm verabschiedet werde, sondern die einzelnen wirtschaftlichen Fragen von FalI zu Fall geprüft würden lo1 Aktivitäten entwickelten die Welfen parteien demgegenüber immer wieder bei Einzelfragen, bei denen sie das Herzogshaus unterstützen oder - insbesondere die Landes-Rechts-Partci - die Feindschaft gegenüber Preußen ausleben konnten: Mit Protest begegnete man der Ernennung Bismarcks zum Ehrenbürger Braunschweigs (1895)102. Widerstand wurde gegen die Annahme der preußischen Lehrpläne in Braunschweiger Schulen geleistet 103. Zur preußischen Flottenvorlage standen die Welfen in ärgster Gegnerschaft (1900)104. Die lebensbedrohende Erkrankung des Erbprinzen Georg Wilhc\m ( ), der an einer eitrigen Knochenmarksentzündung litt, begleitete man 1896 wochenlang mit größter Sorge und der Herausgabe von Extrablättern der Altbraunschweigischen Volkszeitung und feierte die Genesung mit einem großen Freudenfest. Die Landes-Rechts-Partei rief zu Spenden für die Errichtung eines Herzog-Wilhelm-Denkmals auflos, die schließlich auch vom Landtagspräsidenten v. Veltheim am mit einem Antrag im Landtag unterstützt wurde, der für das Denkmal M bewiiiigte lo6 Am wurde das Reiterstandbild schließlich vor der Burg eingeweiht. In breiter Diskussion wurde eine Vergnügungskommission gewählt und bestimmt, dass alljährlich 4 Feste gefeiert werden sollten, wobei des Herzogs Geburtstag und die Schlacht bei Öl per regelmäßiger Anlass sein sollten. 100 Vaterländische Volkszcitung Vaterländische VolkszcilUng Althraunschwcigische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vgl. Altbraunschwcigische Volkszeitung 24. und Altbraunschwcigische Volkszeitung

85 Wel[enparteien im Herzogtum Braunschweig versuchten die Welfenparteien den Bau eines Interimstheaters im Herzoglichen Theaterpark zu verhindern, weil der Park zum Familiengute des welfischen Fürstenhauses gehöre und der Bau deshalb nicht ohne den Willen des welfischen Fürstenhauses errichtet werden dürfe I07 Das Engagement für das Herzogshaus glitt bei dieser beschränkten Themenwahl nicht selten in tiefe Provinzialität ab. So beschäftigte sich die Stadt-Rechts-Partei auf einer Parteiversammlung im Juli 1899 beispielsweise sogar mit der Frage, wo das historische Kaffeegeschirr, in dem der Bäckermeister Freytag dem Herzog Friedrich Wilhelm bei dessen Lager am Petritor am einen Kaffee überreichen ließ und das am 50. Jahrestag von der Familie Freytag dem Herzog geschenkt worden war, zukünftig aufbewahrt werden sollte. Das Hofmarschallamt hatte das KaffeegeschiIT dem Vaterländischen Museum übergeben, ohne den Herzog zu fragen, was die Welfen empörte 108 Das Bild der Welfenparteien wurde durch derartige Diskussionen mitgeprägt, so dass die Landes-Rechts-Partei ihrem provinziellen Erscheinungsbild entsprechend von ihren Gegnern bald auch spöttisch als die "Partei der unzufriedenen Hoflieferanten" betitelt wurde lo9 Einen breiten Raum der "Parteiarbeit" nahm schließlich die Förderung der Beziehungen zum Herzogshause im fernen Gmunden ein. Geburtstagsglückwünsche an die Mitglieder des Herzogshause waren ebenso wie Grußadressen auf Parteitagen Selbstverständlichkeiten. Dieser enge Kontakt war auch einer der Kritikpunkte v. üttos llo, der die "lebhafte Verbindung" zwischen dem Herzogshaus und den welfischen Parteien" beklagte und das Herzogshaus im eigenen Interesse davor warnte. Die Parteivorsitzenden der Welfenparteien wiesen demgegenüber darauf hin, "dass die vaterländischen Parteien niemals weder eine materielle Förderung noch eine politische Anweisung von Höchster Stelle aus Gmunden erhalten" hätten und eine solche auch gar nicht begehrten, "weil sie ebenso wie sämtliche Vereine sich der vaterländischen Pflichten, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Braunschweiger und Deutsche" oblägen, "ohnehin vollkommen bewusst:' seien. Der Vorwurf, dass die Welfenparteien und ihre vaterländischen Vereine bei passenden Gelegenheiten Begrüßungs-Telegramme an Glieder der Herzoglichen Familie richteten, könne sie nicht treffen, weil es "zu den schönsten Sitten treuer deutscher Gesinnung" gehöre, "in Stunden fröhlicher Vereinigung des angestammten Fürstenhauses zu gedenken und diesen Gefühlen auch Ausdruck zu geben" ; Vaterlandische Volkszeitung los Vaterländische Volkszeitung Volksfreund ; vgl. auch Vaterländische Volkszeitung Landtag Sitzungsbcricht , S. 572; Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung

86 84 Burkhard Schmidt 6 Die Wahlen und die Arbeit in den Parlamenten Bei der Reichstagswahl1887 traten die Welfen, die seinerzeit noch nicht als Partei organisiert waren und deren Gruppierungen sich nur zur Wahl zusammenfanden, unter der Bezeichnung "Altbraunschweigische Partei" in 2 von 3 Wahlbezirken an. Im 1. Wahlkreis (Braunschweig/ Blankenburg) kandidierte Graf von der Schulenburg, im 2. Wahlkreis (Helmstedt/ Wolfenbüttel) Franz Dedekind. Am fand eine erste und einzige Wählerversammlung der "Altbraunschweigischen Partei" im Hotel d' Angleterre in Braunschweig statt. Auf dieser Veranstaltung nahmen nach Angaben der "Brunonia" Personen teil, nach anderen Berichten nur 700 bis 800. In jedem Fall waren ein erheblicher Teil davon nicht Welfen, sondern Sozialdemokraten, Franz Dedekind ( ) Altbraunschweigischer Volkskalender 1902, S. 55. die die Veranstaltung für ihre Ziele nutzen wollten. Erst in der Versammlung wurde ein Vorstand gewählt und dabei Schwenke zum Vorsitzenden bestimmt l12. Von den Wählern im Herzogtum Braunschweig stimmten dann lediglich für die Welfen das sind etwas mehr als 2 %! Bei den folgenden Reichstagswahlen 1890 und 1893 trat nur Graf von der Schulenburg 1890 im 2. Wahlkreis HelmstedtiWolfenbüttel als Kandidat der Welfen, jedoch erneut erfolglos an 114. Im Übrigen unterstützten die Welfen Kandidaten der Freisinnigen und rechtfertigten die Nichtaufstellung eigener Kandidaten mit dem 11 2 Brunonia Günther FRANZ, Die politischen Wahlen in Niedersachsen 1867 bis Bremen-Horn 1951, S Er zog jedoch als Kandidat des 11. Hannoverschen Wahlkreises Northeim-Osterode-Einbeck-Uslar gleichwohl in den Reichstag ein (s.o.).

87 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 85 Ziel, die Zersplitterung der Stimmen zu vermeiden, um so "zur Unschädlichmachung des nationalliberalen Kandidaten" beizutragen 115. Nachdem die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei gegründet war, kürte sie auf ihrem 3. Parteitag am in Helmstedt mit Schulenburg und atto Elster ihre ersten Kandidaten für die Reichstagswahl 1898, bemühte sich zugleich aber auch um eine Einigung mit den Brunonen auf gemeinsame Kandidaten. Dies gelang jedoch nur für den 1. Wahlkreis, in dem der Brunone Kurd von Damm antrat und immerhin 19,4% der Stimmen erhielt. Im 2. Wahlkreis stellte die Brunonia als Gegenkandidaten zu atto Elster den Rittergutsbesitzer Fritz von Kaufmann auf, der neben seiner Mitgliedschaft in der Brunonia 116 der Nationalliberalen Partei und dem Bund der Landwirte angehörte, eine Verbindung, die für die antipreußische Landes-Rechts Partei unannehmbar war. Die breite partei politische Unterstützung v. Kaufmanns führte aber auch zu dessen Sieg (51,7%) über den sozialdemokratischen Kandidaten Wentzel (26,9 %), während Elster nur 16,6% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte. Auch Schulenburg fand im 3. Wahlkreis (Holzminden-Gandersheim) nieht die Unterstützung der Brunonia, die sich für den Bündler Römer einsetzte, und erhielt lediglich 12% der Stimmen. Bei der Reiehstagswahl 1903 war zwischen der Landes-Reehts-Partei und der Braunschweigisch-welfischen Partei bereits ein solches Klima der Verständigung gefunden, dass die Aufstellung gemeinsamer Kandidaten nicht mehr in Frage gestellt wurde. Kandidat der Welfenparteien im 2. Wahlkreis wurde Hermann Dedekind 117 Im 3. Wahlkreis erreichten die Welfen, dass einer der ihren, Kurd von Damm, als Kompromisskandidat bürgerlicher Parteien wie der Nationalliberalen und Freisinnigen aufgestellt wurde. Für den 1. Wahlkreis hatte sieh der parteilose Kreisdirektor Langerfeldt dureh sein engagiertes Auftreten bei der Debatte um das Regentsehaftsinterpretationsgesetz für die Welfen empfohlen, so dass seine Kandidatur nicht nur von fast allen nicht sozialdemokratischen Parteien, sondern aueh von den bei den Welfenparteien unterstützt wurde. Langerfeldt erhielt 41,3% der Stimmen und unterlag dem Sozialdemokraten Blos (52,5%); Dedekind erreichte 17,6% und wurde damit nicht nur von dem Kandidaten der SPD, deren Landesvorsitzenden Heinrich Rieke (34,4%), sondern auch von dem Nationalliberalen v. Kaufmann (24,7%) und dem Kandidaten des Bundes der Landwirte Römer (21,5%) gesehlagen l18 Das Erfreuliche aus der Sicht der Welfen war aber das Abschneiden v. Damms mit 32,6 % der Stimmen, die es ihm ermöglichten, gegen den SPD-Kandidaten Calwer (48,6%) in einer Stichwahl anzutreten. Was keiner gedacht hatte, trat bei der Stichwahl ein. v. Damm konnte auch infolge der hohen Wahlbeteiligung seine Stimmenzahl nahezu verdoppeln und erreichte 54,6% der Stimmen. Er ließ Calwer, der nieht einmal das Ergebnis des ersten Wahlganges halten konnte, weit hinter sich 119 Damit hatten die Welfen ihr erstes Reichstagsmandat errungen. Im Reichstag schloss sich v. Damm in 115 Brunonia Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung und Vaterländische Volkszeitung

88 86 Burkhard Schmidt loser Form der Fraktion der Wirtschaftlichen Vereinigung an, einem Zusammenschluss kleinerer Parteien des Mittelstandes 12o. Der überraschende Sieg einte die Welfen aber nicht. Auf dem 9. Parteitag am 10./ in Braunschweig wurde die Kandidatur Langerfeldts heftig diskutiert, der inzwischen im Landtag in einer Rede von einem unerhörten Skandal gesprochen hatte, den die Welfen im Lande verübten. Mit deutlicher Mehrheit wurde jedoch eine Resolution angenommen, mit der die Kandidatur Langerfeldts und die Rolle des Parteivorstandes bei dieser Entscheidung gebilligt wurde l2l. Hermann Dedekind ( ) Foto aus dem Jahre Privatbesitz I1se Dedekind, Wolfenbüttel Auch 1907 hielten die Welfen an der Unterstützung Langerfeldts fest und errangen als Teil des bürgerlichen Lagers einen großen Erfolg. Bei der Reichstagswahl vom setzte sich im 1. Wahlkreis als Kompromisskandidat Langerfeldt (52,5 %) gegen den langjährigen Reichtstagsabgeordneten der SPD Wilhelm Blos (46,3%) 120 Vaterländische Volkszeitung Zur Wirtschaftlichen Vereinigung gehörten Abgeordnete des Bayerischen Bauernbundes, des Bundes der Landwirte, der Christlich-Sozialen Partei, der Deutsch Sozialen Partei und der Deutsch-Hannoverschen Partei, vgl. Werner FRITSCII I Herbert GOTIWALD, Bayerischer Bauernbund, in: LeJcikon zur Parteiengeschichte (wie Anm. 6), Band 1, S , hier: S. 14l. 121 Vaterländische Volkszeitung

89 Weljenparteien im Herzogtum Braunschweig 87 durch 122. Im 3. Wahlkreis gewann v. Damm (Stichwahl: 55,9%) erneut gegen Calwer. Nur im 2. Wahlkreis hatte man sich nicht mit den anderen bürgerlichen Parteien auf einen Kandidaten einigen können. So trat für die Welfen Hermann Dedekind an (17,7%), aber auch der Wahlsieger v. Kaufmann (51,4%) war ja als Brunone der Sache des Herzogshauses durchaus zugetan 123. Bei dieser Zusammensetzung der Braunschweiger Reichtstagsabgeordneten konnten die Welfen erstmals erwarten, dass ihre Stimme auch in Berlin hörbar wurde. Kaum gewählt wandten sich Langerfeldt, v. Damm und v. Kaufmann dann auch an den deutschen Kaiser, um ihm im Interesse der Thronbesteigung durch den Prinzen von Braunschweig und Lüneburg über die Stimmung im Herzogtum zu unterrichten. Der Kaiser empfing die Abgeordneten jedoch nicht 124 Mit der Audienzverweigerung gelangte die Kandidatur Langerfeldts erneut in die Diskussion, dem man zusätzlich übel nahm, dass er sich im Reichstag der Reichspartei angeschlossen hatte, einer Fraktion, die in der braunschweigischen Frage nicht den Wünschen der WeIfen entsprach 125 Aber seibst vor v. Damm machte die Kritik nicht halt. Man warf ihm wie den bei den anderen Braunschweiger Abgeordneten vor, sich "nicht zu dem einzig naheliegenden Entschlusse", der Niederlegung des Mandats durchgerungen zu haben 126 Für die folgenden Reichstagswahlen am war eine weitere Kandidatur Langerfc1dts im 1. Wahlkreis indiskutabc1 geworden. Da damit aber ein gemeinsamer Kandidat mit den anderen bürgerlichen Parteien nicht gefunden werden konnte, schickten die Welfen parteien Hermann Dedekind ins Rennen, der ohne die Unterstützung anderer Gruppierungen lediglich 10,8% der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Der populäre v. Damm trat nicht mehr im 3. Wahlkreis an, sondern sohte im 2. Wahlkreis dem Nationalliberalen Kar! Kleye das Reichstagsmandat abjagen. Aber auch für v. Damm reichte es nur zu einem Stimmenanteil von 19,4 %. Der im 3. Wahlkreis von den Welfenparteien unterstützte bürgerliche Kompromisskandidat Ernst Billert schließlich erzielte auf dieser breiteren Basis auch nur 25,9 % und konnte die absolute Mehrheit des Sozialdemokraten Otto Antrick ( ) nicht verhindern. Die Wahl 1912 war für die Welfen damit ein erheblicher Rückschlag und zeigte ihnen deutlich, dass sie gegenüber den Sozialdemokraten auf dem Rückzug und ohne die Hilfe der übrigen bürgerlichen Parteien bei Wahlen chancen los waren. Die Reichstagswahlen hatten für die auf die Frage der Braunschwcigischen Thronfolgefrage fixierten Welfenparteien weit weniger Bedeutung als die Wahlen zum braunschweigischen Landtag 127 Gleichwohl sah man in den Reichstagswahlen wegen des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts "eine ausgezeichnete Gelegenheit, 122 Vaterländische Volkszeitung J23 Vaterländische Volkszeitung Bei einer Reichstagswahl vom , die aus Anlass des Todes v. Kaufmanns im 2. Wahlkreis erforderlich wurde, erzielte Dedekind immerhin 24,1 % der Stimmen, war aber vom Zentrum unterstützt worden (vgl. Vaterländische Volkszeitllng H). J24 Vaterländische Volkszeitllng J25 Vaterländische Volkszeitung J26 Vaterländische Volkszeitung J27 Vaterländische Volkszeitllng

90 88 Burkhard Schmidt weite Kreise der Bevölkerung über die Ziele und Prinzipien der Partei aufzuklären" 128. Bei den Landtags- und Stadtverordnetenwahlen hatten die Welfenparteien aufgrund des im Herzogtum Braunschweig geltenden Dreiklassenwahlrechts noch weniger Chancen, was bei ihnen die Frage aufwarf, wie sie sich zu diesem geltenden Wahlsystem stellen sollten. Schon auf dem Parteitag am sprach sich die Mehrheit - zunächst gegen den Widerstand etwa von Meinburg und Hermann Dedekind für ein allgemeines gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht auch für Landtagsund Stadtverordnetenwahlen aus 130. Dass man sich dabei an der Seite der SPD wiederfand und damit auch SPD-Abgeordneten den Weg in den Landtag ebnen würde, sah man als.. in Ordnung" an, weil die Gleichheit eines der Grundprinzipien des Rechts sei 131. Darüber hinaus wich der Standpunkt der Landes-Rechts-Partei auch insoweit von der SPD ab, als die WeIfen das Wahlrecht auf die braunschweigischen Staatsbürger beschränken und wie bei den Reichstagswahlen erst ab dem 25. Lebensjahr gewähren wollte, während die SPD das Wahlrecht für jeden Deutschen ab 20 Jahren forderte. Auch die Forderung der SPD, Frauen das gleiche aktive und passive Wahlrecht zu geben wie Männern, hielten die WeIfen "einstweilen für ein Produkt grauer Theorie, über das man vielfach in den eigenen Kreisen" der SPD den Kopf schüttele 132 Das Wahlrecht war zwar auch künftig in der Landes-Rechts-Partei, wie etwa auf dem 10. Parteitag am in Bad Harzburg oder im Zusammenhang mit der Wahlrechtsdebatte im Landtag 1906 Thema bei den Welfen 133 Jedoch blieb die Partei bei dem einmal gefassten Entschluss und bekräftigte ihn noch einmal durch eine Resolution auf dem 14. Parteitag in Königslutter am Den Weg, um unter den gegebenen Umständen des Dreiklassenwahlrechts einen Platz im Landtag und in der Stadtverordnetenversammlung, zu erlangen, erkannten die Welfen in einer Beteiligung an den Bezirksvereinen der Stadt Braunschweig, wo sie bald eine starke Stellung einnahmen. Im Bezirksverein Fallersleber Tor / Steintor erreichten die Welfen sogar eine Mehrheit 135 und stellten mit den Vorsitzenden der Braunschweigisch-welfischen Partei Soll mann und später mit v. Dähne auch den Vorsitzenden 136. Bei den Landtagswahlen 1903 konnten sie dann Sollmann im Bezirksverein Hohetor / Wilhelmitor als Kompromisskandidaten durchsetzen 137. In den 128 Hermann DEDEKIND, Vaterländische Volkszeitung Dedekind (vgl. Vaterländische Volkszeitung R) wie auch Schulenburg (vgl. Vaterländische Volkszeitung ), der sich ebenfalls anfangs gegen die Einführung eines gleichen, allgemeinen und geheimen Wahlrechts für den Landtag gesträubt hatte, wandelten sich später zu Bcfürwortem eines Wahlgesetzes, "nach welchem alle Stände sich hören lassen können." (Vaterländische Volkszeitung ). 130 Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vgl. Vaterländische Volkszeitung und Vaterländische Volkszeitung

91 Wel[enparteien im Herzogtum Braunschweig 89 Landtag wurde er jedoch nicht gewählt, obwohl sich die SPD entschlossen hatte, sich aus Protest gegen das geltende Dreiklassenwahlrecht nicht an der Landtagswahl zu beteiligen und so als Gegner von vornherein ausgeschieden war 138 Erstmals 1908 zog mit v. Dähne ein Welfe in den Landtag ein, zu dem 1912 der 2. Vorsitzende der Landes-Rechts-Partei Hermann Dedekind hinzutrat. Bei den Stadtverordnetenwahlen machten die Welfen ähnliche Erfahrungen wie bei den Landtagswahlen. Ihre Kandidaten der 3. Wählerklasse in der Stadt Braunschweig - in anderen Städten wie KönigsluUer und Hc1mstedt fand man mehr Unterstützung - erzielten selten mehr als 10-15% der abgegebenen Stimmen. Wahlerfolge konnten nur im Bündnis mit den Bezirksvereinen erzielt werden, so 1899, als im 4. Wahlbezirk Hohetor / Wilhelmitor der der Vaterländischen Vereinigung Braunsehweig angehörende Ökonom Carl Ebc1ing als Kandidat der Bezirksvereine siegte, auch 1908 bei einer Ersatzwahl für einen ausgeschiedenen Stadtverordneten und 1909, als jeweils der Kaufmann Hermann Möhle als Welfe in die Braunschweiger Stadtverordnetenversammlung gewählt wurde. Die Wahlbündnisse, die die Welfen bei Rcichstags-, Landtags- und Stadtverordnetenwah\cn eingingen, waren machtpolitisch eine zwingende Notwendigkeit, um bei einem eigenen Wählerpotential von maximal 20% eigene Kandidaten durchzusetzen. Dabei dürfte die geringe Anziehungskraft der Welfenparteien, die nach den anfänglichen Irritationen weitgehend gemeinsam agierten, weniger in ihrer internen Konkurrenz 139 als in ihrer beschränkten Programmatik gelegen haben, die nur einen geringen Teil der Bevölkerung ansprach. Dass die Welfen zur Durchsetzung ihrer Ziele und ihrer Kandidaten Verbündete im gesamten bürgerlichen Lager suchten und sich dabei auch der Unterstützung antisemitischer Gruppen wie der Christlich-Sozialen Partei, des Bundes der Landwirte oder der Antisemitischen Partei bedienten, unterscheidet sie nicht von den anderen bürgerlichen Parteien, auch nicht von den National1iberalen l40, und rechtfertigt nicht, sie als Teil eines den Liberalen gegenüberstehenden "agrarisch-mittelständisch-antisemitischen Geflechts" zu sehen 141. Die meisten der 13" Vaterländische Volkszeitung So Klaus Erich POLLMANN, Die Gunst der frühen Revolution: eine späte Last. Land und Stadt I3raunschweig zwischen 1830 und In: Schicht-Protest-Revolution in Braunschweig 1292 bis 1947/48, hg. von Birgit Pollmann (= Braunschweiger Werkstücke, Reihe A, Bd. 89), Braunschweig 1995, S ; hier: S Vgl. Thomas NIPPERDEY, Deutsche Geschichte , Band II - Machtstaat vor der Demokratie. 2. Auflage, München 1993, S So aber POLLMANN (wie Anm. 139) unter Berufung darauf, dass sich v. Damm.. bei der Reichstagswahl von 1907 mit einer antisemitisch eingefärbten Sammclkandidatur durchgesetzt und sich im Reichstag der - antisemitischen - Wirtschaftlichen Vereinigung angeschlossen" habe (vgl. zur Zusammensetzung der Wirtschaftlichen Vereinigung 1'n. 120). POLI.MANN setzt sich aber nicht damit auseinander, dass einerseits noch 1903 der Bund der Landwirte und die Deutsch-Soziale Partei v. Damm die Unterstützung versagt hatten und andererseits 1903 wie 1907 v. Damm auch Kandidat der Nationalliberalen war, die Nationalliberalen dann also selbst Teil des von POLLMANN so bezeichneten "agrarischmittelständisch-antisemitischen Geflechts" gewesen wären. Die Beteiligung v. Damms zusammen mit den Abgeordneten der Deutsch-Hannoverschen Partei - übrigens schon an der Wirtschaftlichen Vereinigung ist als ein Bündnis zu dem Zweck zu verstehen, die Rechte einer Fraktion im Reichstag zu erhalten. Sie zeigt nur die unbestritten fehlende Scheu, zur Verfolgung der eigenen Ziele mit antisemitischen Gruppierungen zusammenzuarbeiten.

92 90 Burkhard Schmidt Welfen dürften dem Antisemitismus und den Antisemiten eher indifferent begegnet sein 142, jedoch konnte man unter den Mitgliedern auch ausgesprochene Gegner der Antisemiten antreffen. So rief unter ihnen höchste Empörung hervor, dass der Bezirksverein Fallersleber Tor / Steintor für eine Nachwahl zur Stadtverordnetenversammlung 1905 den Rechtsanwalt R. Fischer zum Kandidaten kürte, der früher bereits für die Antisemitische Partei kandidiert hatte. Albert Gerecke wies in einem Artikel in der Vaterländischen Volkszeitung aufgebracht darauf hin, dass die Antisemiten eine Partei seien, "die manches auf dem Kerbholz" habe l43 Eine Distanz aber auch der gesamten Partei zu den Antisemiten zeigt sich immerhin darin, dass die WeIfen die Kandidatur Fischers letztlich nicht unterstützten 144 und auch sonst - soweit ersichtlich - niemals für die Antisemiten aktiv Partei ergriffen. 7 Die Auflösung der Welfen parteien Als sich die Nachricht verbreitete von der Verlobung des Erbprinzen Ernst August ( ) mit Prinzessin Viktoria Luise von Preußen ( ) am in Karlsruhe, lag eine Lösung der Thronfolgefrage erstmals in der Luft. Es hieß aber nun seitens des Staatsministeriums, diesen Prozess, der von sich aus die Lösung in sich zu tragen schien, nicht durch voreiliges Handeln zu stören. So beschränkte sich der Vorsitzende des Staatsministeriums Adolf Hartwieg auch auf die Bemerkung: "Zur Zeit werden sich politische Folgen daran nicht anschließen; wann dies der Fall sein wird, steht dahin." Und an die Adresse der Landesversammlung, aber zuvörderst doch an die Welfen gewandt rief er aus: "Es ist dringend erwünscht, dass die Landesversammlung und das ganze Land sich auf die Kundgebung ihrer Freude und Genugtuung beschränken. Ich möchte der geehrten Versammlung ergebendst anheimstcllen, in eine politische Erörterung nicht einzutreten." 145 In den Welfen parteien begann bereits mit der Verlobungsfeier von Karlsruhe eine Diskussion darüber, ob damit nicht jetzt der Partei die Grundlage entzogen sei. Dabei konnte man in der Landes-Rechts-Partei daran erinnern, dass bei ihrer Gründung hervorgehoben worden war, dass die Rechtspartei keine Gclegenheitspartei sein sollte, sondern auch nach Rückkehr des welfischen Fürstenhauses in Braunschweig als eine feste Bewegung für dasselbe weiterbestehen würde I46. Schon Anfang März versuchte dt:r Vorstand der Landes-Rechts-Partei, die Wogen durch eine hinhaltende Mitteilung zu glätten: "Das freudige Ereignis der Verlobung Ihrer Königlichen IIoheiten des Erbprinzen Ernst August und der Prinzessin Viktoria Luise und die daran geknüpften politischen Erwartungen haben verschiedentlich zu Anfragen Veranlassung gegeben, ob jetzt eine Auflösung der Braunschweigischen Landes- 142 Insoweit auch POLLMANN (wie Anm. 139). 143 Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung Vgl. Leserbrief Vaterländische Volkszeitung

93 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 91 Rechts-Partei und der in ihr verbundenen vaterländischen Vereine bevorstehe. Demgegenüber weisen wir darauf hin, dass das Familien-Ereignis in den hohen Häusern der Welfen und Hohenzollern unser Land der Erreichung unseres Zieles - der Besteigung des braunschweigischen Thrones durch den berufenen welfischen Fürsten - zwar, wie wir zuversichtlich hoffen, bedeutend näher geführt haben, dass einstweilen aber noch, wie allgemein bekannt, der bisherige politische Zustand, nämlich die Fernhaltung unseres rechtmäßigen Landesherrn, des Herzogs von Cumberland, Herzogs von Braunschweig und Lüneburg, vom Throne unseres Herzogtums fortdauert. Schon jetzt möchten wir jedoch der Meinung Ausdruck geben, dass für unsere vielfach seit Jahrzehnten bestehenden vaterländischen Vereine sich auch nach Erreichung unseres Zieles in der Pflege alt-braunschweigischer Geschichte und Traditionen und in der Betätigung der Treue zu Fürst und Vaterland unabhängig von parteipolitischen Agitationen ein reiches Feld für eine segensreiche fernere Wirksamkeit darbietet. "147 Im Übrigen sonnten sich die Welfen in ihrem bevorstehenden Erfolg. So war in der Vaterländischen Volkszeitung zu lesen l48 : "Auch unter den schwierigsten Verhältnissen hat es die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei verstanden, sich gegen eine Welt von Feinden zu behaupten und ihre Weltanschauung zum Wohle des zu den welfischen Erblanden gehörigen Herzogtums Braunschweig-Lüneburg in die Waagschale zu werfen. Niemals hat die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei in ihrem Willen geschwankt und immer ist sie ihrer Weltanschauung im Spiegel der Wahrheit, der Freiheit und des Rechtes, den höchsten Idealen für den Staatsbürger, treu geblieben, den welfischen Erblanden und damit auch dem Deutschen Reiche die Einzelexistenzen, am vornehmsten dargestellt durch den erwerbstätigen Mittelstand in Stadt und Land, zu erhalten. Man kann die Braunschweigische Landes-Rechts-Partei, als Ganzes gedacht, um in der griechischen Sage zu reden, mit Odysseus vergleichen, der die Strudel der Szylla und Charabdis furchtlos durchfährt. Wie weit davon entfernt sind die anderen Parteien.... " Die braunschwcigischen Welfenparteien hielten sich in der Thronfolgefrage entsprechend der Hartwiegschen Mahnung gemessen an der vorausgegangenen Agitation zurück, schon weil es in ihrem eigenen Interesse lag, die Entwicklung nicht zu stören. Dass sich der Landtagsabgeordnete v. Dähne als Vorsitzender der Braunschweigischwelfischen Partei schriftlich an den Landtagsausschuss wandte und gegen die Wahl eines Diadems als Geschenk für die Hochzeit am protestierte, wcil es doch mehr der preußischen Prinzessin gelte und damit etwas Verletzendes für den Sohn des Hauses Braunschweig habe I4 '!, war wohl eher eine Ausnahme und blieb ohne Beachtung. So sicherte Schulenburg dem Staatsminister Hartwieg schließlich '47 Vaterländische Volkszeitung Vaterländische Volkszeitung HARTWIEG (wie Anm. 63), S. 58.

94 92 Burkhard Schmidt auch in einem Gespräch am ausdrücklich zu, die Versammlungen der Landes-Rechts-Partei einzustellen 150. Auch der für Holzminden vorgesehene Parteitag der Partei wurde kurzfristig abgesetzt. Nachdem schließlich die politischen Hindernisse für eine Thronbesteigung Ernst Augusts beiseite geräumt waren und der Herzog mit seiner Gemahlin Viktoria Luise am in Braunschweig Einzug gehalten hatte, sah Schulenburg den politischen Auftrag seiner Partei als erfüllt an: "Für die Landes-Rechts-Partei ist mit dem 3. November in das Grundbuch des Herzogtums Braunschweig eingetragen: Die Firma, für den, den es angeht, ist erloschen und der firma Braunschweig-Lüneburg ist Prokura erteilt. Bescheiden werden die Mitglieder der Landes-Rechts-Partei wieder zurücktreten und sich des endlich errungenen Erfolges freuen. Das Ende der bisherigen Tätigkeit ist erreicht. "151 So beschloss der Vorstand der Landes-Rechts-Partei am , für den 6./7.12. im "Neuen Gesellschaftshaus" einen außerordentlichen Parteitag einzuberufen. Tagesordnungspunkt Nr. 3 war der Antrag auf Auflösung der Partei 152. Schon am Vorabend dcr für den vorgesehenen Abstimmung hatte der Vorstand die Weichen bereits gestellt. Er hatte einstimmig beschlossen, dass die vaterländischen Vereinigungen bestehen bleiben sollten, "um zur Erhaltung und Mehrung treu deutscher und treu braunschweigischer Gesinnung beizutragen". Zugleich war ein Braunschweigisch-Vaterländischer Vereinsverband gegründet worden, der die vaterländischen Vereinigungen, die mit einer Auflösung der Landes-Rechts-Partei sonst heimatlos geworden wären, aufnehmen konnte. Trotz dieser Vorkehrungen wurde um die Auflösung der Partei noch heftig diskutiert. Insbesondere der Partei geschäftsführer Rohrbeck setzte sich vehement für einen Fortbestand ein. Er meinte, man solle "jetzt nicht vor der nationalliberalen Partei kapitulieren, sondern dieser nun erst recht den Krieg bis aufs Messer erklären", und beantragte, die Auflösung zurückzustellen. Schließlich stimmten jedoch 31 Delegierte für den vom Parteivorstand unterstützten Auflösungsantrag und nur 8 dagegen. Damit war die satzungsmäßig erforderliche 3/4-Mehrheit für eine Auflösung erreicht und die Geschichte der Landes-Rechts-Partei beendet. Das Parteivermögen wurde dem Braunschweigisch-Vaterländischen Vereinsverband überwiesen i53. Die Parteizeitung, die Vaterländische Volkszeitung, erschien am das letzte Mal und enthielt ein Abschiedswort der Vorsitzenden Graf von der Schulen burg und Dedekind, das mit dem Gruß "Immota fides" endete. Die stadtbraunschweigische Unterorganisation der Landes-Rechts-Partei, die Stadt-Rechts-Partei, beriet über ihre Zukunft am im Neuen Gesellschaftshaus. Man war sich einig, dass die Stadt-Rechts-Partei nach der Auflösung der Landes-Rechts-Partei in der gegenwärtigen Form nicht fortbestehen könne, nahm letzt- ISU Ebd., S Mccklcnburgische Zeitung Schwerin ; Berliner Tagcblatt J<2 Vaterländische Volkszeitung Vatcrländischc Volkszeitung ; Braunschweigische Landcszeitung

95 Welfenparteien im Herzogtum Braunschweig 93 lich aber nahezu einstimmig den von dem Vorsitzenden Hermann Dedekind formulierten Antrag an, die "Braunschweigische Stadt-Rechts-Partei mit nach Maßgabe der Satzung des Braunschweigisch-Vaterländischen Vercinsverbandes veränderten Zielen und unter dem Namen»Verein treuer Niedersachsen«beizubehalten"154. Zum Vorsitzenden dieser an den Braunschweigisch-Vaterländischen Vereinsverband angeschlossenen Nachfolgeorganisation wurde der Arzt Dr. Albrecht Hoffmann gewählt. Die Schwesterpartei, die Braunschweigisch-wclfische Partei, schließlich stand wie die Landes-Rechts-Partei ebenfalls vor der Frage, ob sie sich auflösen sollte. Da sie sich aber schon bei ihrer Gründung nur als ein Verband verstanden hatte, der die welfischen Thronansprüche durchsetzen wollte, war ihre Entscheidung von vornherein klar. Auf ihrem Parteitag am im Zentral-Hotel auf dem Steinweg in Braunschweig wurde folgender Antrag einstimmig angenommen: "Durch den Regierungsantritt eines Mitgliedes des angestammten Fürstenhauses ist der Zweck der Braunschweigisch-welfischen Partei und das von ihr seit Jahrzehnten unerschrocken und mit allen Kräften verfolgte Ziel aufs glücklichste und restlos erreicht. Eine andere politische Aufgabe hat ihr niemals vorgeschwebt und soll von ihr auch in Zukunft nicht erstrebt werden. Die Partei erklärt sich deshalb mit aufrichtigem Danke gegen alle treuen Mitkämpfer hiermit für aufgelöst, indem sie es den Vaterländischen Vereinigungen überlässt, zur Förderung vaterländischer Gesinnung, Geselligkeit und Anhänglichkeit an die braunschweigische lieimat und das angestammte Fürstenhaus ihren Fortbestand zu wahren. "155 Der Beschluss bedurfte statutenmäßig einer nochmaligen Bestätigung durch einen weiteren Parteitag, der am im Kaffeehaus in Wolfenbüttel stattfand 156 und auf dem nun endgültig und erneut einstimmig die Auflösung der Partei beschlossen wurde. Der Nachfolgeverein der Wc1fenparteien, der Braunschweigisch-Vaterländische Vereinsverband hielt seinen 1. Verbandstag am 16./ in Holzminden ab l57. Er konnte seine Mitgliedschaft nunmehr auf eine breitere Basis als die alten Welfenparteien stellen, weil das Staatsministerium kundtat, dass das an die Beamten gerichtete Verbot, vaterländischen Vereinigungen anzugehören, mit dem Einzug des Herzogspaares gegenstandslos geworden sei. Überraschenderweise ließ das Staatsministerium bei dieser Gelegenheit auch verlauten, dass es, anders als dies jedermann angenommen hatte, ein generelles Verbot angeblich auch gar nicht ausgesprochen gehabt habe. Es sei nur "denjenigen Beamten, von denen der Behörde die Zugehörigkeit zu Vaterländischen Vereinigungen bekannt gewesen sei,... durch ein Schreiben nahegelegt worden, diese Mitgliedschaft aufzugeben" 158. '54 Braunschweiger Neueste Nachrichten ; Rheinisch-Westfälische Zeitung '" Braunschweigische Anzeigen '56 Braunschweigische Anzeigen '57 Deutsche Volkszeitung Hannover ; Brunonia 1914, S. 94. '58 Brunonia 1914, S. 124.

96 94 Burkhard Schmidt Auf dem Parteitag wurde Graf von der Schulenburg zum Ehrenvorsitzenden des Verbandes bestimmt 159 Eine "Partei" war diese Vereinigung aber nicht mehr. Entsprechend beschloss man zu Wahlen keine eigene Kandidaten mehr aufzustellen, sondern die monarchisch gesinnten Gruppierungen zu unterstützen 160. Die mit der Revolution erzwungene Abdankung des Herzogs Ernst August am und seine Vertreibung nach Gmunden brachte für die Welfen nur wenige Jahre später eine neue Situation, die der über Jahrzehnte ertragenen aber durchaus glich. Es galt nun wieder, das Land Braunschweig als Bundesstaat gegen das übermächtige Preußen zu verteidigen und den Herzog als angestammten Herrscher wiedereinzusetzen. Die Auflösung der Welfenparteien stand diesen wieder aktuell gewordenen politischen Zielen entgegen und wurde nun als politischer Fehler erkannt. Der Oberlandesgerichtsrat August Hampe ( ), der schon als junger Mann auf dem ersten Parteitag der Rechtspartei 1896 eine führende Rolle eingenommen hatte, sich danach aber aufgrund seiner beruflichen Stellung und als Reserveoffizier nicht mehr in vorderster Front politisch hatte betätigen dürfen, versuchte gleich nach der Revolution innerhalb des Landeswahlverbandes, einem Zusammenschluss der Gruppierungen rechts der Deutschen Demokratischen Partei, politischen Einfluss zu gewinnen. Dies gelang ihm auch; 1919 wurde er in die Nationalversammlung gewählt und im September zum Minister in der Regierung Jasper ernannt. Im April 1920 schlossen sich unter der Führung Hampes dann die Vereine der früheren Landes-Rechts-Partei und der früheren Braunschweigisch-welfischen Partei zu einer "Braunschweigisch-Niedersächsischen Partei" zusammen. Das Festhalten am monarchischen Gedanken im Partei programm zwang Hampe noch im selben Monat zum Rücktritt vom Ministeramt. In der Folgezeit hatte er mit seiner Braunschweigisch Niedersächsischen Partei, der er über die Jahre vorstand, nur bescheidenen und eher abnehmenden politischen Einfluss. In den Landtag wurden niemals mehr als drei Welfen gewählt. Einen Sitz im Reichstag von 1924 bis 1928 errang Hampe für die hannoverschen Welfen wurde die Partei im Zuge der Gleichschaltung aufgelöst. 15. Ebd., S Ir.o Vgl. ebd..

97 Erinnerungen und Erlebnisse aus meiner Lebenszeit Von earl Schulze in Lehre bei Braunschweig Ein Beitrag zur Alltagsgeschichte Einleitung Aus dem Nachlass von Ilans Wiswc bearbeitet und in Auswahl herausgegeben von Mechthild Wiswe Im Nachlass der kinderlos verstorbenen Witwe Schulze in Lehre bei Braunschweig befanden sich vier Kladden (hier als A, B, C, D bezeichnet) mit je einer etwas abweichenden Ausfertigung von Lebenserinnerungen ihres am 1. Oktober 1839 geborenen Ehemannes, des Musikus und Dorfkapellmeisters Carl Schulze, der vermutlich um 1920 verstorben ist. Dieser entstammte einer alten Musikantenfamilie und hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem von seinem Vater übernommenen "Musikgeschäft" Lehre und die Dörfer der Umgebung mit Marsch- und Tanzmusik versorgt. Die Manuskripte gingen mit dem Nachlass der Witwe Schulze, zu dem u. a. auch interessante Trachtenstücke gehörten, durch Erbschaft an den Böttchermeister August Hartmann in Lehre über, der mit der Familie Schulze nicht verwandt war. Dessen Familie ist inzwischen ausgestorben. Die Manuskripte sind verschollen, vermutlich verloren gegangen. Mein Vater Hans Wiswe hat im Frühjahr 1938 das Manuskript A vollständig buchstabengetreu abgeschrieben, von den Fassungen B, C, D die inhaltlich abweichenden Varianten und Ergänzungen. Die geplante Veröffentlichung wurde zunächst durch den Zweiten Weltkrieg, dann durch andere Projekte meines Vaters verhindert. Das Typoskript meines Vaters befindet sich jetzt im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttcl. Der Heimatschriftsteller Fritz Fricke aus Lehre hat zweifellos Schulzes Lebenserinnerungen gekannt. In den beiden, seinem Heimatdorf Lehre gewidmeten Bänden "Dat dusentjährige Dorp" (1941) und "Mein Heimatdorf im Schuntertal" (1962) sind einige Passagen daraus ohne Quellenangabe und nicht wortgetreu wiedergegeben,

98 96 Mechthild Wiswe daruntt:r einige hochdeutsche Abschnitte aus Schulzes Feder in einer plattdeutschen Version, die von Fricke stammen dürfte. Dagegen hat Kurt Gottschalk für seine "Chronik von Lehre " (Braunschweig 1988) die Aufzeichnungen Schulzes nicht benutzt. Dkser hat st:int: Lebenserinnerungen im höheren Alter, vermutlich um 1915, abgefasst. Diese Jahreszahl und und das Datum 26. März 1916 im It:tzten Drittel des Mansukriptes A sind die einzigen direkten Datierungshinweise (S. 178 bzw. S. 268 in hier ausgelassenen Passagen des Originalmanuskriptes). Nachrichten, die sich auf die folgende Zeit beziehen, fehlen. Nichts deutet darauf, dass der Verfasser auf frühere Notizen zurückgreifen konnte. Was ihn zur Niederschrift bewogen hat und was er damit bezwecken wollte, bleibt unklar. Schulze soll bei Jung und Alt als lebhafter Erzähler und guter Unterhalter beliebt gewesen sein. Vielleicht haben ihn Zuhörer veranlasst, das wiederholt mündlich Geschilderte zu Papier zu bringen. Anregungen können auch von der Literatur ausgegangen sein. So scheint es, dass Schulze den Band von Eduard Kück "Das alte Bauernleben der Lüneburger Heide" (Leipzig 1906) und die "Braunschweiger Volkskunde" von Richard Andree (Braunschweig 1896, 2. vermehrte Auflage 1901) gekannt hat, ohne dass er diese Werke kopiert oder direkten Bezug darauf genommen hätte. Da, wo Schulze die gleichen Themcn wie diese Autoren behandelt, bietet er wertvolle Ergänzungen dazu. Offensichtlich hat der Verfasser zunächst eine Lebensbeschreibung in chronologischer Abfolge geplant. So beginnt er mit biographischen Angaben zu seiner Familie, dem Familienleben in seiner Kindheit und der eigenen Ausbildung sowie der seiner Brüder zu Musikern. In der Folge erfahren wir fast nichts mehr über Schulzes Familienleben. Vielmehr schließen sich Schilderungen der Hauptfeste und Lustbarkeiten im Jahres- und im Lebenslauf an sowie Beschreibungen aus der alten Landwirtschaft und andere allgemein wesentliche Aspekte des ländlichen Lebens in bunter Mischung. Eingeschoben sind alte Tanzweisen, die Schulze mit seiner Kapelle gespielt hat. Diese sind besonders wertvoll, weil sonst Derartiges aus unserer Region bisher nicht bekannt geworden ist. Einen breiten Raum nehmen in Schulzes Lebenserinnerungen seine Grundstücks- und anderen Streitigkeiten ein sowie auf die Verhältnisse in Lehre bezügliche Ausführungen. Einzelne Themen werden mehrfach wieder aufgegriffen und so inhaltlich Zusammengehöriges verschiedentlich getrennt. Der Schreiber hat nämlich rein assoziativ die Episoden aneinandergereiht, wie sie ihm eingefallen sind. Das entspricht ebenso wie seine Diktion naiver Denk- und Erzählweise. Schulze berichtet mit ausgezeichneter Beobachtungsgabe aus dt:r tdlnchmendt:n Sicht "der kleinen Leute". Zu diesen muss er sich selbst auf Grund seines sozialen Status zählen, fühlt sich diesen aber in vieler Hinsicht überlegen. Damit gepaart zeigt sich seine abschätzige Meinung über "die Bauern", die nach Schulzes Meinung unangemessen tonangebend im Dorfe sind. Das ist übrigens ebenso eine auf dem flachen Land bis weit in das 20. Jahrhundert verbreitcte Haltung bei "kleinen Leuten" wie die Auffassung, dass "die Beamten" ein zu hohes Gehalt beziehen, wie wir es von Schulze mehrfach hören.

99 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 97 Schulzes Aufzeichnungen sind ganz überwiegend hochdeutsch gehalten, nur wenige Episoden plattdeutsch, das zu seiner Zeit im Braunschweigischen auf dem flachen Lande noch allgemein die Umgangssprache war. Gelegentlich werden hochdeutschen Bezeichnungen ihre plattdeutschen Entsprechungen beigegeben, sowie es in Richard Andrees Braunschweiger Volkskunde der Fall ist. Die Art der Niederschrift entspricht stark gesprochener Sprache mit häufigen Reihungen und Anakoluthen. Manchmal fehlen in den Wörtern das Endungs-e oder aber die Endsilben. Dativ und Akkusativ der Pronomina sowie des bestimmten Artikels, die im Plattdeutschen gleichlautend sind, werden in den hochdeutschen Textteilen des öfteren verwechselt. Auch sonst lässt sich der Einfluss des Plattdeutschen auf Schulzes hochdeutsche Ausführungen beobachten. Seine Rechtschreibung und Interpunktion entsprechen nicht immer den zu seiner Zeit gültigen Regeln. Normalisiert sind von mir Gross- und Kleinschreibung sowie Auseinander- und Zusammenschreibung. Fehlende Buchstaben und Endungen sind in eckigen Klammern ergänzt. Im übrigen ist Buchstabentreue gewahrt. Schulzes Interpunktion weicht - soweit Satzzeichen nicht überhaupt fehlen - dadurch grundsätzlich von dcn heutigen Regeln ab, dass er anstelle eines Punktes vielfach ein Komma verwendet. Die Interpunktion wurde hierin wie auch sonst von mir der heutigen angeglichen. Die vorliegende Edition ist ein Auszug aus Schulzes Erinnerungen, der sich auf die Schilderungen von allgemeiner und regionaler Bedeutung beschränkt. Der übrige Inhalt ist in Form der Kapitelüberschriften eingefügt, die zur besseren Übersichtlichkeit auch sonst beigegeben wurden. Die Texte sind der Handschrift A entnommen. Relevant erscheinende Abschnitte aus den Handschriften B, C, D sind an den jeweiligen Stellen unter Kennzeichnung eingefügt. Familie, Kindheit, Ausbildung zum Musiker (A) Mein Vater war der Musikus C. Schulz[!) hieselbst, geboren in Neindorf, Kreis Gifhorn. Wie er 2 Jahr alt gewesen ist, haben seine Eltern ihr Grundstück dort verkauft und sich in Gr. Brunsrode den jetzt Lessischen Kothof [ass. 20) gekauft. Meine Mutter war die Tochter des damaligen Gemeindevorsteher und Halbspänner! Brandes Nr. [ass.) 56 hieselbst, welcher 27 Jahre Vorste[he)r gewesen ist. Mein ältester Bruder, der nachherige Sinfoniedirektor August Schulz 2, geboren im Brandeschen Hause am 15. Juni Mein zweiter Bruder, der nachherige Bratschist Fritz Schulz, geboren am 2. Juni 1838 eben daselbst. Ich bin geboren am 1. October 1839 auch daselbst. Meine älteste Schwester, nachherige Frau 1 Im ehemaligen Land Braunschweig wurden die Bauernhöfe nach ihrer Größe eingeteilt in Acker-, Halbspänner, Groß- und Kleinkothöfe. Die Inhaber wurden als Ackerleute, Ilalbspänner und Großbzw. Kleinkotsassen bezeichnet. 2 gest Lehre, Geiger, Dirigent, Komponist, vgl. Braunschweigisches Biogr. Lexikon: Hrsg. von Horst-Rüdiger JARCK und Günter SCHEEL Hannover 1996, hier S. 552.

100 98 Mechthild Wiswe Scheffer, Doris, geboren am 12. Januar Meine jüngst[ e] Schwester Alwine, nachherige Frau Hintze, geboren am 31. Mai (D) Im Jahre 1820 haben meiner Schwiegermutter ihre Eltern namens Erig die alte Schule gekauft, Nr. [ass.] 10, jetzt H. Müller. Damals ist die Schule, jetzige Lehrerwohnung, gebaut. In diese sind wir in die Schule gegangen. Es waren zu meiner Zeit von Michaelis 1844 bis Ostern 1853 ca. 120 Kinder in der Schule, an einer Seite die Mädchen, an der anderen die Jungens. Da ging ein Gang zwischen durch. Auf jeder Bank saßen 6. Des Montags und Freitags war erst Betstunde in der Kirche. Dann hatten wir im Winter die "große Schule", wie es damals genannt wurde, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag bis 12 Uhr Schule, von 8 Uhr an und des Mitwachs bis 11 u[nd] Sonnabend bis 10 Uhr; die "kleine" (2te Klasse) Schule von 1 bis [Zeitangabe fehlt] Uhr, des Mitwachs von 11 bis 12 und Sonnabend von 10 bis 12. Dazu hatten wir noch die Tage, wo die Schule bis 12 dauerte und die zweite Klasse von 1 bis 3, von 3 bis 41/2 Privatstunde. Die ersten Jahre schrieben wir nur mit Gänsefedern. Im Sommer, wenn wir um 7 zur Schule kamen, hatte unser Cantor Hermann 3 schon eine Karre voll Grass von der Wiese geholt. Derselbe hatte damals 2, auch 3 Kühe im Stall. Dieser Kantor Hermann gab sich aber sehr viel Mühe mit den Kindern, so das[s] viele, die bei ihm in die Schule gegangen sind, wenn sie bei das Militair kamen, Unterofficier wurden. Trotzdem derselbe nicht halb solange auf dem Simnar [Lehrerseminar] in Wolfenbüttel gewesen war, wie sie jetzt müssen, haben alle viel gelernt. Streng war er auch. Er schlug sehr fest, aber er war sonst sehr gut. Wenn man mal ein Exempel nicht konnte oder sonst was, so war er stetzs[!] bereit. "Komm man her mein Junge," sagte er dann. (C) Hier wollte ich noch beifügen, das[s] wir als Kinder ausser der Schule und Stunde sowie Musik üben noch wöchentlich jeder 2 Löppe zu spinnen hatten. Wer die nicht voll hatte, mußte sonnaben[d]s solange spinnen bis sie voll waren. Auch Stricken wie Strümpfe stopfen mussten wir lernen, damit wir später, wenn es nöthig [war], uns selbst helfen könnten. Auch beim Aufwaschen mussten wir helfen, Geschirr spülen u. d. g. mehr. Ick möste bet tau mienen 10 Jahre immer bie usen Grossvader sien un slapen. Wie ick woll sau 4 Jahr olt was, möste ick immer, wenn ick det Morgens upstund, nah'm Felle na en Grossvader komen, weil ick länger sleip. Harre denn use Grossmutter Bescheid e'sägt, wo hei pläuge, upp en Haberkampe oder in Bärkenfelle oder wo süss, wenn ick denn henkamm, denn sette 'e mick up 't Pärd, nam dä Lienie tausammen un denn schöll ick drieben. Meistens gingen dä Päre all allene. Ofte reib mien Grosvader aber ok mal "hotte" (rechts) oder "naak" (hü oder links); denn ik kek ja te vel in der Welt rum her, denn schult 'e, ik seige immer, wat da flöge, aber nich wat er stöbe. Wen[n]'t tau dulle wort, reip hei ok "Brr"; denn kamm 'e her, reit dä Lienie ut der Hand, un schult, "Potshagel in[n]en Besenstiel (fluchen deit hei nich), ik hauwe dik nu glik." Tauslan dei hei 3 Langjähriger Lehrer in Lehre. Vater des Lehrers, Pioniers des Schulsports und Schriftstellers August Hermann ( ), vgl. Braunschweigisches Biogr. Lexikon. ( wie Anm. 2), hier S. 266.

101 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 99 aber nich; denn gaff 'e mik dä Licnie wedder her un et ging wedder wier. Wie ik grötter word, möste ik alle Dage mal na Huss komen un üben. (A) Im Jahre 1840 haben sich meine Eltern ein Stück Land gekauft und sich darauf gebaut. Wir drei Gebrüder haben alle früh angefangen, Musik zu lernen. (B) Mein ältester Bruder August kam schon in den Schuljahren zuerst nach [Braunschweig-]Qucrum, um leichter zur Stunde gehen zu können beim Sinfoniedirektor Zinkeisen 4, nachher ganz nach Braunschweig, wurde schon früh am Hoftheatcr als erster Geiger angestellt. (A) Damals reiste unser Herzog alle Herbst nach Sibillenort 5 zur Jagd. Dann nahm er mehrere vom Orchester sowie Schauspieler und Ballet[t]damen mit. Da ist mein Bruder auch mehrmals mit gewesen. Da hat er auch einige Mal Solo spielen müssen, wofür ihm der Herzog jedesmal 25 Lo[u]i[s]dor geschenkt hat. Ein Louisd'or hatte 5 S (Thaler) in Gold. Nach einigen Jahren ging er [d. h. der Bruder] nach Detmold als Konzertmeister, kam aber nach einigen Jahren wieder nach Braunschweig und wurde später Sinfoniedirecktor. Derselbe hat auch 2 Opern und eine Menge Lieder für Quartet[t] (sogar mit Orchester) und Istimmige mit Klavi[ e ]rbegleitung geschrieben. (B) Der hat 2 Opern komponiert. "Der wilde Jäger", zum ersten Male aufgeführt 1887, "Der Spielmann", Mein zweiter Bruder hat bis zum 19ten Jahre beim Vater mit geholfen und hat Unterricht beim Conccrtmeister Müller gchabt 6 Von 19 Jahren ist er bci den damaligen Hautboisten 7 eingetreten und hat erste Geige gespielt und Waldhorn geblasen und ist später am Hoftheater als erster Bratschist angestel[l]t. (A) Mein zweiter Bruder war bis zum 19. Jahre zu Haus. Dann trat er in das Braunschweiger Musikinstitut ein. Das war damaliger Zeit wohl eine der berühmtesten Millitairkapellen in der ganzen Welt. Es war mehr eine Musikschule. Die jungen Leute, die sich meldeten, mussten Prohe spielen [vermutlich Geige] und blasen. Nur tüchtige wurden angenommen. Wenn sie angenommen wurden, mussten sie in das Musikinstitut, welches in der Mönchstrasse war, eintreten. Dies Institut war eine feine Einrichtung. Das ganze Musikchor bestand aus 41 Mann. Der Musikmeister wohnte mit im Institut, unten gleich links, 16 ältere Leute wohnten ausserhalb, 24 Eleven im Institut. Da war ein grösserer Musiksaal, worin Proben, Christoph Zinkeisen (1806-lllllO), Geiger und später Sinfoniedirektor, vgl. Werner FLECHSIG unter Mitarbeit von Mechthild WISWE, 400 Jahre Musiklehen im Braunschweiger Lande. [Ausstellungskatalog]. Braunschweig S S Herzog Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg ( ), Sybillenort war ein Jagdschloss im Fürstentum Öls in Schlesien, das dcr Herlog als sächsisches Lehen durch seine Mutter, die Erhprinzessin Marie von Baden geerht hatte, und wo dieser sich häufig aufhielt. Nach dem Tode des Herzogs Wilhelm fiel Öls an die sächsische Krone., Kar! Friedrich Müller ( ), einer der vier Brüdt:r Müller, die ein international bekanntes Streichquartett bildeten, vgl. Braunschweigisches Biogr. Lexikon (wie Anm. 2), hier S Militärmusikkapelle, vgl. auch die folgenden Ausführungen im Text.

102 100 Mechthild Wiswe und dergleichen abgehalten wurden und wo sich die jungen Leute auch während ihrer freien Zeit (welche natürlich knap[p] bemessen war) aufhalten konnten. Dann waren mehrere Zimmer, wo sie schliefen und auch einzeln üben konnten. Der Älteste hatte unten rechts ein kleines Zimmer allein. Im Sommer um 6, im Winter um 7 musste einer, der DejeurR hatte, zum Wecken blasen. Nach einer Stunde musste alles fertig sein, Bett gemacht, Zimmer in Ordnung, Kaffee getrunken, dann musste jeder an seinen Übeplatze stehn, was für ein Instrument jeder wollte. Wenn einer zur Stunde musste oder sonst ausserhalb des Hauscs zu thun hatte, so musste er sich unten beim Ältesten melden, dann wurde er herausgelassen. Sonst war das Haus verschlossen. Nur zu Mittag, von 12 bis 1f22, da gingen alle zum Essen, dann war offen. Es waren sechs tüchtige Lehrer angestellt, theils Kammmermusiker, theils von den älteren Hautboisten. Viele nahmen aber auch noch privat Unterricht. Alle Herbst war Examen: Jeder auf seinem Instrument, was er wollte. Die anderen mussten ihn begleiten. Wer nun tüchtige Vortschritte gemacht hatte, wurde prämiert, silberne Löffel oder dergleichen. Die Älteren bekamen auch wohl schon einen langen Degen. Diese 24 Hautboisten hatten auch die Verpflichtung, eine gewisse Zahl zum Hoftheater zu stellen, bei gros sen Opern mehr, bei kleinen Stücken weniger. Ich hatte einen Ausgebildeten namens K[n]igge von hier [in der Kapelle], der trat, wie er ausgelernt hatte, gleich ein. Damals mussten sie höchstens 8 Tage exerzieren lernen, welche noch weniger. Dieser Knigge hat am sechsten Tage nach Eintrit[t] schon im Theater mitspielen müssen. Dieses im Theater Mitspielen bildete aber sehr. Ausserdem war für alles gesorgt [im Musikinstitut], was es nur an Noten und Instrumente u. d. g. gab, von gros sen Orchestersachen bis zu Quintet[t]s, Quartet[t]s, Duos für alle Instrumente, Etuden, Übungen u. s. w. Es konnte sich jeder ausbilden, wenn er sonst Lust hatte, und wurden aber auch viele wirkliche Künstler herangebildet. (B) Dieses Hautboistenchor war berühmt in ganz Europa, eines [!] der tüchtigsten Millitairkapellen Deutschlands. Es war mehr eine Musikschule. (A) Wie ich nun 19 Jahr alt war, habe ich mich auch gemeldet und Probe gespielt und geblasen. Da freute sich Herr Musikdirecktor Zabel 9 und lobte mich. Ich hätte gutes Gehör, ich sollte bei die Posaune. Mein Bruder mußte gleich mit mir zum Stabsarzt. Leider erklärte der mich für dienstunfähig wegen zu schmaler Brust. Vom 5ten Jahre an mussten wir schon Musik üben. Ich kam zuerst beim Bass, weil meine Brüder Geige spielten. Wir hatten solch kleinen Bass. Trotzdem mußte ich mich auf die Fussbank stellen, sonst konnte ich nicht anreichen. = Tagesdienst 9 earl Zabel ( ), seit 1846 "Musikmeister" des Herzogl. ßraunschweigischen Hautboistenkorps, Dirigent des Braunschweigischen Militär-Musikkorps, seit 1851 nebenamtlich, seit 1863 hauptamtlich ßallettmusikdirektor und 2. Kapellmeister am damaligen Hoftheater in ßraunschweig, vgl. Werner FLECHSIG (wie Anm. 4), hier S. 49.

103 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 101 Von 9 Jahren mussten wir schon mit über Land zum Spielen. Wie mein ältester Bruder elf Jahre alt war, bekam er ein Piston lo (die Ventilinstrumente kamen in der Zeit erst auf). Wie der nun 2 leichte Märsche blasen konnte, mussten wir drei zusammen, mein zweiter Bruder, - der Fritz - Bugelhorn und ich die grosse Zugposaune [spielen]. Wir Jungens spielten damals viel Soldaten. Dann wurde Sonntag nachmittags das Regiment aufgestellt, und wir drei bliesen sie im Dorfe herum. Ich musste mit meiner Posaune den Kopf schon höllisch hoch halten, schon etwas hinten über, sonst sticss ich beim Ausziehen auf die Erde. Wie ich zehn Jahre alt war, bekam ich ein Althorn. Da war eine Tabelle dabei. Sonst wusste noch nicht einmal einer, wie die Töne genommen [=gegriffen] wurden. So ging es auch bei meinen Bruder bei seinen Piston. Die Besetzung [in einer Musikkapelle] war ja früher eine ganz andere: 2 Klappenhörner, 2 Buge\hörner und Posaune. Wir hatten mehrere Partien in dieser Besetzung: Tänze, Märsche und auch einige Concertsachen in dieser Besetzung drin. [Das] Klappenhorn hatte einen weichen, lieblichen Ton. Unser Vater blies auch sehr gut. Manche hatten anstatt Bugelhörner Waldhörner, aber ohne Ventiele. Da wurde mit der linken [Hand] gestopft, wenn ein ander[er] Ton kommen sollte. (B) Von da aus wurde eine ganz andere Besetzung bei Blasmusik. Es wurde eine Es Tuba angeschaf[f]t. Vorher warfen es] 2 Klappenhörner, 2 Bugelhörner oder Waldhörner ohne Ventile nur zum Stopfen, und Posaune. Ich hatte immer noch in späterer Zeit 2 Partien Notenbücher, quadratförmig, für 2 Klappenhörner, 2 Bugelhörner, Posaune, wo Märsche, Tänze und einige Stücke zur Tafelmusik drinn standen. Bei meinen Nachfolger sind sie aber verloren gegangen. 6 Partien Tänze, 5stimmig: 1. Geige, 2. Geige, Bassflöte, Clarinette, hatte ich auch noch. 3 Partien davon waren lange Bücher, in zweien standen lange Walzer von Strauss, Labitski ll, Lanner u. s. w. drinnen. Da hatten Clarinette u[nd] Flöte einen Theil Solo und die 1. Geige begleitete mit; den anderen Theil hatte [die] 1. Geige Solo u[nd] die bei den begleiteten mit, auch mehrere Ouverturen und andere Concertsachen in dieser Besetzung [hatte ich]. Das klang alle[s] sehr schön. Auch eine Partie, 12 Stück für erste Violine, 2. Bass, Clarinette, Klappenhorn, die machten sich sehr schön, so die beide[n] in Terzen. (A) Wenn einer meiner Brüder herauskam [nach Lehre], dann wurde Quartet[t] oder Quintet[t] gespic\t oder geblasen. Meine Schwestern spielten Clavier und sangen auch schön. Auch konnten sie nach dem Gehör gut begleiten. Weil ich nun nicht beim Militair eintreten konnte, habe ich mal ein halbes Jahr in Braunschweig gewohnt und zu meiner Ausbildung im Hoftheater mitgespielt. Da sollte ich angestellt werden. Ich hatte aber mehr Lust, auf dem Lande zu bleiben. 10 Piston ist die Kurzbezeichnung für da~ Kornett, ein Blechblasinstrument. Dieses wurde um 1830 aus dem Posthorn durch Anbringen von Ventilen entwickelt. 11 Josef Labitzky ( ), Komponist aus Böhmen.

104 102 Mechthild Wiswe Tanzmusik und Tanzvergnügen In den ersten Jahren, das[s] wir mit mussten zum [Musik]spielen, war alles ganz anders wie heute. Was würde sich die heutige Generation wundern, wenn sie hätte das mitmachen sollen. Sääle gab es fast gar nicht. Es wurde im Herbst und Winter auf Scheun[en]dihlen oder in grossen Stuben und im Sommer im Freien auf den Rasen getanzt. Noten haben wir nie brauchen können, höchstens Marschbücher. Erstmal war da kein Platz da, wo wir sie hinlegen konnten. Auch war es auf den Scheundiehlen viel zu dunkel, um Noten sehen zu können, 2.tens hatten wir gar keine Zeit zum Aufschlagen. Wir spielten damals nicht anders, als wenn einer kam und bestellte sich welche [d. h. Tänze]. Wir sassen gewöhnlich hinter solchen Waschtisch, auch Schlachtetisch l2 genannt. Wenn nun einer kam und bestellte sich welche, den nannte man Vortänzer. So, wie er nun sagte "Walzer" oder "Schottschen" (Polka) oder "Hoppserwalzer" oder "Schreiter", auch "Polkaschreiter" genannt, oder "Dul Ien", auch "Zweitrittigen" genannt, so hatte der erst[ e] Geiger anzufangen, sofort fielen die anderen mit ein. Das Gehör war so ausgebildet, das[s] jeder gleich wusste, was für ein Tanz, auch was für Tonart, ob dur oder moll. Alles konnte nach dem Gehör begleitet werden. Wenn wir nun anfingen zu spielen, so fing gewöhnlich der Vortänzer an zu tanzen. Manchmal wartete er aber auch noch einen Augenblick. Sowie aber ein anderer riskirte, früher anzufangen zu tanzen wie der Vortänzer, so mussten wir sofort wieder aufhören. Dem Vortänzer gebü[h)rte auch das Vorrecht. Zweimal herum, war der Tanz aus. Der erste Geiger hatte aufzupassen, das[s) er sofort aufhörte, wenn der Vortänzer 2 Mal herum war. Hatte er ihn zum zweiten Male dureh tanzen lassen, so mussten wir solange spielen, bis er zum dritten Mal kam. Hörten wir zu früh auf, um uns zu sichern, das[s) er nicht durch kam, so mussten wir wieder anfangen, um ihn ganz herzuspielen, und wenn es nur einige Schritt waren. Auch musste der erste Geiger zählen, wieviele Tänze der Mann bestellte. Zu blasen kosteten 3 Tänze 4 gg. (Gute Groschen), zu spielen [mit Streichinstrumenten) 2 gg., nach unserem jetzigen Gelde 5 Groschen und 2!f2. Nun nahm mancher für einen halben Gulden (1 Mr.), mancher für 112 Thaler, mancher für einen Gulden, mancher für 1 Thaler oder 3 Mr. Da hiess es aufpassen. Die zählten selbst. Manche knöpften jedesmal einen Westenknopf auf oder zu. Wenn nun einer sich ein Theil bestellt hatte, liess er sich auch meistens ein Theil Getränke kommen [wohl für die Musikkapelle], so das[s) mal eine Mutter ihren Sohn, der bei einen Musiker in die Lehre gekommen war, nachdem er ein paar Mal mit zum Spielen gewesen war, gefragt hatte: "Na Junge, wo geiht 't denn?" Der Sohn geantwortet hat: "Dat übrige geiht woll, aber dat veele Drinken." "Ja, du bruckst und schast aber nich sau veel Drinken." "Ja", sagt der Junge, "et mott man ut." Bei diesen Trinken kam es manchmal vor, das[s] sich der Vortänzer mit seiner Tänzerin vor uns auf den Tisch setzten. Dann mussten alle anderen solange warten [mit dem Tanzen), bis es wieder anging. 12 Langer, relativ schmaler Tisch in der Regel in Schragen konstruktion, mit einer kräftigen Platte.

105 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 103 (C) Wer sich recht viel hatte spielen oder blasen lassen, der bekam auch mal einen [Tanz] zu... Wer vortanzte, der kaufte auch in der Regel Getränke, Groch [Grog] oder dergleichen. Lagerbier gab es damals noch nicht. Dann standen ahe erwartungsvoh, bis es wieder losging. Aufmucken durfte keiner, und wenn die Pause auch mal ein bischen lang wurde. Wir trieben aber meistens an, weil es [d. h. das Bezahlen] tanzweise ging und Zeit Geld war. (A) Manchmal tantzten ein paar gute Freunde entgegen. Dieses war so: Der vortanzte, war vor uns mit seiner Dame, der andere ihm gegenüber am entgegengestezten Ende. So, wie nun der Tanz begann, tanzten die beiden Paare sich entgegen oder gingen sich in tanzender Bewegung entgegen. Wenn sie zusammentrafen, nahm meistens jeder die ihm gegenüber stehende Dame in denn Arm, dann wieder zurück, dann wieder vorwärts. Wenn sie dann wieder zusammentrafen, wechselten sie mit den Damen. AHe anderen Tänzer sahen solange zu. Wenn der obere genug besteht hatte, auch genug Getränke gekauft hatte, kam der untere nach oben und ging wieder so. Ein jeder Tänzer behielt auch seine Dame an der Hand, solange er tanzen wohte, oder er tauschte mal mit einem anderen um. Meistens drängten sie sich zum Vortanzen. Drückeberger gab es selten. Wenn aber gerade keiner da war, der bestehte, so hiess es, wer besser kann. Gewöhnlich fand sich denn einer. Sonst spielten wir einfach nicht, und wenn sie eine ganze Stunde standen. Viele Tänze hatten nun Namen oder Textanfänge, s. z. B. "Ich habe mein Mädchen so getreulich geliebt". Dann sagte der Vortänzer nur: "Ich habe". Dann wussten wir schon Bescheid. Oder "Hanchen auf der grünen Wiese", dann hieß es nur: "I Iannchen" oder "den Herzog seinen Leibwalzer",dann hiess es nur "Herzog sienen" u. s. w. Hatte der Vortänzer einen Walzer gehabt und wohte noch einen, dann nickte er bloss oder er sagte: "Wär sau". Das hies[s], noch so einen. (C) "Hopserwalzer" (Golopp[!], wo gewöhnlich Walzer nach getanzt wurde)... oder "Parieser Einzugmarsch", dann sagte er nur: "Pariser". Auch viele hatten Textunterlagen... oder" Wenn de Hund mit te Wost ut en Steindohre leib", dann hiess [es] nur: "Wenn die Hund" u. s. w. (A) Hier will ich mal einige Proben von den vorhin genannten Tänzen geben. Excosaise", auch "Polkaschreiter" oder "Schreithoppser", auch "Schreiter" genannt: ~lf; Uß D] Y,J 11",; I U Pi. d /ftv@lij *'1i1j1J/ ~fiihimlwfffln7:~~~t ß ~ ~ Diese Polkaschreiter wurden in der Weise getanzt, das[s] die ersten beiden Tackte wie "Schottisch" getanzt wurden, die anderen beiden Tackte schwebten oder flogen sie umeinander herum.

106 104 Mechthild Wiswe nzweitrittigen" oder ndullen" Diese "ZweitriUigen" wurden die ersten 4 Tackte wie Galopp getanzt, die anderen 4 Tackte auch so schwebisch [schwebend] wie beim "Polkaschreiter". Wir haben manche Nacht die Streichinstrumente gar nicht angerührt. Immer blasen und immer blasen, so das [s] wir manchmal gute Worte ausgegeben haben, sie möchten uns doch mal einige Zeit Streichmusik machen lassen. Aber es half nicht, wir mussten blasen. Am schlimmsten war es, wenn wir erst weite Märsche geblasen hatten oder beim Fahnenjagen bei den holprigen Wegen im ganzen Dorfe herum und denn erst heraus aufs Feld, wo der Bogen 13 aufgestellt war; am schlimmsten bei Hochzeiten, wo wir manchmal 3 bis 4 Stunde Wegs fahren mussten auf diesen Leiterwagen und immer Trap [= Trab] und dabei blasen, nachher zur Trauung, dann Tischmusik und die ganze Nacht die Ehrentänze blasen. Solche Hochzeiten dauerten früher manchmal 6 Tage, Polterabend, 3 Tage bei der Braut Eltern, 2 Tage beim Bräutigam. Oft wurde nicht getanzt in den Ortschaften. In den meisten Dörfern nur 2 Mal im Jahre. Aber dafür war denn auch alles vertreten, Alt und Jung. Das war ein Vergnügen für alle. Rangunterschiede gab es damals nicht. Der Bauer tanzte mit seinen Dienstmädchen, die Bäuerin mit ihren Knecht. Namentlich wenn 2 Tage getanzt wurde, dann brachte der Knecht am 2. Nachmittage sein Mädchen dem Herrn hin und holte sich dafür die Bäuerin. Dann ließen sich die Bauer[n] tüchtig was blasen und kauften auch eine Masse Getränke. Wenn der Knecht, oder auf gros sen Höfen, wo mehre[re] Knechte waren, nicht jeder mit der Herrin getanzt hätte, so hätte er aber oft hören müssen: "Hast mick niggemal här'ekregen." 13 Vgl. die Beschreibung des "Fahnenjagens" bei Werner FLECHSIG, Die Pfingstänger und ihre pfingstlichen Lustbarkeiten. In: Braunsehweigische Heimat. Jg. 59 (1973), S. 50 ff.

107 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 105 Den zweiten Tag wurde auch oft "Langenglisch" (Kontratänze) getanzt. "Tampe", "Lustig vor dem Tische", " 24turigen", ] titurigen", "Als der Grossvater die Grossmutter nahm" und wie sie alle hiessen. Das machte sich fein. Die "Tampe" wurde so getanzt: 4 Paar[e] stehen sich gegenüber, auf jeder Seite zwei Paar[e]. Sowie die Musik anfängt, haben sie sich die Hand gegeben, wie bei "Ringerosenkranz", tanzen nun im "Schöttischtritt", am besten aber im Walzertritt einmal rechts um, bei Wiederholung des Teiles links um, dann ist jeder wieder auf seiner Stelle. Beim 2ten Theile scharsiert das rechte Paar und das dem gegenüber stcht nach links und die beiden anderen Paare nach rechts, und bewegen sich im Walzertacktbewegung bis der Theil aus ist. Bei Wiederholung des Theiles scharsieren [sie) wieder in ihre erste StelIung in derselben Bewegung. Beim 3ten Theile geben sich die mittelsten 4 Personen - also so: : : x :: - die rechten Hände über Kreuz, so dass auf einem Ende [cin] Herr, auf dem andern eine Dame über bleibt. Auf diese Weise stehn sich auf jedem Ende ein Herr und eine Dame gegenüber. Diese geben sich auch die rechten Hände und tanzen alle rechts um, bei Wiederholung des Theiles links um. Manche Endpaare machen es auch so, das[s] der Herr der Dame nur einen Finger reicht, weichen die Dame ergreift und sich bei dem Herumtanzen noch um sich selbst dreht. Bei dem letzten Theile gehen die Paare, sich an die Hand gefaßt, entgegen, verneigen sich gegenseitig und gehen wieder zurück. Sobald der Theil zum 2ten Male anfängt, klatschen alie in die Hände und gehen zwischen einander durch. Wenn nun viele Paare aufgestellt sind, so treffen sie mit den folgenden Paaren zusammen und geht weiter. Auch kann im 2ten und 3ten Theile die Kette getanzt werden. Jeder giebt seiner Dame die rechte Hand, der folgenden die linke, dann wieder rechte, der nächste wieder die linke, auch einmal rechts, einmal links herum. Wenn alles genau nach dem Tackte [geht], so muss jede Person wieder auf der Anfangsstclle sein, wenn der Theil aus ist. Wenn alles gen au klap[p]t, so sieht es sich auch schön an.

108 106 Mechthild Wiswe "Lustig vor dem Tische": Bei diesen Tanze stellten sich alle immer 2 u[nd] 2 Paar hintereinander am unteren Ende des Tanzplatzes auf. Sowie die Musik anfängt, gehen die ersten beiden Paare in tanzender Bewegung vorwärts, bei Wiederholung wieder zurück. Beim zweiten Theile wurde von den beiden Paaren die Kette, wie ich sie vorhin beschrieben habe, getanzt. Beim 3ten Theile tanzten die bei den Galopp bis hinter alle hinter, dann kamen die bei den anderen Paare u. s. w. Fastnacht 14 Fastnacht wurde fast immer in einem Bauernhause abgehalten, meistens in der Woche auf ein paar AI[l]ttage. Die meisten Ortschaften hatten ihre bestimmte Tage, Cremling[en] auf Montag und Dienstag, Watenbüttel und mehrere Ortschafften da hinauf auf Dienstag nach Mess[ s]ontag 15, Hordorf auf Mittwoch und Donnerstag, Waggum auf Donnerstag und Freitag usw. Dadurch kam es, das[s) wir in der Fastnachtszeit manchmal längere Zeit nicht zu Hause kamen, immer von einem Orte zum anderen. Es ist vorgekommen, das[s] wir 18 Nächte hintereinander gespielt haben. Wenn wir auf einen Dorfe fertig waren, ging es weiter, manchmal weite Wege, so das[s] wir manchmal gar keinen Schlaf bekamen, und wenn wir hinkamen, die Leute waren frisch. (B) In mancher Ortschaft ging die Feier gleich nach Mittag los, auch auf einigen des Morgens um 10. Auch hatten viele ihre bestimmten Tage im Jahre. Die meisten wurden auf ein paar AI[I)tage gefeiert... In Woltorf ging es des Morgens um 10 Uhr loss. Dann mussten wir nach den ältesten "Spinneklump."[Gruppe von Spinnerinnen) hin blasen 16. Da wurde fein gegessen. Die Mädchens hatten feinen Braten gemacht mit Kompott und alles mögliche. Da wurde Grog zu getrunken. Wenn das vorbei war, zogen wir nach den 2ten ["Spinneklump"), die ältesten Knechte und Mädchen mit. Da wars wieder ebenso und so weiter, bis wir sie alle zusammen hatten. Der eine Spinneklump wollte es noch besser machen wie der andere. Aber essen mussten wir in jeden Hause, wo wir hinkamen. Dann ging es zum Tanz. Um 3 die Nacht wars vorbei. Die jungen Leute hatten sich sogar einen 14 earl Schulzes Darstellung enthält zahlreiche Ergänzungen zu der Beschreibung bei Richard ANDREE, Braunschweiger Volkskunde. 2. Auflage. Braunschweig 1901, S. 330ff. IS HMessontag" ist der Sonntag, der in die Zeit der großen Braunschweiger Wintennesse fici. Diese begann am Montag nach Mariae Lichtmess (= 2. Februar). 16 Zum HSpinneklump" vgl. hier unten.

109 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 107 Vorsteher unter sich gewählt. Der hatte die Sache zu leiten. Den 2ten [Tag] ging es genau wieder so. Den 2ten Tag mussten sich denn alle Mädchens was blasen lassen. Wir bekamen eine Liste, wo sie alle drauf standen. Dann ging es nach der Reihe. Kann hier noch einschränken, das[s] auf auen Ortschaften die jungen Leute solange sie aufs "Kohr" mussten, das war 2 Jahr nach ihrer Konfirmation, solange mussten sie jeden Sonntagnachmittag zur Kirche und sich in der Kinderlehre mit um den Altar stellen und Fragen, die der Pastor an sie richtete, beantworten so gut wie die Schulkinder. Das hiess: "Dä mot noch up 't Kauer". Solange durften sie nicht zwischen die jungen Leute. In Vdtt:nhof mussten sie sogar bis zum 18ten Jahre warten. Das hicss gewöhnlich: "Dat sünd dä Lütjen". (A) Diese Fastnachten wurden in der Weise abgehalten, das[s] die jungen Leute sich Bier (Braunbier) und Branntwein mitbringen liessen [aus der nächsten Stadt, meistens aus Braunschweig] (Lagerbier gab [es] noch nicht). Sie kauften sich wohl ein Kalb und schlacht [et]en das. Dann machten die Mädchen Braten davon. Auf manchen Ortschaften backten die Mädchen auch Kuchen oder sie hatten eine Menge Zwi[e]backe gekauft. Dann wurde nach Mitternacht Kaffee getrunken. Am 2ten Morgen sammelten die Knechte Wurst. Die gab ein jeder gerne und wenn es der Ärmste war. Überschlagen durften sie keinen. Die wurde gemeinschaftlich verzehrt. Dafür sorgten die ältesten Knechte (Knechte wurden alle jungen Leute genannt, auch wenn es Handwerker- oder Bauernsöhne wahren), das[s] alle Mädchen mit hinkamen. Gewöhnlich am Abend vor den Fastnachten wurden die Mädchen ausgemacht (so nannte man das). Dann wählte sich jeder sein Mädchen. (B) In einigen Ortschaften wurde[n] auch erst dicht vor dem Tanzen die Mädchen ausgemacht. Dann waren alle nach einem Hause bestellt. Von da wurden sie mit Musik abgeholt. (A) Das ging bei dem ältesten Knecht an, dann von oben herunter der Reihe nach weiter. Die jüngsten mussten die nehmen, die noch da waren, und wenn es das älteste Mädchen war, ob sie wollten oder nicht. Jeder ging die heiden Tage mit seinen Mädchen zum Essen nach dem Hause, wo das Mädchen zu Hause war. Wir wurden auch mit ins Dorf genommen zum Essen und Schlafen. Das rechneten sich die Mädchen zur Ehre an, wenn sie einen von uns mitnehmen konnten. Wir waren dann die Tage dort, als wenn wir dorthin gehörten. Aber auch die Mädchen durften nicht absagen, auch wenn ihnen derjenige, der sie bestellte, nicht passte, sonst durften sie überhaupt nicht den Tanzplatz betreten. Da sorgten denn die ältesten Knechte aber auch wieder für, das[s], wenn einer eine gekriegt hatte, die nicht gut tanzen konnte, ein jeder von den Knechten mehrere Tänze mit ihr tanzen musste. (B) Den 2ten Morgen sammelten fast in allen Dörfern die Knechte Wurst und Eier. Die wurden auch gemeinschaftlich in der Nacht verzehrt. Da gab jeder, und wenn

110 108 Mechthild Wiswe es der Nachtwächter war, gern eine Wurst oder [ein] paar Eier. Das hätte sich die ärmste Familie zum Schimpf gerechnet, wenn nicht bei ihr gesammelt wurde. (A) Die jungen Knechte, die zum ersten Male dabei kamen, mussten sich einhänseln. Gewöhnlich am 2ten Morgen wurden sie unter allerlei Ulk mit einen hölzernen Messer barbiert, dann mussten sie was zum besten geben. Von da gehörten sie dann in die junge Gesellschafft. Ehe sie aber keine 2 Jahr[e] aus der Schule waren, durften sie nicht angenommen werden. Auf manchen Dörfern wurden auch am zweiten Morgen den Mädchens die Füsse gewaschen. Sie mussten sich auf einen Schemel setzen, die Strümpfe ausziehen und die Füsse hoch halten. Dann wusch einer von den ältesten Knechten die Füsse ab. (B) Das ging auf die Reihe ohne Ausnahme. Dann wurde zu Mittag gegessen und nachher ging das Tanzen loss. Hatten sie nun ein paar Tänze getanzt, dann brachten die meisten ihr Mädchen ihren Vater oder Herrn, wobei sie [als Dienstmädchen] in Stellung waren, hin und forderten dafür die Mutter oder ihre Herrin ("Frue") auf. Dann liessen sich die Alten was blasen oder spielen und gaben auch viel Getränke aus. In manchen Dorfe wurde denn manchmal den ganzen Nachmittag "Langenglisch" (Contratänze) getanzt: "Tampete, Eccosäise, Lustig vorm Tische, 24Turigen, 16Turigen" und wie sie alle hiessen. Das war denn ein Vergnügen. Der Bauer tanzte mit seinen Dienstmädchen und der Knecht mit der Bäuerin. Was grosse Höfe waren, wo mehrere Dienstboten waren, da hätte es aber gewiss kein Herr unterlassen, mit auen seinen Dienstmädchens oder Tagelöhnerfrauen zu tanzen, und so war es umgekehrt mit der Frau. Wenn da ein Knecht oder Tagelöhner versäumt hätte, damit zu tanzen, das wäre ihn schwer angerechnet. "Hast mik nich 'emal här'ekregen", das hätte er aber oft zu hören bekommen von der Frau. (A) Auf vielen Ortschaften liessen sich die Mädchen auch welche blasen. Wir haben bei solchen Fastnachten zuweilen viel ausstehen müssen auf solchen Scheunendielen. Da waren gewöhnlich 3 Thüren, 2 kleine, die waren sich gegenüher, und das grosse Einfahrtstor 17, die standen immer offen, und wenn es noch so kalt war. (C) Die grosse [Tür, d. h. das zweiflüglige Einfahrtstor] musste den ganzen Tag offen stehen. Sonst war es zu dunkel. Die bei den kleinen Thüren liessen allein schon die Kinder nicht zu [d. h. geschlossen]. (A) Manchmal hatte der C1arinettist grosse Eiszapfen unter seiner C1arinette hängen. Die schlimmste Tour hatten wir mal auf Messdi[ e ]nstag 18 Wir mussten nach Watenbüttel. Wie wir von zu Hause weggingen, fing es an zu regnen, was nur vom Himmel herunter wollte, bis wir dicht vor Waten büttel waren. Keiner hatte mehr einen trockenen Faden am Leibe. Die Stiefel standen bis obenhin voll Wasser, die haben wir, wo die steinerne Brücke ist vor WatenbüttcI, ausgezogen und ausge- 17 Es handelt sich um Niederdeutsche Hallenhäuser, auf deren "langer" Deele die Lustharkeiten statt fanden. 18 Meßdienstag ist der Dienstag der Braunschweiger Messe, vgl. Anm. 15.

111 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 109 gossen und so wieder angezogen. So haben wir bei Fri[e]drich Meier auf der Diehle sitzen müssen. (B) Was haben wir gebeten um trockene Strümpfe und wenn sie noch so alt gewesen wären. Aber nein, es gabs nicht. Das einzige wart en] noch Holzpantoffeln und nun so auf die Hausdiehle. Die Nacht fror es so stark, und anstatt nun, wie es vorbei war, ins Bett, mussten wir im Heu schlafen. Wir waren damals solche Bötel, mein ältester Bruder war wohl 17, der 2te 16 u[nd] ich 15 Jahre. Mein Vater war das Mal nicht mit. Sonst hätte der wohl für uns gesorgt. Da hätten sie auch wohl mehr nach hin gehört. Alle Basssaiten rissen in der ersten Nacht. Das konnte auch gar nicht anders kommen. Die wurden wieder zusammengeknotet. Gerade wo "A" liegt auf der "G-Saite" war ein Knoten und wo "E h liegt auf der "D-Saite." So musste ich die ganze Nacht darauf spielen. Den 2ten Morgen musste mein ältester Bruder August erst zur Stadt und holte Saiten, die Messe war gerade. Von Watenbüttel ging es nach Hordorf u. s. w. (A) Schützenfeste Des Sommers gab es meistens Freischiessen, auch manchmal Fahnenjagen, Hahnenschlagen, Sacklaufen oder Jungfernstecken. Bei Freischiessen wurde mit einläufigen, alten Flinten geschossen. Die Kugeln wurden selbst gegossen. Wenn sie zu klein waren, wurde ein Pflaster (Leinwand mit Talg eingerieben) herumgelegt. Weit gingen die Dinger nicht. Wer gut schmeissen konnte, konnte recht gut hintreffen. Auch sehr unsicher, so das[s] nicht viel Treffer zu verzeichnen waren. Wenn nun hinausgezogen wurde nach dem Schützen platz, so hatte jeder eine Flinte auf der rechten Schulter, sein Mädchen rechts an der Hand. Dabei war die Unsitte, das[s] viel geschossen wurde. Jeder schoss, soviel er Lust hatte. Um das[s] es auch recht knallen sollte, wurde auch recht viel hineingepfrofft. Was wissen solche Bengels davon, wievicl solch Ding vertragen kann. Dass da manchmal was pass i [e 1 rte, ist leicht erklärlich. Hier in Lehre platzte mal solche Flinte. Da war dem Ackermann Poppe seiner Tochter ein Stück an den Kopf gepflogen. Es ging noch glücklich ab. Sie war erst mal eine Zeitlang ohnmächtig, hatte auch ziemlichen Blutverlust, erholte sich aber wieder und konnte mitfeiem. Fahnenjagen (B) Nachher kam auch das Fahnenjagen auf l9. (A) Bei Fahnenjagen waren alle zu Pferde, ob sie reiten konnten oder nicht. Das sah manchmal drollig genug aus. Auch purzelte wohl mal einer herunter. In Dibbesdorf fiel mal einer herunter namens Striepe. Das ging nämlich sehr leicht. Wenn sie nach dem Kranze oder Ringe stechen sollten, mussten sie Galopp unter den Bogen durch reiten. 19 Zum "Fahnenjagen" vgl. Richard ANDREE, wie Anm. 14, hier S. 350 f. und Werncr FLECHSIG, wie Anm.13.

112 110 Mechthild Wiswe Fahnenjagen Ölgemälde von earl Schröder Original und Repro: Braunschweigisches Landesmuseuml I. Döring LMB (B) Wo der Bogen aufgestellt war, wo sie durchreiten mussten, da drinnen war der Kranz, auch manchmal ein eiserner Ring aufgehängt. Da mussten sie einzeln [im] Galopp durchjagen und dabei nach den Kranz oder Ring stecken. Das wurde solange gemacht, bis alle vorbeigesteckt [hatten bis] auf einen noch. Der wurde Fahnenkönig. Meistens war es aber schon vorher ausgemacht, wer König werden sollte, so gut wie beim Scheibenschießen. (A) Nun hatten sie aber zum Theil ihre liebe Noth, sich zu halten, viel weniger noch hinzusehen, wo der Kranz hängt und gar darnach stecken. Dieser Striepe (Zimmermann) ritt auch durch den Bogen. Dass es in Galopp ging, dafür sorgten schon die Zuschauer. Wie er durch war, hielt er sein Pferd auf einmal so fest an und sah sich um, ob er den Kranz getroffen hätte und heruntergeholt. Dadurch

113 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 111 stürzte er dem Pferd über den Hals und kam herunter, blieb noch ein kleines Ende mit einen Fuss im Steigbügel hängen. Da zog sich der Stiefel vom Fuss und [er] blieb liegen, ohne Schaden genommen zu haben. Das Pferd läuft weg. Da die Pferde in Dibbesdorfund Hondelage damals noch auf die Weide gingen, die Dibbesdorfer aber nicht ausgetrieben waren, des Fahnenjagens wegen, war es nach der IIondelager Weide zwischen die Pferde gelaufen. Bei diesen Fahnenjagen wurde einer aus der Gesellschaft zum Offizier gewählt, einer zum Fahnenjunker. Wenn es nun anging, mussten wir die Reiter nach einen Hofe blasen, der den Mädchenwagen stellt, grossen Leiterwagen, in der Mitte eine Kette darum herum, 4 Pferde davor, der Fuhrmann geziert mit einer seidenen Sehärpe und ein kleines Band an seiner Peitsche. Auf diesen Wagen mussten wir uns vorn aufstellen, in der Mitte die Mädchen, alle im Kranzschmuck. Zwei hielten die Fahne, von den Mädchens gestifftet. Dann hielt der Officier eine kleine Rede, bedankte sich für Pferd und Wagen. Dann sprach eine von den Mädchen ein paar Worte. Dann ging es los auf einen freien Platz. Da hielt der Ofizier eine ellenlange Rede, wenn er nicht stecken blieb. Er mahnte den Fuhrmann, das[s] er gut fahren möge. Der antwortete einige Worte. Dann die Mädchen, das[s) sie sich ordentlich betragen möchten und bedankte [sich] für die Fahne. Dann ging es zum Dorfe hinaus. Diese ganzen Reden waren in Reimen. Dieses Fahren mit 4 Pferden war meistens mit grosser Gefahr verbunden. Die wenigsten konnten die 4 Pferde regieren. Auch waren die Pferde durch dieses alles, Musik und Juchen u. s. w. unruhig geworden. Auch waren oft fremde Pferde zusammengespannt. In Volzum waren die Pferde während der langen Rede unruhig, das[s] sie tiefe Löcher kratzten. Wie wir den Fuhrmann ermahnten, ja vorsichtig zu sein, hiess es von allen Seiten, wir brauchten keine Angst zu haben, der wäre sehr ruhig und könnte gut fahren. Wie die Fahrt nun lass ging, ging es auch erst im kleinen Trab an. Das dauerte aber nicht lange, da ging es schon [im] Galopp. Da hatte er schon die Herrschaft über die Pferde verloren. Da konnte er noch nicht mal das Pferd halten, wo er drauf sass. Glücklicherweise waren die Reiter ein Ende vor und hatten sich auseinander gebreitet, sodas[s] der ganze Weg versperrt war. Da stauchten unsere Wagenpferde gegen und wurden nun angehalten. Ich habe in den langen Jahren nur einen gekannt, der wirklich mit 4 Pferden fahren konnte, trotzdem auch ein geborchtes dabei war. Das war August Hornig in Rühme, nachher nach Bevenrode verheiratet. Der fuhr mit einfacher Lienie, nicht maldoppelleite. So wie der mit seiner Peitsche winkte, so gingen die Pferde. Das ging Trab und Galop[p]. So wie der kommandi[e]rte, so gingen die Pferde. Hahnenschlagen, Sacklaulen, lungfernstechen 20 So, wie es nun beim Fahnenjagen war, so war es auch beim Hahnenschlagen, Sacklaufen oder Jungfernstechen. Nur das[s] beim Hahnenschlagen die jungen 20 Vgl. Riehard ANDREE, wie Anm. 14, hier S. 354 f.; Werner FLECHSIG, Hammellauf und Hahnenschlag. Zwei alte Mädehenwettkämpfe des Pfingstbrauchtums in Ostfalen. In: Braunsehweigisehe Heimat. Jg. 65 (1979), S. 37 ff.

114 112 Mechthild Wiswe Leute nicht immer zu Pferde sassen, manchmal auch auf den Wagen mitfuhren. Anstatt nach einen Kranz zu stechen, wurde ein Loch in die Erde gemacht, ein Hahn hineingesetzt und mit einen irdenen Gefäss zugedeckt (meistens nur ein irdener Topf in Erde gesetzt, weil mit dem Hahn doch Tierquälerei ist), dann demjenigen, der an der Reihe war zu schlagen, die Augen zugebunden, ungefähr 15 bis 20 [Schritte?] vom Hahn entfernt einige Mal herumgedreht, eine leichte Droschflegcl in die Hand gegeben, dann musste er loss marschieren. Es war eine gewisse Zeit. Wer in der Zeit den Topf traf, war König. Beim Sacklaufen war alles auch wie vorhin. Nur anstatt Hahnenschlagen stiegen alle in einen Sack, jeder für sich, traten in die Ecken [des Sackes], hielten ihn mit einer Hand fest unter den Armen, stellten sich in einer Reihe auf und auf Com[m]ando liefen alle los. Wer zuerst zum Ziele kam, hatte gewonnen. Beim Jungfernstechen auch wieder so. Da wurde ein Brett aufgestellt, wo drauf eine Jungfer gemalt war, das Herz auch. (B) 20 Schritte davon wurde der Betreffende mit verbundenen [Augen] einige Male herumgedreht, dann in der Richtung losgelassen, bekam einen Säbel in die Hand. Dann musste er loss marschieren, manche weit vorbei, manche trafen auch [die] Richtung. Wenn sie das Brett berührten, stachen sie mit ihren Säbel darauf. (A) Wer nun wie beim Topfschlagen mit verbundenen Augen das Herz traf (sie hatten anstatt einer Droschflegel einen Degen in der Hand), der war König. Bei allen diesen Spielen [war] der erste Sieger König, der zweite kleiner König. Die beiden wurden jeder mit einen von den Damen gestifteten Seidentuche geschmückt und einen Blumenstrauß an Hut oder Mütze. Die Tücher wurden mit einer Ecke an der linken Schulter befestigt. Die hingen meistens nach hinten. Wenn ein junges Mädchen sieh hatte verführen lassen und das hatte Folgen, so wurde sie so gut wie der Verführer aus der Gesellschaft ausgestossen. Sie durften bei keinen Vergnügen sich wieder blicken lassen. Spinnen und Geselligkeit in der Spinnstube So um Martini 21 gingen die Spinnstuben an. Dann wurde gewöhnlich auf einen Sonntagabend der Krüsel (so hiess die Hängelampe) angetrunken. Von da kamen die jungen Leute zusammen zum Spinnen, 4, 5, 6 auch wohl gar mal 7, die so was in einen Alter waren. Hier in Lehre war Mode, das[s] sie die ganze Woche (ausbenommen Sonnabend, da wurde nicht gesponnen) nach einen Hause gingen. Wo nun 2 oder mehr waren in einen Haushalte, da musste denn eine "stännig" spinnen, das heisst, sie brauchte weiter nichts zu thun als beständig spinnen von morgens früh bis abends spät. Das ging denn ein ums an der, die musste 12 Löppe in der Woche spinnen. Die mussten Sonnabend gegen Abend fertig sein, sonst war es ein grosser Schimpf. Die spannen sich oft den rechten Zeigefinger durch. Das that sehr weh. Da wurde denn vom grünen Bürkenzweig [!] etwas Saft an der Lampe übergebrannt. Dann ging es wieder loss Nuvember.

115 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 113 Diese "Stännigspinnerinnen" gingen meistens schon des Nachmittags nach dem betreffenden Hause, wo die Spinnstube war, die anderen erst um 6 herum. Dann wurde in der Mitte der Stube am Balken am Nagel solch Ding gehängt, als wenn man 2 Lieneale zusammenhält, die eingekärbt sind, darüber ein Stück Holz, das so hohl ist, das[s] diese bei den Brettchen, welche solche Zacken haben, da breit hindurch gehen [sogenannter Krüselhalter]. (C) Da wurde eine Hängelampe (Krüsel genannt) angehängt. Das war die ganze Beleuchtung, auch wenn die ganze Stube voll war. Die Mädchen nähten und spannen bei solcher Ölfunzel. (A) Dieses Stück Holz fas[s]t auf einer Seite auf solchen Zacken, an der anderen unter. [eingeschoben die Zeichnung eines Krüselhalters]. Dadurch kann die Lampe höher oder tiefer gehängt werden. An diesen Krüsel hängt an kleinen Kettchen ein Ende Drath, damit die Lampe ausgestockelt (der Docht etwas herausgezogen) und die "Nössels" (Kohlen vom Doch[t]) abgemacht werden. Des Abends so um 8 herum kamen dann die Knechte. Die rauchten tüchtig aus ihren Pfeifen (Ciegarren waren damals noch keine Mode), so das[s] man manchmal durch den Dampf nicht sehen konnte. Dann wurde erzählt, gescherzt und gesungen, manchmal wunderbar schön 2stimmig. Wenn einem Mädchen der Faden riss ("dä Endt reit"), wurde ihr von einen der nächsten sitzenden Burschen der Wocken <"Rocken") weggenommen. Dann musste sie hingehen und ihn durch einen Kuss wieder einlösen. Da half kein Bitten und Flehen, sie musste hin. So um 9 herum wurde eine halbe Stunde Pause gemacht. Da wurde entweder auf die grosse Diehle gegangen und gctanzt. Welche von den Knechten konnten Handharmonika ("Blasebalg" oder "Handorgel" genannt) spielen oder Mundharmonika. Da konnten sie zugleich bei tanzen. Wenn beides nicht da war, so blies einer auf einen Kamm. Da konnten sie auch bei tanzen. Wenn sie nicht herausgingen [auf die Deele], so setzten sich die Knechte den Mädchens auf den Schoss oder umgekehrt sie zogen sich die Mädchen auf den Schoss und nahmen sie in den Arm. "jachtern" nannten sie das. Es wurde auch mal die Lampe ausgepustet. Dann schalten aber die Mädchen und das Hausmädchen musste sie wieder anstecken. Diese Spinnstube ging auf die Reihe bei dcn Mädchen. Punkt zehn wurde Feierabend gemacht. Dann gingen alle zu Haus, weil sie früher im Winter und Sommcr früh aufstehen mussten. Im Winter wurde jedcn Morgen spätestens um 4 an zu Droschen gefangen, und im Sommer mussten die Kühe um 4 Uhr schon gemolken sein, weil der Hirte dann austrieb. Fastnachtsärger in Schulenrode 22 Hier will ich mal eine Fastnacht beschreiben, wie es uns mal ging: In Schulenroe was Fasslabend. Wie worren woll sau Klocke twei da. Sau um Klocke 3 ging dä Geschichte loss. Erst mösten wie 3 Stücke vor dä Döhr blasen. 22 Ahgedruckt in Braunschwcigische Heimat. Jg. 71 (191)5), S. 9 f.

116 114 Mechthild Wiswe Dann worren von Papen Huse dä Mäkens 'ehalt, dä Knechte alle mit Piepen, meistens lange, mit vcel Dutzens [Schleifen] dranne, jeder siehn Mäken an der Hand. Denn ging dat Danzen loss. Jeder leit sick erst wecke blasen, alle up de Rege. Ein Bure namens August Trümmel här' unnen in der Stube "Solo"23 'espeelt. Sau in der Schummerige (Dämmerung) kummt hei ok mal herub upp en Saal un weil mal tausein un stellt sick mit siener langen Piepe an de Döhr. Wie hei sau 'nen Augenblick 'estahn harre, bringt ne einer sien Mäken hen, hei scholl ok mal danzen. Et wa~ aber keiner vor dä Musikanten, dä sick wecke bestelle, un denn speien wie einfach nich, un wenn et ne Stunne dure. Wat woll' hei maken. Hei kam her un bestelle sick wecke. Wie hei saunen Deil bestellt harre, gaf hei sein Mäken wedder af un ging wedder herrunder un Kartje wier. Den anderen Dag, fast um däselbe Tiet kummt et genau weddcr sau. Aug. Trümmel kummt wedder herrup un steit da. Et wart ne wedder en Mäken hennebrocht, un hei mott sick ok wedder wecke bestellen. Wie hei nun sien Deil bestellt harre, gaf hei mik Geld. Ick harre dunne dat Uppassen un Teilen a1l saun betten midde, weil ick all anfung, dä erste Giege te speien. Mien Vadcr make et sick all cn betten bequem: Dä speie dä tweitc Giege un satt dichte bie mick. As nu Aug. Trümmel mick dat Geld 'egäben harre, flüstere mik mien Vader tau un fraug, ob datt von gistern ok midde dabie worre. Ick segge: "Nä" Dat schöll aber alle nein Minsehe hören. A. Trümmel möste aber doch watt 'ehört hemmen oder hat et sick 'cdacht. Hei fung up einmal an te pralen, hei harre gistern nig gedanzet und hei bedröge keinen, fo[r]dere et ganze Dörp up, ob öhme einer danzen sein harre. Et fund sick aber keiner. Ok fund sick kein Mäken, wat 'r midde danzet harre. Düt word en Upruhr. Alles schuld up üsch, un sei wollen alle ober üsch herfallen un üsch vorhauen un wollen ok dä Instrumente kaput slan. Düsse A. Trümmel worre dä ehrlichste Münsche up der Welt. Dä bedröge keinen. Wie bleben aber ganz ruhig sitten. Wat wollen wie ok wieder maken? Wegkomen können wie nich. "Hier sind dä Instrumente", seggt mien Vader (dä lei gen alle up den WascheIdische). "Dat wehrt jüch aber düre Instrumente." Un schimpen deihen se ganz mordsmässig. Ein grot Bure namens Meiners kamm her un fate mienen Vader vor dä Bost un reit ene et Vorhimme kaput. Tauslan dei hei awer nich. En ander Bure namens Behrens kamm her un fate son Beierglass sau mit der vullen Hand hoben breit up un slaug dat mit vuller Forsche up den Waschcldisch un sä tau mienen Vader: "Nä ChristeI, dat har ick von dick nich erwahrt", un dabie her hei sick dat ganze Gla~ nah 'er Hand herinne slan. Da hat hei lange midde sitten möst. Dat was mienen Vader sein beste Fründ. Alles schuld' un schimpe ober düsse verfluchten Musikanten. Dat dure dä ganze Nacht: Dat Danzen was vorbie. Awer supen dei'en se sau veel duller ut Ärger. Wie gingen aber nieh weg. Sau gegen Morgen hätt wie noch ein pa[a]r Stunne 'slapen bie einen, dä vornünftiger was. Wie et nu Dag word, gingen wie na Hus. Et renge [übergeschrieben: regnete] sau fine. Wie worrren noch keine halwe 23 Beliebtes Kartenspiel.

117 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 115 Stunne inne, wer kummet? - Aug. Trümmel. Wie wie wäg 'ewesen sind, kummt en Mäken na Behrens siner Dochter Viedchen un segt:" Aug. Trümmel hat doch 'edanzet an Sönndag un hat sick ok wecke speien laien un ik hewe dermiddd e'danzet, un jue Heinrich (Behrens sein Stiefsohne) hat mik sülwest henn'ebrocht na öhne." "Ja", fragt sei dunne, "warum sägst 'e denn dat nich gliek?" "Ja", sägt el dunne, "ik was bange, dat ick denn Släge midde afkreg, denn et sach doch ut, as wenn sei gliek tauslan wollen." Nu loppt Viedchen gliek herrin na sienen Vader un segt et den. Dei loppt gliek na Aug. TrümmeI, un dei kummet nu glieks na Lehre un heilt um gut Wedder an. Un den nächsten Söndag mösten wie nu wedder hen un den Fasselabend erst vullens utspelen. Da ging et sau vci duller. Bei dieser Fastnachtsbegebenheit stand ein Leinweber namens Sieden topf aus SchandcIah neben uns. Der hat den ganzen Vorgang mit angehört und angesehen. Der hatte etwas Dichtertalent. Der machte die meisten Fahnenjagetexte, auch sonstige Gelegenheitsgedichte. Der hatte ein langes Gedicht hierüber gemacht, in plattdeutscher Sprache. Schade, das[s] ich das nicht aufgeschrieben habe. Hier einige Proben daraus: Nu speelt mik mal den Buffer, Nu mal den Schulenrö'er Ruffer Schulze, dä dei sau lösiken flüstern:, Iss dat von hüte oder von giestern? (B) Ein Zimmermann in Schapen namens Höper, der konnte es auswendig. (A) Hochzeitsfeiern Bei grossen Hochzeiten mussten wir schon zum Polterabend da sein. Wohnten Braut und Bräutigam nicht in einem Orte, so mussten gewöhnlich drei Mann nach der Braut von uns und 3 Mann nach den Bräutigam. Dann wurde bei beiden getanzt. Am anderen Morgen gegen 10 Uhr mussten wir alle beim Bräutigam sein, um die ankommenden Hochzeitsgäste mit Musik zu empfangen. Dann wurde gefrühstückt. Dann ging es nach dem Brauthause, wo bei grossen Hochzeiten 3 Tage gefeiert wurde. (D) Wohnte dann die Braut entfernt, so wurde per Wagen dorthin gemacht und zwar die jungen Mädchen und die Musik vorne. Dann folgten je nach Grösse der Hochzeit die andern Wagen, manchmal Stück und manchmal weniger. (A) Wohnte die Braut in einer anderen Ortschafft, so wurde hingefahren, wir und die jungen Mädchen auf den sogenannten Brautwagen, ein großer Leiterwagen, 4, auch wohl 6 Pferde davor, in der Mitte eine Kette herum, damit die Leitern nicht brachen. (C) Bei großen Hochzeiten war Donnerstagabend Polterabend. Dann wurde bis Montag im Brauthause Hochzeit gehalten. Dann ging es nach dem Bräutigamshause. Da wurde denn auch 2 Tage gefeiert. (A) Hier drauf [auf dem Brautwagen] mussten alle steh[e]n, und wenn es mehrere Stunden Wegs war. Die jungen Burschen ritten fast alle, auch welche von den

118 116 Mechthild Wiswe Abb. 2: Hochzeitsgesellschaft auf der Deele eines Niederdeutschen Hallenhauses Ölskizze von earl Schröder Original und Repro: Braunschweigisches Landesmuseum/ l. Simon BLM Neg.-Nr. 25(20)/ 84 jungen verheirateten Männern. Alle anderen fuhren auf Leiterwagen, aber nicht so grosse wie der Brautwagen. Auf diesen waren Ernteleitern. Da konnten noch mal soviel drauf [sitzen]. Auf den anderen waren nur Holzleitern, vorn ein Wagenkorb hineingesetzt. Diese Wagenkörbe machten sich die Bauern im Winter selbst, von Weiden geflochten. Die passten genau zwischen die Leitern und waren halb so lang wie der Wagen. Da wurden mit Stroh voll gestopfte Säcke quer durch gelegt zum Sitze. Kastenwagen gab es derzeit noch nicht, viel weniger Bräk-, Jagd- oder Kutschwagen. Dann wurde manchmal in die Wette gefahren. Die Wege waren damals noch nicht so wie heute, namentlich die Feldwege. Da war meistens nur eine Spur. Die nun umwegfahren wollten, mußten nebenher über das Land durch alle Furchen fahren. Da waren die sogenannten Hinterwöhler, Boimstorf und Umgegend am schlimmsten (so genannt, weil sie von uns aus [d. h. von Lehre aus] hinter dem Wo[h]lde [großes Waldgebiet] wohnten). Dabei

119 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 117 ist es vorgekommen, das[s] bei einer Hochzeitsfahrt von Boimstorf nach KI. Brundsrode hier durch Lehre 3 Wagen nebeneinander fuhren, und wie [sie] über unsere Schunterbrücke, die damals noch nicht so breit war [wie] jetzt, fahren, gerahten sie aneinander. Es sind dabei ein paar Wagen entzwei gegangen und das Geländer. Sonst ist es gnädig abgegangen. Auf Mittag mussten wir hin sein. Dann wurde etwas gegessen und getrunken. Dann ging 's zur Kirche, wir voran, wir zuweilen mit einen Rosmarienste[nge]1 und weissen Taschentuch mit blauer Kante auf der linken Brustseite geschmückt, zuweilen mit einen Blumenstrauss (Pokait [Bukett] sagte man), hinter uns der Brautvater, wenn der noch lebte, sonst ein nächster Verwandter, dann die Braut. Dann folgte wieder ein naher Verwandter, dann der Bräutigamsvater, oder Verwandter, dann der Bräutigam, dann wieder ein naher Verwandter (Truleier [Trauleiter] wurden die genannt), dann der Platzmeister, (B) Platsmeister (heute Brautführer), (A) mit der Brautjungfer (Brutmäken) (auf gros sen Hochzeiten hatte man wohl auch 2 Platzmeister und 2 Brautjungfern), dann erst die jungen Leute paarweise, dann die Verheiratheten, die Mädchen im Kranze 24, die Burschen mit einen Puquet [Bukett]. (B) Wenn die Trauung vorbei war, gingen alle um den Altar. Jeder legte 2 Gute Groschen auf den Altar [C: Opfern hiess das.] und die Braut oder die Brautjungfer eine Cittrone und einen Rosmarienstengel. Dann ging es wieder in derselben Reihenfolge zu Haus. Auch auf manchen Dörfern wurde dann eine Schnur oder Linie «mit Tintenstift über geschrieben Leine» vor dem Hochzeitszuge durchgezogen (sneuren), dann schmiss der Bräutigam den Leuten Geld zu. Das war namentlich schlimm in den Ortschaften um die Stadt herum. Da kamen viele Städter heraus, so das[s] wir manchmal keine 10 Schritte vorwärts konnten, dann wurde schon wieder geschnürt. Auch bekam jeder ein Stück Kuchen von meistens 1/4 Kuchen [von einem grossen Blech]. Einige hatten auch solche Kuchen gebacken. Das nahm man auch mit zu Haus. (A) Der Platzmeister musste vorauseilen und holte eine Flasche Wein und ein Glas heraus. Wenn nun der Zug vor dem Hause ankam, trank er den Bräutigam zu und der die Braut. Hatte die getrunken, so schmiss sie sich das Glas über den Kopf, das[s) es entzwei fiel. War es nicht entzwei, so wurde es kaput getreten. Währen[d)dem hatte die Brautjungfer den Kranz, wo die Brautleute vor den Altar drinn gestanden hatten, mitgebracht und auf der grossen Hausdiehle auseinander gelegt. Dann trat das Brautpaar da hinein und die Gratulation begann, genau nach dem Verwandtschafftsgrade. Dann ging 's zum Essen, die Alten in der grossen Stube, die anderen alle auf die grosse Diehle. Da waren Bretter auf Böcke gelegt, manchmal schwankend genug. Das war die Tafel, an jeder Seite niedrige Böcke, darauf ein Brett als Bank, das Brautpaar obenan. Manchmal 24 Kranz = Konfirmandenkrone. Kranz oder Krone aus Kunstblumen, die zuerst bei der Konfirmation und dann bis zur Verheiratung bei bestimmten festlichen Anlässen getragen wurde.

120 118 Mechthild Wiswe waren soviel Leute da, das[s] die Tafel ganz zum Hause hinausreichte. Als Köche fungi[e]rten damals die Hausschlachter. Viele Gänge gab es nicht, Suppe in großen Näpfen, in jeden Napf ein Huhn. Das wurde mit den Händen auseinandergerissen und zur Suppe gegessen. Messer und Gabel gab es nicht, wer nicht selbst eins [mitgebracht] hatte. Es hatte aber fast jeder ein Taschenmesser, manche auch zusammenklappbare Gabel. Auf zwölf Personen wurde ein Huhn gerechnet. Früher hiess es nicht soviel Personen sind da, sondern soviel Tische Leute sind da. 12 Personen hiess ein Tisch. Nach der Suppe gab [es] Rindfleisch. Das wurde aber nicht gegessen, sondern vertheilt und jeder nahm sein Theil mit nach Hause. Jede Famie\ie hatte 2 Kiepen mitgebracht. Da [war] ein Laken hineingelegt. Da wurde in einer das Fleisch und die Knak- und Rothwurst, die jeder beim Frühstück ein Ende zugetheilt bekam, hineingelegt, in die andere der Kuchen, wovon ein jeder bei Tafel ein grosses Stück bekam. (A) Es gab den[n] noch Kaldaunen in Essig gekocht mit Chorinten daran und so mehrere Sachen. Das wurde gegessen. Dazu Apfel-, Birnen- und Zwetschenbratjen (getrocknetes) Obst und Rosinen, dazwischen und Brot oder Luffe [Weißbrötchen]. Kartoffeln gab es früher nicht. Hinterher Brot, Butter und Käse. Dazu wurde Schnaps und Braunbier getrunken, der Schnaps aus Pullen oder Flaschen, die gingen reihum. Dann gab es noch Brannteweinkaltschale (Honigkuchen in Branntwein aufgeweicht in einen zinnernen Napfe), darin ein Löffel. Das ging auch reihum. Jeder nahm ein[en] oder mehrere Löffel voll. (C) Nach der Suppe wurde getrocknetes Obst (Brat jen) und Pottwurst (Grützwurst) oder Sülze gegessen, auch wohl mal Sauerfleisch mit Rosinen oder Kaldaunen in Sauer gekocht, weil sie das Fleisch weggetragen hatten, und nachher Butter und Brot. Dazu wurde Schnaps in Flaschen getrunken, immer reihum, und Braunoder Süssbier in grossen Krügen mit Zinndeckel. Auch gab es meistens Branntweinkaltschale... Vor ansteckende[n] Krankheiten waren sie damals nicht so bange. Sie assen alle mit denselben Löffel, tranken alle [aus] einen Bierkrug und aus einer Schnapsflasche. Kartoffeln gab es gar nicht, Wein in den seltensten Fällen. Beim Essen sassen die Alten gewöhnlich in der grossen Stube, auch wenn Platz da war, noch welche in der kleinen. (A) Das Kochen machten früher die Hausschlachter. Wir mussten schnell essen. Uns wurde auch zuerst aufgetragen, weil wir Tafelmusik machen mussten, zuerst auf der großen Diehle, wo das Brautpaar sass. Da wurden 3 Stücke geblasen, nicht zu lang, aus dem biossen Kopfe, weil kaum soviel Platz da war, wo wir stehen konnten. Währenddem ging ein aufgeschlagenes Buch herum. Da legte jeder Mann 2 Gute Groschen darauf. Das wurde gewissenhaft weitergegeben. Dann in der großen Stube und wo sonst noch welche sassen. Dann schickte der Koch einen Teller mit Salz und Pfeffer herum, dann der Bierzapfer (Beiertöpker) einen Teller mit einem Spont vom Bierfass, dann die Aufwärte- oder Aufwaschfrauen (Schottelwäschersche) einen Teller mit einen Strohwisch. Auf jeden Teller gaben die Herren gewissenhaft ihre 2 Gute Groschen. Hier wollte ich noch bemerken, das[s] ich vergessen hatte ein paar Unsitten zu erwähnen. Zuerst am Polterabend, so dicht wie möglich vor den Fenstern, wo die

121 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 119 Leute sassen, wurde von den jungen Leuten tüchtig geschossen. Je doller es knallte, desto besser, so das[s] es öfter vorgekommen ist, das[s] die Dinger platzten und welche zu Schaden gekommen sind. Dafür bekamen sie denn Schnaps und den anderen Morgen [wurde geschossen], wenn gefahren wurde, so dicht am Wege wie möglich, so das[s] die Pferde sich manchmal hoch aufbäumten und kaum zu halten waren, und nun wieder, wenn es zur Kirche ging, auf allen Böfen, wo wir vorbei mussten, ging es los. Das zweite war, auf allen Dörfern, wo wir durchkamen, beim Fahren so gut wie beim Kirchgang wurden Stricke über den Weg gehalten. ("Sznäuren" [Schnüren) nannten sie das). Dann mußte solange angehalten werden, bis der Bräutigam Geld hingeworfen hatte. Nach dem Essen wurden Tafel und Bänke weggenommen, dann gingen die Ehrentänze an. Der Brautvater fing an (jeder musste mit der Braut 3 Tänze tanzen), dann kam der Bräutigamsvater, dann so weiter, immer die nächsten Verwandten zuerst. Der Platzmeister hatte dafür zu sorgen, das[s] der nächste zur Stelle war. Die ersten gaben gewöhnlich einen Thaler. (B) Erst kamen sämmtliche Mannsleute, dann sämmtliche Frauensleute, dann die meisten Kinder. Welche gaben einen Thaler für die Ehrentänze, welche einen Gulden, welche einen halben Gulden, die letzten 4 Gute Groschen. Das ging auch viel nach [dem] Verwandtschaftsgrade. Aber alles musste geblasen sein. Streichmusik war nicht gut genug. (A) Das dauerte meistens die erste ganze Nacht durch. Das war für die Braut sehr anstrengend. Aber es half nicht, sie musste. Manche machten es denn aber auch kurz, tanzten nicht weit hin und man einmal herum. Des Nachts wurde meistens kalt gegessen, Sülze, Sauerfleisch, Wurst u. d. g. Wenn das Tanzen vorbei war, mussten wir die Leute nach dem Nachtquartier blasen. Da war in irgendeinem Bauernhause die grosse Stube ausgekramt, rundherum Stroh ausgebreitet, darüber Laken gebreitet und Kopfkissen hingelegt. Darauf legten sie sich paarweise drauf. Jeder Bursche (Knecht) bei sein Mädchen (einen jeden war sein Mädchen zugetheilt, und blieb, solange die Hochzeit dauerte, sein). Im Winter war schön eingeheizt. Decken gab es nicht. In einer Ecke stand ein Tisch mit brennender Lampe, ein Napf mit sauren Fleisch u. d. g., Brod und eine Flasche mit Schnaps. Am Sonnabendabend wurde gewöhnlich in die Gabe gegeben. So nannte man das Geschenkeübergeben, alles in baaren Gelde. Auf der grossen Diehle wurde ein grosser Tisch hingestellt. Mitten drauf eine große Tarine [Terrine] aus Zinn. Die Brautleute setzten sich davor in Schmu[c]k, wie sie getraut wurden. Bei der Braut stand die Brautjungfer oder waren 2, dann beide mit einem Korb mit Kuchenstüeken, bei dem Bräutigam der oder die Platzmeister mit der Schnapsflasche. An der einen Seite am Tische sass gewöhnlich der Schullehrer. Der schrieb an, was jeder gegeben hatte. An der anderen Seite stand der Freiwerber. Der rief laut aus, was jeder gegeben hatte. Wir mussten oben auf den Treppengang, auch vielfach "Bühne" genannt. Sowie nun einer gegeben hatte, mussten wir einige

122 120 Mechthild Wiswe Tackte blasen. Beim Brautvater oder Bräutigamsvater ging es an. Die gaben gewöhnlich zehn blanke Thaler. (B) Dann ging es nach [dem] Verwandtschaftsgrade weiter. WeIche gaben 5 Thaler bis 2 Thaler herunter. (A) Dann rief der Freiwerber: "Der oder der hat 10 Thaler gegeben, hat gut gegeben, hat wohl gegeben, schall ok mal drinken, schall ok en Stücke Kauken hemmen. Dat hat hei siek mit Pcrdd un Wagen vordeint" oder irgendsoicher Bemerkung. Dann legt er das Geld in die Terine, das[s] es tüchtig klapperte. Der Platzmeister trank dem Geber zu. Die Brautjungfer gab ihm ein Stück Kuchen. Der Lehrer schrieb es an. Dann ging es weiter bis alle gegeben hatten. Das dauerte einige Stunden. Wenn alle gegeben hatten, kamen in manchen Orten wohl noch der eine oder andere und gab einen halben Gulden oder Thaler mit der Bestimmung: "Da schall dä oder dä, die oder die en Kuss vor gewen" u. s. w. Das wurde ausgeführt. Die Terine war häufig ganz voll Geld. Die Diehle war manchmal so voll Menschen, alles aus dem Dorfe. Wer irgend konnte, war da zum Zusehen. Des Montagsmorgen wurde dann der sogenannte Kästenwagen geladen. Ein grosser, starker Erntewagen wurde mit der Aussteuer der Braut beladen. Manchmal war es aber nicht möglich, alles auf einen Wagen zu kriegen. Dann mussten 2 genommen werden. Vor den Hauptkästenwagen kamen auch 4, manchmal 6 Pferde wie beim Brautwagen. Die Fuhrleute vom Brautwagen sowie vom Kästenwagen bekamen jeder eine halbe Stiege Leinwand wie eine Schärpe umgehängt mit roten Bande an der linken Seite. Auch an die Peitschen kam ein roter Dutzen [Schleife]. Auf den Kästenwagen kam früher ein großer Koffer, oben quer über ein Sopha, dann wohl noch ein Koffer quer, womöglich alle bis obenhin gefüllt mit Leinen und Drell, Bettüberzüge, alles selbst Gesponnenes, die Bettbezüge fein bedruck[t], dann ein grosser eichener Kleiderschrank, schön verziert, vielleicht noch ein Schrank, 2 grosse Bettstellen, eichen, 2 grosse Betten, recht voll gestopf[t] mit neuen Federn, feine Überzüge (selbst gesponnen), 6 Stühle, häufig auch vielen Haus- und Küchengeräth, Drellsäcke, neu, mit gereinigten Flachs vollgestopft, 16, 18, ja sogar manchmal 24. Dat was denn aber en Sweugen [Schwelgen] von den Frauen, die zusahen, - 6 schöne Stühle und gewöhnlich einen etwas niedriger gepolstert, sogenannter Spinnestauhl. Wir mussten bei jeden grossen Gegenstand einen blasen. Ich habe vergessen ein feines Spinnrad und Haspel aus Zwetschenholz, eine Brake, ein Schwingebock, ein Ribbebock, ein Hechelstuhl u. s. w., auf [dem] Spinnrade 25 war ein stramm gewickelter Wocken mit Wockenblass [= Wockenblatt]26 und breiten, feinen Seidenband. (B) Dann Träte, Braake, Ribbebock, Schwingebock mit Schwinge, Häckelstaul und einen niedrigen Stuhl, gepolstert, so genannter Spinnestauhl, bei manchem noch 2; Geräte der Flachsverarbeitung, vgl. zu diesen Brigitte Dörte BECKER, Vom Flachs zum Lcincngam (mit Abbildungen). Braunschweig Wockenblatt = bemaltes oder bedrucktes Papierband zum Zusammenhalten des Wockens auf dem Spinnrad.

123 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 121 Stuns [Schöpgfgefäß aus Holz mit einem I landgriff], Eimer, Gilte [länglicher, geböttcherter Waschtubben], Waschfass. (A) Wenn alles aufgeladen war, dann ging es vorwärts nach des Bräutigams Hause. War es über Land, so ging es wieder wie am Freitag, unser Wagen vom, dann der Kästenwagen. Auf dem Sopfa sass eine Frau, nähere Verwandte, und das Brautmädchen. Die hielt das Spinnrad (meistens ein Geschenk von ihr), die Frau mit einen Korb mit getrockneten Obst (Brat jen) und Kuchenstreifen. Die schmiss üherall, wo Leute standet n], was herunter. Die jungen Leute wieder alle zu Pferde wie am Freitag, und jeder hatte eine Flasche Schnaps in der Tasche. Wo nun Leute standen oder im Felde waren, ritten sie hin und tranken die Leute zu. (B) Später wurde auch schon an statt Schnaps Wein mitgenommen. Vor den Wirtschaften wurde auch noch angehalten. Da wurde meistens Grog getrunken, auch oft Wein. Das musste allels] der Bräutigam bezahlen. Die Wirthe schrieben dann oft mit Doppelkreide 27 (A) Des Montags abends wurde dann die Braut gekriegt. Das wurde so gemacht: Die jungen Mädchen bildeten einen Kreiss und gaben sich die Hände. In der Mitte tanzte der Freiwerber oder ein ander[er] mit der Braut, den Kranz lose auf den Kopfe. Wir spielten" Wir winden dir den Jungfernkranz", wozu die Mädchen mitsangen. Nun kamen die Frauen und wollten der Braut den Kranz abreissen zum Zeichen, das[s] sie die Jungfernschaft verloren hätte und nun zu ihnen gehörte. Die Mädchen hielten fest, damit keine von den Frauen in den Kreis kommen konnte. Der Platzmeister haue ein sogenanntes Britsholz 2H (ein 1/2 Fuss bis 2 Fuss langes Stück Holz, 2 Zoll breit). Da war dreimal [dar]in heruntergesägt bis zum Handgriff, so das[s] 4 dünne Brettchen waren bis zum Handgriff. Am Handgriff war ein rothes Band durch ein Loch gebunden, so dass er es sich bequem auf das Handgelenk hängen konnte, und am anderen Ende auch ein rothes Band. Wenn er damit jemanden schlug, so that es nicht sehr weh, aber es klappt er]te tüchtig). Hiermit suchte er die Mädchen beizustehen. Wenn nun eine Frau den Kranz gefasst hatte, so wurde ihr [d. h. der Braut] dafür eine Haube oder Nachtmütze aufgesetzt, zum Zeichen, sie gehörte von jetzt ab zu den Verhairatheten. Bei Hochzeiten, die nur 2 oder 3 Tage dauerten, wurde dies alle[s] früher gemacht. Hier hätte ich bald die Hauptsache vergessen, den dicken Reiss (Reis in Milch gekocht). Da wurde meistens ein sehr grosser Kessel voll von in einen anderen Hause gekocht. Wenn er gegessen werden sollte, wurde er mit Musik geholt. Zwei starke Männer hatten einen starken Baum ("Rick") auf der Schulter. wo dran der Kessel hing. Da zu dcr Zeit noch keine Zigarren Mode waren, hatten sie eine Menge irdene Pfeifen angeschafft. Wer rauchen wollte, nahm sich eine. Tabak stand genug da. Streichhölzer gab es auch nicht. Der Bierzapfer hatte eine Menge Fidebus aus 27 D. h. berechneten mchr als verzehrt worden war. 28 Sonst Pritsche genannt, ein verbreitetes Lärminstrument.

124 122 Mechthild Wiswe Tannnenbrettchen gemacht. Damit wurde am Feuer oder an der Lampe angeste[c]kt. Eine Hochzeit in der Vorsfelder Gegend In der Vorsfelder Gegend spielten wir mal eine Hochzeit. Da mussten wir auch zum Polterabend schon da sein. Es war im Winter, sogar sehr kalt. Wie wir eine Weile da waren, kommt eine Frau herein mit einen irdenen Napf voll Pottwurst, auch Grützwurst genannt. (C) Der schon mehrere Mal gebunden war mit Topfdraht (das war früher überhaupt viel) voll Pottwurst, auch Grützwurst genannt (Buchwcizengrützc in Blut gekocht, viellcicht etwas Fleisch dazu), (A) stellt den mitten auf den Tisch, rührt mit einen Finger ein Loch oder Vertiefung hinein, leckt sich den Finger ab, rein war er. Eine zweite Frau kam mit einen hohen, irdenen Topf, der schon mehrmal[s] gebunden war mit aufgeschmolzenen Talg und goss das Loch in der Pottwurst voll. "Nu komt man her, sett jüch man herum un e'tt man." Da kamen denn ausser uns noch die Hausbewohner heran. Brot gab es die ganzen Tage nicht. Selbst gebackene Semmel, wie ein Brot gross, kam auf den Tisch. Ein jeder schnitt sich ein gross[es] Stück davon ab. Dann wurde ein Stückehen (Happen) auf die Messerspitze gesteckt. Damit fuhr ein jedcr durch dic Pottwurst. Was er erfa[s]ste, war sein. Dazu wurde Schnaps getrunken. So wurde an den 3 Hochzeitstagen bei jeder Mahlzeit Pottwurst aufgetragen und tüchtig davon gegessen. Das andre Essen war wie ich früher beschrieben habe. Nur das[s] anstatt sonst der Hausschlachter kochte, hier ein altes Müttcrchcn kochtc. Die war Kochfrau, Hebamme und Totenfrau 29 ("Doenbewickelsehe"), alles in einer Person. Die rauchte fast immer eine kurze irdene Pfeife ("ehernen Stummel"). Da es nun so bitterkalt war, sassen wir in der kleinen Stube, wenn wir frei waren. Da wurde aber auch die Braut angezogen. Das genirte uns weiter nicht. Dic Trauung war in Vorsfe1de. Wie die vorbei war, ging 's in die Wirtschaft. Da wurde erst eine Weile getantzt. (B) Ging es zu Wagen nach Vorsfelde zur Kirche. Wir jeder mit einen Rosmarienstengel, weissen Tuch mit blauer Kante auf der linken Brustseite geschmückt, die jungen Burschen mit einen grossen Puquett [Bukett] von künstlichen Blumen, mit Bänder[n] verziert, geschmückt, die Mädchen mit Kränzen. Wie [die] Trauung vorbei war, ging es nach einer Gastwirthschaft. Da wurde getrunken, auch erst eine Weile getanzt, dann zurück. Da wurde gegessen, Suppe mit Hühnern. Das Rindfleisch wurde verteilt. Das nahmen alle mit zu Haus. Es wurde wieder Grützwurst gegessen und Semmel dazu,. "Kauke" sagten sie dazu, und was es sonst noch gab, getrocknetes Obst in Menge. (A) Beim Essen standen eine Menge Zuschauer auf der Diele, gross und klein. Da wurde immer ein gross[es] Stück Semmel abgeschnitten und mit Pottwurst auf- 29 Meistens eine ältere Frau, die die Leichen zu waschen und einzukleiden sowie bestimmte andere Aufgaben bei einem Todesfall zu erfüllen hatte.

125 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 123 gehäuft und den Zuschauern hingegeben. Da liefen viele rasch mit zuhaus und kamen wieder, um noch was zu holen. Auch Schnaps wurde herübergereicht. Da hatten doch viele grosse steinerne Pullen [Flaschen], die gossen sie sich voll. So was an Wegschleppen habe ich noch nie gesehen. Und dabei fehlte es an nichts. (B) Ich hatte so das Gefühl, das[s] wohl in den 3 Tagen, die die Hochzeit dauerte, das ganze Dorf davon gelcbt hat. Das muss den Brautvater riesig was gekostet haben. Es fehlte trotsdem nichts. Am Sonnabend abend wurde in die Gabe gegeben. Da sassen die Brautleute so am Tisch wie früher schon beschrieben. Der Freiwerber rief aus, was ein jeder gegeben hatte. Beim [= bei den] meisten machte er noch Zusätze, zum Beispiel "Hat gut gegeben, hat wohl gegeben, schall ock 'en Stücke Kauken [hebben], schall ok mal drinken. Düt hät hei sick mit sienen Peeren vordeint. " Oder "Dit hät hei sik mit Bessenbinnnen vordeint". Wenn alle gegeben hatten der Reihe nach, dann kam noch einer und gab einen halben Thaler, "Da schall Jauhindrick Dube Spickers Dorten en Kuss vor geben." So ging das noch eine ganze Stunde weiter in dieser ähnlichen Weise. Der nannte diese, der andere jene. Auch die Braut wurde geküsst. Die Hochzeit dauerte 3 Tage. Wir waren aber hungerich wie die Löwen, wie die Hochzeit vorbei war, trotzdem es in Überfluss gab. Das lag aber d[a]ran: Es kochte eine alte Mutter, die wohl schon hoch in die siebenzig war, eine krumme alte Frau, im Gesicht so gelb geräuchert. Überhaupt sah sie nicht appetitlich aus. Dazu rauchte sie immer einen irdenen Pfeifenstummel und hatte meistens Tropfen unter der Nase. Die war Kochfrau, Hebamme und Totenbewicklersche [Totenfrau] im Dorfe. Sie sah aus als wenn sie an die Wand geschmissen würde, das[s] sie daran hängen bliebe. Wie sie nun sah, das[s] wir fast nichts assen, machte sie uns Braten. "Jü möget düt wohl nich," meinte sie treuherzig. Aber wir konnten auch von dem Braten fast nichts essen, weil die Alte den zurecht gemacht hatte. Auf solchen Hochzeiten und anderen Tanzvergnügen wurde hauptsächlich viel gejucht ("Ju, hu"), je mehr, je vergnügter. Da der älteste Sohn doch meistens den Hof erbte, und wenn noch ein Sohn da war, der nichts gelernt hatte (denn Handwerk lernen war meistens nur für "kleine Leute"), so blieb er solange, bis er sich auch verheirathete, auf dem Hof als Knecht. Wenn er sich verhairathete, so zog er in das kleine Haus, "Spieker" genannt. Fast auf jeden Hofe waren ein oder 2 solcher Spieker. Da hatten die freies Wohnrecht, solange sie lebten. Die Leute, die in solchen Spicker lebten, wurden Spickers genannt mit ihren Vatersnamen dahinter. Auch die Kinder hiessen Spiekers Dort jen oder Spiekers Fritze u. s. w. Auch gehörten manchmal noch einige Morgen Land dazu. Die Einwohner solcher Spieker halfen meistens auch zeitlebens auf den Hofe gegen billigen Lohn. Auf den meisten Hochzeiten waren eine Menge irdene Pfeifen vorhanden, so das[sl jeder eine bekommen konnten. Auch waren immer noch welche in Reserbe, weil sie sehr zerbrechtlich waren. Auch Tabak war da. (C) [Folgt - hier nicht ausgeführt: Liste der Wohngrundstücke in Lehre vor der Seperation; Feuersbrünste in Lehre]

126 124 Mechthild Wiswe Viehhaltung und Hirten wesen in Lehre Die Strassen waren bei nassen Wetter stellenweise kaum zu passieren, sodas[s], wo solche Stellen waren, [man] grosse Steine gelegt hatte, um von einen Stein zum anderen zu springen. In den Jahren 1846/47 wurden die Schau seen (Chausseen) gemacht und Gossen und Platten gelegt, wozu die Regierung ein ganz[es] Theil beigetragen hat. Der Schmutz kam auch viel davon, das[s] sämmtliches Vieh ausgetrieben wurdt:. Dt:s Morgt:ns um 4 Uhr blies der Kuhhirt, der alte Rikewold, auf einen halben Mond, ähnlich wie Waldhorn, nur halbrund 30 : }.I,/ In Glleasenroh,in Glieasenroh kokt se nist wie r-- :: ;1 j' I. ) i;;;ooe ~ bo ) '7 I Surenkohl, in Gllessenroh, in Glleasroh, ka // e:lä.e] J kokt se nist.ie Kohl J I, )';:11 Lb ß I W I.00 D I '.1 B n,., ~ ocrer 00; J? 1t4,,, 1 ti ~, Wer so ein faules Gredel 010 hat kann der wohl r. /' J lj I,;, I t1,, sein, sie sohläft ja alle Morgen, Morgen, U I~ I, j, LJ scheint, undjer Hirt zu J J 11 Walde treibt. Um 4 Uhr morgens mussten die Kühe gemolken sein. Da mussten die Mädchen früh aufstehn. Sonst mussten sie das Vieh nachtreiben, und das war ein Schimpf. Da ging der Wo[hJld schon an. \' :11 lustig 30 Die Melodie zu "Wer so ein faules Gredel hat. 0'" war als Hirtenweise zum Viehaustrieb beliebt. Sie ist auch aus dem Harz überliefert (vgl. Allgemeiner Harz-Bcrgkalendcr. Jgo 1973, S. 32 fo).

127 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 125 Die Kühe blieben meistens den ganzen Tag draussen. Des Mittags lagerten sie hinter den "Neuenkamp". Da standen ein Rudel Eichen. Das wurde das "Kuhlager" genannt. Da mussten die Mädchen oder Frauen des Mittags hin zum Melken. Die nun mehrere Kühe hatten, die mussten wohl 2 Eimer nehmen. Dann hatten sie eine Trage ("Schanne"), ein 1/2 Fuss breites Holz, das war in der Mitte so ausgearbeitet, das[s] der Hals dazwischen passte. Dann legtcn [sie] sich bcide Seiten auf die Schulter[n], an jeden Ende dünner werdend, am jeden [Ende] eine Kette oder Strick mit einen Haken. Da wurde der Eimer aufgehängt. Das liess sich schön tragen. Um nicht zu planschen, wurde ein Kreuz (zwei Bretter kreuzweis übereinander befestigt) über die Milch gelegt, fcin weiss geschcu[e]11. Nach dem Kuhhirt, wenn der zum Dorfe hcraus war, kam dcr Rindcrhirt, auch Ochsenhirt genannt, der alte Lohmann. Der hatte eine grosse Peitsche, womit er knallte oder, wie früher gesagt wurde, "ballerte". Der trieb die Ochsen trift hinaus, ähnlich solche Trifft wie die Kuhtrift, jetzt die sogenannte" Wohldstrasse", zwischen dcn beiden Mcier[schen Grundstücken] hindurch. Dcr Pfcrdehirt, der alte Schumacher, blicb Nacht und Tag draussen. Wer seine Pferde gebrauchen wollte, dcr holte sie sich. Wenn er wieder ausspannte, brachte er sie wieder hin. Der Pferdehirt hatte eine Hütte auf dem sogenannten "Pferdehütttenberge", früher "Bleicherplan", jetzt Heinecke sein. Da schlief der Hirt drinn. Die meisten Pferde wurden gekniekoppelt: ein Strick um die Vorderbeine, dann konnten sie nicht laufen. So um halb 8 herum kam der Schweinehirte, der alte Goes oder einer seiner Söhne, Ludwig oder Wilhelm. Die bliesen auf einen Bugelhorn (so ähnlich wie die Tambouren als Signalhörner haben). Der alte Goes war Musiker gewesen. Deshalb konnte er so gut wie seine Söhne so schön blasen. Die bliesen auf verschiedenen Plätzen. r;a:y:.a ~ ~, " figrw "Ilull*~bru PI~ 13 1m vlffl n -I, r =JI fz' IUl*~ßI" Iu;WJsuttiJHji ~;In JlriIJ)7!llnlälmm, g$s!j ~~ 11 ~1"I.-;j'llfil~'I~I1'lm~lllil.i t'w '1\"lm'~W1$J'I' tjj"l1' qjlm~j ffisl ~'f::.. ~ ~ di:i: ~ } j1~ul#lku~l\;;$j±±ttmt$fjfjfjj!mm$ije I W! JJh I" &-=== ly

128 126 Mechthild Wiswe Diese Goes waren zugleich Gemcindediener und auch Nachtwächter. Der Alte konnte Clarinette blasen. Sylvester, wenn Neujahr war, bliesen die drei in jeden Hause, erst einen C[h]oral: "Hilf, Herr Jesu, lass gelingen" oder "Nun danket alle Gott", aber so bunt mit soviel Verzierungen, das[s) man kaum dcn C[h)oral heraushören konnte, dann einen Lustigen hinterdurch. Die beiden Söhne begleiteten auf ihren Bugelhörnern. Dann wünschten sie allen Glück. Dafür bekamen sie Geld und zu essen und zu trinken. Des Nachts bliesen sie auf verschiedencn Stellen" Tarrät", um 1 0 Uhr 2 Mal, um 11 Uhr 3 Mal, um 12 Uhr 4 Mal, um 1 1 Mal, um 2 2 Mal, um 3 bliesen sie ab: "Guter Mond, Du gehst so stille" oder,,0, Du lieber Augustin." Wenn der Schweinehirte aus dem Dorfe war, kam Rike Gaus mit einer Klapper. Die hütete die Gänse. Die gab es damals eine Menge. Jeder hatte Zucht. Solange sie klein waren, kamen sie nach der "Maseh", nachher nach den Lehmkuhlen. Da war auch viel Wasscr. Nachdem kam der alte Ulrich. Der hatte ein Kuhhorn mit Mundstück. Da war eine Feder drinn. Das schnarrte so. Dcr hütete die Kälbcr, anfangs auf dcr "Masch", nachher nach den "Wo[h]lde". Um 9 oder kam der alte KüchenthaI. Der hütete die Schafe. Der pfiff auf eincn Finger. Dann war Schluss. Einer hatte fast immer zu thun, alles Vieh auszulassen. [Folgt - hier nicht ausgeführt: Flurnamen]. Hofanlage und Ausstattung des Hauses 3! Die alten Höfe waren alle anders angeleb >1 wie heute. Wenn man auf den Hof kam, so waren rechts und links Scheuncn und Stallungen, dann so mehr zurück das Haus mit dem Gicbel dem Hofe zu. Da war [am Hause] erst ein Vorschauer, rechts und links Stallungen. Hinter diescn Vorschauer kam erst die "lange Thür", die zur Droschdiele führte. Hintcr dieser Thür wurde die Dichle fast noch mal so breit [wie das Vorschauer?]. An beiden Seiten waren erst noch etwas Stallung und Futterkammer. Dann kamen wohl noch 1 oder 2 Kammern. Dann ging es an bei den Seiten zu den kleinen Thüren, sogenannte "Häkthüren" (2 Thüren übereinander). Wenn man heraus wollte und nur die unterste aufmachte, unter die oberste [man) hindurchkriechen musste. Hinter dcm Gang, der nach diesen Thüren fü[h ]rte, war gewöhnlich rechts die grosse Stube, mitten die Küche, links eine kleine Stube. Links auf der gros sen Diele ging eine Treppe hinauf zu den obersten Kammern (Böden genannt). Quer über die ganze Diele oben vor den Kammern ging ein Gang ganz über die Diele, manchmal ziemlich breit, so das[s] die Kornsäcke dort noch stchen konnten. Da war ein Geländer vor durch, wie an der Treppe. Dieser Gang wurde in manchcn Gegendcn Bühne, in manchen Treppengang genannt. Die grosse Stube war in vielen Häusern sehr gross, sodas[s] in eincr Ecke ein Bettwinkel war mit Holzrahmen davor bis unter die Decke. Da war ein Vorhang 31 Traditionell im Raum Lehre verbreitete Niederdeutsche Hallenhäuser vom Typus des Fleetdeclenhauses.

129 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 127 dran. Dahinter war ein gros ses Bett. In einer Ecke stand ein grosser Tisch. Die Tischplatte war meistens von Lindenholz, sehr weiss gescheuert, darunter eine grosse Schieblade (Tischkasten). Die Beine waren sehr stark, zuweilen rund, ungefähr einen halben Fuß hoch von der Erde ging rundherum von einen Beine zum anderen eine breite Leiste oder Brett zum Auftreten. Hinter dem Tische war an bei den Wänden eine Bank. (D) In der Ecke stand meistens ein kleiner Schrank, worin man Brot und Butter aufbewahrte, (A) "Brodschapp" genannt, vor dem Tische ein[i]ge Schemel,32 Hinter dem Ofen war noch eine Bank, meistens mit aufklappbaren Sitzbrett, darunter ein Fach zum Hineinlegen von Strümpfen u. d. g. Dann waren einige niedrige Stühle, sogenannte "Spinnesteuhle", und ein oder zwei Fussbänke ("Huttschen"), ein grosser Milchschrank, eine grosse Uhr mit einem Gehäuse von der Erde bis zur Decke. Hier [in Lehre] Homann, Behse [Behse durchgestrichen] hatte solche Uhr. Die spielte 12 Stücke. Die wird wohl noch im Besitz von Tägtmeier sein. Über der Ofenbank war ein Bört für Biebel und Gesangbücher. Hinter der Thür war ein kleines Fenster. Da hindurch konnte man ganz auf der grosen Diele heruntersehen. Auch wurde gewöhnlich die Lampe da hineingesetzt. Zwischen Thür und diesen kleinen Fenster war oben ein beweglicher Arm. Darüben[!] hing das Handtuch, doppelt lang, damit man es nachziehen konnte, wenn es auf einer Seite schmutzig war. Dieses Handtuch war mit Namen, einen Baum o. d. g. geziert, hineingenäth. 33 Dorf und Flur im Wandel der Zeit Die 1840 abgebrannte Krugreihe [in Lehre] soll von den ehemaligen Bewohnern des Dorfes Kattorf 34 erbaut sein, nachdem im 30jährigen Krieg ihr Ort zerstört war. Derselbe soll an der Straße Lehre - Kampen links, was jetzt zur Forst gehört, gelegen haben und heisst heute noch Kattorferfeld. Auch findet man jetzt noch ÜberbliebseI. Ebenso soll [es] mit den hier ansässigen Burgemeiern sein, deren Vorfahren in Kl. Wendhausen 35 zwischen Wend hausen u[nd] Lehre links, wo die Fuhren stehn, gewohnt haben sollen. Auch Reinshagen soll früher ein Dorf gewesen sein 36 Die Feldmark war unter die drei Dörfer Lehre, Flechtorf, Gr. Brunsrode vertheilt und ist 1846 bei der Gr. Brunsröder Seperation mit seppariert. 32 Vermutlich Brettstühle. 33 Derartige bestickte Handtücher wurden oft nicht benutzt, sondern dienten nur als Dekor. 34 Kattorf, Wüstung 1,1 km südlich Flcchtorf, vgl. Hermann KLEINAU, Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig. 3 Bde. Hildeshcim 1967/68, hier Bd. 1, S JS Klein Wendhausen, Wüstung nördlich Wendhausens, vgl. Hermann KLEIl'AU (wie Anm. 345), hier Bd. 2, S. 694 f., bereits 1353,. woste", also nicht mehr bewohnt nach Stadtarchiv Braunschweig: B I 19: 7. Jö Vgl. Anm. 35.

130 128 Mechthild Wiswe Aus der Landwirtschaft Die Kotsassen, oder Köter genannt, fuhren früher meistens mit Kühen. Die hatten gewöhnlich einen Schuljungen aus dem Hannöverschen gemiethet. Die brauchten im Sommer nicht zur Schule 3? Die mussten beim Pflügen treiben, (die Kühe leiten oder lenken). Es wurden meistens drei oder vier angespannt, und wenn ausgespannt wurde, mussten sie die Kühe vorn im Wo[h]lde [Waldegebiet bei Lehre] hüten. Bis zur Seppperation (1853), auch wohl noch etwas später, hatten Wehmanns [in Lehre] immer noch einen Wagen mit hölzernen Achsen ("hölten Wagen", sagte man). Sielen- oder Kummetgeschirre kannte man damals noch nicht. Und nur die Linienkuh hatte eine Leine am Horn, womit das Gespann geleitet wurde. Die Kühe spannten sie in ein "Jöök" [Joch], o[u]ngefähr so: Oben und unten ein Balken, o[u]ngefähr 6 bis 7 Zentimeter stark, die waren durch 2 ungefähr 40 Zentimeter hohe, ebenso starke wie vorhin Hölzer fest zusammengemacht, in der Mitte ein Ring kam beim Wagen auf die Stange und wurde da festgemacht. Beim Pflügen auf die Kette, auf jeden Ende ein Loch in den Balken, wodurch ein Stock gesteckt wurde, sobald die Kuh den Hals hier drin hatte. Die Kuh musste dadurch ziehen, das[s] sie mit der Schuft [Hüfte, Hinterbug der Zugtiere] oben gegen den Balken schob. Dann bekam die Lienienkuh eine Lienie um die Hörner befestigt, die andere jede einen Strick. Fertig war alles. Wenn vier angespannt wurden, so wurden die vordersten ebenso angespannt. Bei 3 bekamen die vorderste solch ein krummes Holz über die Schuft. Die Namen [der Kühe] waren meistens Swarte, Witte, Bunte, Steernig, Plätjen, Hartzen oder Ficks oder Luchs. [Folgt - hier nicht ausgeführt: Schunterlauf und Schunterhochwasser, die Bleiche; Die Zollstationen] Revolution wurde mit zwei Musikchöhren nach den Hondelberge gezogen. Da wurden Ackten verbrannt und Freiheit und Gleichheit gepredigt. [Folgt - hier nicht ausgeführt: Noch einmal: Feuersbrünste in Lehre; Selbstmörder aus Lehre] Die Flachsverarbeitung Hier war aueh eine grosse Bleiche. Der frühere Besitzer hies[s] Thies, nachher Stolze. Jetzt hat Herr Sannitätsrath Görtz das Grundstück gekauft. Da waren immer solche Felder zwischen Wassergräben abgetheilt, woraus das Leinen mit 37 Aus dem damaligen Königreich Hannover. Auch dort herrschte zu der in Frage kommenden Zeit allgemeine Schulpflicht. Dieser entzogen sich diese Schulkinder im Sommer durch einen derartigen auswärtigen Aufenthalt.

131 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 129 solcher Art schmaler Schaufel begossen wurde. Da konnten sie 20 Schritt mit hintreffen. (D)... mehrmals am Tage begossen und zwar mit Giesskannen oder mit der Hand aus Eimern geschöpft und übergespritzt. (A) Da lagen hunderte von Stiegen Leinen und Drell. Oben am Berge stand ein kleines Häuschen aus Fachwerk, dabei eine Hundehütte und weiter lings[!) noch ein Bretterhäuschen. Injeden Häuschen schlief des Nachts einer und [bei] jeder Hundehütte wurde des Abends ein grosser, wachsamer Hund angebunden. Die mussten das Leinen bewachen. Vor dem obersten Häuschen war eine Bank, da setzten sich die Blcicher nach Feierabend vor. Einer namens Uter konnte schön Guitarre spielen. Wir hatten einen Gehilfen, der ging des Abends auch oft hin. Der bli[ e]s Flauto [Flöte]. Dann spielten die beide zusammen. Das konnte man über das Dorf hören. Alle hörten zu. Nach einigen Jahren ging der Bleichbetricb mit Leinen immer mehr zurück. Da wurde noch einige Jahre baumwollen[es] Garn gebleicht. Zuletzt lohnte sich das auch nicht mehr und die Geschichte ging ein. In meiner Jugendzeit wurde viel Flachs gebaut. Jeder, auch der ärmste Mann, sah zu, das[s] er Leinsamen gesät bekam. Auch jeder Dienstknecht oder Dicnstmädgen hatte einen halben Himpten oder ganzen im Lohnkontrackt, was die betreffende Herrschaft für sie säen mussten. Auch hatte ein jeder einige Schafe. Und die Dienstboten hatten so und soviel Wolle mit im Lohnkontrackt. Die ganze Kleidung bestand meistens aus selbst gefertigten Leinen- oder Wollstoffe. Auch manchmal wurde bei des zusammen gewebt, so z. B. bei "Driekamm" ["Dreikamm"] oder "Fünfkamm". Hier will ich mal beschreiben, was der Flachs erst für Arbeit machte, ehe es[!] zu Leinen wurde. Zuerst ging es das Jahr vorher schon an, wo nächstes Jahr Flachs gebaut werden sollte. Das Land wurde mehrmals gepflügt und geegget, um das Unkraut zu vertilgen und auch [den Boden) locker und los zu machen. Auch musste gut gedünkt [!] werden. Im Frühjahr wurde das Land noch mehrmals gepflügt und geegget. Dann kam im Frühjahr ein Mann aus Braunschweig mit einer Leinenklapper (ein paar Meter langes, wohl beinahe ein Meter breites Sieb). Das wurde der Länge nach schräg gestellt, damit der Leinsamen darauf herunterlief. An den oberen Ende war ein hölzernes Rad mit ungefähr 1 Zoll langen Zähnen unter den Siebe. Wenn nun das Rad gedreht wurde, so fiel das Sieb von einen Zahn auf den anderen. Dadurch sprang der Leinsamen immer weiter nach unten. Der Mann fegte mit einen Federfiuig immer darüber hinweg. Ein solcher rein gemachter Leinsamen war goldrein. Wer selbst kein Land dazu hatte, wo er Leinsamen hinsäen konnte, liess sich bei einen Bauern oder auch auf einen der umliegenden Güter welchen säen. Das wussten die ganz genau, wieviel Land dazu gehörte. Das wurde bezahlt. Wenn der Samen aufgelaufen war, dann musste gegätct [= gejätet] werden. "Flass weihen", sagte man. Das dauerte manchmal ziemlich lange, wenn Unkraut drinn war. Wenn der Flachs reif war, musste er mit den Händen aufgezogen werden, in grosse Bünder gebunden und nach Hause gefahren werden.

132 130 Mechthild Wiswe Dann wurde auf der Scheun[ en ]diehle der Räppelbaum aufgeschlagen. Manche reichten von einer Wand zur anderen, wo in jeder Wand ein Loch eingestemmt war, wo drinn er befestigt wurde. Manche waren kürzer. Dann war nur in einer Wand ein Loch. Auf dem anderen Ende wurde was untergestellt, was auch so hoch war wie das Loch in der Wand. Und da wurde ein Baum unter den Balken und auf diesen Räppelbaum geklempt, damit es recht fest war. Sonst wurde [bei Abb.3: Arbeit am Räppelbaum der Arbeit] alles umgerissen. Dieser [Reppelbaum] kam ungefähr 1 Meter bis 15 [cm] hoch von der Erde. Auf diesen Reppelbaum waren mehrere Kämme, je nach der Länge 3 bis 6, von Eisen gemacht, angebracht, ohngefähr so [folgt Skizze eines Reppelbaums]. An jeden "Busch" [Gruppe Eisendornen] konnten 2 [Personen], einer auf dieser, der andere auf jener Seite [stehen]. Dadurch [d. h. durch den ReppeIbaum] wurde der Flachs mit den oberen Ende, wo die [Samen ]Knoten sassen, durchgezogen. Das nannte man FlachsreppeIn. Auf jeder Seite war hinter den Repplern ein langes Brett, ungefähr Stuhlhöhe, worauf sie den durchgezogenen Flachs legten. Hier wurden nun kleine Bund[ e] ("Boten" genannt) davon gebunden und vor die Thür auf einen Haufen geworfen, und wenn alles fertig war, auf einen Wagen geladen und nach der Rottekuhle gefahren. Jeder Ackermann hatte 2, die anderen jeder eine, wie ich schon früher gesagt habe. Da hinein wurde nun der Flachs gelegt und mit Steinen, Tubben und Fässern, [die] mit Wasser angefüllt [waren], beschwert, damit es ganz unter Wasser war. Am dritten Tage musste nachgesehen werden, ob es noch unter Wasser war, weil es nach 3 Tagen gern hoch kam. Dann musste es noch beschwert werden. So musste es 6 bis 8 Tage liegen, je wie das Wasser war. In weichen, fliessenden wurde es rascher, auch weisser. Darum wurde fliessendes Wasser vorgezogen. Nur durfte in öffentlichen Gewässern nicht gerottet werden, weil die Fische davon sterben. Wenn es genug hatte, wo drauf es untersuchte wurde, wurde es herausgezogen und hingestellt, damit es ablaufen konnte. Dann wurde es wieder aufgeladen und auf ein Stoppelfeld oder eine Wiese gefahren, mit der Hand dünn auseinander gebreitet ("Flassbreien" genannt), nach mehreren Wochen mit einer langen, glatten Stange oder "Spiele" umgewand[t], im Herbst eingefahren. Die Knoten ("Knutten" auf Platt), die bei dem Reppeln vom Flachs abgezogen waren, wurden auseinander geharkt, das längere Kram dazwischen herausgeharkt

133 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 131 und dann auf einem Ende der Droschdiele auf einen Haufen gebracht und nun "geworpt" (mit einer Schaufel recht weit und breit auseinandergeschmissen). Der das machte, musste immer egal schmeissen. Dann flog das Gute nach vorn, das Schlechte blieb zurück. Dann wurden die guten Knoten auf Laken gethan und auf egalen Plätzen, wo die Sonne schön hin schien, auseinandergebreitet und -geharkt, mehrmals umgeharkt, des Morgens heraus-, des Abends wieder hereingeholt, bis sie trocken waren. Dann wurden sie gedroschen und in Säcke gethan, was wieder gesäet werden sollte. Das andere wurde rein gemacht und von diesen Leinsamen wurde Leinöhl schlagen lassen. Das Kaaf wurde "Knuttenkaaf" genannt. Das wurde gefüttert. Im nächsten Frühjahr, wenn die Sonne recht warm schien, wurde der Flachs auf Fußwegen oder sonst auf glatten Boden auseinandergebreitet, damit er warm und trocken wurde. Dann wurde mit sogenannten" Träten" [es folgt eine Skizze 1 - ein ohngefähr 31 Zentimeter langes, 22 Znt. breites und 5 Znt. starkes Brett, welches die untere Seite der Breite nach rillenförmig eingekärbt war - der Flachs bearbeitet. Es gehörte eine gewisse Fertigkeit dazu. Das Brett musste immer gen au aufschlagen, sonst brach der Stiehl. So wurde im Tackte, wie beim Dreschen, zugeschlagen. A bb.4: Arbeit mit der Träte Abb. 5: Braken des Flachses (Arbeit mit der Handbreche) (B) Den Stiel musste man lose in der Hand haben. Wenn man hoch hob, waren beide Hände dicht zusammen, wenn man niederschlug, auseinander, so wurde im Tackte wie beim Droschen aufgeschlagen. (A) Hierdurch wurde das Einwendige, Holzartige etwas gebrochen und löste sich etwas die Umhüllung, das eigentlich Brauchbare. Wenn es fertig geträtet war, wurde es aus der Wärmde zusammengebunden und in einen Stall hübsch warm und trocken in Stroh verpackt, damit es warm blieb.

134 132 Mechthild Wiswe Wenn nun Zeit war, ging das Braken an. Meistens wurden einige Frauen zugekri[e]gt. Dann machte die Hausfrau "Risten" (eine nicht zu grosse Handvoll Flachs wurde mit beiden Händen in der Mitte gerieben), dann immer schräg quer übereinander gelegt. So bekam jede Frau einen Arm voll. Wenn der fertig war, mußte wieder welcher bereit sein. Die Frauen na[h ]men solche "Riste" und hielten sie mit der linken Hand auf die Braake. Diese Braake war aus guten, festen Buchenholz, das vordere und Hintertheil aus einen Brett. Oben waren 3 dünne Bretter eingefügt, von ein [ern] zum ander[en] hoch stehend, nach oben dünner werdent, beinahe wie Messer. Unten waren zwei runde Leisten, von einen Brett zum andern. Da wurde ein dicker Stein drauf gelegt, damit die Braake fest stand. Dann war am hinteren Brette oben ein Gegenstück befestigt. Das war zu zwei Messern ausgestämmt, ähnlich wie die 3 unteren. Diese oberen beiden fas[s]ten zwischen die 3 unteren. Am Ende war ein runder Griff, wo man mit der rechten Hand anfasste. Nun wurde mit der rechten Hand das obere Theil hoch gehoben, mit der linken Hand die "Riste" auf das untere Theil gehalten, dann mehrere Male fest zugeklappt und dabei die "Riste" immer mehr hoch gezogen. Hierdurch wurde das Holzige durchbrochen. Dieses wurde mehrere Male wiederholt. Dann wurde das obere Theil etwas fest auf die "Riste" niedergehalten und die "Riste" so mehrere Male durchgeschleift. Dann kam das andere Ende. 2 "Risten" wurden zusammen genomen und etwas gedreht, an einem Ende etwas umgeknickt, dann weggelegt, bis ein Schock zusammen war. Dann wurde es gebunden weggelegt. Was unten hinfiel, dieser Abfall, wurde "Scheewe" genannt. (B) "Scheewe", dieser Abfall wurde von Maurern gerne zwischen Lehm verbraucht. Früher wurde beim Bauen alles mit Lehm verputzt. Wo keine "Scheewe" zu haben war, welche sie am liebsten nahmen, dann nahmen sie Strohhecksei, etwas lang geschnitten. (A) Ein Hauptvergnügen war für die Frauen hierbei [beim Bracken], wenn sie einen von den Man[n]sleuten fassen konnten, den banden sie eine "Riste" um ein Bein oder Arm. Dann musste der etwas zum Besten geben, gewöhnlich süssen Schnaps. Wenn alles ausgebraakt war, wurde der Flachs geschwungen auf einen Schwingbock mit einen Schwingbrett [eingefügt eine Skizze]. Dieses Brett mit Handgriff war dünn und nach den Seiten noch dünner, fast wie ein Messer. Nun wurde die "Riste" mit der linken Hand über den Schwingbock (ein Brett, wie ich [es] oben gezeichnet [habe]) gehalten, da, wo ich das Zeichen gemacht habe, so das[s] sie über halb herüberhing, dann mit der rechten Hand mit den Schwinkbrett fest dran heruntergeschlagen, aber scharf, und dabei wurde die "Riste" immerzu gedreht, damit es allerwärts hintraf, dann das ander[e] Ende. Dieser Abfall konnte schon versponnen werden. Nach diesen wurde der Flachs "geriwwet" auf einen "Riwwebock" [eingefügt eine Skizze eines Rippelbockes] mit einen Riwweeisen. Dieser "Riwweboek" war oben gepolstert, mit starken Rindleder überzogen. Hierauf wurde die "Riste" breit auseinander gelegt, dann mit den "Riwweeisen"

135 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 133 (ein Stück Eisenblech, oben mit einen Holzgrif[f]) fest angerieben, damit sich die noch anhaftenden holzähnlichen Theile loslösten. Abb. 6: Schwingen d. Flachses Abb. 7: Arbeit am Rippelbock Abb.8: Hecheln des Flachses Abb.3-8: Zeichnungen von K. Porrmann aus Brigitte Dörte Becker: Vom Flachs zum Leinengarn. Braunschweig Nach dieser Arbeit wurde der Flachs gehechelt. Ein Hechelstuhl war ungefähr so beschaffen: In der Mitte auf den Brette waren eine Menge Stahlnadeln - ähnlich wie Stopfnadeln - befestigt. Das war eine Fläche beinahe einen Fuss lang und breit. Die Nadeln standen ziemlich dicht. Hierdurch wurde nun die "Riste" breit durchgezogen, mehrere Male, beide Enden von der Mitte an. Dann wurden keine Schocke mehr gebunden [vgl. oben]. Durch das Hecheln waren beide Enden ganz spitz geworden. Wenn solch' Theil fertig war, wurden die Spitzen zusammengedreht und zusammengebunden. Das nannte man "Knocken". Um Martini [ll.november] herum ging dann gewöhnlich das Spinnen an. Solcher "Knocken" wurde aufgelöst. Die eine Spitze von solcher "Riste" steckte sich die betreffende Frauensperson hinter das Schürzenband und breite[te] nun den Flachs auf ihren Schosse recht fein auseinander, mal nach links, mal nach rechts, eine "Riste" nach der andern, bis es genug war. Dann wurde dies alles auf einen Tisch gelegt, wenn einer zur Verfügung stand. Sonst musste es auf den Schosse gemacht werden und wurde nun auf ein sogenanntes "Wöcke1s [Wockenstab, eine Skizze eingefügt]" gewickelt, so daß die Spitze, die hinter den Schürzenbande gesteckt hatte, nach oben kam. Dann wurde in der Mitte ein Wockenblatt (ein [Stück] von Pappte]), gewöhnlich bunt bemalt, mit einen Vers dran, wohl 14 Znt. breit) herumgewickelt. Da herum kam ein breites seidenes Band, mit einer Nadel festgesteckt, oben an der Spitze ein kleines "Wockenblatt" mit kleinen seidenen Band. Das nannte man "Wocken", je strammer, je besser. Es gab verschiedene Spinnräder, längliche und hohe ("Klumpräder" genannt). Auch gab es welche, wo mit beiden Händen zugleich gesponnen wurde, auf zwei verschiedene Rollen. Bei den Spinnen musste auf die beiden Finger, die das Flachs aus den Wocken zogen zum Faden, aufgeleckt werden. Manche hatten auch ein "Stippeding" unter den Wocken, um das Auflecken zu vermeiden, ein aus Blech gemachter Behälter, wodrinn gewöhnlich "Werke" (welche sagen auch

136 134 Mechthild Wiswe "Waddicke", das Wässrige aus dicker Milch [= Molke)) drinn war. Da stippten sie hinein, um Finger und Faden feucht zu halten. Wenn die Rolle voll gesponnen war, wurde die zweite aufgesteckt. Zu jeden Rade gehörten 2. Dann wurde gehaspelt. Um solche Rolle egal [gleichmäßig] voll zu spinnen, musste nach hinten immer etwas höher [gewickelt werden] als der vordere [Teil]. Man musste alle Augenblicke aushaken oder weiterhaken. Wenn man ganz herüber war (bis hinten hin), ging es vorne wieder an. Wenn recht fein gesponnen war, so war auch jede Rolle ein Lopp, manchmal noch darüber. Wenn beide Rollen voll waren, wurde gehaspelt. Ein Haspel war ungefähr so [eine Skizze eingefügt]. 90 Mal umdrehen wurde ein Hundert gerechnet. Im Haspel waren 2 Räder angebracht. Die standen mit der Welle in Verbindung. Diese Räder waren mit Zähnen [versehen] und fassten ein ineinander, am untersten Rade [war] ein "Plock" [Pflock]. Wenn es ziemlich voll war, fasste der "Ploek" das obere Ende von einen Hammer. Je öfter noch umgedreht wurde, desto höher hob sich der Hammer. Nach den 90.Mal fiel er nieder. Dann klap[per]te es. Dann wurde das Hundert umbunden. Dann ging es weiter bis zu 10 Hundert. Das hiess ein Lopp. Bei Hedengarn (der Abfall beim Schwingen "grobe", der Abfall beim Hecheln "feine Hede") wurden nur 500 zusammengebunden. Gegen den Frühja[h]r, wenn das Spinnen vorbei war, hiess es, die Bleiche ist voll. Dann wurde das Garn ausgekocht. Es wurde ein Theil Asche (am liebsten buchen [Asche]) in den gros sen Kessel gethan, da soviel Wasser drauf gegeben, das[s] er ziemlich voll war. Wenn es kochte, wurde das Garn hineingesteckt, so das[s] es unterkam und so eine Weile gekocht. Wenn es fertig gekocht war, wurde es herausgenommen und in reinen Wasser, am liebsten Flusswasser, tüchtig abgespült und auf "Ricke" (lange Bäume) gehängt zum Trocknen, wobei es oft und tüchtig um geschüttelt und "gezockt" [gezogen] wurde. Nun wurde bestimmt, wie breit und was daraus werden sollte, ob Leinen zu Hemden, Laken oder Drell oder "Heeden" in "Flessen" (halb ein, halb ander) oder ganz "Heeden". Darnach wurde berechnet, wieviel Lopp zum Scheergarn [für die "Kette" des Webstuhles] gehörten und wieviel zum Einschlagen. Das "Scheergarn" wurde auf grosse Spulen aufgespult. Die meisten wussten ganz genau, wieviel daraus wurde. (B) Da hicss es, das soll so und so breit werden, dann gehört so und soviel zum Scheeren u[nd] so und soviel zum Einschlag. Und wer es nicht wusste, der frug den Leinweber. (A) In manchen Gegenden webten auch die Frauen und Mädchen selbst, sonst die Leinweber. Wir beiden, mein zweiter Bruder und ich, wir mussten jede Woche 2 Löppe spinnen, trotz der langen Schulzeit bis 12 Uhr mittags und Schreib- und Rechenstunde 4 mal wöchentlich und Musik üben. Wenn das Leinen fertig gewebt war, wurde es "gebükt": Ebenso wie das Garn ausgekocht. Dann wurde es g[ eb ]bleicht: Auf Rasen ausgebreitet, an Enden mit Bänder versehen und mit Holzpflöcken fest stram[m] gesteckt, dann mehrmals

137 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 135 im Tage begossen, jeden Morgen hingezogen, jeden Abend aufgezogen und zu Haus gebracht. (B) Wenn das Leinen fertig gewebt war, wurde es "gebükt"( in einen grossen Kessel gethan, wo wieder Holzasche hineingethan war wie beim Garnauskochen). Dann wurde es gebleicht, auf Rasen ausgebreitet... Auch wurde wohl Drell zu Tischlaken oder Handtücher gewebt. Auch gab es Leinweber, die Bundzeug [d. h. gemusterte Stoffe] weben konnten, auch Zeug zu Röcke oder Hosen, was man "Driekamm" [Dreikamm ] oder "Fünfkamm" nannte, je nachdem, was für ein Kamm genommen wurde. Auch wurde für die Frauen gestreiftes Rockzeug gewebt, meistens gestreift, auch "Fünfkamm". (A) Zu Drell zu Tischlaken und Handtücher hatten sie verschiedene Muster. Zu Drellsäcke mit einen oder 2 blauen Streifen war das Garn, was die Streifen bildete, vorher gefärbt. Das Leinen zu Bettüberzügen wurde nachher gefärbt, wenn sie fertig waren. Zu Röcken aus "5 Kamm" wurde das Garn vorher gefärbt. Die Dienstboten bekamen alle ihr Theil Land, wo sie Flachs drauf ernteten. Das war gleich mit im Lohne. Der Mord an dem Hopfenhändler Johann Stootmeiste,-38 In den 60ziger Jahren im vorigen Jahrhundert wurde hinter Lehre nach Flechtorf zu beim sogenannten Zuckerpfuhle ein Hopfenbauer aus Gardelegen namens Stobmeister oder Staubmeister tot geschossen. Der Mann war ziemlich bekannt hier, weil er öfter durchkam mit seinen Hopfenwagen und immer so beredsam und freundlich war. Der hatte wieder Hopfen nach Braunschweig gefahren mit seinen Wagen. Dort spannte(r) er im Stadt Salzwedel, Gastwirtschaft Fallersleberstrasse, aus. Da hat er den Holzhändler Pop pe und Fritz Bäse von hier getroffen. Die sind beide mit ihm hierher gefahren. Er hat in der Wirtschaft etwas getrunken, so das[s] er recht vergnügt gewesen ist, mehr nicht, hat aber leider auch erzählt, das[s] er in seiner Geldkatze (die er um den Leib trug, wie es früher Sitte war) 700 Thaler baar bei sich hätte. Hier in Lehre sind sie noch mal bei Gastwirth Lohsen eingekehrt. Da hat er noch "Ade, Bruderherz" zu Poppe gesagt und ist allein weitergefahren. Mein Vater ist am selbigen Abend in Flechtorf in der Gastwirthschaft bei Hering gewesen, wo dieser Hopfenbauer bei all' seinen Fahr[t]en übernachtete. Auf einmal kommt jemand herein und sagt, so ziemlich gegenüber stände ein Fuhrwerk. Wie sie herauskommen, ist es diesen Hopfenbauer sein Wagen, und er liegt, von hinten in den Kopf geschossen, tot darinnen. Das Geld ist weg. Weil er da immer übernachtet hat, sind die Pferde nicht weitergegangen. Dies ist bis heute noch nicht heraus, wer das gethan hat. 3, Es handelt sich um den Hopfenhändler Johann Stootmeister aus Cassick bei Gardelegen in der Altmark, der am bei Lehre ermordete wurde; vgl. dazu Paul PESSLER, Aus verlorenen Braunschweigischen Strafprozeßakten. In: Braunschweigisches Magazin. Jg. 13 (1907), S. 103 ff. Der Mordfall wurde nie aufgeklärt. Noch in der letzten Zwisehenkriegszeit wurde ein bestimmter Mann aus Lehre dort als Mörder angesehen. Er soll zur MordsteIle auf einem Abkürzungsweg gelangt sein und dadurch seinem Opfer dort haben auflauern können. Den Untersuchungsbehörden gegenüber wurden allerdings diese Vermutungen und bestimmte Indizien verschwiegen.

138 136 Mechthild Wiswe [Folgt- hier nicht ausgeführt: Mehrere Unglücksfälle mit Todesfolge]. Die sagenhafte Überlieferung über ein Stein kreuz Hinter dem sogenannten Kuhlager im Wo[h]lde stand vor der Sepperation ein steinern[es] Kreuz. Schulze im Mühlenwinkel hat damals den Plan gekriegt, wo es drauf stand. Jetzt hat H. Rüscher den Plan gekauft. Davon wurde erzählt, da hätte einer namens Uhlenhaut oder Uhlenhut das Vieh gehütet. Da wären mehrere Kosacken [während der Napoleonischen Besatzungszeit] gekommen. Die haben das Vieh rauben wollen. Er hat sich aber so tapfer gewehrt, das[s] er mehrere tod geschlagen hat. Die anderen sind weggelaufen. Er selbst hat aber soviel dabci gckri[e]gt, das[s] er auch gestorben ist. Das Vieh ist aber gerettet. Welche wollten sogar behaupten, das Standbild an der Nordweeite unserer Kirche sollte er sein. In die Höpersche Gastwirthschaft soll er hinein gehört haben. Die Anrede von Kindern und Dienstboten an ältere Leute Früher war es fast überall Mode, das[s] die Kinder zu ihren Eltern, auch zu älteren Leuten "Jie" ["Ihr"] an statt "Du" oder "Sie" sagten. Auch die Dienstboten und sonst junge Leute sagten "Jie". Auf einigen Ortschaften sagten sie sogar "Hei" ["Er"] anstatt "Du" oder "Jie" oder "Sie" zum Vater oder älteren Männern, zu den Frauen [wurde] meistens "Ütt" ["Es"] gesagt. Die Teuerung von 1847 Im Jahre 1847 war eine Teurung, so das[s) der Himpten Roggen über 3 Thaler kostete und der Himpten Kartoffeln 1 Thaler 8 Ggs [Gute Groschen] (4 Mark) kostete. Das war eine schwere Zeit. Aber das[s] wer verhungert wäre, hat man nicht gehört oder das[s] der Staat eingreifen musste wie heutzutage gleich geschrieen wird, war keine Rede von. Damals machte jeder Arbeit, was er für welche kriegen konnte. Und wenn er mal weniger verdiente, so tat er es doch. Heute ist das leider anders. [Folgt - hier nicht ausgeführt: Das elterliche Grundstück und die Nachbarn]. Schlachtefest und Vieh handel In den früheren Jahren schlachteten fast alle im Herbst ein Rind oder Ochsen oder Kuh. Frischfleisch war selten zu haben. Von dem Fleisch wurde einiges geräuchert, einiges zu Metwurst mit fetten Schweinefleisch vermengt und welches in Sauer gekocht. Das andere wurde in einen Tubben eingesalzen. Solche jungen Thiere waren damals billig zu haben. Die Umgegend vom Drömmiing J9 und Barnbruch 40 züchteten viel Vieh. 39 Moor- und Sumpfgcbict nordöstlich Lehres beiderseits der Grenze zwischen dem Land Braunschweig bzw. Lüncburg und Brandenburg. 40 Barnbruch, Moor- und Sumpfgebiet südöstlich Gifhorns.

139 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 137 Hier in Lehre war trüher ein berühmter Viehmarkt oder auch [in] Vorsfelde. Da kostete solch' anderthalb- bis zweijähriges Rind oder Ochse 16, 18 bis 20 Thaler. Die wurden denn noch 6 bis 8 Wochen gefüttert. Dann waren die fett. Ich trug mal einen aus Bra[c]kstedt, welcher 2 Rinder hier auf dcm Markte hatte, was er haben wollte für ein Rind. Da meinte er: "Ja use Vader hat 'esegt, 20 Dalcr schall ick fodern, un vor 18 Dahler schöll ick se vorköpen." [Folgt - hier nicht ausgeführt: Gcwitter und Hochwasser 1861; Gewitter und Hochwasscr 1891; Aufgabe von Bauernhöfen seit der Separation]. Beispiele für soziale Spannungen und finanzielle Ursachen dafür 1889 oder 1890 spiclen wir in Obersickte einen Sängcrball, so um den 6. Januar herum. Es wird wohl 1890 gewesen sein. Ich war dort in Sickte fast wie zu Haus[ e]; denn wir hattcn dort bereits 27 Jahr[ e] gespielt. Da ich kein Freund von Bicr trinken bin, trank ich überall, wo wir spielten, so nach Mitternacht eine Tasse Kaffee, so auch hier. Ich gab meine Geige dem Chorältesten und sage, sie möchten weiterspiclen, ich wollte Kaffee trinken, gehe gleich in der Küche vor und bestelle und gche in die Gaststube. Kaum bin ich drinnen, so kömmt der Gemeindevorsteher mit seiner Frau und noch 5 Bauern mit ihren Frauen, wollen auch Kaffee trinken. 0, war das ein Lachen und Scherzen, wie es bei solchen Vergnügen wohl meistens ist, wenn alle in guter Stimmung sind. Ich musste mich gleich mit an denselben Tisch setzen. Auf einmal kommt der 2. Lehrer herein. Lippmann hies[s] er, ein ganz junger Mann, ob noch Semnarist oder ob 's die erste Stelle war. (B) Der stellt sich an unsern Tisch und fängt an von der Reichstagswahl. (A) Alles ist stumm, alles Lachen und Schwerzen ist vorbei. Keiner von dcn Herren wagt ein Wort zu sagen. [Es folgt - hier nicht ausgeführt: Probleme beim Kirchen- und Schulneubau Die wirtschaftliche Situation der Pastorenfamilie aus der Sicht Carl Schulzes; Ein Vergleich der Schulhäuser und Lehrerwohnungen in Lehre und Sickte bei Braunschweig; Probleme mit der Zichoriendarre; Bau- und Grundstücksstrcitigkeiten; Gewerbcpolizeiliche Auflagern für das "Musikgeschäft"; Wüstungen sowie Wegerechte und Streitigkeiten über diese; Folgen der Regulierung der Schunter und andercr Gcwässer; Benachteiligungen durch die Separation und dcn Wegebau; Aus der Gemcindeverwaitung; Jagdrechte und Jagdgesetz; Wegebau und Wegebesserung; Tabclle der Neubauten nach der Separation].

140 138 Mechthild Wiswe Besonders alte Tänze Hier wollte ich noch einige originelle Tänze von ganz früherer Zeit anführen: [Nr.] 1 "Ficksierwalzer" t~ * 1. FirS.i~r~a~ze.r...I.. _ ~ SL i kam _:1_~tt$l!p?Mt1tllSEpJtJMt11 ; j, 7 )1 J J p, I, 1 f pi' l~ I - I - I Während den Pausen [der Musik] tanzten alle weiter. Es kam nun aber auch vor, das[s] es sich gerade so traf, das[s] der Vortänzer 2 mal herum war, wie ich schon früher beschrieben habe, und wir gar nicht wieder anfingen. Dann tanzten manche noch eine Weile weiter. Manchmal blies oder spidte einer in den Pausen. Nr. 2 "Zeige Schottisch" JI-" J- HnjJili tjlhai.lj ttjh ] Kr. ~ze~ge sohott.isch ~ _ ~ ~i#jj tpiu3iluru*jlu! Gil i117 ;1 /',,- ~ _. Mi den FUsschen trap trap rap mit den Händen klap klap ap -1-<1- j"'", ~ '\\ I~ i I t 111 h i' U \;UJ I; 7 i) Dieser erste Theil wurde "Schottisch" oder "Polka" getanzt, beim 2ten Theile standen sich die Paar[e] gegenüber. Beim 2ten Tackte traten alle 3mal zu, , beim 4ten Tackte klappten alle 3mal in die Hände, beim 5ten Tackte drohten sich beide mit den rechten Zeigefinger, beim 6ten mit den linken, bei den letzten beiden Tackten tanzten beide, jeder um sich selbst: Einmal rechts herum, bei der Wiederholung links [her]um. t?-r 1 I± k;;t,\tj LJ I', " I ti Wer mitwill nach Amerika, die schifferleute ~ j ~;;;f -.- ~ ~ ~ 11;[ Itt *JI, '1 I sind schon da, jetzt geht die Reise an. jetzt (li 1:::j t 'I, HIG,JIUtItl1(u 1 p' JiJ i geht die Reise an. " I', I

141 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 139 Bei diesen Tanze hatte jeder seine Dame an der Hand. Denn tanzten beide auseinander im "Schottischtackt" und wieder gegeneinander, immer Auf ~ und Rei und an [Unterstreichungen im Original], auf diese drei Silben sprangen beide mit beiden Füssen zugjcich einmal von-, einmal gegeneinander. Der letzte Theil wurde wie "Schottisch" oder " Polka" getanzt. Lehrstücke für das Geigenspiel Wie uns unser Vater das Geigenspic1en beibrachte: Die ersten beiden Tänze: Dat du ~ Schätschen b ~at du VIi, 9 wist I. ~', I' Lj, I,, I Abend kumm diesen Abend, bring mik Be-.~ L:= '1 q, IJ I I~ scheid kumm dicssen Ab6n~ bring mik Bescheid. f ~ 1j 75 tri? J \ 1 j 1 I 1 j \', I t~, I Ich bin mein Vater sein bestes Kind wenn andre, j, I jj.1i' j 111, j, 11 j tl, j, n19hl~zuhaq..se sind, bin sein MädChen~ I ~I'jjl" Rädchen 11' jj lü dreh sein [Es folgt - hier nicht ausgeführt: Beispiele für ungerechtfertigte Vorrechte der Bauern - Streit um verflogene Hühner; Unterschiedliche Behandlung von Mitgliedern des Raiffeisenvereins]. Die Ackerflur nach der Separation Bei der Sepperation 1853 wurden die [Acker-]Pläne erst Mitte October angewiesen, sodas[s] es sehr spät wurde mit der Saatzeit. Die ersten Jahre gab es sehr viel Arbeit. Alle Wege und Gräben mussten gemacht werden. Fast alle Stücken Land mussten einigermassen gerade gemacht werden, weil es jetzt eine andere Lage bekam, und die Stücke früher so hoch getrieben waren. Die Leute glaubten,

142 140 Mechthild Wiswe sich dadurch vor Nässe zu schützen. Nun ging es oft auf einmal ganz quer. Da mussten die Furchen zum Theil erst voll gefahren werden, ehe es gepflügt werden konnte. Mein Vater hatte von Wolter 4, Morgen an Löpner an Poppe herunter gepachtet. Da haben wir erst viel anwenden müssen, ehe das brauchbar wurde. Wir selbst haben lange dran gearbeitet. Und dann hatten wir noch einen namens Koch mit seinen beiden Söhnen (Harzer) lange Zeit mit zu. Und Onkel Brandes musste längere Zeit Erde fahren. Da ging ein Weg quer durch und der Mclkesteig eine lange Strecke drinn herunter. Da standen Domen und Brombeerbüsche drann herunter. Überhaupt standen früher viel Kopfstuken und Büsche im Felde herum. Es liegt aber heute noch viel, was mehr einbringen könnte, wenn es ordentlich zurecht gemacht würde, namentlich Wiesen. [Es folgt - hier nicht ausgeführt: Probleme mit dem Schunterlauf]. Die Auswirkungen sozialer Unterschiede auf die Dorfgemeinschaft und auf den bäuerlichen Haushalt in neuerer Zeit Bis 1848 ging alles eins in die Jungen Gesellschaft. Nach 1848 ging es bei kleinen an, das[s] die [Handwerks]gesellen mehr sein wollten als die Knechte [der Bauern]. Und es gab hier früher viel mehr Gesellen als heute. Da waren einige Tischlermeister und Schneider- und Schustermeister, die jeder mehrere hatten usw. Die bildeten nun einen Verein, nach deren Zusammenkünften und Vergnügungen keine Knechte zugelassen wurden. Nun wollten die Knechte aber auch wieder keine Gesellen zwischen sich dulden. Dann gab es Streit und Schlägereien. Wenn die Gesellen Ball haben wollten, luden sie sich Mädchen dazu ein. Die sollten nicht hin. Das wären den Knechten ihre Mädchen. So ging die Streiterei immer mehr lange Jahre hindurch, ehe sich dies einbürgerte. Wieviel Vereine und Parteien giebt es jetzt? Wenn zwei zusammenkommen, bilden sie einen Verein. Auch Zucht und Ordnung herrschte früher viel mehr. Bei Vergnügungen und Zusammenkünften galten die ältesten Knechte. Die hielten sehr auf Ordnung. Die jüngeren durften sich nicht muksen. In den Häusern ging auch allcs seinen geregelten Gang. Die Herrschaft kam zuerst. Dann ging es nach dem Alter. Ich hätte mögen keinen rathen, den Älteren vorzugreifen, ob beim Essen oder sonst wo. Der hätte gleich ein paar Maulschellen [bekommen], das[s] es man die Art hatte. Gesprochcn wurdc da nicht lange. Auch vorher sprechen durften sie nicht, womöglich nicht mal mit einsprechen, und wenn es die eigenen Kinder waren. Da hiess es gleich: "Du kannst spräken, wenn sik dä Handauk röget." Auch rauchen durften solche junge Leute nicht, sonst wurde ihnen gleich die Pfeife oder Cigarre aus dem Munde geschlagen. Auch bei der Arbeit ging der Grosspänner oder erste Knecht voran. Die anderen mussten folgen. Die Grossspänner sorgten so, als wenn es ihr eigen war, das[s] es was schaf[f]te, wenn auch die Herrschaft nicht da war. Da hiess es auch bei allem: "Dat is use", und nicht wie heute: "Das gehört unsern Herrn oder Bauern." Auch suchten die Dienstboten eine Ehre darinn, recht lange bei einer Hrrschaft zu blei-

143 Erinnerungen von Carl Schulze in Lehre 141 ben. Auch passten die Grossspänner darauf, das[s] es beim Essen ordnungsmässig zuging, wenn die Herrschaft nicht da war. Da konnte sich ein jeder satt essen. Aber nicht, wie es manche möchten, mehr Fleisch oder Wurst oder dergleichen wie Brot essen, auch nicht zu dick aufschmieren. Seitdem die Herrschaft in vielen Häusern ihr Zimmer allein hat und die Dienstboten sich allein überlassen sind, taugt es nicht mehr. Wir haben dies zuerst gefunden in Lauingen Ausgang der sechziger und Anfang der siebzieger Jahre im vorigen Jahrhundert. Da hatten die Herrschaften einen Gesangverein gegründet. Die hatten im Sommer 2 Tage Gesangfest und im Winter 2 mal Ball mit ihren Söhnen und Töchtern. Und wer etwas mehr sein wollte, die feierten in der Gastwirthschaft bei Baumgarten, die anderen bei Bokmann. Da wir bei beiden spielten, habe ich das genau beobachtet. Da konnte man sehen, wie ruchlos die letzten waren. Ganz allmählich ging das auf andere Dörfer über. Schon seit längeren Jahren schickten manche Eltern ihre Söhne nach der Stadt auf Schule. Diese zeichneten sich meistens aus als eingebildete, ungebildete, protzenhafte Patrone, denen nichts heilig war, ihre Mitmenschen, ob Alt oder Jung, mit Missachtung behandelten, schon tüchtig trinken und rauchen konnten und zur Arbeit keine Lust hatten und glaubten, das nicht nötig zu haben. Die Taschen voller Geld. Meistens waren die Eltern noch stolz auf ihre Herrn Söhne, wenn die sich so aufspielten und vor alle her sprachen, bis sie grösser wurden. Dann mussten die Eltern selbst darunter leiden und gehorchen. Bei gros sen Oekonomen geht das noch. Aber bei mitlern Höfen wäre es manchmal nötig, mit zuzufassen. Aber da sind sie zu verdorben. Dadurch ist schon mancher schöne Hof verloren gegangen. Es ist nicht gut, wer in den Klub der Arbeitsscheuen gehört, und noch schlimmer, wenn das Trinken dazu kommt «Bleistiftzusatz - wie oben - sehr richtig! H. D[eume\and])). [Es folgt - hier nicht ausgeführt: Ein Jagdunfall; Stellvertreter für den Militärdienst]. Von den Lehrlingen der Musikkapelle Wie mein Vater sein Musikcohr [Musikcorps] gegründet hat und Lehrlinge angenommen hat, war es Sitte, das[s] die Lehrlinge 4 Jahre lernen mussten und alle Jahr 10 Tha\cr Lehrgeld bezahlen mussten. Wenn die Eltern das nicht konnten, musste der Junge 5 Jahr[e] lernen, damit lernte er sich frei. Ausserdem mussten die Eltern dem Jungen ein Bett, Brot und Zubrot halten. Das war für die Eltern so gut wie für den Jungen schwer. Ich weis[s], das[s] mein Vater einen aus Isenbüttel und einen aus Dannenbüttel hatte. Die holten sich alle 14 Tage was [zu essen]. Der eine hatte zwei Beutel, der eine hing nach hinten, der andere nach vorne über die Schulter. Der andere hatte einen Beutel und zwei Kiepenstricke drann. [Es folgt - hier nicht ausgeführt: Private Schunterregulierungen und ihre negativen Folgen; Fälschliehe Anmahnung der Bezahlung von Rechnungen; Unklarheiten im Hinblick auf die Nutzung einer Reihewiese].

144 142 Mechthild Wiswe Schafhaltung und Wol/verarbeitung Wie ich schon geschrieben habe, war hier früher eine Gemcindeschäferei. Fast ein jeder hatte einige Schafe. Diese Schafe wurden so um Johanni herum gebadet und, wenn sie wieder trocken waren, ab[g]eschnitten oder gescheert. Damit hatte fast jeder soviel Wolle, wie sie brauchten. Selbst die Dienstboten bekamen ihr lbeil. Zeug wurde wenig gekauft. Fast alles, was die Leute brauchten an Zeug, war selbst Gesponnenes und Gewebtes. Reinwollenes, halb Wolle, halb Flachs, auch nur Flachs. Das hielt lange. So gegen den Herbst kamen 2 Gebrüder namens Reihn, die kämmten die Wolle. Die wurden Wollkämmer genannt. Solche Wolle liess sich gut spinnen. (D) «Das folgende mit Tintenstift geschrieben:» Diese Wollkämmer hatten zu Haus Frau und Kinder, auch ein eigenes Haus und Land und Vieh. Das besorgten denn die Frauen mit den Kindern; denn die Wollkämmer hatten hier und in der Umgegend so ongefähr ein halbes Jahr zu thun. Die erzählten gut, so das[s] wir als Kinder oft stundenlang dabei sassen. (A) Die das Geld für Kämmenlassen, nicht ausgeben wollten, hatten solche Wollekratzer: zwei Bretter, wohl 1 Fuß breit und 3 Centimeter dick, die eine Seite mit lauter Haken von Drath besetzt, auf der anderen Seite ein Stiel dran, der etwas nach oben stand. Mit diesen Kratzern wurde Wolle nun tüchtig bearbeitet und auseinandergerissen. Aber so fein wurde sie doch nicht. Welche Wolle wurde wohl vor dem Kämmen gefärbt und beim Kämmen weis se zwischen gekämmt. Die für die Frauen zu Röcken verwebt werden sollte, wurde meistens nach den Spinnen gefärbt und gestreift oder wie 's [gewebt] werden sollt[e]. [Folgt - hier nicht ausgeführt: Missachtung der Eltern durch ihre sozial aufgestiegenen Kinder; Scheinbare finanzielle Ungerechtigkeiten zwischen Beamten, Arbeitern, Handwerkern, Altenteilern und Pensionären]. (A) Inhalt nach der Handschrift A Seiten angaben des Originals Bis Seite 31 über Musik und Festlichkeiten, 32 bis 35 über Spinnstuben, von Seite 36 bis 41 Fastnachten, von 42 bis 59 Hochzeiten, von Seite 60 bis 63 die früheren Hausnummern, 64 Feuer von 1840 bis 1845,65 Wegeverhältnisse und Viehausreiben bis Seite 72, von da die Flurnamen, von 73 Beschreibung der Höfe und Häuser, 76 die alte Krugreihe, 77 die Vertheilung des Wo[h]ldes, das Gut Campen, Rainshagen, 78 der Fussweg nach Brunsrode, das Lehrsche Gemeindeholz, die Teiche und was den Brinksitzern und Anbauern weggenommen ist, 81 die Rottekuhlen, 82 die Kothsassen und ihre Bespannung, R4 frühere Bleicherstellen und Wasserverhältnisse, 88 Schlagbäume und Schosseegelderhebung, 89 Steuerofficianten, 1848 Freiheit- und Gleichheitfeier, 90 Feuerbrünste, 92 Selbstmörder, 94 Bleichbetrieb, 96 Flachsbau, 111 unaufgeklärter Mord, 113 unaufgeklärter Unfall, 116 Unglücksfälle, 120 Kreuz, 121 Anrede älteren Leuten gegenüber,

145 Erinnerungen von earl Schulze in Lehre 143 Theurung, 122 wie mein Vater zu solch grossen Grundstück gekommen ist, 125 Viehpreise, 126 Überschwemmung und Hagelschaden, Grabenverlegung, 132 Höfe und Veränderungen, 136 Auftreten junger Lehrer, 140 Sitzung zur Berathung wegen Neubau der Kirche, 146 unsere Einsprache gegen den Bau der Cichoriendarre, 154 wegen der Feldscheune, 156 meine Klage gegen Funke und Schmidt, 180 wegen Gewerbeschein, 184 Klage wegen den Weg im Rainshagen, hierzu gehört noch Seite 266 bis 268, 194 Klage wegen Graben in der Holzriede, 198 der Weg hinter Backhause bis zur Wo[h]ldstrasse, 200 über Gemeindeverwaltung, betreff Wege und über das Holzabfahren und Grandfahren, 205 der Weg am Campstieg herunter und hinter Lohsen Scheune, 206 unser Jagdgesetz, 210 der Weg üher die Hondel, 212 die sich nach der Sepperation angehaut hahen, 217 die Anrede älteren Leuten gegenüber, 218 alte Tänze, 222 Einbildung mancher Bauern, 224 über Raiffeisenverein, 235 vor der Sepperation und jetzt die Möglichkeit, die ltberschwämmungsgefahr[!] zu mildern, auch, wo die frühere Neueteichbrücke war und der Hauptgraben zog, 238 über Zucht und Ordnung der früheren Jugend, 242 Treibjagd im Fuhren, 245 Verjährung, 246 Früher galt, sich einen Stellvertreter kaufen, 247 über frühere Lehrlingsverhältnisse, 248 über Wasserverhältnisse in der Schunter, 251 die Cichoriendarre im Dorfe, 259 Rechnungen aufbewahren, 262 die Reihenwiese im alten Teich, 264 Gemeindeschäferei, 266 Zu Seite 184 bis 193, 269 wenn Ältern den Kindern im Wege sind, 272 etwas über Beamtenpensionen, 276 Beamtenbesteuerung. Braunschweigische Masse und Gewichte nach dem Gesetz vom 30. März Elle 1 Feldrnorgen = 120 Ouadratruten 0,5707 rn 25,018 a 1 Fuss 285,3 rnm 1 Gebind(e) = 90 Faden192,20 m 10 Gebinde = 1 Lop (Garnrnasse) 1 Haspelfaden = Ellen (Garnrnass) 2,14 m 1 Hirnten 31,1451 (Hohlrnass f. Früchte) 1 Lop = 10 Gebinde 1926,20 m Plural Lö(p)pe, (Garnrnass) 1 Lot 14,616 g 1 Mandel 15 Stück 1 Pfund = 32 Lot 467,711 g 1 Ouadratrute 20,846 qrn 1 Rute 4,565R m 1 Schock 60 Stück 1 Stiege = 20 Ellen 11,414 m (Längenmass für Stoff bestirnter Breite) 1 Zoll 1,981 rnrn

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147 Die Magnigemeinde zu Braunschweig im Kaiserreich und in der Weimarer Republik Zur Entstehungsgeschichte eines Denkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges von Rainer Maaß 18 Jahre lang, zwischen 1926 und 1944, befand sich in der Magnikirche zu Braunschweig ein Ensemble, dem der Kirchenvorstand und ein Großteil der Gemeinde einen sehr hohen Stellenwert beimaßen. Es handelte sich um das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, die aus der Gemeinde stammten. Zunächst war es meine Absicht, allein der Geschichte dieses heute völlig vergessenen Denkmals nachzuspüren. Dabei verblüffte mich allerdings zweierlei: Zum einen versuchte der Kirchenvorstand mit einer Hartnäckigkeit sonder gleichen, in einer wirtschaftlich äußerst schweren Zeit die Planungen zu realisieren. Zum anderen wurde für das Gedenken an die Gefallenen der zentrale Platz einer Kirche ausgewählt, nämlich der Chorbereich hinter dem Altar, welches bei kirchlichen Gefallenendenkmälern selten war. Warum war dieses Ehrenmal eine solche Herzensangelegenheit für die Repräsentanten der Kirche? Ich erweiterte meine Spurensuche, um in den seit 1852 geführten Kirchenvorstandsprotokollen und anderen Archivalien Hinweise zu finden auf das Gemeindeleben, auf politische und theologische Meinungen, die auf das kirchliche Leben an St. Magni seit dem Kaiserreich wirkten, auf die Aktivitäten der Pastoren, der Kirchenvorstände und der Gemeindemitarbeiter. In der folgenden Detailstudie werden somit die Voraussetzungen erhellt, die zu der Errichtung des Ehrenmals führten. Um es vorwegzunehmen: eine grundlegende Voraussetzung war die Vorherrschaft einer kirchlichen Strömung unter den Repräsentanten der Gemeinde, der Orthodoxie, und deren Koalition mit dem politischen Konservatismus Unter den Pastoren Clemen und Lerche verliert die Kirche an Autorität trotz ihres Engagements in der Inneren Mission. Die Gemeinde driftet auseinander. Während der langen Wirkungszeit der Magnipastoren Rudolf August Lerche l ( ) und Adolf Carl Clemen 2 ( ) stellte sich für die Geistlichen 1!l Vgl.: Johannes BESTE, Album der evangelischen Geistlichen der Stadt Braunschweig, Braunschweig 1900, S. 25; Ernst BRUTZER, SI. Magni Gedenkbuch Braunschwcig 1931, S. 73 f.; Stadtarchiv Braunschweig (im folgenden: StABs], H VIII A Nr Vgl. den Artikel "Clemen" in: Horst-Rüdigcr JARCK, Günter SCHEEL (Hrsg.), Braunschwcigisches Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert. Hannover 1996, S. 123 f.; BESTE,

148 146 RainerMaaß und den Kirchenvorstand eine zentrale Frage: Wie reagieren wir auf die Auswirkungen der Industrialisierung im Gemeindebezirk, speziell auf das Bevölkerungswachstum, die kirchenkritische Haltung eines Großteils der Sozialdemokratie und auf die zunehmenden sozialen Unterschiede in der Gemeinde? In den Städten des Braunschweigischen Landes hatte der Gottesdienstbesuch zwar bereits seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts als eine Folge des Rationalismus deutlich abgenommen, aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkte sich dieser Trend 3 Die Magnigemeinde war hiervon nicht ausgenommen ist im ProtokoJlbuch des Kirchenvorstandes die Rede von einer Gleichgültigkeit gegen Religion überhaupt und von einem "Kaltsinn gegen das kirchliche Leben", das ein Gefühl der Isoliertheit und Schwäche erzeuge und durch die soeben eingerichteten Kirchenvorstände beseitigt werden sollte 4 Im Südosten der Braunschweiger Innenstadt gelegen zählte die Magnigemeinde seit dem Mittelalter zu den ärmsten der Stadt, noch 1847 wurde sie als solche bezeichnet s. Vor dem Magnitor und dem Steintor breiteten sich zu jener Zeit noch zahlreiche Gärten aus, manche davon Kirchenländereien, die verpachtet waren. Die Bevölkerungsstruktur der Gemeinde war vor der Bebauung des östlichen bzw. südöstlichen Ringgebietes, die seit 1865 kontinuierlich voranschritt, vornehmlich kleinhandwerklich geprägt. Die Charakterisierung als arme Gemeinde konnte um die Jahrhundertwende allerdings nicht mehr aufrecht erhalten werden. Wohlhabende Bürger ließen sich beispielsweise in der Adolfstraße und Wolfenbüttcler Straße nieder, errichteten repräsentative Domizile und brachten auch der Gemeindekasse von Magni einen reichen Zugewinn. Aber zeitgleich verschärften sich die Einkommensunterschiede. Einer großbürgerlichen Schicht stand auf engem Raum eine proletarische gegenüber, die unter anderem in den Konservenfabriken der Stadt ihrer Arbeit nachging. Im Gemeindebereich fanden sich diese neuen Fabrikansiedlungen vor allem in der Bertram-, Gerstäcker- oder Leonhardstraße 6 Auch die Betriebe von VoigtIänder & Sohn in der Campestraße und von Büssing in der Elmstraße, seit 1928 Heinrich-Büssing-Straße und ab 1961/62 Heinrich-Büssing-Ring, lagen in der Nähe der Magnigemeinde und bewirkten einen Zuzug von Arbeiterfamilien. Mit dem Verkauf von Kirchenländereien an die Braunschweiger Baugenossenschaft (1887 gegründet) zum Bau Album (wie Anm. 1), S. 68; BRUIZ~R, Gedenkbuch (wie Anm. 1), S. 74; StABs, H VIIJ A Nr Darin nur: zwei gedruckte Predigten Clemens von 1871 I Gast-Predigt am Sonntag Rogate 1871 zu SI. Magni in Braunschweig] und 1888 IPredigt zum Trauergottesdienst für Kaiser Wilhelm am 18. März IHHH zu SI. Magni]. 3 Wilhclm RAuLs, Frömmigkeit und Bekenntnis in der Braunschweigischen Landeskirche, in: Landeskirchenamt Wolfenbüttel (Hrsg.): Vier Jahrhunderte lutherische Landeskirche in Braunschweig. Braunschweig 1968, S , hier: S Pfarrarchiv SI. Magni, Protocollenbuch des Kirchenvorstandes zu SI. Magni, angefangen den 19ten Februar 1H52, Sitzung der vorläufigen Wahlkommission zu SI. Magni am H52. 5 StABs, D IV 2307, Band 2: Predigerwahl Hier: Schreiben von Provisor Wehl an Stadtdirektor Bode vom Konservenfabriken Max Koch in der Bertramstraße (ab IRRI), Rraunschweigische Konservenfabrik F. Falk in der Gerstäckerstraßc und Konservcnfabrik A. Froboese (Meyer & Schellbach) in der Leonhardstraße (ab ca. 1891). Angaben aus Norman-Mathia~ PINGEL, Stadterweiterung und städtische Behörden in Braunschwcig , Braunschweig 1998, S. 153, 176,219.

149 Magnigemeinde zu Braunschweig 147 von "guten billigen Arbeiterwohnungen" am Riddagshäuser Weg (der erst 1952 in Georg-Westermann-Allee umbenannt wurde) war der Kirchenvorstand über Jahre hinweg beschäftigt. Erst nach langwierigen Verhandlungen mit dem Vorsitzenden der Baugenossenschaft, Albert Natalis, über die Frage des Kaufpreises veräußerte man das entsprechende Areal im Jahre nicht zuletzt des "edlen Zwecks der Sache" zuliebe 7 Die soziale Heterogenität blieb für die beiden Gemeindebezirke von St. Magni über Jahrzehnte hinweg charakteristisch und beeinflusste die Arbeit der Pastoren ganz entscheidend, weil sie die Unterschiede nivellieren wollten. Mit einem bemerkenswerten Engagement nahmen die Pastoren, der Kirchenvorstand und die zahlreichen freiwilligen Helfer aus der Gemeinde die neuen, im Zuge der Industrialisierung entstandenen Herausforderungen an. Zunächst wurde die seit Mitte des 19. Jahrhunderts als dringlich empfundene Generalrestaurierung der Magnikirche 1873 unter der Federführung des Stadt baurates earl Tappe und des damaligen Baukondukteurs und späteren bedeutenden Stadtbaurates Ludwig Winter endlich in Angriff genommen und lr77 abgeschlossen 8 Die Magnikirche wurde zu einem modernen Gotteshaus umgestaltet: das marode klassizistische Interieur wurde beseitigt zugunsten einer im Zeitgeschmack ausgeführten neugotischen Einrichtung. Der Wind zog nicht mehr durch Türen und Fenster, die eingefallenen Grabsteine auf dem Fußboden der Kirche waren heseitigt, und neue Kirchenbänke wurden angeschafft. Freilich war die Magnikirche, die nach der Renovierung über ca. 900 Sitzplätze verfügte, von denen 436 vermietet waren, für eine Zahl von über Gemeindemitgliedern längst zu klein geworden. Der Zustrom zu den Gottesdiensten war sicherlich ein Verdienst engagierter Pastoren, zugleich aber auch eine selbstverständliche Folge der Besiedc\ung des östlichen und südöstlichen Ringgebietes. Die Neuorganisation der Parochialcinteilung wie auch der Bau einer weiteren Kirche waren seit den 80er Jahren ein dringliches Anliegen. An der neuen Kirche sollten zwei Prediger die Arbeit aufnehmen und etwa bis Gemeindemitglieder betreuen favorisierte Oberbürgermeister Wilhelm Pockels das Gebiet des zu diesem Zeitpunkt brach liegenden Aegidienkirchhofes an der Viewegstraße als Platz für die neu zu errichtende Kirche 1o, und drei Jahre später beriet der Kirchenvorstand darüber, die 7 Zum Verkauf von Kirchenländereien in der Außenstadt, insbesondere am Riddagshäuser Weg, vgl. Pfarrarchiv SI. Magni, Protocollcnbuch: KV-Sitzungen vum , I , , , !!8. Protokullbuch des Kirchenvorstandes : KV-Sitzungcn vom um, , , , 16. I. 1!!92, , Vgl. die zahlreichen Tagesordnungspunkte zum Thema Restaurierung jener Jahre in: Pfarrarchiv SI. Magni, Protocollcnbuch, und in der "Acta die Restaurierung der Magnikirehe betreffend, ". Vgl. überdies: Landeskirchliches Archiv Wolfenbüttcl [im folgenden: LKA WF], Bestand Konsistorium/ Landeskirchenamt Wolfcnbüttcl: Braunschweig, SI. Magni, Nr. 15: Kirchenbau und Einweihung der restaurierten Kirche 1!!72-I!!77, ,1929., Pfarrarchiv SI. Magni, Prolokollbuch, KV-Sitzung vom !! Ebd., KV-Sitzung vom !!5.

150 148 RainerMaaß Aegidienhalle als Kirche wiederhcrzustellcn ll - ein Vorschlag, der vom Konsistorium jedoch abgelehnt wurde hatten die Behörden die Neugliederung immer noch nicht in die Wege geleitet, so dass der Kirchenvorstand das Konsistorium um die sofortige Übersendung eines dritten Predigers ersuchte, um den "unerträglichen Mißständen in der Gemeinde, die durch die Große herkomme", ein Ende zu bereiten. Eine Woche später bat man um die Übersendung zweier Hilfsgeistlicher und forderte das Konsistorium nochmals auf, die Teilung der Kirchengemeinde durchzuführen stand fest, dass zwei neue Prediger angestellt würden. Nun konnte endlich mit der detaillierten Planung zur Schaffung neuer Seelsorgebezirke begonnen werden. Auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen armen und wohlhabenden Gemeindemitgliedern in den vier neu zu definierenden Bezirken wurde vom Kirchenvorstand großer Wert gelegt. Bis zur Fertigstellung einer eigenen Kirche sollten die bei den neuen Prediger die alte Magnikirche mitbenutzen können 13 Diese Kirche, st. Johannis, konnte am 25. Juni 1905 als erster evangelischer Kirchenneubau Braunschweigs nach der Reformation nach einer Bauzeit von vier Jahren eingeweiht werden l4 Mit vergleichbarem Engagement wie für die Parochialneugliederung wurde vom Kirchenvorstand die Anlage eines neuen Zentralfriedhofes für sämtliche Innenstadtgemeinden betrieben. Seit dem Jahr der Reichsgründung wurde dieses Thema diskutiert und vom Kirchenvorstand von St. Magni ab 1883 besonders stark forciert, nachdem sich herausgestellt hatte, dass auf dem Magnikirchhof nur noch für wenige Jahre ausreichender Platz für neue Bestattungen vorhanden sein würde 15 Noch im selben Jahr wurde auf Initiative von St. Magni ein Treffen der Kirchenvorstandsvorsitzenden der Innenstadtgemeinden im Saal des Altstadtrathauses einberufen, wobei man sich auf das Areal an der He1mstedter Straße verständigte. Diesem Vorschlag folgte auch der Stadtmagistrat, der zunächst einen Platz "auf der Hube" favorisiert hatte. 11 Ebd., KV-Sitzung vom [Kirchenvorstand verlangt dringend die sofortige Einrichtung einer Interimskirche außerhalb der Stadt und zugleich die Wiederbenutzung der Aegidienhalle als Aegidienkirche zum Gottesdienst]. 12 Ebd., KV-Sitzung vom und Ebd., KV-Sitzung vom , [Verlosung der Seclsorgebezirke Magnitordistrikt und Augusttordistrikt, der an Pastor Lerche fällt], , Die Straßen, die zu den bei den Bezirken 1895 gehörten, sind aufgeführt in: Pfarrarchiv SI. Magni, Jahres-Bericht über die gemeinsame Gemeindepflege zu SI. Magni und St. Johannis vom 1. October 1894/95. Braunschwcig 1895, S.7f.. 14 Zur Geschichte der Johannisgemeinde vgl.: EV.-Iuth. Kirchengemeinde SI. Johannis, Braunschweig (Hrsg.), Die ev.-luth. Kirchengemeinde SI. Johannis zu Braunschweig. Festschrift des 75. Jahrestages der Kirchweihe 24. und 25. Juni Braunschweig 1<)80. Zur Geschichte der zwischen 1902 und 1906 gebauten Paulikirche, für deren Gemeindegebiet früher ebenfalls die Magnigemeinde teilweise zuständig war: Ernst-August ROLofF, 100 Jahre Bürgertum in Braunschwcig. Von der Jasperallee zur Kaiser-Wilhelm-Straße. Braunschweig 1985, S Sehr interessant sind auf diesen Seiten auch die Ausführungen zur Sozialstruktur der Gemeinde und zur politischen Haltung der Geistlichen während der Weimarer Republik. 15 Pfarrarchiv St. Magni, Protocollenbuch, KV-Sitzung vom , , , wurde der neue Zcntralfriedhof seiner Bestimmung übergeben. Siehe auch: KV-Sitzung vom und

151 Magnigemeinde zu Braunschweig 149 Mit baulichen und organisatorischen Veränderungen war es bei der wachsenden Zahl der Gemeindemitgliedcr aber nicht getan. Es ging darum, die Pastoren zu entlastcn sowie ein Bürgertum, das sich scit dcr Aufklärung dcm kirchlichen Absolutheitsanspruch immcr stärker entzogen hatte und eine weitgehend noch kirchenfernere Arbeiterschaft für religiöse Anliegen und für Gemeindearbeit zu sensibilisieren und in diese Arbeit einzubinden. Und natürlich ging es den Pastoren darum, Macht, Einflussnahme und Deutungshoheit in eincr sich entwickelnden Industriegescllschaft nicht zu verlieren. Dies alles waren keine auf eine einzelne Inncnstadtgemeinde begrenztcn Probleme. Um sie im Sinne der Kirche zu lösen, waren übergemeindliche Einrichtungen und ein weitgehender Konsens der Stadtgeistlichkeit nötig. In dem Gebiet der Braunschweigischcn Landeskirche kommt in dieser Hinsicht den Einrichtungen der sogenannten Inneren Mission wic dem Rettungshaus St. Leonhard l6, der "Idiotenanstalt" Neu-Erkerode I7, dcr Diakonissenanstalt Marienstift 18 und dem koordinierend tätigen Evangelischen Verein 19 eine wichtige Bedeutung zu. Einer der Bcfürworter dieser übcrgemeindlichcn Arbeit war Pastor Clemen, dcr 1882 den ihm angetragenen Vorsitz im Vorstand des Rettungshauses St. Leonhard übcrnahm und dieses Amt 17 Jahre lang ausübte 2o Die Einrichtungen der Innercn Mission sind seit den 50er Jahren dcs 19. Jahrhunderts als gemeindeübergreifende Zusammenschlüsse von den sogenannten "KonfessioneIlen" oder "Orthodoxen" innerhalb der Landeskirche propagiert und errichtet worden. Diese zunächst unter ihren Kollegen sehr isolierten Geistlichcn hattcn sich ab 1852 in der "Konferenz von Dicnern und Freunden der lutherischen Kirche im Herzogtum Braunschweig" ein Diskussionsforum geschaffen, das innerhalb der Landcskirche bald weite Beachtung fand 21 Auch in der noch vom Rationalismus geprägten liberalen Stadtgeistlichkeit fanden die Konfessionellen zunehmend Fürsprecher. Ziel der Konferenz war es, auf der Grundlage der Bekenntnisgrundsätze des Herzogtums, 16 Gegründet 1852 als die älteste bmunschweigische Anstalt der Inneren Mission. Das Rettungshaus wurde nach dem Vorbild des "Rauhen Hauses" in Hamhurg als Heim für sogenannte gefährdete und verwahrloste Kinder errichtet. Vgl.: 100 Jahre Knahenhofbci SI. Leonhard, 0.0., o.j. [Braunschweig Das Rettungshaus wurde 1935 in "Knahenhof" umhenannt. 17 Gegründet Neu-Erkerode wurde zum Zentrum der Inneren Mission in der Landeskirche. Siehe auch: Susanne KWNECKE, Alltag in Neuerkerode um 1910, in: DIES., u.a.: Alltag geistig behinderter Menschen im Wandel. Braunschweig 1996 (Veröff. d. BLM), S IR Gegründet 1870 vom vaterländischen Frauenvercin als Hospital für Kriegsverwundete und Kranke. Bis 1883 in der Wolfenbütteler Straße 24, danach an der Hclmstedter Straße 35. Vgl. B~:STE, Album (wie Anm. 1), S. 129f.; Burkhard BUDDE (Hrsg.), Zum Leben helfen - zum Helfen leben. EV.-Iuth. Diakonissenanstalt Marienstift. Wolfenbüttel, 1995, darin: Egbert TRÖGER, 125 Jahre Diakonis~enanstalt Marienstift, S und Rosemarie KAMP, Gemeindepflege im 19. Jahrhundert, S Gegründet 1881 mit der Aufgabe, alle geistlichen Notstände zu bekämpfen und die mit ihren städtischen Massengemeinden überforderten Pastoren zu unterstützen. Vgl. auch Wolfgang SIEBERT, Die Entwicklung der Diakonie im Rraunschweiger I.and aus heutiger Sicht, in: Ehcrhard VON Ri'n.ow (Hrsg.), Diakonie. 100 Jahre Evangelischer Verein - Innere Mission / Evangelisches Hilfswerk - Diakonisches Werk der EV.-luth. Landeskirche in Braunschweig. Braunschweig 1981, S Pfarrarchiv St. Magni, Protocollenbuch, KV-Sitzung vom Johannes BrsTE, Geschichte der Konferenz von Dienern und Freunden der lutherischen Kirche im Herzogtum Rraunschweig. Wolfenhüttcl 1902.

152 150 RainerMaaß des Corpus Doctrinae Julium, sich darüber zu verständigen, wie das kirchliche Leben am besten zu fördern sei und diese Prinzipien "in Lehre, Kultus und Verfassung zu vollerer Geltung zu bringen" seien 22. Während die Zeit zwischen etwa 1850 und 1880 innerhalb der Braunschweigisehen Landeskirche durch eine deutliche Frontstellung zwischen dem zahlenmäßig noch dominierenden kirchlichen Liberalismus und den Konfessionellen geprägt war, überdauerte die "Wortführerschaft der liberalen Stadtgemeinden... die siebziger Jahre nicht"23. Deutlich wird dieses beispielsweise an den Vorstandsmitgliedern des 1881 gegründeten Evangelischen Vereins, eines weiteren Zusammenschlusses der "Konfessionellen", der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, gegen alle geistlichen Notstände, namentlich gegen Atheismus, Materialismus und Pauperismus zu kämpfen. Gemen war dem Verein wohl bereits ein Jahr nach dessen Gründung beigetreten, 1887 wurde er gemeinsam mit seinem Pfarramtskollegen Lerche als Vertreter der Stadtgeistlichkcit in den engeren Vorstand gewählt. "Beide brachten großes Interesse an volksmission arischer Tätigkeit mit und förderten die Arbeit des Evangelischen Vereins nach Kräften, ohne alh:m Anschein nach das Vertrauen der übrigen liberalen Stadtgeistlichen zu verlieren. "24 Ein Jahr später trat die gesamte liberale Stadtgeistlichkeit geschlossen dem Verein bei, denn die Erfolge der Einrichtungen einer übergemeindlichen Inneren Mission wurden auch von ihnen anerkannt. Zwar verlor die Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Konfessionellen an Schärfe, aber ein grundlegender Gegensatz blieb während des Kaiserreiches und der Weimarer Republik bestehen. Die Liberalen sprachen sich u.a. in ihrem "Evangelischen Gemeindeblatt. Organ zur Förderung des kirchlichen Lebens im Herzogtum Braunschweig" für "Wcitherzigkeit" gegenüber Ungläubigen und für die Besserung der äußeren Lcbensumstände ihrer Gemeindemitglieder aus und betonten die souveräne Stellung der Gemeindepfarrer und Kirchenvorstände, die sie durch die Einrichtungen der Inneren Mission immer noch gefährdet sahen. Die Konfessionellen - und hier ist vor allem der Vereinsgeistliche des Evangelischen Vereins von 1888 bis 1893, Johannes Kühne, zu nennen - traten hingegen in erster Linie für ein "Seligmachen der Seelen" unter Berufung auf Luther ein und richteten ihr Augenmerk auf die Erneuerung des christlichen Bewusstseins unter den Getauften. Die konfessionellen Geistlichen mit ihrem entschlossenen Auftreten und der festen Überzeugung, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, um den sozialen Herausforderungen zu begegnen, konnten Erfolge aufweisen und fanden nach langen Jahren auch die Gunst der Regierung. Beste resümiert: "Das Verlangen in Regierungskreisen nach einer festen, kirchlichen Autorität als Schutzwehr gegen die auflösenden Mächte der Zeit, leider freilich - es muss gesagt werden - zuweilen mit dem Vorbehalt, dass dieselbe für die breiten 22 Ebd., S Klaus Erich POLLMANN, Das Herzogtum im Kaiserreich ( ), in: Horst-Rüdiger JARCK und Gerhard SCHILDT (Hrsg.), Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, Braunschweig ZOOO, S Eberhard HERDIECK[RIIOFF, Der Braunschweiger Kampf um Evangelisation im 19. Jahrhundert. Götlingen 1'168, S. 134.

153 Magnigemeinde zu Braunschweig 151 Volksrnassen aufzurichten sei, dass man sich selbst aber ihr stillschweigend entziehen könne, ließ schlagfertige, entschiedene Kirchenmänner zur Erhaltung des Bestehenden geeigneter erscheinen, als gelehrte Theologen mit ihren wissenschaftlichen Skrupeln und Bedenklichkeiten Die Magnigemeinde wurde in der Stadt Braunschweig zu einem Schrittmacher für den Konfessionalismus. Clemen und Lerche nahmen zwar zwischen ihren liberalen und konfessionellen Kollegen offensichtlich eine vermittelnde Position ein, verfolgten aber beide volksmissionarische Anliegen und standen aus diesem Grund den Konfessionellen nahe. So stellten sie beispielsweise ihre Kirche in den Jahren für die Festpredigten der jährlichen Landesmissionsfeste zur Verfügung. Vor allem aber gründeten sie in der Magnigemeinde eine Gemeindediakonie, die zwar eine parochiale Einrichtung war, aber explizit als Werk der Inneren Mission ins Leben gerufen wurde. Magni war die erste Gemeinde Braunschweigs, die über eine solche Einrichtung bereits im Jahre 1878 verfügte 26 Sie hatte die Aufgabe "durch evangelisch-lutherische Diakonissen der leiblichen und geistigen Noth in der Gemeinde abzuhelfen, insbesondere die Armen und Kranken der Gemeinde zu unterstützen und zu verpflegen"27. In der Folgezeit kümmerten sich zwei von der Gemeinde entlohnte Schwestern der Diakonissenanstalt Marienstift um die Notleidenden der Gemeinde. Die Einrichtung einer eigenen Kinderkrippe im Haus Hinter der Magnikirche 2, die bis 1909 bestehen sollte, machte 1886 die Anstellung einer weiteren Schwester notwendig. Komplettiert wurde das Angebot für die Gemeinde durch Kindergottesdienste, die in Magni erstmalig am ersten Advent 1879 gefeiert wurden, und bald so zahlreich besucht wurden, dass sich sonntags 300 und mehr Kinder in der Kirche einfanden. Die Jahresberichte der Gemeindediakonie zeugen von der Bewältigung eines enormen Arbeitspensums und zeigen den Bedarf an den Aktivitäten der Gemeindediakonie. Das Beispiel des Jahresberichtes 1891/92 mag dieses verdeutlichen: Die Gemeindeschwestern "erhielten zur freien Verfügung 269 Mk. 50 Pf. und zur Weihnachtsbescheerung 520 Mk. 70 Pf., dazu an Naturalien 65 Flaschen Wein, 4 Flaschen IIimbeersaft, 100 Bröte, 104 Pfund Fleisch und Mittagessen für 104 kranke Personen. Außerdem wurden ihnen viele alte Kleidungsstücke, mehrere Kinderwagen, Bettstükke und Bettstellen zur Verfügung gestellt. Dank der fleißigen Arbeit der bei den Nähvereine konnten 41 Wöchnerinnen mit Erstlingszeug und 60 Confirmanden mit Kleidungsstücken versehen werden. Die eigentliche Thätigkeit der Gemeindediakonie aber ergiebt sich aus dem Rechenschaftsbericht unserer Gemeindeschwestern. Dieselben haben im verflossenen Jahre in 205 Familien Krankenpflege zu üben und 172 Nachtwachen zu leisten gehabt. Diese großen Zahlen, die gegen das Vorjahr nicht unwesentlich gestiegen sind, zeigen uns deutlich, wie groß die Noth, aber auch wie un- " BESTE, Geschichte der Konferenz (wie Anm. 21), S. 44.,. Die Gemeindediakonie wurde an SI. Magni bis zum Jahre 1975 aufrecht erhalten. Zu ihrer Geschichte vgl. die im Pfarrarchiv St. Magni archivierten und für die ersten 50 Jahre gebunden vorliegenden Jahresberichte; vgl. auch Annemarie PETERSEN, Gemeindepflege zu SI. Magni, in: Kirchenvorstand zu St. Magni (Hrsg.), SI. Magni lH. Festschrift Braunschweig 19l11, S. ll4-llr 27 Pfarrarchiv St. Magni, Satzungen für die Gemeindepflege zu SI. Magni in Braunschweig. Braunschweig 1894.

154 152 RainerMaaß entbehrlich und segensreich unsere Diakonie ist. Sie ist es auch noch in anderer Beziehung. Dem Einflusse der Gemeindeschwestern ist es zu danken, dass 42 Kinder, die wahrscheinlich ungetauft geblieben wären, zur heiligen Taufe gebracht und zwei Ehepaare noch nachträglich kirchlich eingesegnet sind, sowie dass 22 Kranke im Hause und 66 alte, gebrechliche Personen an einem Wochentage im besonderen Gottesdienste in der Kirche das heilige Abendmahl empfangen haben. Auch die übrigen segensreichen Einrichtungen unserer Gemeindediakonie: Strickschule, Jungfrauenverein 2H und Sonntagsschule [Bezeichnung für den Kindergottesdienst; R.M.], sind nicht zurückgegangen, sondern werden nach wie vor fleißig besucht. In der Sonntagsschule, an der zur Zeit etwa 24 junge Damen als Helferinnen arbeiten, finden sich ziemlich regelmäßig etwa 300 bis 400 Kinder ein, und zwar nicht nur zur Weihnachtszeit, die allerdings wegen der schönen Christfeier eine ganz besondere Anziehungskraft hat, sondern mit Ausnahme der Schulferien das ganze Jahr hindurch... In der mit unserer Diakonie verbundenen Krippe wurden im letzten Jahre 35 Kinder in 1504 Tagen verpflegt. Dieselbe war im Frühling so überfüllt, dass wohl 20 bis 30 Kinder mußten abgewiesen werden, wogegen sie augenblicklich, weil viele Mütter wegen Arbeitslosigkeit zu Hause sind und die Wartung ihrer Kinder selbst übernehmen können, nur wenig in Anspruch genommen wird"29. Die Mitarbeiter der Gemeindediakonie kämpften für den Einfluss der Kirche in ihrer Gemeinde, und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass St. Magni in den rund 40 Jahren zwischen Aufnahme der Gemeindediakonie und dem Ende des Ersten Weltkriegs die wirkungsvollste und kämpferischste Zeit während des gesamten 19. und 20. Jahrhunderts hatte. Verglichen werden kann dieses Engagement im Hinblick auf seine Resonanz und Nachhaltigkeit höchstens mit dem politischen Engagement für Weltfrieden und Pazifismus in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, für welches der Name des Pastors Johann Heinrich Wicke ( ) steht, der zudem aufgrund seines sozial-diakonischen Wirkens auch der Anerkennung seiner politischen Gegner sicher sein konnte. Der Erfolg in der Kaiserzeit war das Verdienst engagierter, zur gegenseitigen Kooperation bereiter Pastoren und ebenso engagierter Helfer in der Gemeinde. Bereits wenige Jahre nach Einrichtung der Gemeindediakonie konnte der Kirchenvorstand in einem Schreiben an den Stadtmagistrat auf deren positive Auswirkungen und auf das " Wachsen wahrer, jedem Schein abholden Religiosität" verweisen 3o Die Gemeindediakonie war aber keine reine Erfolgsgeschichte. Durch ihre Aktivitäten sollte nicht 28 Der Jungfrauenverein wurde um 1884 von den bciden Schwestern ins Leben gerufen und diente in erster Linie der Fürsurge für Dienstmädchen, die sich Mittwoch abends versammelten, um zu arbeiten, zu singen, sich gegenseitig vorzulesen und über ihre Alltagsprobleme zu reden. Vgl. auch Pfarrarchiv Sr. Magni, Protocollenbuch, KV-Sitzung vom IR82: Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte die Oherin des Marienstiftes den Wunsch geäußert, Sonntag abends alle vier Wochen den Konfirmandensaal von St. Magni dazu zu benutzen.um eine Vereinigung von Dienstmägden, Fabrikarbeiterinnen u. drgl. zu veranstalten, denen hier leichte unterhaltende Arbeit, Unterhaltung und möglicher Weise auch etwas Naturalverpflegung geboten werden soll". 29 Pfarrarchiv Sr. Magni, Jahresbericht über die Gemeindepflege zu SI. Magni vom 1. October 1891/92, S StABs, D IV 2307, Band 3: Predigerwahl Hier: Schreiben des Kirchenvorstandes an den Stadtmagistrat vom anlasslieh der befürchteten Abwanderung Pastor Clcmcns nach Bonn.

155 Magnigemeinde zu Braunsch weig 153 nur die materielle Not gelindert werden, sondern es war ganz im Sinne der Inneren Mission beabsichtigt, die der Kirche "Entfremdeten" zurückzugewinnen und die sozialen Gegensätze in der Gemeinde auszugleichen 31 Die Gemeindepflege wurde nicht in erster Linie als ein zweckfreier Dienst am Nächsten aufgefasst, sondern die Mitarbeiter forderten Bekenntnistreue, zumindest aber Hinwendung zur Kirche und zu ihrem Gemeindeleben als Gegenleistung. Die Magnigemeinde kam aufgrund ihres Angebotes in der Gemeindediakonie mit Personenkreisen in Kontakt, die sie sonst sicherlich nicht erreicht hätte. Inwieweit die Kontakte mit Familien,»bei denen oft geradezu haarsträubende Zustände obwaltetenu'j2, eine dauerhafte Bindung an die Kirche nach sich zogen, lässt sich mit Zahlen nicht belegen. Dass es sie in einem gewissen kleineren Umfang gegeben hat, ist unstrittig. Aber das große Ziel, die Kirchenferne der bürgerlichen und proletarischen Schicht im Ganzen zu verringern und die sozialen Gegensätze zu vermindern, wurde niemals erreicht, obwohl die Gemeindepflege immer erfolgreicher arbeitete. Denn schneller als die Auswirkungen der Gemeindediakonie zeigten sich die Auswirkungen der Industrialisierung: Weiteres Bevölkerungswachstum, Berufsdifferenzierungen, Politisierung breiter Bevölkerungsschichten, die Entstehung neuer Milieus und der größer werdende Abstand zwischen Arm und Reich. Dass sich ein Viertel der Gesamtbevölkerung Braunschweigs gegen Mitte der 80er Jahre nicht trauen und taufen ließ, sondern sich "aus Elend fern" hielt von kirchlichen Amtshandlungen, die ja bezahlt werden mussten 33, ist ein Indiz für den Verlust kirchlicher Autorität und Einflussnahme. Den formellen Kirchenaustritt, der seit 1873 möglich geworden war, vollzogen in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts allerdings nur äußerst wenige in der Magnigemeinde. In den neun Jahren zwischen 1886 und 1894 beispielsweise waren es offensichtlich nur 13 Gemeindemitglieder: junge, meist zwischen 25 und 35 Jahre alte Handwerker und Arbeiter 34 Die Orthodoxie als Grundlage der Gemeindearbeit traf längst nicht den Nerv der gesamten Gemeinde und schon gar nicht den der organisierten Arbeiterschaft. Je mehr aber die Autorität und die Deutungshoheit der Kirche durch säkulare Einflüsse angegriffen wurde, umso deutlicher zeichnete sich bei den Predigern eine Hinwendung zu nationalen und konservativen Bekenntnissen ab, und desto lebhafter wurden Bekenntnistreue, Opferbereitschaft für Gott, Kaiser und Vaterland und Einheit der verschiedenen Volksgruppen als vermeintliche Voraussetzung gefordert für Gottes Gnade und das Wohlergehen des Deutschen Reiches 35 In den Sedansfeiern der Magnigemeinde kam diese Einstellung besonders deutlich zum Ausdruck Vgl. beispielsweise Pfarrarchiv SI. Magni, Jahresbericht der Gemeindediakonie zu St. Magni 1888/ Pfarrarchiv St. Magni, Protocollenbuch, KV-Sitzung vom Ebd., KV-Sitzung vom StABS, G II 6 St. Magni Nr. 40: Katholiken, Reformierte, Dissidenten. J5 u.a.: Adolf CnMEN: Predigt zum Trauergottesdienst fur Kaiser Wilhclm am 18. März 1888 zu SI. Magni, Braunschweig Adolf CLEMEN: Festpredigt am 25jährigen Sedantage gehalten in der St. Magnikirche zu Braunschweig, Braunschweig Festgottesdienste anläßiich des Sedantagcs wurden seit den 70er Jahren in der Magnikirche ahgehalten. Vgl.: Pfarrarchiv St. Magni, Protocollenhuch, KV-Sitzungen vom , ,

156 154 RainerMaaß Diese Entwicklung blieb innerhalb der Gemeinde und wohl auch innerhalb des Kirchenvorstandes nicht unwidersprochen. Immer weniger Gemeindemitglieder erkannten in dem elitären Kirchenvorstand ihre Vertretung. Er war seit seinem ersten Zusammentreten 1852 in seiner Berufszusammensetzung niemals repräsentativ für den Querschnitt der Gemeinde. Dort saßen die Honoratioren, die Fabrikanten, Professoren und Lehrer. Hinzu kamen etliche Handwerksmeister am herzoglichen Hof, Regierungs- und Kommerzienräte und auch Militärs. Arbeiter und Handwerker kleinerer Betriebe waren nicht vertreten, Frauen blieb der Zugang zu einem Kirchenvorstandsamt an St. Magni bis 1922 verschlossen. Viele forderten eine direkte Einflussnahme auf die Gestaltung des Gemeindelebens fand eine zahlreich besuchte Versammlung von Gemeindemitgliedern statt, die unter anderem mehr öffentliche Besprechungen zu Fragen des kirchlichen Lebens einforderte und die Vermietung der Kirchenstühle zu beenden wünschte. Leider wird aus den Kirchenvorstandsprotokollen nicht deutlich, wer die Initiatoren dieser Bewegung waren lehnte der Kirchenvorstand mit neun zu sechs Stimmen einen Antrag aus seinen Reihen ab, den wahlberechtigten Gemeindegliedern durch Versammlungen bessere Informationen und auch Mitspracherechte bei kirchlichen Angelegenheiten wie der Diakonie, der neuen Parochialeinteilung oder der Sonntagsschule zu gewähren 38 Man befürwortete aber eine allgemeine größere Transparenz der Tätigkeit des Kirchenvorstandes und wollte bestimmten einzelnen Personen auf besondere Einladung über Gemeindeangelegenheiten Rechenschaft ablegen. Ob diese Absichten tatsächlich umgesetzt wurden, ist nicht überliefert. Der Kirchenvorstand urteilte in der Frage der Mitspracherechte nicht einmütig. Dies scheint mir ein erster Hinweis zu sein auf die beiden später so oft kontrovers gegeneinander auftretenden und seit 1908 explizit so benannten Gruppen innerhalb des Kirchenvorstandes, die die liberale Richtung auf der einen und die konservative auf der anderen vertraten. 37 Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbuch, K V-Sitzung vom : Die Versammlung fand am bei Hermann Boedemann, dem Restaurateur der Gaststätte Holsts Garten in der Wolfenbütleler Straße 48 statt. Die Aufhebung der Kirchstuhlvermietung stand schon einige Zeit auf der Tagesordnung des Kirchenvorstandes und wurde sehr kontrovers diskutiert. Am stimmten vier Mitglieder für, aber acht gegen die Aufhebung. nachdem St. Katharinen die Aufhebung der Stuhlmieten in den Stadtpfarrkirchen beantragt halle bekräftigte der Kirchenvorstand seinen Beschluß, denn daß ein Gemeilldemit1(lied in seiner Kirche einen hestimmten Platz müsse bekommen können, sei nur recht und hillig". Zum jedoch wurde die Stuhlmiete ganz abgeschafft, nachdem die Inspektionssynode und der Kirchenkonvent einen solchen Beschluß gefaßt hatten. Ein Kompromißvorschlag von Herrn Rimpau im Kirchenvorstand war zuvor gescheitert. Dieser sah vor, die Stuhlmiete im Ganzen beizubehalten, aber die etwa 60 Plätze, die an Mitglieder anderer Gemeinden vermietet waren, nur an Gemeindemitglieder ahzugeben (K V-Sitzung vom und l92). 38 Ehd., KV-Sitzung vom

157 Magnigemeinde zu Braunschweig Der liberale Pastor Schomburg und der konservative Pastor Lichtenstein bedienen ihre jeweilige Klientel. Die Gemeinde unterstützt den Ersten Weltkrieg. Die Vaterlandsliebe eint und wirkt nach. Fast zeitgleich traten im Jahre 1908 Emil Schomburg 39 und Adolf Lichtenstein 40 ihr Pastoren amt an der Magnigemeinde an. Lichtenstein wurde Nachfolger des zweiten Predigers Lerche, und Schomburg folgte dem ersten Prediger Clemen nach. Vor der Wahl war es die erklärte Absicht des Kirchenvorstandes, sowohl einen jeweils gemäßigten Vertreter der liberalen wie auch der konservativen Richtung zu berufen. Schomburg gehörte der liberalen, Lichtenstein der konservativen Richtung an. Mit dem Autoritätsverlust der Kirche sahen sich auch Schomburg und Lichtenstein sofort konfrontiert. Im Jahre 1909 riefen sie zusätzlich zum reichen Angebot der Gemeindediakonie noch neue Jugend- und Konfirmandengruppen ins Leben, erhofften sie sich doch "viel Seegen [... ] von der in diesen Vereinigungen erfolgenden Berührung sozial verschiedener Schichten"41. Zur selben Zeit wurden die Gemeindeschwestern durch sogenannte Gemeindepflegerinnen unterstützt, die zwar nicht speziell ausgebildet waren, jedoch aus der Gemeinde kamen und diakonisch tätig waren. Am 29. Oktober 1911 wurde das neue, nur aus Spenden der Magnigemeinde finanzierte, Gemeindehaus Hinter der Magnikirche 6a eingeweiht, in dem nun für die zahlreichen Gemeindegruppen und -veranstaltungen ausreichender Platz war 42. Doch auch diese neuen Schwerpunkte konnten die Diskrepanz zwischen aktiven Gemeindegliedern und kirchenfernen Bevölkerungsschichten nicht vermindern. Eine Ahnung von den verschiedenen Lebens- und Erlebniswclten zwischen in der Gemeindepflege Aktiven und den durch sie Betreuten vermittelt der Bericht der langjährigen Kindergottesdiensthelferin Ella Sempf, die rückblickend über ihren ersten Besuch bei einer Familie in der Gemeinde im Jahr 1909 berichtet: "Unsere Pastoren legten großen Wert darauf, daß wir Helferinnen Hausbesuche machten, damit wir sahen, Vgl. den Artikel "Schomhurg" in H.-R. JARCK und G. SCHEEL, Braunschweigisches Biographisches Lexikon (wie Anm. 2), S. 539 sowie in Manfred R.W. GARZMANN und Wolf-Dieter SCHUEGRAF (Hrsg.), Braunschwciger Stadtlexikon - Erganzungshand -. Braunschweig 1996, S Überdies Gcrhard KAl.BERLAII, H. E. Schomhurg, Pfarrer und Reformer ( /l), in: Jb. für Nds. Kirchengeschichte 63 (1965), S. 236 ff.. H.E. SCHOMßURG. Ein Gedenkbuch, Wolfenbüttel 1930; StABs, H VIII A Nr. 4520; D IV 247 [Städtische Personalakte]; LKA WF, Bestand Konsistorium/ Landeskirchenamt Wolfenhüttel: Braunschweig, SI. Magni, Nr. 14: Bestellung der Prediger; LKA WF, PA [Personalakte] Nr Vgl. StABS, D IV 2309: Akte üher Pastor Adolf Lichtenstein und die Predigerwahlen 1908; H VllI A Nr. 3359, darin u.a. die gedruckten Predigten "Reminiscere und Lätare. Zwei Predigten aus dunklen Stunden", Braunschweig 1921; LKA WF, Bestand Konsistorium/ Landeskirchenamt Wolfcnbüttel: Braunschweig, SI. Magni, Nr. 14: Bestellung der Prediger. 41 Pfarrarchiv SI. Magni, 31. Jahresbericht über die Gemeindepflege zu St. Magni in Braunschweig vom I. Oktober 1908 bis 30. September 1909, S Ein Foto der Außenansicht bzw. des großen Saals im 1. Stock ist abgedruckt in Pfarrarchiv St. Magni, 33. bzw. 34. Jahreshericht über die Gemeinde-Pflege zu St. Magni in Braunschweig vom 1. Oktoher 1910 bis 30. September 1911 bzw. vom 1. Oktober 1911 bis 30. September Einen wesentlichen finanziellen Beitrag zum Bau leistete bereits 1904 die Gräfin Görtz-Wrisberg, die der Gemeinde 5000 Mark gespendet hatte (K V-Sitzung vom ).

158 156 RainerMaaß aus welchen Familien und Häusern unsere Kinder kamen. Diese Hausbesuche kosteten mich viel Überwindung. Als Achtzehnjährige sollte ich in fremde Häuser zu fremden Menschen gehen?l- Ja, wenn ich die Gemeindeschwester wäre oder die Frau Pastor, aber nur die Helferin vom Kindergottesdienst! - Doch einmal mußte der Anfang gemacht werden... Ich hatte zwei Brüder Rischbieter in meiner Gruppe, wohnhaft Friesenstraße, Hinterhaus eine Treppe. Als ich die Haustür aufmachte, schlug mir ein Geruch von verbrannter Milch entgegen, und als ich die Treppe erstiegen hatte und die Stubentür geöffnet, war in diesem Raum die Milch übergekocht, und die dreizehnjährige Schwester, die noch einen kleinen Bruder betreuen mußte, war dabei, die Herdplatte zu reinigen. Ich machte erstmal ein Fenster auf, um frische Luft einzulassen und fragte nach der Mutter. Die käme bald von der Arbeit zurück und würde sehr schelten, daß die Milch übergekocht sei. Die Unterhaltung war schleppend, das Mädel sah angstvoll nach der Tür. Dann kam die Mutter müde heim, mich übersah sie vollständig, und über die Tochter entlud sich ihr Zorn. Das war für mich eine peinliche Lage, denn ich konnte doch nicht eingreifen. Aber als dann noch das Mädel zu seiner Entschuldigung sagte:,... das Fräulein von der Kirche kam, und da ist die Milch übergekocht', ging ich sehr traurig fort."43 Allein mit der guten Absicht erzielte man noch keine nachhaltigen Erfolge. Eine vom proletarischen Freidenkerverein propagierte Kirchenaustrittsbewegung verschärfte im September des Jahres 1912 noch die Diskrepanzen: "Die Austrittsbewegung hat auch unsere Gemeinde betroffen, vielleicht nicht so, wie andere Gemeinden; das mag in der sozialen Zusammensetzung begründet sein; wir haben nicht so vi cl organisierte Arbeiter, die unter der Parteidisziplin stehen; denn die Sozialdemokratie leugnet mit Unrecht, daß sie der Bewegung neutral gegenüberstehe; die meisten Austritte sind nicht Taten eigcnen überzeugten Entschlusses, sondern unter Partcidruck zustande gekommen. Die Austrittsbewegung wird abflauen; sie wird auch einmal wiederkommen. Viel ernster, als sie, ist die Nichtbetätigung der Gemeindezugehörigkeit bei vielen, welche als im Gemeindebezirk wohnend äußerlich Glieder der Gemeinde sind. "44 Wenn die Kirchenaustritte speziell in der Magnigemeinde nicht so hoch waren wie in anderen Bezirken, so mag dieses auch dem politischen Engagement von Pastor Schomburg zu verdanken sein, in dem die Arbeiter durchaus einen Fürsprecher erblicken konnten. Im "Braunschweiger Sonntagsblatt" beispielsweise hatte er im Zuge der Aussperrungen im Baugewerbe des Jahres 1909 für dic Fordcrungen der Streikenden Stellung bezogen. Überdies trat er für das Recht der Gewerkschaften ein, bei Lohnverhandlungen hinzugezogen zu werden. Eine derartige Parteinahme eines Predigers und dann noch verbunden mit "linken" sozialpolitischen Äußerungen waren 43 Pfarrarchiv St. Magni, Erinnerungen von Ella Müller, geb. Sempf (gest ) an ihre kirchliche Arheit [gebundenes Typoskript mit Fotografien]. 44 Pfarrarchiv St. Magni, 35. Jahresbericht über die Gemeinde-Pflege zu St. Magni in Braunschweig vorn 1. Oktober 1912 bis 30. September 1913, S. 2. LKA WF, Bestand Konsistorium/ Landeskirchenamt Wolfenbüttel, Spezialakten: Nr. S 1669: Die durch die sozialdemokratische Partei und Freidenkervereine hervorgerufene Austrittsbewegung aus der Kirche Darin u.a. ein höchst seltenes Original-Hugblatt des Freidenker-Vereins vorn 3. September Lediglich 14 Personen in Braunschweig folgten noch im Scptcmber diesem Aufruf zum Kirchenaustritt.

159 Magnigemeinde zu Braunschweig 157 damals die Ausnahme und reizten das Bürgertum zum Widerspruch. In diesem Fall kam die Replik in Form einer gedruckten polemischen Gegendarstellung des Zimmermeisters Albert Nieß, des Leiters der "Braunschweigischen Baugewerken-Innung". In seiner Schrift warf er Schomburg ein Überschreiten seiner Kompetenz sowie einseitige Parteinahme und falsche Schlussfolgerungen vor und warnte eindringlich vor einer Beteiligung sozialdemokratischer Gewerkschaften beim Abschluss von Lohn- und Arbeitsverträgen 45 Die im Jahre 1905 vom Arbeitgeberverband aufgestellte Arbeitsordnung reiche völlig aus, auch wenn die sozialdemokratischen Gewerkschaften vereinzelt deswegen Unruhen angezettelt hätten. Einen Tarifvertrag brauche man in Braunschweig nicht. Schomburg war ein sehr engagierter und weltoffener Liberaler, ein Linksliberaler, der sich besonders intensiv der Kinder- und Jugendarbeit widmete, der Jugend ihre Freiheit und Entwicklungsmöglichkeiten zu bewahren suchte und der aus diesem Grund der Wandervogelbewegung sehr verbunden war. Es ist erstaunlich, dass die beiden so verschiedenen Pastoren ohne nennenswerte Schwierigkeiten miteinander arbeiten konnten. Beide bekannten sich aber zu ihrem deutschen Vaterland, zu seiner Größe und seinem Wohlergehen, was sicherlich als ein entscheidendes einigendes Element gewirkt hat. Bei Kriegsbeginn war Schomburg ähnlich nationalistisch eingestellt wie sein politisches Vorbild Friedrich Naumann, und wie dieser erwartete jener einen Siegfrieden zugunsten Deutschlands. Vor diesem Hintergrund lassen sich gravierende Unterschiede in der Beurteilung des Kriegsgeschehens zwischen dem liberalen und dem konservativen Pastor an St. Magni nicht feststellen. Es war sogar in erster Linie Schomburg, der 1915 dem Kirchenvorstand vorschlug, das Wertpapiervermögen der Gemeinde in IIöhe von rund Mark zu verpfänden und dafür Kriegsanleihen zu kaufen. Der Vorschlag wurde mit einer Gegenstimme angenommen: der konservative Provisor Arnold Rimpau 46, der Verwalter des kirchlichen Vermögens und seit 1910 im Vorstand der Gemeindepflege tätig, sah sich außerstande, seine Zustimmung zur Verpfändung zu geben. Das kirchliche Vermögen bestand seinen Angaben zufolge in Mark Wertpapieren und Mark in Hypotheken.» Wenn er bereitliegende Gelder besäße", so Rimpau,» würde er sich keinen Augenblick besinnen, sie dem Vaterlande anzubieten", aber man könne nicht wissen, ob nicht später dadurch Nachteile entstünden. Die unerwartet lange Kriegszeit wirkte sich auf alle Bereiche des Gemeindelebens aus. Die Männerabende mussten eingestellt werden, da sich die meisten Teilnehmer im Kriegseinsatz befanden. Da nun verstärkt Frauen berufstätig werden mussten, um 45 [Albert NIESS]: Herr Pastor Schomburg in Braunschweig und die Aussperrung im Baugewerbe [Sonder-Abdruck der Deutschen Arbeitgeber-Zeitung für das Baugewerbe in Geestemünde, Mai 1910] Zu Arnold Rimpau, seiner Familie und seiner Tätigkeit als Unternehmer und Torfmoorfabrikant in Triangel bei Gifhorn s. Heinrich EGGELING, Arnold Rimpau , in: Nds. lebensbilder 9 (1976), S [mit Foto Rimpaus]. Rimpau gehörte dem Kirchenvorstand von SI. Magni von 1885 bis 1932 an und war in der Gemeindepflege seit 1909 tätig wurde er zum Ehrenmitglied des Kirchenvorstandes gewählt. Vgl. Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom Bereits 1929 trug ihm Pastor Brutzer diese Ehrung an, u.a. aufgrund seiner Verdienste im Hinblick auf die Errichtung des Ehrenmals. Vgl. den Rimpau-Nachlass in StABs, hier G IX 40 "Ir. 39: Schreiben Brutzers an Arno1d Rimpau vom

160 158 RainerMaaß den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen, wurde während der Kriegsjahre wieder eine Krippe und ein Kinderheim im Gemeindehaus eingerichtet und von einer geschulten Kraft aus dem Marienstift betreut 47. Um den Kontakt mit den im Feld stehenden Männern der Gemeinde kümmerten sich die beiden Prediger sehr. Zu Weihnachten 1914 und 1915 wurden Weihnachtsbroschüren als Gruß an die Front geschickt. Durch sie wurden die Männer über das Gemeindeleben auf dem laufenden gehalten, konnten aber auch über die Einschätzung der Pastoren im Hinblick auf die Kriegslage lesen 48 Anstelle der Bibelstunde im Gemeindehaus wurden Mittwochs abends von Kriegsbeginn an in der Kirche Kriegsbetstunden abgehalten 49, denn "die Predigt [war] jetzt immer Kriegspredigt" und die Kirchenglocken läuteten zu jedem deutschen Sieg. Besonders Pastor Lichtenstein scheint mit seinen Kriegspredigten den Nerv seiner Klientel getroffen zu haben. Seine veröffentlichte Predigtsammlung "Sieg und Frieden" erlebte noch im Entstehungsjahr 1917 eine zweite Auflage 5o. Äußerungen wie "Aber die U-Boote tun ihr Frühlingswerk und brechen den Bann und werden die Wintermächte des Hasses besiegen" 51, oder: "Wir wünschen sehnsüchtig den Frieden herbei; aber wir dürfen noch nicht von ihm träumen. Wir müssen stark und tapfer und todesbereit sein, morituri, damit das Vaterland lebe"52, sollten den Zuhörern gegen Ende des Krieges Hoffnung geben und appellierten an deren Durchhaltewillen. Lichtensteins Rhetorik rechtfertigte das Kriegsgeschehen zu jeder Zeit. Sie forderte Opferwillen und Heldenmut als Voraussetzung für einen Sieg und verlieh der Überzeugung Ausdruck, dass der Krieg eine Folge der Entfernung der Menschen von Gott sei 53 Diese Rhetorik bewegte sich durchaus im Rahmen dessen, was auch andere stadtbraunschweigische Geistliche während der Kriegsjahre äußerten und vielfach drucken ließen. Aber diese Verlautbarungen waren nichts im Vergleich zu dem Fanatismus Lichtensteins während des zweiten Kriegsjahres ließ er eine Schrift mit dem Titel "Die Zukunft Deutschlands. Ein Ausblick" herausgeben, deren Erlös der Kriegs- 47 Vgl. auch StABs, D IV 2361: Verschiedene Verhandlungen Darin u.a. Kriegskinderheim Frau Käthe Buchler, eine ambitionierte Fotografin in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Braunschweig, hat u.a. aueh Fotografien der Kinderkrippe zu St. Magni angefertigt. Vgl. Bodo VON DEwITZ, Photographien aus Braunschwcig H von Käthe Buchler, geb. von Rhamm. Braunschweig In ihrem Nachla~s sind auch einige Fotografien von der Magnikirehe und dem Ehrenmal zu vermuten... Weihnachtsbüchlein für unsere Krieger im Felde. Im Kriegsjahre 1914 überreicht von den Magni-Pastoren Sehomburg und Lichtenstein in Braunsehweig. Braunschweig 1914; Weihnachtshueh für unsere Krieger. Im Kriegsjahr 1915 üherreichl von den Magni-Pastoren Schomburg und Lichtenstein in Braunschweig. Braunschweig Pfarrarchiv St. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom und [Kricgsbetstunden sollen beibehalten werden]. 50 Adolf LICIIHNSTEIN, Sieg und Frieden. Sechs Predigten aus der Leidens- und Osterwoche des Kriegsund Lutherjahres Aufl., Braunsehwcig Ebd., S Ebd., S "Und dadurch ward das Läuterungsfeuer des Weltbrandes nötig, weil auch wir im deutschen Vaterlande in Materialismus und Goltentfremdung es weit gebracht hauen, - weil wir einmal lernen mußten, was einsichtsvolle und treue Zeugen und Vaterlandsfreunde so oft vergeblich gepredigt hatten, daß äußere Kulturhöhe es nicht tut". Ebd., S. 16 f..

161 Magnigemeinde zu Braunschweig 159 hilfe in der Magnigemeinde zugute kam. Was auf diesen Seiten an Sendungsbewusstsein der (lutherischen) Kirche und Deutschlands, an völkischem Gedankengut, an Ausländerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit und Antiparlamentarismus zum Vorschein kommt, musste einem einigermaßen kritischen Zeitgenossen bereits damals die Sprache verschlagen haben 54 Was die Kriegspredigten allein nicht vermochten, versuchte die daheim gebliebene Gemeindejugend mit ihren noch bescheideneren Mitteln zu erreichen. Die Jugendvereine wollten" vaterländisch und christlich die große Zeit in den jungen Herzen lebendig werden [... ]lassen und tun mannigfach Kriegsarbeit". Sie sandten Pakete und Schriften an die Front, arbeiteten Verbandsstoffe für das Rote Kreuz und strickten Soldatenstrümpfe. "Und jede Woche gehen aus dem Pfarrhause viele hunderte Sonntagsblätter und andere christlich aufrichtende Grüße der Heimatgemeinde an die Front; hier tun gegenwärtige und einstige Konfirmanden fleißige Schreibarbeit"55. Mitarbeiter in den Konfirmandinnengruppen bedachten dabei ihren speziellen "Liebesgabenbräutigam". Die hohen Gefallenenzahlen und die materielle Not zuhause aber blieb nach anfänglicher Kriegsbegeisterung niemandem mehr verborgen. Immer häufiger übersandte der Kirchenvorstand den Hinterbliebenen von Gefallenen ein vorgefertigtes Gedenkblatt. Die Pastoren waren für die Seelsorge in den Lazaretten "Konzerthaus" (Schomburg) und "Kurhaus Riehmond" (Lichtenstcin) zuständig und erlebten dort hautnah das Leid der Kriegsverwundeten und -versehrten. Viele in der Gemeinde tätigen Mitarbeiter starben, in den vier Jahren u.a. die drei Chorleiter Riechei, Warschat und Denstorf. Auch die Familie Schomburg blieb nicht verschont. Ihr ältester Sohn Hans (geb. 1897) fiel im Juli 1915 in Polen. Dieses Ereignis veranlasste Emil Schomburg zur Abfassung einer Schrift, in der er über das Leben und Sterben seines Sohnes berichtete und so zur einer sehr persönlichen Form der Trauerarbeit fand 56 Aber aueh diese sehr intime Veröffentlichung kam ohne Pathos nicht aus. Von des Vaterlandes großer Zeit ist die Rede, von Opferbereitschaft und heiligem Tod: "Es gibt viel heiligen Tod in diesem Kriege. Aber wenn ein Opfer notwendig und ein Tod heilig ist, dann ist es der Leutnantstod. Der Sieg wird geboren aus den großen Gedanken der Feldherren, aus den stürmisch klopfenden Herzen der Soldaten, die stürmten; er ruht in den sicheren Händen derer, die bei den Haubitzen stehen, und derer, die den Gewehrschaft fest umspannen. Aber aus diesen Urquellen des Sieges den Tod unserer Söhne, der jungen Leutnants, ausscheiden, das heißt die Geburt des Sieges gefährden... Aber wo jemals einer es wagt, über den Leutnantstod gering zu denken oder die Kraft dieses Opfers abzuschwächen, da soll es heißen:,wer dieser unserer Söhne vergißt, den soll Deutschland vergessen!"'57 ~4 Adulf LlcHrENsTEIN. Die Zukunft Deutschlands. Ein Ausblick. Braunschwcig ~l Pfarrarchiv St. Magni, 37. Jahresbericht über die Gcmcindepnege zu St. Magni in Braunschweig vom I. Oktober 1914 bis 30. September '6 Heinrich Emil SCHOMBURG, Kein schön'rer Tod ist in der Welt... Für alle, die um Gefallene trauern, 2. Aunage. Wolfenbüttel l7 Ebd., S. 14 f..

162 160 RainerMaaß Die Kohlenknappheit beeinträchtigte das Gemeindeleben ab 1916/17 sehr. Die Gottesdienste wurden in der kalten Jahreszeit auf das Nötigste abgekürzt, um die Leute in der ungeheizten Kirche nicht übermäßig frieren zu lassen. Als ein generelles Heizverbot für die Kirchen erlassen wurde, wurden die Gottesdienste in das Gemeindehaus verlegt. Der untere Konfirmandensaal wurde 1918 auf Wunsch städtischer Behörden tageweise für arme Frauen geöffnet, damit sich diese wenigstens für einige Stunden in einem geheizten und beleuchteten Raum aufhalten und Näharbeiten verrichten konnten 58 Die Beschlagnahmung sämtlicher Orgelpfeifen und die Ablieferung von Kirchenglocken 59 machten jedem Gemeindemitglied deutlich, dass der Krieg verloren gehen könnte Die Mehrheit der Magnigemeinde verharrt in ihrem Konservatismus und errichtet ein Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Pastor Schomburg dagegen schließt seinen Frieden mit dem Staat von Weimar und verlässt die Gemeinde. Es ist selbstverständlich, dass die Niederlage des Ersten Weltkrieges einen dermaßen engagierten Kirchenvorstand wie den von St. Magni zutiefst erschütterte und verunsicherte. Im Protokoll der Kirchenvorstandssitzung vom 13. November 1918 trat diese Ratlosigkeit zu Tage. Dem Arbeiter- und Soldatenrat wollte man sich nicht zur Verfügung stellen. Vielmehr wurde zunächst einer Anregung des Kirchenvorstandes von St. Andreas Folge geleistet, mit den anderen Innenstadtgemeinden die aktuelle Lage zu besprechen. In der eigenen Gemeinde war geplant, dass die Pastoren und Kirchenvorstandsmitglieder mehr denn je persönlich auf die inneren Nöte und Sorgen ihrer Gemeindemitglieder eingehen und das Gespräch mit ihnen suchen sollten. Ein fleißiger Kirchenbesuch der Gemeindemitglieder wurde angestrebt. Es müsste "geradezu ein Druck auf die Gemeindemitglieder ausgeübt werden, mehr als sonst durch den Besuch der Kirche zu zeigen, wie wert ihnen die Kirche sei". Pastor Schomburg fragte, welche Wünsche der Kirchenvorstand im Hinblick auf die zukünftigen Predigten habe. Eine Veranlassung, besondere Wünsche zu äußern, gäbe es nicht, meinten die Anwesenden. Angesichts der neuen politischen Großwetterlage sollten die Prediger aber" vorsichtig in ihren Äußerungen sein", was sich von selbst verstünde. Das Politische aber ließe sich sicherlich nicht ganz vermeiden. 58 Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom Offensichtlich hatte die Magnigemeinde die beiden Schlagglocken abliefern müssen, nämlich die im Jahre 1637 von Heinrich Borstclmann und die 1738 von Johann Peters gegosscnen Glocken. Ihre drei Hauptglocken blieben aber wegen ihres künstlerischen Wertes erhalten. Vgl.: Ebd., KV-Sitzung vom [.In den nächsten Tagen müsse vorläufig die kleinste der Glocken und später, wenn nütig, noch zwei andere dem Vaterlande geopfert werden") und [Magnikirche habe noch eine Glocke abliefern müssen) Vgl. auch: StABs, H III 7 Nr. 94: Hildegard WICKE, Die SI. Magnikirche. Braunschwcig 1954/55 [Studienarbeit, Typoskript), S. 27.

163 Magnigemeinde zu Braunschweig 161 In der Tat wurde in den folgenden Monaten und Jahren wieder sehr politisch und sehr nationalistisch gepredigt. Die Mehrheit der Kirchenvorstandsmitglieder und auch Pastor Lichtenstein nahmen eine Abwehrhaltung gegenüber dem politischen System von Weimar ein. Als zu demütigend und zu schmachvoll empfanden sie die Unterzeichnung des Friedensvertrages und das Anerkenntnis der alleinigen deutschen Kriegsschuld. Lichtenstein predigte: "Was hat Deutschland getan? Es hat sich schuldig bekannt an diesem Kriege. Das hat es gelogen. Sie, die erleuchteten Menschen, die ganz Modemen, sind ja ins finsterste Mittelalter zurückgegangen; sie haben Deutschland auf die Folter gespannt und ihm das Geständnis erpreßt. Auf der Folter wird gelogen. Und versprochen, was man nicht versprechen darf! Das durfte Deutschland nicht versprechen: den Kaiser ausliefern und die anderen Helden und Männer alle, die ihm Führer waren mit heiliger Aufopferung ihres ganzen Lebens. Aber es hat Helden in der Folter gegeben. Märtyrer, die nicht nachgaben, die eben litten und starben. Die Mehrheit von Weimar war nicht der Art. "60 Gründe für den Krieg und die Niederlage wurden gesucht und gefunden: Der Krieg habe sich nicht vermeiden lassen, denn er war ein Gottesgericht über die Deutschen, die sich in ihrer Mehrzahl der "materialistischen Weltanschauung" ergeben und sich Gott nicht zugewandt hätten. Selbst jetzt, 1919, sähe man leere Kirchen, aber volle Vergnügungsstätten, und im Landtag, "am Tage, da die Schande offenbar ward [gemeint ist der Friedensvertrag; R.M.]", eine Verhandlung über die Notwendigkeit eines zweiten Theaters. "In den ernstesten Stunden des Krieges und nach dem Kriege Tanz und Spiel bis in die führenden Kreise hinein". Was von den Überzeugungen der letzten Jahre Bedeutung behielt, waren die Identifikation mit dem Vaterland, das man wieder aufbauen und zu Größe bringen wollte, mit deutschen Kulturleistungen, mit der "deutschen Art", die man pflegen wollte und unter der Lichtenstein "Ernst und Tiefe, Gewissenhaftigkeit und Treue" verstand. Mit diesen Eigenschaften als Grundlage wollte er seine Gemeinde und das gesamte deutsche Volk zur Christus- und Luther-Nachfolge aufrufen. Erst danach, so dachte er, könne ein Wiederaufstieg Deutschlands glücken. Diese und ähnliche Ansichten dominierten das Mcinungsbild im Kirchenvorstand. Pastor Schomburg und eine liberale Minderheit im Kirchenvorstand beschritten andere Wege. Schomburg kämpfte in der Demokratischen Partei, der er bereits vor 1919 angehörte, für ein demokratisches, rechtsstaatiiches Gemeinwesen, warnte vor dem Extremismus von links und rechts und bekämpfte die "wahnwitzige Scheidung unseres Volkes in Bürgerliche und Arbeiter"61. In der verfassungsgebenden Synode, die 1922 auch im Gemeindesaal von St. Magni tagte und vom Volksbildungsminister St:pp Oertt:r ht:ftig bekämpft wurde, gehörte er der linken Partei an - im Gegensatz zu 60 Adolf LICIITENSTEIN, Christus das Licht in des Vaterlandes dunkelster Stunde. Predigt über Ev. loh. 8,12. Nach dem Friedenssch111ß gehalten in SI. Magni am 2. Sonntage nach Trinitatis, 29. Juni Braunschweig Zu den politischen Ansichten Schomhurgs vgl. einige seiner Schriften in SCHOMBt;RG, Gedenkbuch (wie Anm. 39), hier S. 134.

164 162 RainerMaaß Lichtenstein und Hoffmann, die der rechten zuzuordnen waren 62 Er war der Überzeugung, dass man aus Krieg, Bürgerkrieg und Verarmung lernen müsse und eben nicht alles beim Alten belassen könne, sah aber zugleich, wie schwer es den meisten Deutschen fiel, sich umzustellen. "Laßt uns doch endlich einmal Schluß machen mit dieser trostlosen Jammerphysiognomie, die weiter nichts verkündet, als daß die Schmalzpreise wieder angezogen habt:n, daß die Kartoffeln 40 bis 50 Mark kosten und daß die sozialistische Mehrheit immer noch nicht gestürzt ist", so versuchte Schomburg seine Gemeinde während einer Osterpredigt in der Inflationszeit aufzurütteln, um dann einige in seinen Augen positiven Aspekte des neuen Systems wie Reichsverfassung, Schulsystem und Bt:trit:bsräte hervorzuheben. All dieses sdt:n Zeichen für eine neue Volksgemeinschaft, aber: "Schilt alle diese Hinweise als unverbesserlichen Optimismus und mummele dich ein, damit dir die Frühlingsluft des neuen Lebens nicht schadet, lieber Durchschnittsdeutscher! Die Sonne des neuen Lebens wird dennoch aufsteigen! Noch manchesmal wird sie mit ihren Strahlen nicht durchdringen, weil unsere geistige Atmosphäre noch nicht entgiftet ist. Das weiß ich wohl! Es ist ja kein Wunder nach so starkem Gebrauch von Giftgasen... Nehmt's als ein Gleichnis für unser öffentliches Leben. Auch das ist noch reichlich stark vergiftet. Beispiele stehen zu Diensten. "63 Schomburg war ein scharfsinniger Beobachter seiner Umwelt, der viele Stimmungen um ihn herum fast instinktiverspürte. Und aus diesem Grunde zweifelte er zu Recht daran, dass die Mehrheit der Deutschen überhaupt den guten Willen besaß, um diese vergiftete Atmosphäre zu beseitigen. "Wie oft ist mir mit kirschrotem Gesicht und zornbebendem Wort entgegengeschleudert: "Wir können nicht von Versöhnung reden, solange die andern uns so behandeln!" Wie würde der mit solchem Wort entstellt, der nie darauf gewartet hat, daß sich ihm zuerst die Hand entgegenstreckt! Entweder: wir stellen uns ganz unter das Wort vom Frieden auf Erden und reißen bis auf die Wurzeln und Würzelchen den Haß aus unserem Herzen oder: wir kultivieren das eine neben dem andern und wundern uns dann nicht, wenn die Gewächse des Hasses alles überwuchern. "64 Der Gegensatz zwischen Unversöhnlichkeit und Friedenswille, den Schomburg in diesem Zitat als typisch für seine Zeit beschreibt, scheint mir für die Entstehungsgeschichte der meisten Ehrenmale - nicht nur in der Magnigemeinde - von zentraler Bedeutung zu sein. Das Ehrenmal für die Gefallenen war eben nicht aus einem Friedenswunsch heraus entstanden, sondern wurde von den Unversöhnlichen in die Wege geleitet, die nicht primär von der Trauer um den einzelnen Gefallenen geleitet waren, sondern von Kompromisslosigkeit. Das Ehrenmal hatte die Funktion einer für alle sichtbaren Demonstration gegen die gesellschaftlichen Veränderungen und die Politik der Zeit. Es war, gerade auch in der Form, in der es in der Magnikirche ausgeführt 62 LKA WF, Bestand Konsistorium! Landeskirchenamt Wolfenhüttel, Spezialakten, Nr. S 47: Benutzung der Räume des Gemeindehauses SI. Magni in ßraunschweig für die Tagung der verfassungsgebenden Synode 1922; Nr. S 34: Neue Verfassung der ßraunschweigischen Landeskirche Bd. 1, ; Staatshandhuch für den Freistaat Braunschweig 1923/24. Braunschweig 1923, S. 84 f.. b3 SCIIOMBlJRG, Gedenkbuch (wie Anm. 39), S. 73 f.. M Ehd., S. 92.

165 Magnigemeinde zu Braunschweig 163 werden sollte, ein fast verzweifeltes, aber trotziges Aufbegehren restaurativer Kräfte, das nicht frei war von Selbstmitleid. Wenn man der Frage nachgeht, warum in kirchlichen Kreisen die Abwehrhaltung gegen das System von Weimar besonders stark ausgeprägt war, macht man eine Vielzahl von Gründen ausfindig. Zunächst fühlte man sich nicht mehr so sicher wie früher. "Lichtscheues Gesindel" hielt sich im Umkreis der Kirche auf, Verunreinigungen nahmen zu, Riegel und Sicherheitsschlösser für die Kirchentüren wurden als notwendig erachtet. Dennoch wurde Anfang 1922 ein Einbruchsversuch in die Kirche unternommen. Zudem waren Schlägereien zwischen politischen Gegnern alltäglich geworden. Pastor Schweckendiek, der Nachfolger Schomburgs, führte aus diesen Gründen immer einen Schlagring zur Selbstverteidigung mit sich. Sein Sohn erinnert sich: "Einmal, von einem Abendmahl bei einem Schwerkranken kommend - der Talar überragte natürlich an Länge den Wintermantel -, wurde er in der Altstadt von zwei Typen gestellt:,guck mal da, den Pfaffen, woll'n wer ne uns mal vornehmen?' Vater fasste in die rechte Tasche, umklammerte den Schlagring, fixierte die bei den und ging geradeaus weiter. Sie ließen ihn passieren und sagten:,woll'n wer ne mal laufen lassen.' "65 Neben einer spürbaren Brutalisierung im Umgang miteinander trugen wieder einmal die Kirchenaustritte zum Unbehagen bei. Wie schon 1912 erfolgte auch 1922 eine regelrechte Kirchenaustrittskampagne der sozialdemokratischen Parteien. Rund Braunschweiger, die meisten davon in der Hauptstadt wohnend, traten aus der Kirche aus. Zugleich wurden Freidenkervereine geschaffen hatte Braunschweig den höchsten Freidenkeranteil aller deutschen Großstädte 66 In der Magnigemeinde hielten sich die Austritte nach allem, was wir heute sagen können, wie auch schon 1912/13 in gewissen Grenzen. Um 1930 waren hier Gemeindemitglieder beheimatet, hinzu kamen etwa 1000 aus der Kirche Ausgetretene 67 Durch die Politik der sozialistischen Räterepublik und der folgenden sozialdemokratischen Regierungen im Freistaat Braunschweig wurden die Vorbehalte gegen die Weimarer Republik noch verstärkt. Trennung von Kirche und Staat, Beseitigung der kirchlichen Aufsicht über das Schulwesen und eine drastische Verringerung der der Landeskirche gesetzlich zustehenden Staatszuschüsse - mit diesen Schlagworten sind die wichtigsten Maßnahmen umschrieben, mit denen sich die linken Parteien bei den meisten Pastoren noch unbeliebter machten. Die Mehrheit in der Magnigemeinde empfand die neue Situation, vor allem aber den niemals angestrebten Wegfall der Obrigkeits- und Staats nähe gen au wie die gesamte Landeskirche: als eine tiefe Kränkung ihres Selbstverständnisses und nicht als das Ende einer Phantasie 68 Dementsprechend sind die Verlautbarungen aus dem Kirchenvorstand: Empörung gegen den Be- 65 Dctlcv SCIIWECKENDIEK, Die "Magnizcit" meines Vaters, Pastor Erich Schwcckcndiek, in: Kirchenvorstand zu St. Magni (Hrsg.). St. Magni (wie Anm. 26), S Bemd ROTHEIt, Der Freistaat Braunschweig in der Weimarer Republik ( ), in H.-R. JARCK und G. SCHILDT (Hrsg.), Landesgeschichte (wie Anm. 23), S , hier S. 966; Dietrich KUEss NER (Hrsg.), Kirche und Nationalsozialismus in Braunschwcig. Braunschweig 1980, S BRUTZEIt, Gedenkbuch (wie Anm. 1), S " KUESSNER, Kirche und Nationalsozialismus (wie Anm. 66). S. 10 f..

166 164 RainerMaaß schluss des Landtages, den Bußtag als gesetzlichen Feiertag aufzuheben li9, einstimmiger Einspruch gegen die geplante Streichung des 9 des Strafgesetzbuches, welcher das" Verbrechen gegen das keimende Leben behandelt aus sittlichen, gesundheitlichen und nationalen Gründen '''lo. Und das eingeforderte Läuten zum Verfassungstag am 11. August 1923 umging der Kirchenvorstand beispielsweise damit, dass dasselbe mit dem Einläuten des Sonntags verbunden wurde, aber "der Kosten und Umstände wegen" nur mit einer Glocke geschehen sollte 7l Magni spielte der Republik von Weimar ein TrauergcIäut vor. Was noch mehr verbitterte als die kirchenfeindliche Politik (nur zwischen 1924 und 1927 und zwischen 1930 und 1933 regierte im Freistaat Braunschweig eine bürgerliche Koalition, die kirchenfreundlich gesonnen war) waren die Versorgungsengpässe und die Geldentwertung, die nicht nur in die Börsen der Pastoren tiefe Löcher riss, sondern auch das alltägliche Gemeindeleben ganz empfindlich beeinträchtigte. Der Mangel an Kohlen und anderen Heizmaterialien setzte sich nach dem Kriegsende fort, so dass die Gottesdienste in der kalten Jahreszeit bis 1925 weiterhin im Gemeindehaus abgehalten wurden. Holzeinschläge auf dem Magnifriedhof - allein im Januar 1920 wurden hier 164 Zentner geschlagen - beseitigten die schlimmsten Kältezustände in den Gemeinderäumlichkeiten. Ein weiterer Einschlag fand im Winter 1922/23 statt. Im Zuge der Inflation verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Stadtgeistlichen und der Gemeindepflege an St. Magni beträchtlich. Die Gleichstellung mit den Beamten der zehnten Gehaltsklasse stünde nur auf dem Papier, referierte Schomburg. Sie müssten mit Mark im Monat auskommen und ihre Religionsstunden an den Schulen seien mit 6 Mark viel zu niedrig vergütec 2 Was für ein Unterschied im Vergleich zum Jahre 1908, als beide Pastoren mit einem Gehalt von Mark ihre Tätigkeit an Magni aufnahmen, bzw. den Mark, mit denen sie seit 1912 entlohnt wurden - die freie Dienstwohnung im Wert von Mark nicht mit eingerechnete 3 Gegen Ende 1922 hatte die Geldentwertung ein solches Ausmaß angenommen, dass die Landeskirche in ernsthafte Schwierigkeiten geriet. Der Kirchenvorstand klagte: "Die Stadtkirche ist im Januar am Ende, die Landeskirche ist ebenfalls mittellos. 331 Millionen Mark sind nötig, um 240 Geistlichen die Einkünfte der X. Gehaltsklasse zu gewähren, aber nur 13 Millionen Kirchensteuern kommen zusammen. Staatszuschüsse in Friedenshöhe sind bei der Gesinnung des Ministers Jaspers nicht zu erwarten. Weitere Anleihen führen nur zum Bankerott. Das Konsistorium ist nicht eifrig. "74 69 Pfarrarchiv St. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom Ebd., K V-Sitzung vom 4. I. 1 ' Ebd., KV-Sitzung vom Vgl. Sitzung vom [Von einer Berücksichtigung der Verfassungsfeier im Gottesdienst wird abgesehen]. n Ebd., K V-Sitzung vom '121. Vgl. auch Sitzung vom ) StABs, D IV 2309: Akte über Pastor Ado1f Lichtenstein und die Prcdigerwah1cn Pfarrarchiv St. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom Vgl. Sitzungen vom und vom

167 Magnigemeinde zu Braunschweig 165 Über vier Jahre hinweg konnte der jährliche Rechenschaftsbericht der Gemeindepflege nicht mehr im Druck erscheinen; die Gemeindeschwestern räumten ihre Wohnungen im Gemeindehaus Hinter der Magnikirche 6 a, damit die Gemeinde wenigstens Mieteinnahmen aus den Wohnungen auf ihrer Habenseite buchen konnte. Zur Deckung der steigenden Ausgaben verkaufte die Gemeinde alte zerfallene Eisengitter auf dem Magnifriedhof an die Firma Grimme & Natalis, wofür Mark erlöst werden konnten 75. Es war ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Kirchenvogt an St. Magni hatte keine andere Wahl, als von abends 6 Uhr bis morgens 6 Vhr Nachtwachdienste zu leisten und einen großen Teil des Kirchendienstes von seiner Frau verrichten zu lassen. Um ihren beiden Predigern ein ähnliches Los zu ersparen, wurde im Herbst 1923 die sogenannte Gemeindenothilfe zu deren Unterstützung ins Leben gerufen 76 Diese Gemeindenothilfe wurde, da das Vermögen der Gemeindepflege durch die Inflation fast vollständig vernichtet worden war, ab dem 1. Januar 1925 mit dieser verschmolzen. Eine neue Satzung wurde durch diesen Schritt notwendig 77. Die Gemeindepflege - dieser Name blieb erhalten - hatte nun nicht mehr allein den Zweck, Gemeindeschwestern zu unterhalten und hilfsbedürftige Gemeindeangehörige zu unterstützen, sondern sie sollte auch Mittel bereitstellen "in Fällen, wo die Bewilligungen des Stadtkirchenverbandes nicht ausreichen oder nicht in Frage kommen". Es verwundert nach all dem nicht, dass der konservative Lichtenstein die Wortführerschaft in seiner Gemeinde behielt. Er arbeitete weiterhin ohne gravierende Differenzen (selten genug in der Geschichte der Magnigemeinde) mit Schomburg und der liberalen Minderheit im Kirchenvorstand zusammen. Bereits bei der Pastorenwahl von 1908 ließen sich, wie oben erwähnt, beide Richtungen deutlich voneinander unterscheiden. Vielleicht war diese nach wie vor gute Zusammenarbeit noch der während der Kriegszeit demonstrierten Einmütigkeit geschuldet, denn Patriotismus und Siegeszuversicht waren kein Monopol der Konservativen. Dennoch wurden in der Nachkriegszeit heftige Auseinandersetzungen über den zukünftigen Weg des Gemeindelebens ausgetragen, und Parteipolitik spielte eine wesentlich größere Rolle als vor dem Krieg. Der Ton verschärfte sich, und die Politik von Sozialisten und Sozialdemokraten hatte den konservativen Gemeindevertretern viele Trümpfe in die Hand gespielt. Als 1920 eine Neuwahl des Kirchenvorstandes bevorstand, erklärte der Augenarzt Dr. Reinhard Hoffmann, neben Arnold Rimpau Wortführer der konservativen Richtung im Kirchenvorstand, er könne nur demjenigen seine Stimme geben, der auf dem Boden der" Freunde einer evangelischen Volks- und Bekenntniskirche" stünde und müsse daher von jedem einzelnen Mitglied wissen, zu weicher kirchlichen Partei er gehöre. Deshalb schlug er vor, zwei Wahllisten aufzustellen. Eine äußerst kontroverse Diskussion schloss sich diesem Vorschlag an, "in der verschiedene Herren der rechts- und linksstehenden Parteien ihre Meinung zum Ausdruck brachten. Schließlich einigte man sich darauf, eine Anzahl llerren über die ge- " Ebd., KV-Sitzungen vom und vom ,. BRUTZER, Gedenkbuch (wie Anm. 1), S. 51 f.. " Pfarrarchiv SI. Magni. Satzungen der Gemeindepflege zu SI. Magni, genehmigt durch Schreiben des Braunschweigischen Ministers des [nnern vom

168 166 RainerMaaß wöhnliche Zahl hinaus vorzuschlagen und dann die Wähler aufzufordern, die ihnen nicht passenden Mitglieder durchzustreichen. «IR Als 1923 die Nachfolge Pastor Lichtensteins, der eine Berufung an die Epiphaniasgemeinde zu Charlottenburg angenommen hatte, zu regeln war, fiel die Wahl 1924 schließlich auf Pastor Ernst Martin Brutzer ( f 9, den Dr. Hoffmann als reifen, innerlichen Mann, wuchtigen Prediger und eindringlichen Lehrer schilderte. Nachdem sich auch der Senior des Kirchenvorstandes, Arnold Rimpau, für Brutzcr ausgesprochen hatte, wurde dieser am 27. Januar 1924 einstimmig gewählt. Bis zu seinem Tod 1940 sollte er in der Magnigemeinde bleiben. Das gute Einvernehmen zwischen den Pastoren aber war mit Lichtensteins Weggang beendet. War bislang die persönliche gegenseitige Achtung voreinander bestimmender als die unterschiedlichen politischcn Standpunkte, so änderten sich nun die Vorzeichen. Schomburgs politische Aktivitäten wurden nicht mchr stillschweigend geduldet, sondern wurden zum Thema der Kirchenvorstandssitzungen. Über die Sitzung vom 2. Juli 19'24 heißt es: "Gegenüber mannigfachem Gerede in und außer der Gemeinde erklärt Herr Pastor Schomburg, daß er weder Kommunist noch Sozialist sei, noch es auch zu werden gedenke. «Es ging darum, dass Schomburg als Vorsitzender der Jugendherbergsvereine eine Tagung zur Förderung einer Herberge in Schierke veranstaltet hatte, deren Abschluss auf den Wiesen bei Schapen mit Tanz und Gesang gefeiert worden war. Davon seien, so Schomburg laut Kirchenvorstandsprotokoll, "die 15 Vereine, kirchliche, bürgerliche, sozialistische und kommunistische im geschlossenen Zuge zurückgekehrt. Es habe sich eine rote Fahne im Zuge befunden, aber kein Sowjetstern und es seien keine revolutionären Lieder gesungen «worden. Das Meinungsbild innerhalb des Kirchenvorstandes hatte sich jedoch deutlich zuungunsten Schomburgs verschoben. In einer anschließenden Sitzung des Kirchenvor- " Pfarrarchiv St. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom Die Wahl wurde im übrigen am durch acht Wahlberechtigte mit Erfolg angefochten. Ein neuer Kirchenvorstand trat erst Ende 1922, nachdem eine neue Kirchengemeindeordnung erlassen worden war, zusammen. Vgl. KV Sitzung vom und vom Gewählt wurden 16 Kirchenvorsteher, davon mit konservativer Richtung: Augenarzt Dr. Reinhard Hoffmann, Hennebergstraße 19; Verlagshuchhändler Wilhelm Maus, Adolfstraße 41; der Senior des Kirchenvorstandes, Gutsbesit7.cr Arnold Rimpau, Wolfenhüttcler StraLle 1; Werkmeister Hermann Neddermeyer. Bertramstraße 50, später: Poststraßc 5; Landgerichtsrat Kurt Gcrhard, Campcstraße 38; Oberschulrat Professor Ferdinand Beckurts, Leiter des Wilhelm-Gymnasiums von , Adolfstraßc 57 [Vgl. StABs, H VIII A Nr. 217; 50 Jahre Wilhelm-Gymnasium zu Braunschweig , Braunschweig 1935, S. 59 [Fotografie]]. Wohl der liberalen Richtung angehörend: Kaufmann Moritz Heindl, Obergstraße 1; Professor Studienrat Franz Hahne, Lehrer am Wilhclm-Gymnasium, Löwenwall 22 [Vgl. StABS, H VIII A \Ir. 1550; 50 Jahre Wilhelm-Gymnasium, S. 52, Fotos: S Heindl gehörte den Freunden evangelischer Freiheit, einem Zusammenschluss liberaler Geistlicher, der sich am 2R. April 1933 auflöste, an; Versicherungsdirektor Karl Schmidt, Erster Direktor der Braunschweigischen Lebensversicherungs-Bank, Löwenwall 12; Lehrerin I1se Flagge, Steintorwall 5; Fräulein Helene lise, wohl Campestraßc 16, Mitglied der Freunde evangelischer Freiheit. Wohl eher der konservativen Fraktion gehörten überdies an: Generalmajor a.d. Eckart v. Bonin, Adolfstraße 16; Landwirt Ebeling aus Rühme; Regierungslandmesser Hermann Pöpcl, Hinter Aegidien 5; Steckhahn; Studienrat Professor Richard Rühfcld, Leonhardstraße 62. Angahen aus dem Braunschweigischen Adreßhuch für das Jahr LKA WF, PA [Personalakte] Nr. 121 und 122. Brutzer trat am der NSDAP bei.

169 Magnigemeinde zu Braunschweig 167 standes ohne die Pastoren wurde beschlossen, "angesichts der Erregung weiter Kreise über politisches und sonstiges außerkirchliches J lervortreten des Herrn Pastor Schomburg" diesen schriftlich aufzufordern, im Interesse der Wahrung des Friedens in der Gemeinde, ähnliche Äußerungen in Zukunft zu unterlassen. Diesen Erwartungen ist Schomburg nicht gerecht geworden. Im Zuge des Wahlkampfes vor der Landtagswahl Ende 1924, die erstmals seit 1919 eine bürgerliche Mehrheit zum Ergebnis haben sollte, bczog er vielmehr eindeutig Stellung gegen die Rechtsparteien. Schomburg wurde vom Stahlhelm aufgrund eines Flugblattes der pazifistischen Friedensgesellschaft 8o, deren Vorsitzender er im Braunschweigischen war, scharf angegriffen. Der Kirchenvorstand jedoch pflichtete in seiner Mehrheit der Auffassung des Stahlhelms bei und versuchte offensichtlich durch eine eigene Richtigstellung in der Presse Schomburg zu desavouieren 81 Dieser zog für sich die Konsequenzen und bewarb sich um die Position eines Leiters des neu ins Lehen gerufenen städtischen Jugendamtes. Diese Stelle trat er noch im Jahr 1925 an. Drei Jahre lang - bis zu seinem Tod hatte er noch Zeit, seine Vorstellungen von einer Jugendarbeit zu verwirklichen, die "rechte" und "Iinke" Tendenzen überwinden und Brücken schlagen sollte. In der Magnigemeinde sah er nicht mehr die Möglichkeit dazu. Als Nachfolger Schomburgs wurde Pastor Erich Schweckendiek einstimmig zum Pfarrer gewählt. Zuvor war er Seelsorger im hinterpommerschen Dorf Lübzin gewesen. Aber auch zwischen ihm und Brutzer stimmte die "Chemie" nicht. Diesmal waren nicht primär politische Gründe ausschlaggebend, sondern theologische Differenzen und persönliche Empfindlichkeiten. Schweckendiek war als Anhänger des Theologen Kart Barth ein Vertreter der sogenannten Dialektischen Theologie. Diese stellte das Wort Gottes, die Offenbarung, in das Zentrum des kirchlichen Lebens, lehnte philosophische Gedankengänge ab und befand sich in einer Gegnerschaft sowohl zu den liberalen als auch - in einem geringeren Grade - zu den konfessionellen Theologen. Warum sich der Kirchenvorstand von St. Magni für Schweckendiek und nicht für einen liberalen Prediger entschied, wird nicht deutlich. Es ist möglich, dass man glaubte, Brutzer würde mit einem Anhänger der Dialektischen Theologie eher auskommen, als mit einem Liberalen von der Art Schomburgs. Wer so dachte, sah sich aber schnell getäuscht. Schon wenige Monate nach Schweckendieks Amtsantritt gerieten beide aneinander. Auslöser waren vermeintliche Eingriffe Schweckendieks in die Arbeitsgebiete Brutzers und die der Gemeindepflege 82 '0 Zur 1892 gegründeten Deutschen Fricdensgesellschaft vgl. Fricdrich-Karl SCHI'ER, Die Deutsche Friedensgesellschaft ( ). Organisation, Ideologie, politische Ziele. Ein Beitrag zur Geschichte des Pazifismus in Deutschland. Frankfurt/ Main Zur Beziehung der Friedensgesellschaft zur Deutschen Demokratischen Partei: Ehd., S ; vgl. auch Guido GRÜNWALD (Hrsg.), Nieder die Waffen! Hundert Jahre Deutsche Friedensgeselbchaft ( ). Bremen "' Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbuch. KV-Sitzung vom KALBERLAH, Schomhurg (wie Anm. 39), S. 239: "Dem segensreichen Wirken Schomhurgs im Pfarramt der St. Magnigemeinde wurde im Frühjahr 1925 ein Ende gesetzt. Nach schweren politischen Auseinandersetzungen une. harten Meinungsverschiedenheiten über kirchliche Öffentlichkeitsarheit - hervorgerufen durch nationalistische Tendenzen und bedenkliche Intrigen zum Teil sogar im Kirchenvorstand - schied Schomburg aus dem Pfarramt...",.2 Pfarrarchiv St. Magni, Protokollhuch, KV-Sitzungen vom , 2R , , Vgl. auch: Detlev SCHwEcnNvlICK, Die "Magnizeit" meines Vaters (wie Anm. 65), S. 158:

170 168 RainerMaaß Wieder bestimmte die Angst vor einer befürchteten Spaltung der Gemeinde die Sitzungen des Kirchenvorstandes. Im Januar und Februar 1927 erreichten die Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt. Schweckendiek sprach von feindseligen Angriffen ihm gegenüher und beabsichtigte, sich aus der Magnigemeinde zurückzuziehen, sobald er eine andere Stelle gefunden habe. Es war zwei außerordentlichen Zusammenkünften von Kirchenvorstandsmitgliedern zu verdanken, dass Schweckendick in Magni gehalten wurde - kurz bevor er von auswärts eingeladen worden war, eine Probepredigt zu halten. Am 7. März 1927 sprachen sich auch Brutzer und Schweckendiek in der Sakristei der Kirche aus und erzielten eine Einigung. Schweckendiek sollte bis 1933 Pastor an St. Magni bleiben, bevor er an die Jacobikirche zu Greifswald, in die Nähe seiner alten Wirkungsstätte, zurückkehrte. Auch zwischen Schweckendiek und seinem Vorgänger Schomburg gab es Auseinandersetzungen, die zeigen, wie unterschiedlich deren politisches Verständnis doch war. Als Direktor des Jugendamtes wandte sich Schomburg 1927 an Schweckendiek mit der Bitte, ihm die Magnikirche zur Verfügung zu stellen zur Taufe eines Kindes von einem gut bekannten Gemeindemitglied. Dieser erwiderte, er könne diesem Wunsch nicht nachkommen, da Schomburg "starke Angriffe gegen Kirche und Pfarrerstand in politischen Versammlungen gerichtet habe" und er "einem solchen Menschen seinen Altar und seine Kanzel nicht zur Verfügung stellen könne. 083 Die Auseinandersetzung entzündete sich an einer Äußerung Schomburgs nach seinem Fortgang aus Magni, er habe seinen Talar "an den Pappe/baum" gehängt. Diesen Ausdruck gebrauchte er, als er in einer Versammlung die Aktivitäten des Stahlhelms bei den Wahlen von 1924 schilderte und von den "maßlosen und unbegründeten Angriffen" dieser Organisation sprach, als deren Folge er seinen Talar an den Pappelbaum gehängt hätte. Das Landeskirchenamt stellte sich auf die Seite Schweckendieks, indem es Schomburg von der Benutzung der Magnikirche abriet und eine Haustaufe empfahl und indem es darauf bestand, die weit verbreitete Äußerung über den Pappelbaum, die" weithin starken Anstoss erregt hat", öffentlich zurückzunehmen 84 Übrigens haben antisemitische Ansichten in den Kirchenvorstandsprotokollen bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten nur einmal ihren Niederschlag gefunden. Der verstorbene Kaufmann Simon Hamburger, Leiter des Mode- und Konfektionsgeschäftes Hamburger & Littauer 85, hatte der Magnigemeinde nach seinem Tod 1928 ein Legat in Höhe von Mark hinterlassen. Während die Kirchenvorsteher das Vermächtnis annehmen wollten, äußerte Pastor Schweckendiek grundlegende Bedenken. Es sei gegen sein Gefühl "in unserer Zeit eine solche Spende von jüdischer " Theologisch paßte mein Vater dem Kirchenvorstand nicht, da er den gewünschten chritlich-liberalen Aufguß a la Harnack, verbrämt mit ein paar Goethe- oder Luthenitaten, nicht zu liefern vermochte.... Mein Vater legte vielmehr den größten Wert auf die Wortverkündigung, d. h. die Predigt und die Bibelstunden... auf dem Boden einer klaren, neureformatorischen Aussage im Sinne von Kar! Barth." Auseinandersetzungen mit dem Kirchenvorstand gab es auch wegen der Instandsetzung des Pfarrhauses Adolfstraße 36. Ebd., S , LKA WF, Bestand Konsistorium/ Landeskirchenamt Wolfenbüttel: Braunschweig, SI. Magni, Nr. 1/6: Darin: Schreiben Schomburgs an das Landeskirchenamt Wolfcnbüttel vom Ebd., Schreiben des Landeskirchenamtes an Schomburg vom Vgl.: M. GARZMANN und w'-d. SCIIUEGRAF (Hrsg.), Stadtlexikon (wie Anm. 39), S. 59.

171 Magnigemeinde zu Braunschweig 169 Seite anzunehmen, zumal da eine gleiche Behandlung der christlichen und jüdischen Gemeinde als nicht schicklich im höheren Sinne des Wortes empfunden werden müsse". Nach seiner Auffassung könne die Annahme der Schenkung den Sammlungen in der Magnigemeinde nur abträglich sein. Diese Äußerung kann als Hinweis dafür gelten, dass es unter den finanzkräftigen Spendern in der Gemeinde eine nicht unbedeutende Stimmung gegen die jüdische Bevölkerung gegeben hat. Unter Hinweis auf die Notlage der Gemeindepflege entschloss sich der Kirchenvorstand aber zur Annahme des Vermächtnisses 86 Antisemitismus war höchstwahrscheinlich kein zentrales Credo in der Weltanschauung der konservativen Pastoren Lichtenstein und Brutzer, frei waren sie von ihm aber keineswegs Die Realisierung des Ehrenmals Im dritten Nachkriegsjahr diskutieren Pastor Lichtenstein und der Kirchenvorstand zu St. Magni darüber, wie der Gefallenen des Krieges in der Kirche gedacht werden könne 8R Lichtenstein brachte drei Möglichkeiten des Gedenkens ins Gespräch: Zum einen die fast obligatorisch zu bezeichnende Gedenktafel, denn auf diese Wahl verfielen die meisten Kirchengemeinden in Deutschland, um ihrer Gefallenen zu gedenken. Zum anderen eine Glasmalerei für das mittlere Kirchenfenster im Chor, zum dritten einen Fonds für Kinderfürsorge. Diese letzten beiden Vorschläge wurden zunächst nicht weiter verfolgt, der Gedanke des Kirchenfensters blieb aber unterschwellig immer präsent. Warum überhaupt vorgeschlagen wurde, ein Glasfenster mit der Gefallenenehrung zu verbinden, macht ein Blick auf den baulichen Zustand des Chorbereiches deutlich. Die umfangreiche Restaurierung der Magnikirche unter Federführung der Stadtbauräte Tappe und Winter in den Jahren 1873 bis 1877 gestaltete auch den Chorbereich neu. Anstelle des alten barocken Hochaltars, der in das südliche Turmgewölbe versetzt wurde, wurde ein neugotischer Altaraufsatz geschaffen, der bis in die Sockel zone der drei Chorfenster hinaufreichte. Hinter dem neuen Altar und ihm zur Seite entstanden fünf Chorwandnischen mit jeweils drei Untergliederungen neu. In ihrer Gestaltung trugen sie ebenso zu der angestrebten Regotisierung des Kirchenraumes bei wie beispielsweise der Altaraufsatz, die neue Kirchenbestuhlung oder die neue Kanzel. Die neue Raumdisposition erlaubte einen freien und bislang nicht gekannten Blick auf die drei hinteren gotischen Maßwerkfenster des Chores. Es ist nicht überliefert, weiche Ausschmückung die Fenster vor der Restaurierung aufwiesen und ob überhaupt farbiges Glas verwendet worden war. Gesichert ist je- HO Pfarrarchiv St. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom Zu den Modalitäten der AUS711hlung und Verwendung des Vermächtnisses vgl.: KV-Sitzungen vom , , , , und ' Lichtenstein beispielsweise wetterte 1919 gegen den "judorussischen Bolschewismus" (LICHTEI'STEIN, Christus das Licht (wie Anm. 60), S. 11) und Brutzer erwähnt in seinem Gedenkbuch 1931, dass man Juden noch im 19. Jahrhundert "wohl mit einem gewi~en Recht" nicht getraut habe (BRurzER, Gedenkbuch (wie Anm. 1), S. 66). HK Pfarrarchiv St. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom

172 170 RainerMaaß denfalls, dass sie, wie Tappe es bereits 1869 vorgeschlagen hatte, im Zuge der Restaurierung neu verglast wurden und dass 1909, nachdem eine weitere Restaurierung der Kirche unter Leitung des Stadtbaurates OsterlohR 9 stattgefunden hatte, in deren Folge auch der Chorbereich neu ausgemalt wurde 9o, zwei farbige Glasfenster gestiftet wurden 91 Das linke stellte die Taufe Christi dar, das rechte die Abendmahlseinsetzung. Das Chormittelfenster zwischen beiden Glasgemälden blieb hingegen noch ohne Gestaltung. Bereits vor Kriegsbeginn wurden dem Kirchenvorstand Entwürfe zur Gestaltung des Fensters vorgelegt, die man aber nicht umsetzen wollte, solange kein Stifter gefunden war 92 Dieser zentrale noch unausgeschmückte Ort in der Magnikirche fiel auf und regte ganz offensichtlich die Phantasie der Pastoren und Gemeindemitglieder an, als es darum ging, dem Totengedenken Ausdruck zu verleihen. Da aber das Kirchenfenster einen vorwiegend religiösen Inhalt haben müsste und eine Gefallenenehrung darunter durch den Hochaltar verdeckt würde, setzte sich zunächst auch in der Magnigemeinde der Plan einer Gedenktafel durch, die allerdings nicht die Namen der Gefallenen enthalten sollte. Der Schaffung eines Fonds stand man skeptisch gegenüber, weil es bereits die bestehenden wohltätigen Stiftungen schwer hatten, sich zu halten. Schomhurg wurde beauftragt, sich möglichst bald mit dem Direktor der Städtischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule am Löwenwall, Professor Rudolf Curth ( ), in Verbindung zu setzen, damit bis zum 2. August die Gedenktafel fertig gestellt werden könne. Curdt hatte zu diesem Zeitpunkt schon Gefallenendenkmäler entworfen. So schuf er beispielsweise 1921 eine Kriegergedenktafel für die Aula des Wilhelm-Gymnasiums, die Pastor Lichtenstein als Religionslehrer der Anstalt enthüllt hatte 93 KY Vgl. StABs, D IV 368 PA [Personalakte); Artikcl.. Osterloh" in: Braunschweiger Stadtlexikon, S '0 Zu dieser Restaurierung, bei der es zunächst um die Neuausmalung der Kirche nach dem Vorbild der bereits bei der Tappe-Winterschen Restaurierung entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien ging. bei der aber auch der Fußboden und die Orgel erneuert sowie elektrische Beleuchtung in die Kirche gelegt wurde: Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbueh, KV-Sitzung vom , , [Malerausstand verzögert Fertigstellung der Restaurierung; zahlreiche Probebemalungen waren nötig. da die an den Pfeilern aufgefundene alte Bemalung zu bunt und unruhig gewirkt" habe]; , , Vgl. auch StABs, D IV 2359 [u.a. mit genauer Aufführung der Orgcldisposition]; LKA Wl'; Bestand Konsistorium/ Landeskirchenamt Wolfenbüttel: Braunschweig, SI. Magni, Nr. 15: Kirchenbau und Einweihung der restaurierten Kirche , , Vgl. die Abbildung bei Wolfgang A. JÜr<KE, Zerstörte Kunst aus Braunschweigs Gotteshäusern - Innenstadtkirchen und Kapellen vor und nach 11)44. Groß-Oesingen, 1994, S Gestiftet wurde die "Taufe Jesu" von Otto Löhnefinke und seiner Frau Margarete Lerche, das "Abendmahl" von Arnold Rimpau. Ein drittes im Jahre 1909 gestiftetes Glasgcmiildc befand sich im Südschiff und stellte.. Jesus und dic Kinder" dar. Stifter waren Hermann und Marie Hauswaldl. Vgl. BRUTZER, Gedenkbuch (wie Anm. 1), S. 32; Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbueh, KV-Protokoll vom :.Derdem Kirchenvorstand vorgelegte Entwurf eines vom Herrn Kommerzienrat Provisor Hauswaldt zu stiftenden Kirchenfensters findet neben aufrichtigem Dank gegen den Geber völlige Billigung. Die Nachricht, daß noch weitere vier Fenster mit Glasmalerei für unsere Kirche in Aussicht gestellt werden, nimmt der Kirchenvorstand mit dankbarer Freude entgegen und erwartet eine recht baldige Vorlegung der betreffenden Entwürfe". 92 Ebd., KV-Protokoll vom '3 Vgl.: 50 Jahre Wilhelm-Gymnasium (wie Anm. 78), S. 29, 43, 45, 58 [Fotografie des Ehrenmals); Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Wilhelm-Gymnasiums. Braunschweig 1985, S. 85. Tabella-

173 Magnigemeinde zu Braunschweig 171 Für die Magnikirche arbeitete Curth drei Entwürfe aus - von der äußeren Form her "schrägseitig fünfeckig, gradseitig mit Dach, barock unten ausladend mit gleichfalls ausladender Bedachung '«)4, die keine Begeisterung auslösten. Kurzzeitig wurde deshalb der Gedanke verfolgt, auch den Bildhauer Siedentop95 und den Steinhauer Friedrichs zum Entwurf eines Denkmals aufzufordern. Hiervon nahm man wieder Abstand, da man Curth das einmal geschenkte Vertrauen nicht entziehen mochte. Eine Besprechung mit ihm an Ort und Stelle sollte die Angelegenheit voran bringen und Klarheit über Form und Material der Gedenktafel schaffen. Ungeachtet der Präferenz für Curth legte Pastor Lichtenstein während der nächsten Kirchenvorstandssitzung den freiwillig eingereichten Entwurf eines Architekturstudenten dcr Technischen Hochschule vor und betonte, indem er u.a. auf die Braunschweiger Jacobikirche verwies, die vielfältigen Lösungsmöglichkeiten, die sich eröffneten, wenn man das Problem lösen wolle 96 In der Jacobikirche war 1921 ein Ehrenmal errichtet worden, das sich bis heute erhalten hat. Es bestand aus einem halbrcliefartigen, aus der Wand hervortretenden Stein sarkophag, der von einem Kreuz überragt wurde. Auf dem Sarkophag ruhten ein Stahlhelm auf der linken und ein Kissen mit einem Orden auf der rechten Seite. Ihm zur Seite standen je zwei hölzerne Stelen mit den Namen der Gefallenen. Solange Lichtenstein an St. Magni Pastor war, war er die treibende Kraft bei der Realisierung eines ähnlich spektakulären Denkmals, und seinem Engagement wird es zuzuschreiben sein, dass sich ein Ausschuss konstituierte, der neben den beiden Geistlichen auch die Kirchenvorsteher Rimpau, Beckurts und Hahne umfasste. Dieser Personenkreis sollte zukünftig die Planungen leiten. Mindestens bis in den November 1921 hinein wurde noch die Gedenktafel-Lösung favorisiert, und es bestand lediglich Uneinigkeit darüber, ob die Namen der Gefallenen aufgeführt werden sollten oder nicht\/? Die Entscheidung über diese Frage sollte vom Wunsch der betroffenen Familien abhängig gemacht werden. In den folgenden Kirchenvorstandssitzungen wurde das Thema nicht weiter behandelt, aber im Juni 1922 wurde plötzlich wieder der Glasmalerei der Vorzug gegeben, wofür Stadtbaurat Osterloh um einen Entwurf gebeten werden sollte 9!!. Offensichtlich hatte die Zusammenarbeit mit Direktor Curth nicht zum erwünschten Erfolg geführt. Schomburg teilte Lichtensteins Enthusiasmus für das Glasfenster nicht, obwohl er selbst seinen Sohn Hans im Krieg verloren hatte. Er wies auf die berischer Lebenslauf von Rudolf Curdt und Fotografie in: StABs, H VIII A Nr. 777a. S. auch Franz Josef CHRISTIANI, Die Handwerkerschule. Tradition des 19. Jahrhunderts und Entwicklung während der NS-Zeit, in: Städtisches Museum Braunschweig (Hrsg.), Deutsche Kunst in Braunschwcig. Kunst im Nationalsozialismus. Katalog der Ausstellung. Hildesheim 2000, S " Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbuch, KV-Protokoll vom ' Vgl. StABS, H VlII A Nr. 4683a. Hermann Friedrich Carl Siedentop ( ) war Gewerbeoberlehrer und Bildhauer. % Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbuch. KV-Sitzung vom Der nicht erhaltene Entwurf stammte von Friedrich Krefter aus Emden, der an der Technischen Hochschule 1922 sein Diplom ablegte. Vgl. Universitätsarchiv der TU Braunschweig, N I Pfarrarchiv St. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom , Ebd., KV-Sitzung vom

174 172 RainerMaaß denkliche Steigerung der Preise zumal für Glas hin und sah die Unterstützung der notleidenden Gemeindepflege als weit wünschenswerter an als Sammlungen durchzuführen für die Finanzierung des Ehrenmals. Trotz der Skepsis des Pastors sollte der Denkmalsausschuss zunächst bei maßgebenden Glasmalereien Preiskalkulationen einholen und danach entscheiden, ob das Vorhaben aufzugeben sei oder in absehbarer Zeit ausgeführt werden könne. Im Oktober 1922 bedeuteten die starken Preissteigerungen das von Pastor Schomburg bereits prophezeite vorläufige Aus für das Ehrenmal-Projekt 99 Es war einfach nicht finanzierbar. Der Wunsch danach blieb aber weiterhin lebendig. Die wohl erste in den Kirchenvorstand von St. Magni gewählte Frau, eine Lehrerin aus der Leonhardstraße 45 mit Namen Ilse Flagge, empfahl beispielsweise, etliche Gemeindeabende mit Konzerten und Vorträgen abzuhalten, um Gelder für Gemeindezwecke wie das Ehrenmal zu sammeln. Dieser Vorschlag wurde vom Kirchenvorstand allerdings in Anbetracht der Gesamtlage als wenig aussichtsreich bezeichnet 100. Anfang 1923, während die Inflation weiter andauerte, war es wiederum Pastor Lichtenstein, der die Frage des Ehrenmals" wenn auch noch so bescheiden, gelöst sehen" wollte, und Rimpau riet, den Gedanken des Kirchenfensters und die Namensnennung dcr Gefallenen hinter dem Altar in den neugotischen Chornisehen nicht aufzugeben lo1 Die Mehrheit des Kirchenvorstandes schloss sich jedoch einem Antrag von Studienrat Professor Richard Rübfeld an und beschloss "in dieser schweren Krise der Besetzung des Ruhrgebiets durch die Franzosen die Sache nicht anzuschneiden, sondern einen Aufschwung zu erwarten oder in der allgemeinen Vernichtung zu verzichten. " Die Pastorenwechsel der Jahre 1924 und 1926 haben die Ausführung des Ehrenmals ebenfalls verzögert, aber nicht unterbunden. Rimpau hatte nun freie Hand und sorgte in eigener Regie nach einer Realisierungsmöglichkeit. Am 2. April 1925 brachte er das Thema wiederum vor dem Kirchenvorstand zur Sprache. Im Protokoll ist davon die Rede, dass er einen Fensterentwurf eines Frankfurter Künstlers und der Braunschweiger Firma Fischer & Co. vorgelegt hatte. Bei dem Frankfurter Künstler handelte es sich um den renommierten Glaskünstler Otto Linnemann ( ). Wie der Kontakt zwischen Linnemann und der Magnigemeinde zustande gekommen war, ist nicht klar. Linnemanns eigene Korrespondenz ist während des Zweiten Weltkrieges weitgehend vernichtet worden, und der Nachlass der Familie Rimpau im Stadtarchiv Braunschweig bietet ebenfalls keine Anhaltspunkte. Womöglich waren Rimpau einige Arbeiten von Linnemann im norddeutschen Raum aufgefallen, und er hatte selbst den Kontakt zum Künstler gesucht, mit der Bitte, einige Entwürfe vorzulegen. Linnemann war der Sohn des Glasmalers Alexander Linnemann ( ), hatte seit dem Todesjahr seines Vaters mit seinem im Ersten Weltkrieg gefallenen Bruder Rudolf ( ) in einer eigenen Werkstatt zusammen gearbeitet und war mit seinen Arbeiten in sakralen und weltlichen Gebäuden im gesamten damaligen 99 Ebd., KV-Sitzung vom Ebd., KV-Sitzung vom Ebd., KV-Sitzung vom

175 Abb. 1: Drei Entwurfszeichnungen Otto Linnemanns, Frankfurt, für die Gestaltung des mittleren Glasfensters im Chor der Magnikirche Braunschweig

176 174 RainerMaaß Reichsgebiet und weit darüber hinaus präsent. "Die Dome von Frankfurt, Erfurt, Meissen, Naumburg, Königsberg, die Katharinenkirche Oppenheim, die Abtei Altenberg, Wallots Reichstagsgebäude, der Römer, der Rittersaal im Marburger Schloss, viele Rathäuser und immer wieder Bauten der Heimatstadt Frankfurt und ihrer Umgebung sind darunter. Die Namen Alexandrien, Konstantinopel, Orte in Dänemark und Holland tauchen auf'd02. Seit 1923 hatte Linnemann eine Professur für architektonische Malerei an der Darmstädter Technischen Hochschule inne und war "der" Glaskünstler seiner Zeit. Rimpau hatte für sein Ehrenmal die erste Wahl getroffen. Dennoch: Ungeteilte Zustimmung erntete er mit seinem Vorschlag zunächst nicht. "Namhafte Kunstkreise der Stadt" sprachen sich noch im Juli 1926 für eine Auftragsvergabe an heimische Künstler aus 103, und aus Kostengründen regte Oberschulrat Beckurts an, eher den Braunschweiger Maler Walther Hoeck ( ), der bereits zur Zeit der Weimarer Republik und nicht erst nach 1933 ein in Braunschweig anerkannter und geschätzter Künstler war\04, ein Fenster entwerfen und die Firma Fischer ausführen zu lassen. Diese Variante sei sicherlich günstiger zu haben als die bis Mark teure Lösung des Frankfurters. Im August 1925 wurde aber ein Linnemannscher Entwurf grundsätzlich gebilligt (Abb. 1, rechte Entwurfszeichnung). Der Kirchenvorstand äußerte lediglich kleine Änderungswünsche in der Schrift und "der Andeutung des Zweckes". Die Ausführungskosten wurden auf Mark geschätzt zuzüglich der Anfertigung der NamenstafcIn. Um das Geld aufzubringen, sollten, so der Vorstandsbeschluss vom 19. August 1925, an die Gemeindemitglieder zum Totensonntag oder Karfreitag entsprechende Aufforderungen geschickt werden. Im Dezember drohte dem Projekt wiederum das Aus, und wiederum waren Geldnöte dafür ausschlaggebend 105 Zudem wurden Bedenken gegen das Anbringen der Gefallenennamen hinter dem Hochaltar geäußert, da die Namen dort nicht gesehen werden könnten. Rimpau fand auch in dieser Situation einen Lösungsvorschlag und ließ im April Pastor Schweckendiek war etwa 3 Monate im Amt - Lichtbilder anfertigen, die zeigen sollten, dass eine Entfernung des Hochaltars zugunsten des Mittelfensters eine gute Wirkung haben würde. Nachdem sich auch Professor Linnemann zu einer Ermäßigung seiner Forderung für das Fenster von auf Mark bereit gefunden hatte 106, ging es im Juni um die Organisation der Spendensammlung, die in den Händen des Denkmalausschusses lag. Die Verteilung der Bitt- 1Il2 Anna KLAPHf.cK, Glückwünsche für OHo Linnemann zu seinem 75. Geburtstag am 26. April, in: Nachlaß Linnemann, Frankfurt/ Main, Bornheimcr landstraße 51, verwaltet von Linnemanns Enkel Alexandcr Linnemann. 103 Braunschweiger Neueste Nachrichten, 10. Juli 1926, S. 9. H'" Claudia SCHWARZI.OSE, Der Maler Walther Hoeck, in: Städtisches ~useum Braunschweig (Hrsg.). Deutsche Kunst (wie Anm. 93), S Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom Insgesamt hatte die Gemeinde an Linnemann 3500 RM zu entrichten. wovon RM offensichtlich nach Einweihung des Ehrenmals gezahlt wurden. Die restlichen RM waren ihm bis zum Mai 1927 auszuhändigen. Zusätzlich zu diesen Kosten hatte die Gemeinde aufzubringen: 749 RM für die Malerarbeit der 25H Namen, 173,75 RM für die Cmstellung des Altaraufsatzes, sowie 21,25 RM für eine elektrische Lampe zur abendlichen Beleuchtung des Fensters.

177 Magnigemeinde zu Braunschweig 175 briefe wurde von Schülern übernommen, die sie austrugen und wieder einsammelten. Diese Aktion fand im Juni und Juli 1926 statt und fand unter der heterogenen Bevölkerung der Magnigemeinde ein geteiltes Echo. Ein Zwischenstand am 13. Juni ergab folgendes Bild: Von weit über 3000 Bittbriefen waren 2742 ausgeteilt. Daraufhin sind 541 Gaben in Höhe von 1.573,15 RM eingegangen, in Aussicht gestellt waren weitere 224 Mark, aber gut ein Viertel aller Briefe (705) sind von Gemeindemitgliedern ungeöffnet zurückgesandt worden. Besonders enttäuschend für den Kirchenvorstand war die mangelnde Spendenbereitschaft der Bewohner der Friesenstraße, die in ihrer Mehrzahl dem Arbeitermilieu zuzurechnen waren: Hier gingen auf 349 Bittbriefe insgesamt nur 43,50 RM einj()7. Über die generellen Schwierigkeiten der Kirche, in diesem Viertel Fuß zu fassen, schreibt der Sohn von Pastor Brutzer rückblickend: "Die Friesenstraße war "rot". Trotzdem ging Vater in allen Häusern aus und ein und genoß überall Vertrauen, auch wenn sich das einmal so ausdrückte: "Wissen Sie, Herr Pastor, Sie sind ja ein guter Mann, aber wenn's andersrum kommt, baumeln Sie doch an der Laterne." Vater hat das lächelnd zur Kenntnis genommen."!08 Das Ehrenmal war jedenfalls in erster Linie eine Herzensangelegenheit des Bürgertums und entsprach nicht den primären Bedürfnissen der ärmeren Bevölkerung. Die Gesamthöhe der Spendenbeiträge wuchs in den kommenden Monaten aber beständig an. Im Oktober 1926 waren 2.750,40 RM und im Dezember 3.002,25 RM eingeworben. Die letzte offene Rechnung konnte am 17. Juni 1927 beglichen werden. Im Hinblick auf die Gestaltung und die Ausführung des Ehrenmals hatte sich der Kirchenvorstand 1926 endgültig auf die Kombination von Fenster und Namensnennungen in den Chronischen festgelegt. Als Thematik des Fensters favorisierte er nicht die früher von Pastor Lichtenstein vorgeschlagene und auch von Linnemann entworfene Auferstehung und Himmelfahrt Christi, sondern eine Kreuzigungszene (Abb. 1 zeigt alle drei Entwürfe)!09. Im Sommer 1926 hatte man auch eine Liste der Gefallenen aus der Magni-Gemeinde zusammengestellt, die in zahlreichen Geschäften ausgelegt wurde, wo sie ergänzt werden konnte. Insgesamt kamen 258 Namen zusammen, die von Malermeister Kar! Kostmann in die Chornischen gemalt wurden. Der neugotische Altaraufsatz, der den Blick auf das neue Chorensemble störte, wurde in das südliche Seitenschiff versetzt 110 und durch einen niedrigeren Altartisch ersetzt. Zunächst war vorgesehen, den Altaraufsatz zu verkaufen, wozu es der Genehmigung des Staatsministeriums bedurfteili, aber diese Absicht wurde schon kurz darauf aufgegeben Pfarrarchiv SI. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom 19.4.,7.6. und Gustav BRUTZER, Erinnerungen an die "Magnizeit" meines Vaters Pastor Ernst Brutzer ( ), in: SI. Magni (wie Anm. 26), S , hier: S Herrn Alexander Linnemann, Frankfurt, einem Enkel von Otto Linnemann, danke ich herl'lich für seine Unterstützung. Im Nachlass üuo Linnemanns, der von ihm betreut wird, fanden sich die hier wiedergegebenen drei Farbskizzen sowie die zwei Schwarz-Weiß-Fotographien des tatsächlich realisierten Entwurfes. 110 BRUTZER, Gedenkbuch (wie Anm. 1), S Pfarrarchiv St. Magni, Protokollhuch, KV-Sitzung vom LKA WF, Bestand Konsistorium / Landeskirchenamt Wolfenbüttel: Braunschweig, SI. Magni, Nr. 1/4.

178 176 RainerMaaß Am Totensonntag, den 21. November 1926, wurde das Ehrenmal eingeweiht 113. Womöglich aus diesem Anlass wurde eine Fotographie angefertigt, die im EV.-luth. Stadtkirchenbauamt in Braunschweig aufbewahrt wird 114. Auf dem neuen Altartisch mit einer niedrigen sockel artigen Rückwand standen für gewöhnlich lediglich ein Kruzifix und zwei Leuchter aus Rübeländer Eisenguss aus dem Jahre 1809, so dass die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Glasfenster gelenkt wurde, das eine sehr starke Leuchtkraft hatte. Flankiert von den beiden bereits vorhandenen Glasfenstern mit der Darstellung der Taufe Jesu und der Abendmahlseinsetzung dominierte die Linnemannsche Arbeit seine bei den Nachbarn. Besonders die rote Glorie, die mit einem tiefblauen Strahlenkranz kontrastierte, zog die Blicke auf sich. Dem Gekreuzigten zur Seite standen Maria und Johannes, über ihm, im oberen Maßwerk, schwang sich ein Phönix in die Lüfte. In der Mitte des Glasfensters stellten zwei Schrifttafeln, die an beiden Seiten des violetten Kreuzes zu sehen waren, die Verbindung her zu den Namen der Gefallenen: "Niemand hat größere Liebe denn die / dass er sein Leben lässet für seine Freunde" (Abb. 2 zeigt eine Fotografie des fertig gestellten Fensters, Abb. 3 eine Detailaufnahme; beide aus dem Nachlass Linnemann, Frankfurt). An der Basis des Glasbildes könnte noch zu lesen gewesen sein: "Zum Gedächtnis unserer Gefallenen ". Dieser Schriftzug aber ist auf den erhaltenen Reproduktionen des ausgeführten Fensters nicht zu entziffern, son Braunschweigische Landeszeitung, , S Ebenso abgebildet in lünke, Zerstörte Kunst (wie Anm. 91), S Diese Aufnahme ist neben der im Linnemannschen Nachlass die einzige, die von dem Ehrenmal ausfindig gemacht werden konnte. Die Namen der Gefallenen konnten bislang nicht festgestellt werden. Abb.2: Fotografie des fertig gestellten Fensters im Chor der Magnikirche, 1926

179 Magnigemeinde zu Braunschweig 177 dem erschließt sich nur aus den von Linnemann vorgelegten Entwürfen. Mit diesem beeindruckenden und künstlerisch hochwertigen Denkmal, dem sich kein Besucher der Kirche entziehen konnte, hatte die Magnigemeinde für sich reklamiert, die legitime Bewahrerin des Andenkens an die Gefallenen zu sein. Mit der Aneignung des Gefallenenkultes eroberte sich der Kirchenvorstand ein Stück Deutungshoheit zurück, von der im Laufe der Jahrzehnte so viel verloren gegangen war. Geplant und verwirklicht von der konservativen, kompromisslosen Fraktion Abb.3: Detail des Chorfensters, Fotografie, 1926 im Kirchenvorstand, war das Ehrenmal überdies ein eindrucksvoller Protest gegen die politische Ordnung von Weimar, von der man sich mit einer gewissen Berechtigung bedroht sah. Durch diese Form des Protestes konnte man sich der Zustimmung weiter Bevölkerungskreise sicher sein, die sich mit der Figur des leidenden Christus als Symbol für eigenes Leiden wesentlich stärker identifiziert haben dürfte als mit der nicht ausgeführten hoffnungsvollen Auferstehung und Himmelfahrt. Für die Mehrheit des Kirchenvorstandes war diese Identifikation auf jeden Fall gegeben, erlebte sie doch, wie die braunschweigische Landeskirche in ihrer Gesamtheit, die Jahre der Weimarer Republik als Passionszeit. George L. Mosse schreibt in diesem Zusammenhang: "Die Unfähigkeit der Linken, die Realität des Krieges zu vergessen und sich dem Mythos des Kriegserlebnisses anzunähern, war ein Gewinn für die Rechte, die das Leiden von Millionen Menschen für ihre eigenen politischen Absichten ausnutzte. Der Mythos des Kriegserlebnisses trug dazu bei, den Schrecken des Krieges zu überwinden, und förderte gleichzeitig die Utopie, die der Nationalismus als Alternative zur Realität im Deutschland der Nachkriegszeit der Bevölkerung nahebringen wollte." 115 Wie hatte Pastor Schomburg gesagt? "Entweder: wir stellen uns ganz unter das Wort vom Frieden auf Erden und reißen bis auf die Wurzeln und Würzelchen den Haß aus unserem Herzen oder: wir kultivieren das eine neben dem andern und wundern uns dann nicht, wenn die Gewächse des Hasses alles überwuchern. "116 Das Eh- 115 George L. MOSSE, Gefallen für das Vaterland. Nationales Heldentum und namenloses Sterben, Stuttgart 1993, S Ebd., S. 92.

180 178 RainerMaaß renmal war sicherlich kein Symbol für Frieden und Verständigungsbereitschaft im Sinne Schomburgs. 4. Ausblick Die Tochtergemeinde von Magni, St. Johannis, hat die Realisierung des Ehrenmals mit großem Interesse verfolgt war die Errichtung eines eigenen Ehrenmales Thema ausführlicher Kirchenvorstandssitzungen. Das Ehrenmal dort bestand in erster Linie aus hölzernen Tafeln mit den Namen der Gefallenen aus der Gemeinde und war zwischen den Fenstern im Mittelschiff der Kirche angebracht. Bereits am 4. März 1928 konnte das Ehrenmal unter Teilnahme einer Abordnung des Stahlhelms eingeweiht werden. Der Entwurf stammte von Professor Curth, dessen Pläne in der Magnigemeinde keine Berücksichtigung gefunden hatten wurde im Kirchenvorstand der Magnigemeinde der Entwurf eines Glasfensters gezeigt, das ein Ehepaar naeh seinem Tode stiften wollte. Dieses sollte eines der bei den nicht farbig gefassten Glasfenster im Chorbereich offensichtlich ersetzen und dessen Bildprogramm ergänzen I 18. Zu einer Ausführung ist es nicht gekommen. Das Ehrenmal in der Magnikirche findet in den Kirchenvorstandsprotokollen nur noch einmal Erwähnung: 1933 wird Gerhard Landmann, einem SS-Angehörigen, der versehentlich während einer Razzia gegen politische Gegner von eigenen Leute erschossen worden war, mit einer Gedenktafel in der Kirche gedacht: n'" wird beschlossen, dem Namen Gerhard Landmann einen Ehrenplatz zu geben und ihn in den Reihen der Gefallenen aus der 5t. Magnigemeinde mit aufzuführen", heißt es im Kirchenvorstandsprotokoll 119 Die Anregung für diesen Akt ging von einem Herrn König, Ortsgruppen leiter der Deutschen Christen der Magnigemeinde aus. Ganz bewusst wurde die Gedenktafel aus weißem Marmor mit Goldschrift in unmittelbare Beziehung zum Ehrenmal gebracht und an der Südseite des Chorraumes an Stelle einer Nummerntafel befestigt. Auf ihr stand: n - Gerhard Landmann - unser Gemeindemitglied, starb als 55-Mann im Dritten Reich für sein Vaterland am 30. Juni 1933". In den Morgenstunden des 23. April 1944 wurde die Magnikirche durch einen Bombentreffer fast vollständig zerstört. Fotografien aus den Monaten danach belegen, dass der Chorbereich zwar beschädigt war, in seiner wichtigsten Bausubstanz aber erhalten geblieben ist. Sämtliche Chorfenster waren geborsten, aber die Chornischen mit den Gefallenennamen überstanden die Angriffe Zum Ehrenmal in der St. Johannis-Gemeinde: Die ev.-luth. Kirchengemeinde SI. Johannis (wie Anm. 14), S. 11 und S. 59. Das Ehrenmal wurde offensichtlich im 2. Weltkrieg beschädigt und nicht wiederhergestellt. 11. Pfarrarchiv St. Magni, Protokollbuch, KV-Sitzung vom Ebd., KV-Sitzung vom Vgl. auch die Sitzungen vom und Vgl. die Abbildungen bei JÜNKE, Zerstöne Kunst (wie Anm. 91), S. 206, 209.

181 Magnigemeinde zu Braunschweig 179 Die elf Mitglieder der evangelischen Jungmannschaft St. Magni befreiten zu Pfingsten 1947 den Chorraum der Ruine von den letzten Schuttmassen l2l Während des Wiederaufbaus der Kirche, der sich bis 1964 hinzog, wurden die Chorwandnischen vermauert. Sehr wahrscheinlich ist, dass Witterungseinflüsse die Namen der Gefallenen bereits seit längerem unkenntlich gemacht hatten, und dass man sich ganz bewusst dagegen entschieden hatte, das Ehrenmal wiederherzustellen. Der Wiederaufbau des Chores in seiner heute bestehenden Form wurde am 7. Februar 1957 durch ein Richtfest gefeiert. Ob jemand bei dieser Feier noch an das Ehrenmal und die Umstände, die zu seiner Errichtung führten, gedacht hat? Aus den Protokollen der Kirchenvorstandssitzungen jener Jahre verlautet darüber ebenso wenig wie aus einer Akte über den Wiederaufbau der Magnikirche im Landeskirchlichen Archiv StAßs, 11 III 7 Nr. 94, S. 33, S LKA WF, Bestand Konsistorium! Landeskirchenamt: Braunschweig, SI. Magni, Nr. 31 HR: Wiederaufbau der St. Magnikirche.

182

183 Wolfenbüttel, Westbahnhof Notizen über ein nationalsozialistisches Arbeitslager ( ) von Ralf Busch Heute, mehr als fünfzig Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, scheint das Unrechtsregime bis in alle Einzelheiten durchleuchtet. Die Literatur über diese dreizehn Jahre deutscher Geschichte ist fast unübersehbar, vielschichtig im allgemeine, reich an lokalen Beispielen und der Darstellung von Einzclschicksalen. Und dennoch bleiben Fragen offen. Die kontroverse Diskussion um den sogenannten Historikerstreit hat das erschreckend deutlich gemacht. Aufklärung, als ein immerwährender Prozess verstanden, ist immer noch vonnöten. Ein Fallbeispicl aus der Spätzeit des Regimes soll nachstehend dargestellt werden. Schon in der Phase der Agonie befindlich, versuchte dieses, Kräfte zum Überleben der Unmenschlichkeit zu mobilisieren. Mehr zufällig, da sich entsprechendes Material hat finden lassen, führt das Beispiel nach Wolfenbüttel. Sicher sind die Zeugnisse lükkenhaft, aber dennoch geeignet, die Konturen der Diskriminierung eines klar umschreibbaren Bevölkerungsteils sichtbar zu machen. Arbeitslager in Wolfenbüttel Berichtet werden soll hier über das Zivilarbeitslager (Mischlingslager) in Wolfenbüttel auf dem Gelände des Westbahnhofs. In der lokalen Literatur findet es sich nicht erwähnt!. Zivilarbeitslager 2 für Ausländer aus besetzten Gebieten sind hier wie auch andernorts hingegen zahlreich dokumentiert. 1 Hierfür gibt es mehrere Gründe. Die Geschichte der Stadt Wolfenbüttel von 1933 bis 1945 ist bisher nicht umfassend untersucht. f'achrichren über das Mischlingslager sind nur schwer auffindbar. Zwei thematisch einschlägige Veröffentlichungen kennen es nicht: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung , Niedersachsen I, Regierungsbezirke Rraunschweig und Limeburg, Köln 1985; hier Wolfenbüttel S ; Nazi-Terror und Widerstand in Wolfenbüttel. Ein anderer Stadtführer, hrsg. von Arbeit und Leben Niedersachsen e.v. (0. J.). 2 Zur Definition vgl. M. WEINMANN (Hrsg.), Das nationalsozialistische Lagersystem. Frankfurt! M eil. In dieses Verzeichnis sind die Mischlingslager nicht aufgenommen worden, da über sie zu wenig bekannt ist.

184 182 Ralf Busch In der Stadt Wolfcnbüttel waren sie für folgende Produktions betriebe eingerichtct: 3 Konservenfabrik O. Keune, Goslarsche Str. 3, 130 Pers. Konservenfabrik Busch, Barnewitz & Co., Neuer Weg 3, 100 Pers. Ravensberger Spinnerei Dr. Heinrich, Jasper Str. 11,90 Frauen Metallwerk GmbH., Halchtcrsche Str. 33, 200 Pers. Reichsbahnlager Keidel-Hannover, Halchtersche Str. 11,300 Pers. Gemeinschaftslager Stoeckheimer Str. 78, 70 Pers. Diese Arbeitslager sollten die örtliche Wirtschaft entlasten, die durch die Einziehung zahlreicher Arbeitskräfte zum Wehrdienst in ihrer Aktionsfähigkeit stark eingeschränkt waren. Die Mischlingslager sollten zwar einen entsprechenden Effekt erzielen, ihre Anlage erfolgte aber unter rassenpolitischen Überlegungen, waren also ideologisch motiviert. Dabei muss bedacht werden, dass die Organisation Todt (0. T.) für ihre staatlichen Baurnaßnahmen nun Kräfte einsetzte, die vorher keineswegs untätig waren, allerdings für den Wehrdienst als nicht würdig betrachtet wurden (s. u.) Über derartige Mischlingslager liegen nur wenige Erkenntnisse vor, was auf der Tatsache beruht, dass die Akten der O. T. bisher nicht aufgefunden wurden. Zum Begriff der Mischlinge Grundlage der Definition der "Nichtarier" war das Reichsbürgergesetz vom 14. November , unter Einbeziehung späterer Formulierungen gab es drei Gruppen 5 : 1. Juden: Personen mit zwei jüdischen Großeltern, die am 15. September 1935 der jüdischen Religion angehörten oder mit einem Juden verheiratet waren, ebenso Personen, die drei oder vier jüdische Großclternteile aufwiesen. 2. Mischlinge 1. Grades: Personen mit zwei jüdischen Großeltern, die zum Stichdatum nicht der jüdischen Religion angehörten noch mit einem Juden verheirat waren. 3. Mischlinge 2. Grades: Personen mit einem jüdischen Großelternteil. Eine derart schematische Zuordnung zum Nichtarier ließ manche Frage der Zugehörigkeit offen, ist also problematischer, als eine solche summarische Festlegung erkennen lässt. "Die Diskriminierung der Mischlinge war vergleichsweise gering," stellt R. Hilberg fest 6, der im Zusammenhang mit der "Endlösung" auch das "Sonderproblem Mischlinge und Juden in Mischehe" behandele. Er beziffert 1939 im Altreich, Österreich 1 Wie Anm. 2, S RGBI. I, S R. HII.ßERG, Die Vernichtung der europäischen Juden. Berlin 1982, S Wie Anm. 5, S Wie Anm. 5, S Vgl. auch H. G. ADLER, Der verwaltete Mensch. Tübingen Kap. 12.

185 Wolfenbüttel, Westbahnhof 183 und im Sudetengebiet die Mischlinge 1. Grades mit ca und die 2. Grades mit Personen 8 Die Beurteilung der Mischlinge beider Grade blieb oft von individuellen Auffassungen abhängig, zum al die nationalsozialistischen Führer und ihre Beamten sich in dem Problem keineswegs einig waren. Wir dü!fen hier einige exakte Zahlen aus dem Land Braunschweig einfügen. Nach der Volkszählung vom 17. Mai 1939 lebten dort 501 Juden, 219 Mischlinge 1. Grades und 232 Mischlinge 2. Grades, auf regionaler Ebene also ein sehr geringer Bevölkerungsanteil 9 Die Unsicherheit der Behörden, wie man mit dem Mischlingsproblem umgehen sollte, klärte sich im Winter 1944, als diejenigen des 1. Grades zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden 10. Damit war auch die Grundlage für die Einrichtung der Mischlingslager andernorts und in Wolfenbüttel gelegt. H. G. Adler musste 1974 feststellen, dass die genaue Zahl der Mischlingslager noch nicht bekannt sei. Unser Wissenstand hat sich seitdem noch nicht verbessert. Er berichtet:,,1944 und auch noch Anfang 1943 wurden viele arbeitsfähige männliche,mischlinge ersten Grades' und deutsche Männer jüdischer Frauen, also Personen, die,wehrunwürdig' waren, eingezogen und in Zwangsarbeitslager verschickt, die durchweg oder doch weitgehend der OT unterlagen. Im Reichsgebiet einschließlich des,protektorats' gab es mehrere solcher Lager, ihre genaue Anzahl ist bis jetzt nicht bekannt. Die Lebensbedingungen und die Behandlung waren wohl besser als in einem Konzentrationslager, doch düster genug. Entstanden sind diese Lager auf Veranlassung des Baubeauftragten für den Vierjahresplan, der in einem Schreiben vom 13. Oktober 1943 an die Präsidenten der Gauarheitsämter anordnete,,daß nach einer Entscheidung des Führers alle nicht wehrpflichtigen Halbjuden (Mischlinge ersten Grades) und die mit Volljüdinnen verheirateten Arier zu Arbeitsbataillonen im Rahmen der OT eingezogen werden sollten' (Institut für Zeitgeschichte, Gutachten 158/159, cf. auch 29, 647 u. 1288). Ein dem Gutachter bekannter Erlaß des Reichsverkehrsministers,ergänzte die Anordnung für seinen Geschäftsbereich dahingehend, daß auch die mit Mischlingen ersten Grades verheirateten Arier erfaßt werden und daß alle Eingesetzten unter erschwerten Bedingungen arbeiten sollten. Als Aktion,Hase' wurden diejenigen Einsätze der Arbeitsbataillone bezeichnet, die beim Bau des Atlantikwalls erfolgten'. Die Verhältnisse in den Lagern auf französischem Boden werden als sehr unerfreulich geschildert, denn abgesehen von den Kriegsgefahren, denen die Zwangsarbeiter rücksichtslos ausgesetzt wurden, war auch der Hunger groß, und nicht selten kam es zu argen Mißhandlungen. Das Reichssippenhauptamt wirkte zwar nicht bei der Einrichtung der OT -Lager mit, sorgte aber durch Vorladungen der Betroffenen Wie Anm. 5, S R. BEIN (Hrsg.), Juden in Braunschweig Hraunschweig o. J., S R. HILBERG (wie Anm. 5), S H. G. ADLER (wie Anm. 7), S

186 184 Ralf Busch Abb. 1: Wolfenbüttel, Westbahnhof Außenansicht (Foto H. M. Bleicher, 1952) über die zuständigen Gestapostellen für die Einziehung, die auch als Disziplinarstelle für die Lagerinsassen wirkten und wenigstens eine indirekte Kontrolle über die OT-Lager ausübten." 11 " H. G. ADLER (wie Anm. 7), S Über die Organisation Todt gibt es eine zusammenfassende Darstellung F. W. SEIDLER, Die Organisation Todt. Bauen für Staat und Wehrmacht , Koblenz Hierin wird aber das spezielle Thema der Mischlingslager nicht berührt, wobl aus Mangel an Quellen. Somit findet Wolfenbüttel hier auch keine Erwähnung.

187 Wolfenbüttel, Westbahnhof 185 Abb.2: Die Baracke des Zwangsarbeitslagers in Wolfenbüttel, Westbahnhof (Foto H. M. Bleicher, 1952) Das Mischlingslager Wolfenbüttel Das Zwangsarbeits-Lager für Mischlinge in Wolfenbüttel wurde von der Organisation Todt auf dem Gelände des Westbahnhofs eingerichtet, in einer Baracke der Reichsbahn; gelegen war diese östlich des Bahnhofgebäudes. Das Lager bestand von November 1944 bis zum April 1945 (Abb. 1 und 2).

188 186 Ralf Busch Der Arbeitseinsatz diente der Anlage einer Wasserleitung von Oker nach Goslar. Die Arbeitskräfte waren dem Hoch- und Tiefbauunternehmen A. Sievers & Co. in Vienenburg überstellt 12, was durch Dokumente belegt ist. Das Lager wurde für Mischlinge 1. Grades eingerichtet. Diese wurden in Stuttgart zusammengestellt, was eine erste Erwähnung des Wolfenbütteler Lagers in einer regionalen Darstellung erklärt, die hier im Wortlaut folgen SOllI3. "Auch die sog. jüdischen Mischlingen (vgl. Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, Reichsgesetzblatt 1935 Teil I S. 1333) und die Juden, die in,mischehen' lebten, hatten im nationalsozialistischen Staate unter Verfolgungsmaßnahmen zu leiden. Nach der Ideologie des Nationalsozialismus bewirkte jeder jüdische Bluteinschlag geistige wie charakterliche Minderwertigkeit. Das Einströmen weiteren jüdischen Blutes in den deutschen Volkskörper sollten die von 1935 an erlassenen Gesetze zum Schutz der Rasse verhindern. Sie richteten zwischen Juden und Nicht juden eine unüberwindbare Barriere auf, wirkten sich aber auch alsbald auf die,mischlinge' und auf die bestehenden,mischehen' aus. Halbjuden oder,mischlinge I. Grades' erhielten nur noch ausnahmsweise die Erlaubnis mit Nicht juden eine Ehe eingehen zu dürfen. Sie wurden beruflich benachteiligt, gesellschaftlich diskriminiert. Auf den Hochschulen wurde mit ihnen nach Willkür verfahren. In den ersten Kriegsjahren erhielten sie die Genehmigung zum Studium nur noch, wenn sie sich an der Front ausgezeichnet hatten wurden Halbjuden als wehrunwürdig aus dem Heeresdienst ausgestoßen und in der Folge nicht mehr eingezogen. Am 4. September 1944 ordnete der Chef der Präsidentkanzlei an, daß an,mischlinge l. Grades' und Volksgenossen, die mit solchen verheirat waren, keine Kriegsverdienstkreuze oder sonstige Orden und Ehrenzeichen verliehen werden durften. Ende 1944 Anfang 1945 mußten sich,mischlinge l. Grades' und in,mischehen' lebende Juden zum Zwangsarbeitseinsatz melden. Ein Teil von ihnen wurde noch in das Arbeitslager WOLFENBÜTTEL und in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht.,mischlinge 11. Grades', sog. Vierteljuden, waren Bedrückungen weniger ausgesetzt, aber auch sie erlitten beruflich manchen Nachteil. Juden gleichgesetzt waren sog. Geltungsjuden, d. h. Mischlinge, die der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörten, sie teilten das Schicksal der Volljuden: Sie wurden, soweit sie nicht mehr rechtzeitig auswandern konnten, deportiert. Jüdische,Mischlinge' mit drei jüdischen Großeltern galten ebenfalls als Juden. Jeder Nicht jude, der in einer Mischehe lebte, hatte sich nach nationalsozialistischer Auffassung gegen die Volksgemeinschaft vergangen. Er konnte dieses Vergehen 12 Dieses beschäftigte auch ausländische Zwangsarbeiter auf anderen Baustellen. Darüher heißt es: "Die ausländischen Zwangsarbeiter, die bei der Fa. Sievers u. Co. im Schlosser-, Maurer- und Kiesbetrieb arbeiten mußten, waren am Schiffgrabcn, auf dem Lagerplatz und auf dem Schacht II untergebracht. Es waren überwiegend polnische, aber auch französische und sowjetische Burger. Im flzivilarbeiterlager" auf dem Gelände des Güterbahnhofs im Ortsteil Wiedelah waren überwiegend helgische Zwangsarbeiter untergebracht. Sie wurden zu Gleisbauarbeiten und im Rangierdicnst eingesetzt." Vgl. Heimatgeschichtlicher Wegweiser (wie Anm. 1), S. 27. Vgl. auch M. WEINMANN (wie Anm. 2), S Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das nationalsozialistische Regime , Bd. 2 (Stuttgart 1966), S. 360 f.

189 Wolfenbüttel, Westbahnhof 187 nur dadurch sühnen, daß er sich,nachdem er Sinn und Bedeutung der Rasse erkannt hatte', von seinem jüdischen Partner scheiden ließ. War er dazu nicht bereit, dann blieben ihm beruflich nur wenig Möglichkeiten: Als Bcamtcr wurde er 1937 in den Ruhestand versetzt, als Künstler wurde er gleichgültig welchen Namen er hatte, aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen. Männer und Frauen, die ihren jüdischen Ehepartnern trotz Bedrückung und beruflicher Diskriminierung die Treue hielten, haben diesen dadurch häufig das Leben gerettet: Juden in sog. Mischehen wurden, wenn überhaupt, erst 1945 deportiert und haben die Schreckenszeit meist überlebt, während die Juden, deren Ehen unter dem Druck des Nationalsozialismus zerbrochen oder deren arische Ehepartner gestorben waren, schon von den ersten Deportationswellen erfaßt wurden. Nur wenn Kinder, die der israelitischen Religionsgemeinschaft nicht angehörten, aus einer nicht mehr bestehenden Mischehe hervorgegangen waren, blieb der jüdische Partner zumeist ebenfalls von der Zwangsverschleppung verschont, da er über die Auflösung seiner Ehe hinaus wegen der nicht als Juden geltenden Kinder die Vorrechte behielt, die die nationalsozialistische Rassengesetzgebung den in sog. privilegierten Mischehen (=jüdisch-arische Ehe mit Kindern nicht jüdischer Konfession) lcbenden Juden eingeräumt hatte." Bald nach dieser Zusammenfassung des allgemeinen Problems wurde auf Wolfenbüttel begrenzt eine Zusammenstellung erarbeitet, die allerdings bisher nicht veröffentlicht wurde, und daher scheint ihr Abdruck hier sinnvoll 14 Das O. T. Zwangsarbeits-Lager ("Mischlingslager") Wolfenbüttel Westbahnhof (Reichsbahn-Baracke), Nov April 1945 (von M. L.): 1. Die Vorgeschichte "Eine allgemeine Verhaftung der jüdischen "Mischlinge", die nicht" Geltungsjuden " waren, ist im Altreichsgebiet bis Kriegsende nicht erfolgt. Wohl gab es 1942 Bestrebungen - vor allem seitens Himmlers und Heydrichs -, auch die " Mischlinge " in die "Endlösung" einzubeziehen. Der entsprechende Passus in dem" Wannsee-Protokoll" vom lautete dem gemäß: "Behandlung der Mischlinge 1. Grades: Diese sind im Hinblick auf die Endlösung der Juden-Frage den Juden gleichgestellt. " 1942 liefen demnach in weiteren Bevölkerungskreisen Gerüchte um, nach denen die "Mischlinge" ebenfalls in die Lager Osteuropas "umgesiedelt" wurden. Diese Pläne sind jedoch aus verschiedenen - hier nicht weiter interessierenden Gründen bis 1945 nicht verwirklicht worden. Jedoch ordnete am Göring in seiner Eigenschaft als " Beauftragter für den Vierjahresplan" an, daß "nach einer Entscheidung des Führers die nicht wehrpflichtigen Halbjuden (Mischlinge 1. Grades) und die mit Volljüdinnen verheirateten Arier zu Arbeitsbataillonen im Rahmen der OT eingezogen werden. (... ) Unabhängig von dieser Maßnahme beabsichtigt das Reichssicherheits-Hauptamt eine Entscheidung des Führers darüber einzuholen, daß auch einige Gruppen wehrunfähiger Perso- 14 Eine Zusammenstellung der: Hilfsstelle für Rassenverfolgte bei der Evangelischen Gesellschaft, Stuttgart, o. J.

190 188 Ralf Busch nen, die von der Wehrmacht nicht in Anspruch genommen werden, zu diesem Arbeitseinsatz herangezogen werden. " Die Betreffenden erhielten dann einen Stellungsbefehl ihres Arbeitsamtes oder der Gestapo zu diesem Arbeitseinsatz, der in Arbeitslagern, die sich in der Regel in Frankreich und Deutschland befanden, abzuleisten war. Die Lager waren von Stacheldrahtzäunen umgeben und die Lagerinsassen bewacht. Die Behandlung dieser Zwangsarbeiter war in weitgehendem Maße von der Person des jeweiligen Lagerleiters abhängig bzw. vom "Interesse", das die örtliche Gestapo an diesem nahm. So erklärtes sich, daß es im Lager Duingen beispielsweise möglich war, sich nach der Lagerarbeit frei zu bewegen und inoffiziell in Weihnachtsurlaub zu fahren, während im Lager Volognes Häftlingsdrillich ausgegeben wurde und die Insassen von bewaffneten at-leuten und Italienern, später von kriminellen Mithäftlingen, bewacht wurden. Die Verpflegung war allerorts schon allein auf Grund der damaligen Ernährungslage äußerst schlecht; die Arbeitszeit betrug durchschnittlich 10 Stunden, oft wurde auch an Sonntagen gearbeitet. In manchen Lagern mußten zur Kennzeichnung der Insassen ein roter Streifen am rechten Rockärmel und linken Hosenbein getragen werden. Ganz allgemein wird man aber sagen dürfen, daß die Lebensbedingungen besser als in den Konzentrationslagern waren. " (Aus: Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte Band 2, Stuttgart 1966.) Da keine Schilderung der besonderen Verhältnisse im Lager Wolfenbüttel aufzufinden war, folgt eine recht persönliche Darstellung eines "Betroffenen", der sie allerdings erst nach etwa 40 Jahren niederschrieb. 2. Ein Bericht Bei meinen Papieren befindet sich ein vervielfältigtes Schreiben der Geheimen Staatspolizei, Staats-Polizeistelle Stuttgart (IV 4 b 297/44) vom 13. November Es enthält die Aufforderung, mich zum Arbeitseinsatzfür die OT am Dienstag, den 21. Nov um 5 Uhr morgens im Wartesaal in Bietigheim zu stellen. (Mitzubringen: Arbeitsgerät und Marschverpflegung für 3 Tage). Gegen 5 Uhr waren wir dann etwa 70 junge und alte Männer (sog. "Mischlinge 1. Grades" und "arische Ehegatten "). Wenn ich mich richtig erinnere, wurden wir dann in einen Waggon 3. Klasse eingewiesen, der nach manchem Rangieren und Verschieben an verschiedene Züge am 23. November in Wolfenbüttel ankam. Dort wurden wir (allerdings aus Versehen, weil man uns für Ost-Flüchtlinge hielt) mit Musik begrüßt. Wenn es nicht zum Weinen gewesen wäre... Dort merkten wir erst, was eigentlich los war. (Nun lernen wir die Knechtschaft kennen - das lastet auf uns schwer wie Blei). Auf dem Westbahnhof in Wolfenbüttel nahm uns ca. 70 eine leere Baracke auf. Wenn ich mich richtig erinnere, schliefen wir in der ersten Nacht auf dem Fußboden, dann kamen Bett- Verschläge und Strohsäcke. Erst langsam wurden wir mit den Bräuchen dieses seltsamen Lagers (ohne sichtbare Bewachung) vertraut gemacht. Kurz nach unserer Ankunft soll ein Herr in Zivil die Beaufsichtigung übernommen haben; mit Bewußtsein sah ich ihn nie. Unser Lager-Ältester war der Zahnarzt Dr. Dr. Goldmann, über den die Meinungen weit auseinandergingen. Er gehörte zu den national (besser "nationalistisch") eingestellten Menschen im Judentum, war sehr hilfsbereit und nett.

191 Wolfenbüttel, Westbahnhof 189 Ein Freund hat mir später erzählt, ich hätte ihn vor Dr. G. gewarnt, weil der so gute Beziehungen zur Gestapo habe. Angeblich machte er abends seine Berichte an diese Stelle. Doch das ist ein weites Feld! Morgens und abends gab es warme Verpflegung - nicht zu viel, nicht zu gut (vor allem reichlich Steckrüben - Nov. 1944). Das Mittagsessen nehmen wir auf der Baustelle (zwischen Oker und Goslar) ein. Langsam richteten wir uns in der Baracke ein. Ich wunderte mich, wie man langsam heimisch wurde. Wir wußten eigentlich nur selten, was wir tun und lassen konnten. Es war wohl am besten, wenn man sich darüber nicht zu viele Gedanken machte. So gingen wir aus - zum Arzt etwa oder ins Reinigungsbad, zu Besuchen und zu Einkäufen. Wir hatten wenig Geld, und es gab wenig zu kaufen. Aber wir konnten die Baracke zunächst verlassen. Der Herr, der uns wohl beaufsichtigen sollte, blieb mir verborgen. Ob er schon ans vierte Reich dachte? Werktags fuhren wir vormittags mit normalen Reichsbahn-Zügen zur Arbeit nach Oker bei Goslar; wenn ich mich nicht täusche, mußten wir meistens umsteigen. In den Zügen wurden wir in unserem "Räuber-Zivil" interessiert und verwundert betrachtet. Sind das Fremdarbeiter oder Häftlinge? Ich versuchte wenig im Zug zu reden und meine, daß die anderen es auch nicht anders hielten. In Oker ging es auf die Baustelle, wo uns ein Kapo (mit Vorarbeiter) erwartete. Er war kein Unmensch - doch sollte der Graben für eine Wasserleitung fertig werden, den die Firma Sievers (Vienenburg) für die Bahn bauen sollte. Keiner von uns war Tiefbau Arbeiter - wir mußten lange, lange mit Schaufeln und Pickeln werken. Mancher (vor allem die Älteren) trug schwer an der Arbeit. Nicht wenige erkälteten sich - und es war nie ganz klar, ob man dann in der Baracke bleiben durfte. Wurde einer der Gestapo gemeldet (von wem?), kam er ins " Lager 21" (Salzgitter) ein Arbeits-Erziehungs-Lager, aus dem die Bestraften nach 21 Tagen zurückkamn - mancher kaum mehr kenntlich! Bei der Arbeit haben wir uns nicht überanstrengt. Der Kapo war sichtlich froh, daß der Graben wuchs - und wir keine besonderen Schwierigkeiten machten. Auf der Baustelle mußte ich mich wieder um die Verpflegung kümmern und durfte Einkäufe in der Apotheke machen, was mir durch die freundliche Hilfe einer Apothekerin leicht gemacht wurde (ohne Bezugscheine bekam ich sogar gelegentlich Apfel Trocken-Pulver). Fliegerangriffe bzw. Alarm unterbrachen gelegentlich die Arbeit für kürzere oder längere Zeit. In den Luftschutz-Stollen durfte nur der Kapo und andere "Arier". Wir blieben mit den Ost-Arbeitern draußen. So frischten wir unsere Bildung auf und lasen mit verteilten Rollen klassische Literatur. Ob wir auf der Baustelle überwacht worden sind, bin ich manchmal gefragt worden. Es kamen gelegentlich Facharbeiter der Firma Sievers - ob dabei auch andere "Interessenten" waren, weiß ich nicht. Hingegen weiß ich noch, daß wir bei der Essens-Bestellung (die uns überlassen war) manches machten, was angeblich nicht ganz korrekt war. Aber das habe ich zu verantworten gehabt. Soviel ich weiß, ist keiner von uns für längere Zeit ausgerissen. Soviel ich weiß, bekamen einige Besuch nach Wolfenbüttel. Einige wurden aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig entlassen nach Stuttgart. Ich hatte den Eindruck, daß die zuständigen ärztlichen Stellen recht vernünftig waren und

192 190 Ralf Busch niemand zum Tiefbau zwingen wollten, der es beim besten Willen nicht leisten konnte. Nur wenn einer in den Verdacht kam, daß er nicht wollte, wurde es unangenehm. Wenn ich mich richtig erinnere, konnten wir im Notfall unser "Räuberzivil" durch Einkauf bei Firma Sievers ergänzen (z. B. Holz-Schuhe). Kurz vor Weihnachten wurde uns verboten, das Lager zu verlassen. Nach einigen Tagen mußte aber das Ausgehverbot nicht mehr so streng eingehalten werden - und wo kein Kläger ist... In den ersten April-Tagen haben sich dann die ersten von uns abgesetzt, als die Engländer ganz nahe kamen. Bei der zweiten oder dritten Gruppe war auch ich - mit einigen Schicksalsgenossen kam ich dann nach vier Tagen in Stuttgart an. Fahrkarten besorgten wir uns (ohne die eigentlich erforderliche Reise-Genehmigung) im Bahnhof Wolfenbüttel- West. Und guten Beziehungen zu den Mitarbeiterinnen verdanken wir den Tabletten, mit denen wir gelegentlich auch geholfen haben. Der Bericht könnte den Eindruck erwecken, daß es uns ein "fideles Gefängnis" war. Das ist natürlich nur bedingt richtig. Aber ich gehörte zu denen, die allein waren und schon in den vergangenen Jahren erfahren hatte, was man eigentlich mit uns vorhatte. So war ich dankbar für jeden Tag, den ich als geschenkt betrachtete. Wer Familie oder auch eine Freundin hatte, sah die Sache ganz anders an. Nach unserem Weggang von Wolfenbüttel am 8. Apr. sollen noch einige andere die Baracke verlassen haben. Wenn ich richtig gehört habe, wurden kurz darauf die übrigen von Engländern befreit und für einige Wochen in ein Sanatorium gebracht. Soviel ich weiß, sind alle von uns dann gesund nach Hause gekommen. Daß es in Wolfenbüttel noch einige andere Arbeitslager (div. Art) gegeben hat, erfuhr ich erst viele Jahre später. Auch wie es anderen Schicksalsgenossen in ähnlichen Lagern im Harz und an anderen Orten (auch Frankreich) gegangen ist, wußte ich im Winter 1944 nicht. Einige von uns wollten etwas gehört haben - aber man war recht mißtrauisch, weil einiges erzählt wurde, was nicht genau stimmte. Für einige von uns waren die Februar- Wochen im Lager besonders bedrückend, weil sie erfuhren, daß damals der letzte Transport nach Theresienstadt abging, der einige Angehörige von uns aufnahm (Mütter, Väter, "nichtarische Gattinnen"). Kurz nach meiner Rückkehr nach Stuttgart wurde ich von der Polizei verhört (i.s. Dr. G.). Ob diese Unterlagen noch vorhanden sind, weiß ich nicht. Die Verhandlung wegen Dr. G. konnte ich nicht besuchen. Mit einigen Haftgenossen habe ich noch Verbindung gehabt und habe sie heute noch. Da ich in den letzten Monaten einige Male wegen des Lagers gefragt wurde, habe ich jetzt meine Erinnerungen zu Papier gebracht, damit ich nicht immer wieder etwas verwechsle oder für Zuhörer unklar ausdrücke. Für Ergänzungen und Berichtigungen bin ich jedem Leser dankbar. Sicher hat mancher Mit-Häftling das Leben in Wolfenbüttel ganz anders empfunden und kann helfen, ein wahrheitsgemäßeres Bild zu schaffen. In das Mischlingslager Wolfenbüttel gelangten allein Zwangsarbeitcr aus Stuttgart, etwa 70 an der Zahl, die gemeinsam am 21. November 1944 auf die Reise geschickt wurden. "Auch die letzten bei den Stuttgarter Deportationen trafen nur noch Misch-

193 Wolfenbüttel, Westbahnhof 191 ehepartner und Mischlinge. Sie wurden im November 1944 in ein Arbeitslager der Organisation Todt bei Wolfenbüttel transportiert bzw. am 11. Februar 1945 nach Theresienstadt." 15 Die Mischlinge waren zuvor durch eine "Amtliche Anzeige" zur Erfassung aufgefordert worden: "Erfassung der Mischlinge. Sämtliche im Stadtkreis Stuttgart wohnhaften Mischlinge 1. Grades haben sich kommenden Samstag, den , zwischen 8.00 und 9.00 Uhr, beim Arbeitsamt Stuttgart, Johannesstr. 86, Erdgeschoß, zu melden. Nichtbefolgung dieser Aufforderung wird bestraft. Der Leiter des Arbeitsamtes Stuttgart." 16 Dazu gehörte u. a. der Theologiestudent Hansrudolf Hauth, über den berichtet wird: "Zusammen mit 70 weiteren Personen wird Hauth im November 1944 vom Bahnhof Bietigheim aus in das OT-Lager Wolfenbüttel deportiert. Arbcitsgerät und Verpflegung für drei Tage sind mitzuhringen. Er hält die OT-Angahe für eine "Tarnung, damit wir den Braten nicht riechen und untertauchen." Der Empfang ist entsprechend: "Bildet Euch ja nicht ein, daß Ihr je wieder von hier nach Hause zurückkommt." Hansrudolf Hauth kann das Lager aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig verlassen." 17 Eine Liste der Lagerinsassen ist mir nicht bekannt geworden, doch ließen sich einige Namen auf Grund persönlicher Erinnerungen nennen l8. Das Mischlingslager Wolfenbüttel aus äußerer Sicht Ein Lagerinsasse, nur unter dem Kürzel "wky" bekannt, hat eine eigene Darstellung überliefert, die einen wesentlichen Aspekt des Arbeitsauftrages beleuchtet. Diesen Zeilen entnehmen wir, dass der Einsatz von Wolfenbüttel aus in einem größeren Zusammenhang der Rüstungsindustrie zu sehen ist, den Lagerinsassen aber wohl kaum bekannt war. Er berichtet: Ein Teil der nationalsozialistischen Rassenpolitik: " Halbjuden ", "Mischlinge I. Grades", "Jüdisch Versippte" November 1944 Einsätze zu Zwangsarbeiten für den Endsieg Männer aus Württemberg und aus Sachsen kamen nach Niedersachsen Allierte vermuteten" V- Waffen-Experten U " Stuttgart im Zweiten Weltkrieg, Katalog hrsg. von M. P. HILLER. Gerlingen 1989, S. 180 sowie S Wie Anm. 15, S I7 Wie Anm. 15, S " Von den ca. 70 Lagerinsassen sind nur insgesamt 51 Namen bekannt geworden. Aus Gründen des Persönliehkeitsschutzcs wird hier auf deren Nennung verzichtet. Viele von ihnen haben nach 1945, auch bis heute noch Kontakt untereinander gehalten. Das erzwungene Miteinander in einer schweren Zeit hat Verbindungen entstehen lassen, die für ein Leben lang andauern.

194 192 Ralf Busch Seit Januar 1945 rätselten westliche Geheimdienste um einen angeblichen Sondereinsatz von rund siebzig sch wäbischen "Spezialisten" für wichtige deutsche Rüstungsaufgaben in Niedersachsen. Im März 1945 war das Nazi-Regime zwar auch militärisch schon fast am Ende. Trotzdem glaubten zahlreiche Hitler-Fanatiker noch an einen großreichsdeutschen Endsieg. Es gab fantastische Gerüchte über eine deutsche Wunderwaffe, die im letzten Moment noch sämtliche gegnerischen Militärverbände zu Lande, zu Wasser und in der Luft vernichten würde. Die verbündeten Kriegsgegner Hitler-Deutschlands nahmen solche Spukgeschichten keinesfalls ernst. Aber die Briten hatten auf dem englischen Festland die furchtbare Wirkung der sogenannten deutschen V-( Vergeltungs-) Waffen kennengelernt. Durch jene ferngelenkten Raketen gab es in englischen Städten vor allem unter der Zivilbevölkerung zahlreiche Opfer. Auch dem britischen Geheimdienst lagen Informationen darüber vor, daß am 21. November 1944 von Stuttgart aus siebzig" Spezialisten" in den Bereich der Rüstungsunternehmen DORA I DACHS geschickt worden wären. Manche dieser Männer sollten direkt von der Front weg zu dem Spezialisteneinsatz abkommandiert worden sein. In den betreffenden Rüstungsunternehmen wurden unter anderem auch Teile für die v- Waffen produziert. Dabei waren Tausende von Häftlingen aus den DORA-Lagern und Zwangsarbeiter mit eingesetzt. Weitere solcher Rüstungsbetriebe befanden sich im März 1945 noch im Aufbau, als geplanter Ersatz für bereits durch alliierte Luftangriffe zerstörte Produktionsstätten. Bis Mitte März 1945 hatten die Briten immer häufiger Informationen über die schwäbische "Spezialistengruppe" erhalten. Die Auswertungen riefen bei den Geheimdienstleuten Erstaunen hervor: Von ihrem Rassenwahn besessen, waren von den Nazis durch eine Sonderaktion im Herbst 1944 sogenannte "Halbjuden " und mit Jüdinnen verheiratete christliche MJnner zur Zwangsarbeit erfaßt worden. Einige der davon betroffenen "jüdischen Mischlinge I. Grades" und der "jüdisch Versippten" - so der damalige amtliche Sprachgebrauch - bekamen die Aufforderungen zu diesen Arbeitseinsätzen während ihres Kriegsdienstes als deutsche Soldaten. Mit dem Datum vom 13. November 1944 hatten etwa siebzig Männer aus Württemberg die schriftliche Mitteilung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo-Leitstelle Stuttgart, Referat I V 4 b) erhalten, sich am 21. November 1944 um 5 Uhr morgens im Wartesaal des Bahnhofs Bietigheim/ Württemberg einzufinden: "Mitzubringen sind Arbeitsgerät und Marschverpflegung für 3 Tage", hieß es in den vervielfältigten Schreiben. Diese Gruppe kam zu Arbeitseinsätzen der "Organisation Todt" - einer Art Rüstungsbau-Kompanien des Dritten Reiches - nach Wolfenbüttell Niedersachsen. Altersmäßig waren die Männer zwischen 16 und 60 Jahren. Beim Westbahnhof Wolfenbüttel wurden sie in einer Baracke untergebracht. Entlang der Bahnstrecke Goslar - Oker - mußten sie dann einen Graben für die Wasserleitung der damaligen Reichsbahn ausheben. Den Auftrag für die Tiefbauarbeiten hatte eine Firma aus Vienenburg.

195 Wolfenbüttel, Westbahnhof 193 Niemand von jenen Männern der M 11 V-Einsätze wußte, daß diese scheinbar simplen Hilfsarbeiten nur ein winziger Teil beim Ausbau des Transportnetzes rund um den Harz für die V- Waffen-Produktion waren. Fünfzig Kilometer Luftlinie südöstlich von diesem Streckenabschnitt befanden sich die Riistungsbetriebe sowie Konzentrationsund Zwangsarbeitslager bei Nordhausen. Dreißig Kilometer südwestlich von Goslar ließ Rüstungsminister Albert Speer bei Osterode am Harz Stollen in die Gipsberge treiben, mit dem Einsatz von KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern und hauptsächlich russischen Kriegsgefangenen. Dort sollte - unterirdisch - Treibstoff für die v- Waffen hergestellt werden. Nach mehrmaligen Luftbildaufnahmen von dem Streckenabschnitt Goslar - Oker und vom DACHS-Projekt bei Osterode planten die Briten die Zerstörung dieser Anlagen durch Luftangriffe. Von Osterode aus sollen die Briten im März 1945 durch einen Geheimsender Informationen darüber erhalten haben, daß in dem DACHS-Projekt fast ausschließlich KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt wären. Gerüchte darüber machten unmittelbar nach der angeblichen Entdeckung dieser Funkverbindung auch unter den deutschen Zwangsarbeitern und bei Wehrmachtsangehörigen die Runde. Als es hieß, die betreffenden Widerstandskämpfer würden erschossen, stiegen am nächsten Tag bewaffnete SS-Leute mit zwei oder drei KZ-Häftlingen auf den Bergrükken über dem Gipsstollen. Dann fielen auch Schüsse. Ob jemand und wer erschossen wurde, darüber gibt es keine Nachweise. Die KZ-Häftlinge im Hauptlager an der Söse waren hauptsächlich luden, verlegt aus Auschwitz, auf unmenschlichste Art in Vieh waggons transportiert, beim Transport starben viele durch Hunger und durch Erfrierungen. Die» Verpflegung" für diese Häftlinge und für die russischen Kriegsgefangenen bestand aus den Abfällen und dem Spülwasser vom Eintopfessen der Zwangsarbeiter. Für die M I1 lv-leute gab es in Osterode die sogenannte Speer- Verpflegung, absolute Mager- und Mindestrationen, aber keinesfalls so wenig und so schlecht wie für die Häftlinge im Hauptlager oder wie für die kriegsgefangenen Russen. Die» Halbjuden " und die»jüdisch Versippten" waren in Osterode teils in Baracken, in einem ehemaligen Pferdestall und in einem geräumten Gasthofsaal untergebracht. Die Arbeitseinsätze erfolgten zum Bäumefällen, in einem Sägewerk, Abladen von Baumaterial, wie zum Beispiel Zementsäcke, beim Gleisbau, in den Bergstollen, Montage von Kompressoren und andere körperliche Tätigkeiten. Eine Bewachung wie bei den Häftlingen des Hauptlagers oder der Kriegsgefangenen gab es nicht, zum Teil unter der Aufsicht von Soldaten. Katastrophal sind die hygienischen Bedingungen auch für die M 1 / J V-Leute gewesen, sie hatten ja (von November 1944 bis April 1945) nur das auf dem Leibe, so wie sie zu den Arbeitseinsätzen gekommen waren, also nichts zum Wechseln. Waschgelegenheiten für die Unterwäsche gab es kaum, oft war die Hose oder Jacke bei regnerischem Wetter oder bei Schnee noch am nächsten Tage naß. In den Unterkünften hatten diese Leute nur eine äußerst minimale Ofenheizung; Brennbares wurde von den Baustellen oder von unterwegs mitgebracht, auch kleine Koks-Schottersteine von den Gleisanlagen.

196 194 Ralf Busch Die M I I lv-männer in Osterode am Harz waren aus Sachsen. Anfang 1945 kamen Gestapo-Leute in die Unterkünfte und suchten an hand von Listen nach sogenannten Geltungsjuden, also nach christlich getauften luden ", die in KZ-Hauptlager oder KZ Außenlager kommen sollten. Aus der M I I lv-unterkunft in dem Gasthofsaal von Osterodel Freiheit wurden mindestens zwei Männer jüdischer Herkunft (nhalbjuden") in das Gestapo-Gefängnis nach Hildesheim gebracht und dort brutal mißhandelt. Einen der beiden hatte ein mit in der Gruppe untergebrachten npolitischen" denunziert. Die beiden Mißhandelten sahen furchtbar aus, als sie "zur Warnung" knapp zwei Wochen später wieder in die Osteroder Unterkunft zurückkamen. Auch wer von der schwäbischen Gruppe in Wolfenbüttel zur "Sonderbehandlung" der Gestapo gebracht wurde, war nach der bis zu drei Wochen dauernden Tortour kaum wiederzuerkennen. Ebenso gab es in Wolfenbüttel statt der sonst üblichen Bewachung höchstens Beaufsichtigung der M I I lv-männer, die ebenfalls keine Häftlingskleidung trugen und sich in Wolfenbüttel meistens frei bewegen konnten. Aber mit ihrem abgewetzten Räuberzivil fielen die seltsamen Gestalten trotzdem auf und wurden deshalb als nfremdarbeiter" vermutet. Aus gesundheitlichen Gründen - ebenso wegen Behinderung - brauchten einige der von der Gestapo erfaßten Männer nicht zu dem ArbeilSeinsatz. Bei Fliegeralarm durften aber die württembergischen nmischlinge" und "jüdisch Versippten" nicht mit in den Luftschutzbunker, sie mußten draußen bleiben. Verpflegungsmäßig "ging" es bei der Gruppe in Wolfenbüttel nso einigermaßen", wenn es auch nicht viel und meistens eintönige Verpflegung gab. In Wolfenbüttel erhielten im Februar 1945 ebenfalls noch verschiedene dieser Männer die Nachricht, daß ihre Mutter, ihr Vater oder ihre Frau - also alles n Volljuden " - inzwischen in ein Konzentrationslager gebracht worden waren, die meisten nach Theresienstadt. Altersmäßig war es bei den etwa achtzig Männern in Osterode ähnlich wie bei der Gruppe in Wolfenbüttel - zwischen 16 und teils über 60 lahren. In Osterode brach im November 1944 bereits ein über 60jähriger Mann (aus Dresden) in einem Graben zusammen, als dort schwere Betonplatten und Zementsäcke gleich am ersten Tage im Eiltempo von Lastwagen abgeladen werden mußten. Die Antreiber waren ein Luftwaffenoffizier und ein Firmenmitarbeiter aus Hamburg: nlos, los, aufgehts!". Insgesamt waren aber Schikanen bei den meisten dieser Gruppen selten, im Gegensatz zu den völlig ausgemergelten jüdischen Häftlingen aus dem Hauptlager, die oft aus dem geringsten Anlaß brutal geschlagen wurden, manchmal auch von sogenannten Kapos, also von Mithäftlingen. (Aufzeichnungen und Informationen von ehemaligen nm 11 Leuten" sowie von Recherchen über Zusammenhänge mit den damaligen Einsätzen von "Halbjuden" und "lüdisch Versippten") Manuskript wky"

197 Wolfenbüttel, Westbahnhof 195 Das Tagebuch von H. M. B. Die bisher zitierten persönlichen Erinnerungen an das Mischlingslager Wolfenbüttel sind sehr viel später niedergelegt worden. Authentisch, weil zeitgenössisch, ist hingegen das unveröffentlichte Tagebuch von H. M. B. (geb. 1923)19. Seiner Mutter Helene Bleicher, geb. Wolff2o, war noch am 22. Mai 1944 bestätigt worden, dass sie in privilegierter Mischehe lebe (Abb. 3). Das hat ihren Sohn vor der Deportation nach Wolfenbüttel nicht geschützt (Abb. 4). Später sollte sie kurz vor Kriegsende noch nach Theresienstadt deportiert werden; dem konnte sie sich durch Untertauchen in der Nähe von Stuttgart entziehen. AU2WRI S })1)1.' giihi(; l'!li WT~i!0 'inv.;,rbindung mit Kennkarte, boi Au~l~~dG~n odor Staatenloson mit ~ass.).., B 1 e ic h e r Helene Sarä geb.wolff lr~~- _d. if) Jua.1n.,,,.. 0,) 0... to ~ & P, 9.Nov.l887 Stllttgart, geb~~, ~o~ ~ ~.o. in ~.~.&... woh...~f't in... ~.t~.t.tf'!-;.t. e'... t ~:'?-.t~:~;.. oostaatsangohörigu1x,kenn6rt :~S.t.u.t.t.g.t:.Kenn_Nr. Q lebt il privilegferter Mischahe,ist infolgedessen V0ffi Tragen Q.p, 'J KF.lnnzeioh()ns ljofrei t und auoh ohne besonderd Genehmig;,mg zur Benützung öffentlicher V3rkehrsmittol'befugt. st:l.t,'!:u;.r'l; j.~;;:..! 22. Md 19~.'!.. Abb.3: Ausweis der Helene Sara Bleicher über die Anerkennung ihrer privilegierten Mischehe Lassen wir nun den Betroffenen sprechen: Freitag, Wolfenbüttel, Westbahnhof (Reichsbahnbaracke) Soeben sind wir von einem Rundgang durch diese noch ganz unverwundete, barocke Residenzstadt zurückgekehrt, mannigfaltige Eindrücke verarbeitend. Noch sind wir ja ganz frei, kein Mensch kümmert sich um uns und um unser Tun und Lassen. Nur ganz langsam schreitet die Wohnlichmachung unserer Unterkunft fort, wissen wir ja noch nicht einmal, ob wir hier bleiben sollen, von wann unsere Freiheit beschnitten wird.,. Aus den zu zitieren mir freundliehst erlaubt wurde. Er hat mich zu dieser Studie angeregt. Durch unsere gemeinsame Arbeit in den Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit waren wir uns nahe gekommen kam er zu einem Besuch nach Wolfenbüttel. Wir schritten die Wege in dieser Stadt ab, die er einst gegangen war. Die dabei mitgeteilten Erinnerungen wurden mir zu einem Wegweiser für diese Veröffentlichung. 20 Wie Anm. 15, S ,

198 196 Ralf Busch Geheime Staatspollzei Staatspolizeileitstelle Stuttgart IV 4 b - 297/44 J! Stilttsart, den 13. Nov.-'1944. Herrn. il. L ~. L".~. ~. r...t;!einz,!.lax,emil (14) S tut t gar t,. H~ilbronnerstr.103 Sie haben sich zum Arbeitseinsatz für die ÖT. am Dienstag, den. 21. November 1944 um 5.00 Uhr ' morgens, im Wartesaal in Bietigheim zu stellen. Mi tzubri~en 1st' aubser Arö~i tsgerät - wie berei t8 bekannt - nooh Marsohverpflegung für 3, Tage. Abb.4: Einlieferung von H. M. Bleicher zum Arbeitseinsatz für die O. T. Die Organisationen sind völlig verwirrt und in Anspruch genommen, vor allem durch aus den Frontstädten zurückflutende Flüchtlinge hier. Natürlich wandern meine Gedanken durch all die Zwispältigkeiten und die wechselnden Empfindungen zu meiner lieben Braut, die gewiß auch keiner leichten Zeit entgegengeht, in der sie aber stark bleiben muß, damit in unserem Glück einstmals erwachsen kann. Ich habe ihr heute morgen ausführlich geschrieben. Nun allerdings will ich auch einmal warten, was noch alles an uns herangetreten wird, dann erst werde ich mich entscheiden, ob ich schöpferisch arbeiten kann oder nicht. - Jedenfalls habe ich hier heute schon Wesentliches an Eigenart hiesiger Baustile (Städtebau weise?), Ziegelung, barocken Stukatur usw. gesehen. Hoffentlich haben wir auch noch Gelegenheit, nach Braunschweig zu kommen. - Jede Erkenntnis macht uns reifer - auch für Letztes -, die Möglichkeit zur Anwendung ist unwichtig - wichtig ist nur eine immer stärkere Entwicklung unserer Geistigkeit, die uns erhebt, Für Maria: Freundliche Wärter, ich wache, geheizte Wagen in Goslar, Verpflegung. Heute hatte ich Gelegenheit, hier eine Anhöhe zu besteigen und in die bereits schneebedeckten Harzberge zu schauen. Merkwürdig war der Kontrast von weiß und schwarz der Tannenwälder. Eine eigenartige wehe Stimmung kam wieder über mich und ich hatte sehr Sehnsucht und Heimweh nach Maria. (...)

199 Wolfenbüttel, Westbahnhof 197 Sonntag, Advent Abends. Wolfgangs Todestag. Nach einer Adventsfeierstunde in der hiesigen Trinitatiskirche wanderte ich allein zum Grab von Eva König, der zweiten Frau Lessings, um ganz meiner Stimmung Raum zu geben. I:;rfüllt von den tiefsten, weh esten und zugleich beglückendsten Empfindungen schritt ich einsam durch den stillen Park, während sich die Nacht auf die kahlen Bäume senkte und der Wind schwere Regenwolken niedrig vor sich hertrieb. Ich habe über vieles nachgedacht - vor allem über meine Bindung an den liebsten Menschen, an meine Marie. Was wäre ich - was wäre aus mir ohne die Begegnung mit ihr, ohne die Bindung an sie geworden. Ich verdanke ihr mein ganzes Wachstum, alle, was ich bin. Nun habe ich mich fest entschlossen, mich, falls ich hier freikomme, an Weihnachten mit ihr zu verloben. - Diese Adventsfeierstunde war ein Erlebnis wirklicher Innerlichkeit und Erhebung. So beglückt war ich nicht nach meinen schönsten Theaterabenden. Vielleicht ist auch unsere augenblickliche Lage geeignet, die innere Weichheit als Wirkungsfeld einer solchen Stunde zu schaffen. Man denke sich eine Kirche, die von außen eher den Eindruck eines Theaters macht, von dem man nicht weiß, ob man es der Zeit der Renaissance oder des Barock zuschreiben soll. Jedenfalls aber ist die Kirche vom Orden der Zisterzienser-Mönche erbaut worden, denn sie hat keinen Turm 21. Der ganze Eindruck wird noch verstärkt, wenn man das Innere betritt. Ein Langbau ist durch zwei Emporen nach dem Altar zu abgeschrägt. Der Chor fehlt dieser Kirche ganz, so daß man auch hier die Empfindung hat, nicht [in einer Kirche zu seinf2. 21 Was dem Ursprung nach nicht richtig ist. Aber der Autor konnte damals nicht wissen, dass anstelle eines Turmes eine hohe Kuppel dem Bau zugedacht war. - Gemeint ist hier die St. Trinitatis-Kirche. Der Autor konnte damals die Haugeschichte dieser Kirche natürlich nicht kennen, wohl kaum erkennen, dass niedrige Glockentürme rechts und links der Fassade durchaus vorhanden waren. Die Gestaltung der Fassade ergab sich aus der Verwendung eines ehemaligen Stadttores, was man nachlesen kann bei R. BuscH, St. Trinitatis in Wolfenbütte!. Große Baudenkmäler Heft 346, München-Bcrlin Völlig richtig hat H. M. B. damals beobachtet, dass die Architektur dieser Kirche sehr theatralisch angelegt ist. Sein empfindsames Erleben der Weihnachtsnacht kann ich nachempfinden, habe ich hier doch 1978 meine eigene Trauung erleben dürfen. 22 Zwei flüchtige Skizzen erläutern in diesem Text den Bau der Trinitatiskirche. Es folgen einige Seiten im Tagebuch, die Notizen zum deutschen Versbau enthalten, die hier nicht wiedergegeben sind, aber doch Sinn machen. H. M. B. berichtete mir, dass in der Freizeit ein Ausgang aus dem Lager möglich war. Diese Zeit nutzte er, um die Herzog-August-ßibliolhek zu besuchen, was die Beschäftigung mit literarischen Themen erklärt. Beeindruckt hat ihn, dass er im Lesesaal auch Literatur einsehen konnte, die damals nicht öffentlich zugänglich war. Es folgt im Tagebuch eine einseitige PortraitskiZ7.c, signiert "SteinthaI25.l2A4." Eingelegt ist ein vervielfältigter Schreibmaschinentext mit dem Programm der Advent-Feierstunde, dessen Text hier folgt: Sonntag, d. 10. Dez in der 'Iiinitatiskirche Advent-Feierstunde, Mitwirkende: Fr!. Anneliese und Giescla Immke, Gesang; Herr Musikdirektor Ferdinand Saffe, Orgel; der Kantalenchor. Lcitwort: "Er heißt: Wunderbar-Rat-Kraft-Held-Ewig Vater-Friedefürst." Jes, 9, 6. Advent: 1. Macht hoch die Tür - für Vogel... Ferd. Saffe. 2. Wie soll ich dich empfangen - Chor... J. Crüger Leise rieselt der Schnee - Duett... Ed. Ebe!. 4. Der Morgenstern ist aufgegangen - Chor... Mich. Praetorius 1609.

200 198 Ralf Busch Abb.5: Weihnachten 1944 im Wartesaal des Bahnhofs Wolfenbüttel- West. Die Bewohner der Baracke des Bahnhofgeländes sind ZU ihrer Weihnachtsfeier versammelt. In der vorderen Reihe von links: Rolf Vogel, Dr. Dr. Erwin Goldmann, Heinz Bleicher und Arthur Schaller. Rechts vom Weihnachtsbaum: Die Mutter von Heilmer (Frau von Löbel?). Die junge Dame links von ihr war die Freundin oder Verlobte von Freund Liebster, deren Namen mir im Moment aber nicht gegenwärtig ist. Zweite Reihe oben: ganz links: Hermann Steintal, Hans-Rudolf Hauth, NN, unmittelbar neben dem Weihnachtsbaum mein Bruder Gustav Bleicher. Rechts vom Baum: zunächst die Gebrüder Link und rechts außen Fritz Majer-Leonhard [Beschreibung H. M. Bleicher].

201 Wolfenbüttel, Westbahnhof Weihnachten Auch für uns ist es Weihnacht geworden! Dennoch Weihnacht! Ich bin so froh, daß ich über diese Tage recht aktiv bin, indem ich mir vorgenommen habe, den Kameraden viel Freude zu bereiten. Aber ich darf nicht in die Gefahr kommen, weiter zu machen u. mich all zu viel der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Sonst verliere ich das Wichtigste: "Das stille Leben". Und gerade weil ich weiß, was ich bieten kann, will ich mich ganz bescheiden und zurückhalten, um aufnehmend zu lernen. - Der kleine, entzückend geschmückte Lichterbaum strahlte lieblich in den Raum und spiegelte sich in den ernsten und erwartungsvollen Augen der Kameraden, als wir unsere Feier begannen. Nach der Lesung der Schäfernovelle mußten wir wegen der fortgeschrittenen Zeit abbrechen. Mir wurde für die Vorlesung von vielen Seiten herzlich gedankt und besonders Frau von Liven schüttelte mir beide Hände. Die Kameraden waren sehr beeindruckt. Nachstehend das Programm: 1) Gemeinsamer Gesang "Stille Nacht... " 2) Gedicht" Wer weiß, wo wir an Weihnacht sind... " 3) Ansprache Herr Dr. Goldmann 4) Chor: "Maria durch ein Dorn wald ging... " 5) Gedicht: "Die Jungfrau gebar... " 6) Kl. Chor: "Die Herbergsuche... " 7) Gedicht: "Wächter, wie spät ist in der Nacht" 8) Gem. Gesang: " Vom Himmel hoch... " 9) Gedicht: "Nun leuchte, kleines Lichtlein du... " 10) Chor" Vom Himmel hoch, ihr Engel kommt... U 11) Weihnachtsevangelium usw. 12) Chor: "Kommet, ihr Hirten... " (... ) Die Dekadenz (Sinnlichkeit - Auflösung der Moral) Schuld der Semiten? Die Geschichte, die mir Dr. G. heute morgen hierzu erzählte - es ist einfach erschütternd. - Heute morgen im Zug sangen viele Kerle und einige Mädels wieder entsetzliche Lieder Weihnachten: 5. Orgelvorspiel. 6. Es senkt sich hehr und leise - Solo... Karl Reincke, 7. Ehre sei Gott - große Dexologie - Chor... Dem. Bortniansky. 8. Heilige Nacht - Duett... Joh. Fr. Rcichardt 9. Ein Kindlein so lieb - Chor... a. d. Jahre Susani. 11. Also hat Gott die Welt geliebt - Duett... R.Radeke. 12. Groß ist des Vaters Held - Chor... Mich. Praetorius. 13. Ich lag in tiefer Todesnacht - Doppelquartett Alcxander v. Fielitz. Stille Nacht - Chor... Franz Gruber Un8. Anfang 15. Uhr 30 (3 112), Eintritt 50 Rpfg.

202 200 Ralf Busch - Abwärtsentwicklung eines Volkes ist Entfernung von der Klarseite, der "höheren geistigen Welt" zur "sinnlichen reinen Kunst" (aus ihren Elementen) ist höhere Geistigkeit - alles andere Dekadenz-Erscheinung. Die Wissenschaften als auch die höhere, reine, geistige Welt sind für "Auserwählte" - sie haben sich prostituiert (u. die Kunst), wenn sie für alle an jeder Straßenecke käuflich geworden ist. - Volkslied kann nur lustig sein oder im ernsten religiös; denn Sentimentalität an sich ist nicht gut, wenn nichts dahinter steckt. Und dahinter kann nur etwas aus der "höheren geistigen Welt" stehen. Also ist Sentimentalität sinnlich und deshalb dekadent. Hoffentlich darf Mutter bleiben, weil Vater doch nicht allein sein kann. Wenn nur beide bald wieder gesund werden - ein reizender Geburtstagsbrief von ihr ist bereits angekommen. Es ist so schön um ihre Liebe zu wissen, und ich weiß, daß ich, was ich bin, ihr verdanke. Wir werden gemeinsam am notwendigen Chaos der Masse vorbeigehen und nach unserer Erkenntnis in einer Welt höherer. reiner Geistigkeit leben. - Mittwoch, Nun sind sie fortp3 Als der Zug um die Kurve am Westbahnhof verschwand und der letzte zu winken aufhörte, sagte Johannes mit seiner gebrochenen Stimme: "In die Freiheit -". Ich kann die Gefühle nicht schildern, die in meiner Brust auf und nieder wogen -. Wie gerne wäre ich mit - wie gerne wäre ich wieder zur Maria, meiner lieben Maria. Ich habe nun oft so Heimweh nach ihrer Reinheit. Der Abschied von Schaller und den anderen (Peters, Kohs, Schipfert) ist mir sehr schwer gefallen - wann werde ich heimwärts fahren? Ich hoffe zuversichtlich, daß es nun bald klappen wird - wenn ich nicht wegkäme, was wäre das für Maria eine Enttäuschung.... [Mir geht] es gesundheitlich nicht sehr gut, schon nach der geringsten körperlichen Betätigung bekomme ich starke Rückenschmerzen. Ich las eine Novelle von H.F. Blume "Der Feuerberg". Was soll man hinter solcher Art von "Dichtung" suchen? Zufinden wird wohl nichts sein als Vielschreiberei. Drang zur Gestaltung, ohne daß es gesagt wird, soll man schreiben, aus reiner Freude an der Gestaltung, wenn man nichts zu sagen hat? Ich sehe hier auch wieder den Unterschied zwischen "Schriftstellerei" und "Poesie". Gustav spricht von Dr. P. als von seiner" Wahlverwandschaft". Freitag, Meinen Geburtstag durfte ich zu Hause 24 verbringen. Und da wir alle glaubten, daß ich bald nach Stuttgart fahren dürfe, waren die Kameraden rührend um mich besorgt; 23 Abfahrt vorzeitig Entlassener. 24 D. h. im Lager und nicht auf der Baustelle.

203 Wo/fenbüttel, Westbahnhof 201 Hermann St. malte mir diese Fahrkarte und die eingeklebte Verlobungsanzeige 25 - ob es nun wohl am 25. wahr wird? Nun heute als Geburtstagsgeschenk sagte mir unser Lagerarzt, daß ich ab sofort wieder zur Baustelle muß (sicher steht Dr. Everlie dahinter). Allerdings sagte er, daß er meineangelegenheit in die Hand genommen habe und daß er an meine Entlassung glaube. Nur wisse er noch nicht, wie lange das dauere. Begluubigte Abschrift. Res.Laz. Bad Harzburg Bad Harzburg. den Abt. Palast ~ Herrn Heinz Bleicher. Wolfenbüttel Fachärztlicher orthopädischer Untersuchungsbefund von Stabsarzt Dr. Stalmacn. Es handelt sich bei Herrn Heinz B 1 e ich e r um eine schwere s-förmige Skoliose der Bruat- und "Lendenwirbelsäule mi t Gegenkrümmungen und Torsion. Die Wirbelsäule 1st mangelhaft beweglich. Es bestehen neuralgische Beschwerden am Brustkorb, ausgebend von Dr~ck infolge starker Verbiegung. B. ist behandlungsbedürftlg mit Heißluft und orthopädischen UbunGen., z.zt. dienstunfähig und für Tiefbauarbeiten untau,fglich. Eine TätiGkeit im Sitzen. bzw. ohne stärkere Belastung der Wirbelsäule ist ihm iiach erfolgreicher Behandlung wieder zuzumuten. Es der mir ~z. Dr. Stalmann. I Stabsarzt Facharzt für Orthopädie. Abschrift mi t Abb. 6: Arbeitsuntauglichkeitserklärung für H. M. Bleicher, die zu seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Lager Wolfenbüttel führte 25 Diese fiktive Anzeige lautet: Als Verlobte grüßen: Maria Oehler - DRK-Schwesternhelferin Heinz Bleicher z. Zt. in Urlaub von der Okerfront. Aidlingen, Krs. Böblingen - Stuttgart-N., Heilbronner Str Februar 1945.

204 202 Ralf Busch Auf einem eingelegten Bogen in der Handschrift von R. V. folgt ein Gedicht 26 Dein Wille Herr hieß einstens Liebe. Doch traten Mensche Ihn zu Staub und was Du gabst, damit es bliebe, fiel Herrschsucht, Neid und Haß zum Raub. So laß doch dieses grauenvolle Morden durch Deine Gnade von uns ziehen! Damit Dein Wille Herr in uns geworden um den wir täglich vor dem Kreuze knien: Dein Wille Herr geschehe! 29. I H. B. zum 9. Februar 1945 zur Erinnerung und zum Dank für die Gespräche in Wolfenbüttel. R. V. H. B. gehörte zu den wenigen Personen, die das Lager aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig verlassen konnten. Schon am 8. Januar 1945 stellte ein Stabsarzt im Lazarett Bad Harzburg seine Arbeitsuntauglichkeit fest (Abb. 6). Daraufhin verfügte die Geheime Staatspolizei in Braunschweig seine Heimreise, was die Firma Sievers ihm am 22. Februar 1945 mitteilte (Abb. 7). Die Gestapo bescheinigt sogar eine Dringlichkeit dieser Reise (Abb. 8). Am 24. Februar 1945 tritt H. B. die Heimreise an. Der Auflage, sich dort bei der Gestapo sogleich zu melden, ist er nicht gefolgt. Das nahende Kriegsende hat er in Verborgenheit erwarten können. Nachwort Die vorstehenden Aufzeichnungen sind bemerkenswert. Sie enthalten keine Klagen über die Zwangsarbeit und die Härte der Lebensumstände. Es geht um die geistige Auseinandersetzung mit der Zeit. Die "Flucht" in die Literatur wird zum Werkzeug des Überlebens. Auch andere Lagerinsassen haben sich dieses Mittels bedient (siehe die zwei Gedichte von R. V.). Man erhält aber den Eindruck, dass die Verantwortlichen für das Lager sowie die Baufirma nichts taten, um die Existenz der Lagerinsassen zu verschärfen. 26 Beigelegt ist ein weiteres Gedicht in der Handschrift von R. V.: Dein Wille Herr geschehe! Ist es dein Wille Herr, das Morden das sengend nun die ganze Erd' erfaßt? Ist es dein Wille denn geworden, daß statt der Liebe sich die Menschheit haßt? Das Bluthad dieser Zeit ist unenneßlich. Das Brennen jagt von Stadt zu Stadt. aus Trümmern und Ruinen glotzt es gräßlich und wir sind von der Ohnmacht matt. Ist das dein Wille Herr, das Morden, das nicht die Wiege schont und nicht den Greis, Oh Herr, was ist aus deiner WeIt geworden was ward aus deinem königlich Geheiß?

205 Wo!fenbüttel, Westbahnhoj 203 Breunschwaig, äen I '. i. 'I. B 1 eie her muß unbedingt sofort eine Reise nach Stuttgert antreten. D.1e Reise liegt im drinßen 1 ~ dan Reichsinterosse Abb. 7: Entlassungsbescheinigung tür H. M. Bleicher Das harte Lebensschicksal des jungen Mannes, die Erfahrungen seiner Familie haben ihn zum Zeugen werden lassen. Er selbst fühlt sich in die Verantwortung genommen. Seit Jahrzehnten widmet er sich dem christlich-jüdischen Dialog. Als er 1968 in Gerlingen den Bleicher Verlag begründet, hat dieser ab 1978 in seinem literarischen Programm die Begegnung mit dem Judentum zu einem zentralen Anliegen wachsen lassen 27. Die persönlichen Erfahrungen haben Heinz M. Bleicher entscheidend und sichtbar geprägt. Darin sehen wir ihn als ein Beispiel, denn auch andere Leidensgenossen haben in ihrem späteren Wirken diese leidvollen Erfahrungen weder vergessen noch verdrängt, sondern an ihrem Platz für eine neue und bessere Zukunft gewirkt Jahre jung. Der Bleicher Verlag in Gerlingen feiert sein erstes Vierteljahrhundert. Gerlingen 1993.

206 204 Ralf Busch RB-Nr.0/0474/5084 Abt.. Loh h b ü r 0 A. ~ievers & CO~, Vienenburg am Harz I, -' A. Sievers& Co., Hoch u. TIefbauunternehmungen, (:20) Vienenburg am lion Herrn Heinz Bleicher Lager Westbahnhof W 0 1 f e n b ü,t tel. "~ ' "... '.t,s-"" Ihre Zeichen" 1.,. Ihre Nachr.v. Unsere Nadlr.v.. ~ Betrelf Uns~re Zeichen (20) Vianenburg am Ha.. EjGe _... ~_..... _, _... '." ', ' 9J' _'. _ -.'_. '! '.{ >', Auf Anotanung der GeheLmen Staatspolizei Braunschweig, sind Sie mit sofortiger Wirkung nach Stuttgart.zu entlassen. Wir bitten Sie, sich mit diesem Schreiben und dem ärztlichen Gutachten, wonach Sie für die hiesigen Arbeiten nicht arbeitsfähig sind, zur Polizei stelle Wolfenbüttel zu begeben und sich eine Reisegenehmigung nach Stuttgart ausstellen zu lassen. Auf Grund dieses Schreibens erhalten Sie ohne we~teres die Reisegenehm~g. Die Ihnen zustehende Restlöhnun!1werden wir Ihnen sofort nach Fertigstellun '1 an Ihre Heimatadre.se überweisen. ~, He I~rtl ' er! D/Gestapo Brschwg. A. (," /(h~ 60. 1, TI:I~ ). Ullflle..nl! ngen V: ~nenburgfhgf'z ~~~Is:;~t:i~s~~n!!tok~nto Goslar Braunschweigisdla Staatsbank, Zweigstelle A, Braunsdlwalg Postsenack Hannovar \ M/ OW' Abb.8: Reisebescheinigung der Geheimen Staatspolizei Braunschweig tür H. M. Bleicher

207 Kleinere Beiträge Gab es wirklich eine "bedeutende" Fracht-Schifffahrt auf der unteren Oker im hohen Mittelalter? von Wolfgang Meibeyer Mit dem vorliegenden Beitrag möchte der Verfasser seine im Laufe der Jahre immer mehr gewachsenen Zweifel an der ökonomischen Bedeutung bzw. der Existenz einer hochmittelalterlichen Frachtschifffahrt auf der Oker über die Aller zur Weser darlegen und zur Diskussion stellen. Diese erwuchsen nicht nur bei dem Bemühen um Lokalisierung der vermeintlichen damaligen stadtbraunschweigischen Schiffslande- und Warenumschlagsplätze durch den Verfasser selbst, sondern auch bei seinen Versuchen, die von der Forschung zu Grunde gelegten oder in Vorschlag gebrachten Hafenstandorte nachzuvollziehen 1 und mit der Grundrissbildung der im Hochmittelalter ja planmäßig angelegten Weichbilde Hagen und Neustadt in Einklang zu bringen. d. h. sie darin auffindbar zu machen. Als Ergebnis dieser Anstrengungen lässt sich allein die bis an die Oker heran mit ziemlicher Gewissheit zunächst unbebaut gebliebene Westseite des Hagenmarktes als mögliche Schiffslände in Betracht ziehen, und dieser wäre somit als eine Art von Ufermarkt anzusehen 2 Konkrete, auf ehemalige örtliche Hafenfunktion hindeutende Überlieferungshinweise gibt es dafür freilich ebenso wenig wie für die übrigen zur Diskussion stehenden Plätze am Nickelnkulk, am Werder, an der Rcichsstraße sowie in der Nähe des alten Okerüberganges am Damm. Die ältere Literatur (H. Dürre, 1861, Fr. Knoll u. R. Bode, 1891) sah eine hochmittelalterliche Okerschifffahrt als durchaus selbstverständlich an, hauptsächlich gestützt 1 Die Diskussion um die Hafenplätze wurde insbesondere geführt von Fr. Timme, (bes. 1950) nicht nur in seinem Bemühen um einen hypothetischen frühstädtischen Wik-Hafen am Damm, sondern auch um Schiffslandeplätze auf beiden Seiten des Okerlaufes im nördlichen Hagen. Einen" Wollmarkthafen", eine Idee von W. Spiess, (1951) lehnte Th. Müller (1968) ab mit dem überzeugenden Hinweis auf die naturräumliehen Bedingungen dort. Ein 1985 von D. Ellmers ins Auge gefasster weiterer Uferhafen am Kohlmarkt beruht auf der Fehleinschätzung des parallel zur Südstraße laufenden alten Wehrgrabens der Altstadt als natürlichen Okerarm., Auch nach TIl. Müller (1968) verband der Hagenmarkt die Aufgaben des Hafens und des Marktes. Danehen möchte er jedoch den Werderbcreich als "Haupthafen des Hagen" ansehen. Freilich ist der den Werder (bed. Insel) bogenfiirmig umgebende sehr schmale Grabt:n nicht eine Hafenanlage, sondern als Altwasser Rest eines ehemaligen Okermäanders aus dem hohen Mittelalter.

208 206 Wolfgang Meibeyer auf die in dem von Heinrich dem Löwen erlassenen und von Otto dem Kinde 1227 bestätigten Hagenrechts-Privileg enthaltenen sog. Schifffahrtsparagraphen, widmete aber der Frage nach einem städtischen Okerhafen und seiner Topographie noch kein Interesse. Diese griff erst P. J. Meier auf, der - ohne jeglichen Beleg oder irgendeine nähere Begründung - im Braunschweigischen StädteatIas 1922 die Oker von der Kaiserstraße ab als schiffbar erklärte, weiche somit auf dem Großen Hofe (Nr. ass. 1283) ein Umladen der von Süden her mit der Achse, von Norden her zu Schiff herangeführten Waren nötig machte (S. 14). Damit war der Hafenplatz am Nickelnkulk geboren 3 Ein Blick in die Forschungsgeschichte belehrt über die bemerkenswerte Nachhaltigkeit dieses einfachen Postulats: H. Schulz übernahm 1931 den Großen Hof in Verlängerung der Kaiserstraße nun bereits als wichtigen Umladeplatz für Waren vom Harz und der näheren und weiteren Umgebung (S. 40), was R. Hildebrand, 1937 anscheinend unbedenklich weiter vertiefte: Goslar war in seinem Schicksal auf das engste mit Braunschweig verknüpft, denn die Herzogstadt bildete seinen natürlichen Hafen, den großen Umschlagplatz, an dem seine Erze auf dem Schiffahrtsweg nach der Nordsee und die Waren des Nordens auf die Landstraße umgeladen wurden (S. 347). Noch vor der Entstehung von Hagen und Neustadt lag im Norden frei von jeder Ummauerung der große Okerstapelplatz (S. 342). Seit schließlich 1954 noch H. Planitz in seinem Werk über die mittelalterliche deutsche Stadt eben darauf fußend Braunschweig wirtschaftlich eine führende Stellung besonders als Umschlagplatz für die Goslarer Erze und deren Verfrachtung auf der Oker (S. 145) bescheinigte, gilt eine hoch mittelalterliche, von Braunschweig ausgehende bedeutende Okerschifffahrt als unbestrittenes Faktum und erscheint in diesem Sinne in nahezu auen die Wirtschaftsund Verkehrgeschichte der Stadt berührenden Darstellungen. Das betrifft auch die sonst weitgehend auf eigenes Studium originärer Quellen aufgebaute spezielle Untersuchung von Th. MüUer, 1968 über "Schiffahrt und Rösserei im Russgebiet der Oker". Was schon 1931 H. Schulz als "merkwürdig" auffiel, konnte auch Th. MüIler nicht umhin zu bemerken: "Über den Umfang und die Leistungen der Braunschweiger Schiffahrt auf der Oker und Aller sch weigen die Geschichtsquellen des 13. und der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts völlig" (S. 40). Letzteres gilt aber nicht nur für die örtliche stadtbraunschweigische Überlieferung allein, sondern betrifft auch die anderen in den vermeintlich bedeutenden Oker-Güterverkehr involvierten Orte! Sollte dieser vollständige Ausfall an Quelleninformation über eine derart bedeutsame Angelegenheit wirklich nur Zufall sein? Die Frage nach den einzelnen, im Laufe der Zeit von verschiedenen Forschern behaupteten oder in Vorschlag gebrachten stadtbraunschweigischen Hafenstandorten sowie nach deren möglicher Lokalisierung und die Erörterung der wissenschaftlichen 3 Über Alter und Funktion des von P. J. Meier (1922) als Umschlag- und Stapelplatz deklarierten Großen Hofes (ersterwähnt 1381) schweigen die Quellen. Die ihm hier zugeschriebene Aufgabe ist allerdings recht fraglich nicht nur in der Zusammenschau mit den vorgeschlagenen benachbarten Hafenplätzen und seiner extrem ungünstigen natürlichen Lagebedingungen in alter Zeit wird auf dem Hof eine Walkerei (fullerie) erwähnt und giht möglicherweise einen Fingerzeig auf seine tatsächliche ursprüngliche Zweck bestimmung als Einrichtung altstädtischer textilgewerblieher Gilden?

209 Okerschifffahrt im hohen Mittelalter? 207 Diskussion darüber soll hier nicht erneut aufgenommen oder weiter verfolgt werden. Immerhin sind einige Feststellungen zu treffen: 1. Obgleich eine unterstellte hochmittelalterliche Okerschifffahrt mit erheblichem Anfall von Umschlagsgut und gewiss nicht unbedeutendem Platzbedarf eigentlich in der sich damals gerade vollziehenden Grundrissgestaltung der Weichbilde Spuren hinterlassen haben sollte, lassen sich weder im Stadtkörper selbst noch in der Überlieferung oder im Namensgut irgend welche Anhaltspunkte für dementsprechende Umschlagsanlagen auffinden. 2. Mit Ausnahme allenfalls der Hagenmarkt-Westseite erweist die retrospektive Untersuchung der Alttopographie der Weichbilde (Straßen, Plätze, Grundstücke) die Existenz ehemaliger Hafenanlagen als äußerst unwahrscheinlich. 3. Die bisher als ehemalige Hafenplätze gemutmaßten Standorte können wegen ihrer permanent überschwemmungsgefährdeten Lage - nicht am Rande der Niederung, sondern inmitten der Niederung der Oker! - als solche frühestens nach deren Entwässerung bzw. Regulierung des Flusses in Betracht kommen, d. h. nicht vor dem letzten Drittel des 12. Jh., der Anlage des Hagen unter Beteiligung von meliorationskundigen Niederländern. Die unzulängliche Nachweisbarkcit entsprechender Hafenfazilitäten reicht sicher nicht aus für ein begründetes Anzweifeln der Okerschifffahrt an sich. Andererseits lassen sich auf die legitime Gegenfrage nach hinreichenden Gründen für die Annahme von deren damaliger Existenz einzig und allein die schifffahrtsrechtlichen Bestimmungen am Anfang des Hagenrechts ("iura et libertates Indaginis") geltend machen. Neben der Befreiung von der Grundruhr ( 3) heißt es dort in 2 ( Übers. aus dem Lateinischen): Schiffe sollen von Bremen bis Braunschweig immer (zoll-?) freie und unbehinderte Bergfahrt haben und sollen nach Löschen und Verzollen ihrer Ladung in Braunschweig ohne jede Behinderung bis nach Celle und von Celle bis Bremen zu Tal fahren 4 Als hervorhebenswert will scheinen, dass hier - abweichend von den übrigen Paragraphen - die Hagenbürger (burgenses) nicht selb~1 und schon gar nicht als (Schifffahrts-) Beteiligte direkt angesprochen werden, sondern gänzlich unpersönlich nur von (zoll-?) freier Schifffahrt, im Sinne von unbehinderter Zugänglichkeit auf dem Wasserwege von Bremen aus gesehen (!), gesprochen wird. Eine im Hagen oder Brunswik selbst institutionalisierte eigene Schiffswirtschafts oder eine - wie üblicherweise unterstellt wird - (indirekte?) Bestätigung für in voller Aktion befindlichen blühenden Schiffsverkehr ist daraus eigentlich schwerlich herauszulesen. Vielmehr will es scheinen, dass es sich von Seiten des Herzogs um die Zusicherung eines Rechtsanspruchs eher im Sinne einer Option handelt und kaum um die Reflexion eines bestehenden Zustandes. Weil sich hier wohl die Geister an der Interpretationsfrage scheiden werden, soll das Verständnis des hagenschen Schifffahrtsprivilegs zunächst dahingestellt bleiben und der Blick auf die zweifclsfrei während des späten Mittelalters vom 4 Fr. Timme (1940/41) hat sich intensiv mit den Gründungsvorgängen des Hagen insbesondere unter Berücksichtigung der iura et libertates indaginis auseinander gesetzt. Seine Studie enthält den lateinischen Text der 18 Paragraphen des Hagenrechts sowie eine kritische Analyse., Fr. Timme (1940/41), S. 12.

210 208 Wolfgang Meibeyer fortgeschrittenen 14. bis ins frühe 16. Jh. nachvollziehbaren Schifffahrtsinitiativen auf Oker und Aller gerichtet werden. Deren Geschichte bis zum Erliegen der braunschweigischen Schifffahrt mit dem Celler Schifffahrtsmonopol auf der Aller im Jahre 1519 findet sich eingehend dargestellt bei Th. Müller, 1968, so dass hier nur einige Vorgänge von argumentativem Gewicht herauszugreifen sind. Nachdt:m bis dahin - wie zuvor bereits ausgeführt - keinerlei mittelalterliches Zeugnis oder Hinweis auf tatsächlich regc1mäßig praktizierte oder gar bedeutende Schifffahrt auf dem Wasserwege von der Oker bis zur Weser bekannt ist, schimmert mit einer 1367 vom Celler Herzog Wilhelm der Stadt Lüneburg gegebenen Zusicherung keinen Wasserweg für die Verschiffung von Korn oder anderen Waren aus Braunschweig oder Hannover zu öffnen oder die Anlage eines solc:hen zu gestatten (Hansisches UB 4, Nr. 221, Hervorhebung durch Verf.), offensichtlich gewachsenes Interesse an der Nutzbarmachung des Oker-Aller-Schifffahrtsweges in Braunschweig durch. Vollends deutlich wird das, als Herzog Magnus der Stadt erlaubt, das Okerbett ausräumen zu lassen, um den Fluss mit Schiffen nach Celle befahren zu können. Dass dafür Bäume und Gebüsch dem Ufer entlang abzuschlagen sind, um Treidelwege anzulegen, vom Bau von Wehren und Schleusen die Rede ist, ggf. Aufkauf bestehender Mühlen durch die Stadt und Verhinderung der Neuanlage neuer als möglicher Schifffahrtshindernisse zugesagt werden, wie das in der Urkunde vom 12. März 1371 detailliert dargelegt wird, ist in Übereinstimmung mit der Formulierung des zugehörigen Regests durch den Bearbeiter J. Dolle als Vorbereitung der Schiffbarmachung der Oker zur Herstellung eines Wasserweges nach Celle (UB der Stadt Braunschweig, 6, S. 678 f.) anzusehen. Die nach politisch bedingten Verzögerungen dann im 15. Jh. durchgeführten aufwendigen und kostenintensiven Ausbaumaßnahmen des Wasserweges (z. B. 1439: graven und waterfard... uthe der Oveker in de Alre (UB der Stadt Magdeburg, 2, S. 552ff.), : Schleusenbau bei Ölper, Veltenhof, Watenbüttel (Müller, S. 44), 1458/60: Schifffahrtsschleuse an der Hillerser Mühle (Müller, S. 46) sowie 1459 bei Wienhausen (Müller, S. 47» lassen keine Zweifel daran, dass erstmals im späten Mittelalter mit dem Ausbau der Oker zur Wasst:rstraße überhaupt begonnen wurde. Art und Umfang der 1371 dafür ins Auge gefassten tiefgreifenden Maßnahmen machen es ganz unwahrscheinlich, dass ein älterer hochmittc1altcrlichcr Ausbauzustand des Flusses früht:r schon dnmal bestanden hätte, der ihn für solchen Schiffsverkehr geeignet gemacht haben könnte, wie er ihm mit der Mutmaßung darauf abgelaufener "Massengut-Transporte" (z. B. Goslarer Erze!) zugeschrieben wurde. Auch in den diplomatischen Auseinandersetzungen um dcn neuen Oker-Aller-Weser-Wasserweg mit Lüneburg 6 berief sich der Braunschweiger Rat zwar auf das alte Hagenrechtsprivileg, nicht aber auf Gewohnheitsrechte o. ä., wie sie ja durch eine womöglich zuvor regelmäßig praktizierte Schifffahrt auf den Flüssen zustande gekommen wären. Es ist auch kein Anlass ersichtlich, der für zwischenzeitlichen Verfall oder weitgehende Vernachlässigung eines vermeintlich im hohen Mittelalter leistungsfähigeren Oker- 6 Eingehende Darstellung der seitens der Stadt Lüneburg bis an die Grenzen kriegerischer Auseinandersetzung geführten Streitigkeiten um die Okerschifffahrt bei Th. Müller (1968), S. 40 ff.

211 Okerschifffahrt im hohen Mittelalter? 209 laufs zuverlässig geltend zu machen wäre. Die Jahre der" Verhansung" der Stadt von 1374 bis 1380 kommen dafür nicht mehr in Frage. Ebenso ist nicht davon auszugehen, dass vielleicht die spätmittelalterlichen Maßnahmen erst durch eine notwendige Anpassung des alten Fahrwassers an moderne größere Schiffe verursacht worden wären. Dazu ist mit D. Ellmers, 1985 vor allem an Wassermühlen als Hindernisse für Binnengewässer als Verkehrsträger zu erinnern: Über ein halbes Dutzend davon bestanden entlang der unteren Oker und mussten zur Schiffbarmachung entweder mit Schleusengräben umgangen oder aufgehoben werden. Schon deren Existenz verhinderte damals die Nutzung der Oker als leistungsfähigen Fernwasserweg. Die Schlussfolgerung aus dem Mosaik der zusammengetragenen Quelleninformationen, Beobachtungen und Argumente sowie Einschätzungen lässt einen ökonomisch gewichtigen, d. h. über den lokalen bzw. enger regionalen Bereich hinausgehenden Schiffsverkehr von der Oker bis zur Weser im hohen Mittelalter als wenig realistisch annehmen. So erscheint das auffällige Fehlen einschlägiger Überlieferung darüber kaum als Zufall, sondern spiegelt indizienhaft die Realität wider. Deswegen mussten auch die Bemühungen von vielen Seiten um das Herausarbeiten und Lokalisieren von Hafenplätzen innerhalb des historischen Stadtgebietes fruchtlos bleiben. Es triumphiert die Trivialität: Wo etwas nicht gewesen ist, lässt es sich auch nicht (überzeugend) nachweisen!7 Das trifft wohl zumindest teilweise auch zu für den Ufermarkt im Hagen. Anscheinend hatte man diesen zunächst im Vertrauen auf das vielzitierte Schifffahrtsprivileg Heinrichs des Löwen und eine damit aufblühende Schifffahrt optimistisch angelegt. Womöglich hat der auf den Ausbau seiner Stadt Braunschweig bedachte Herzog selbst darauf hingewirkt. Der spätere Verzicht auf den "Okerkai" am West rand des Hagenmarktes und seine Inanspruchnahme für nachgesiedelte Bürgergrundstücke signalisiert das Ausbleiben der Bedeutung, die Braunschweig als Flusshafen möglicherweise einmal zugedacht war. Die spätmittelalterliche Phase wirklicher Okerschifffahrt endete bereits 1519 nach relativ kurzer Dauer. Das Schifffahrts privileg der "iura et libertates" des Hagen wurde in der Einschätzung seiner Tragweite für Wirtschaft und Verkehr des hochmittelalterlichen Braunschweig daher von der Forschung wohl erheblich überbewertet. R. Moderhack, 1985 (S. 20) zitiert dazu aus mittelalterlicher Zeit den treffenden Spruch:,,0 Brunswik, werestu waters rike, Dar en were nummer dins gelike" Und ähnlich aus einem Gedicht von 1492: "Brunschwick also iße genandt, Und wan se were scheperick, Man spreckt in alle dudesche landt, En were nicht ehr gelicke" 7 Nach freundlicher Auskunft von Herrn Dr. A. Rabbow, Braunschweig reicht das auf Schifffahrtsbeteiligung hindeutende, einen Anker enthaltende Wappen der Neustadt keinesfalls in mittelalterliche Zdt überhaupt zurück.

212 210 Wolfgang Meibeyer Im regionalen Bereich dürften in der frühen Zeit jedoch die Oker und ihre Zuflüsse von Braunschweig aus sehr wohl als Verkehrsträger in beschränktem Maße vor allem wohl für den Transport von Steinen und Baumaterial aus den Brüchen im Oesei, am Thieder Lindenberg sowie vielleicht auch aus dem Elm in Anspruch genommen worden sein. Th. Müller, 1968 weist zu Recht darauf hin, dass die in der Neustädter Zollrolle von 1340 als einzige Hinweise auf Schiffstransporte während des 14. Jh. in Braunschweig genannten Güter auf Lastverkehr auf der Oker oberhalb der Stadt hindeuten. Als Zoll wurden erhoben 6 den. "van der shepkisten" und 6 sol. "van deme schepe kalkes edder steyns", und "diese konnten nur von den Höhenzügen des nördlichen Harzvorlandes stammen" (S. 50). Schrifttumshinweise Dem Autor wurde die gewählte Zitierweise konzidiert. J. DOLLE (Bearb): Urkundenbuch der Stadt Braunschweig 6. Braunschweig H. DÜRRE (1861): Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter. Braunschweig. D. ELLMERS (1985): Wege und Transport: Wasser. In: Stadt im Wandel 3. Landesausstellung Niedersachsen Stuttgart-Bad Cannstatt. G. HERTEL (Bearb.): Urkundenbuch der Stadt Magdeburg 2. Halle R. HILDEBRAND (1937): Der "sächsische" Staat Heinrichs des Löwen. Histor. Stud.302. Fr. KNOLL u. R. BODE (1891): Das Herzogtum Braunschweig. Braunschweig. W. MEIBEYER (1994): Herzog und Holländer gründen eine Stadt. Die Entstehung des Hagen in Braunschweig unter Heinrich dem Löwen. In: BsJb.75. P. J. MEIER (1922): Braunschweig. In: Niedersächsicher Städteatlas. Abt. Die Braunschweig. Städte. Braunschweig. R. MODERHACK (1985): Braunschweigs Stadtgeschichte 1. Braunschweig. Th. MÜLLER (1968): Schiffahrt und Flösserei im Flussgebiet der Oker. Braunschw. Werkstücke 39. A. PETERS (1913): Die Geschichte der Schiffahrt auf der Aller, Leine und Oker bis Forsch. z. Gesch. Niedersachsens 4, H. 6. H. PLANITZ (1954): Die deutsche Stadt im Mittelalter. Graz-Köln. A. RABBOW (1985): Braunschweigs Weichbildwappen. Kleine Schriften Stadtarchiv Braunschweig 14. H. SCHULZ (1931): Die wirtschaftliche Struktur des Oberharzes und seines nördlichen Vorlandes vom Ende des 10. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts. Phi\. Diss. Marburg. W. SPIESS (1951): Wik, Markt und Stadt in Braunschweig. Zu Fritz Timmes Aufsatz: Ein alter Handelsplatz in Braunschweig. In: BsJb. 32. Fr. TIMME (1940/41): Die Gründungsvorgänge des Hagens in Braunschweig, im Vergleich zu denen der Dammvorstadt in Hildesheim im Lichte neuerer Forschung. In: BsJb. 27. DERs. (1950): Ein alter Handelsplatz in Braunschweig. In: Nds. Jb. f. Landesgesch. 22.

213 Ein Denkmal auf Karl Wilhelm Ferdinand von Friedrich Georg Weitsch von Reimar F. Lacher Die besondere Bedeutung des Denkmals zu benennen, wurde dem 19. Jahrhundert das Prädikat,das Jahrhundert der Denkmale' beigelegt!. Was zuvor in der Öffentlichkeit an Denkmalen errichtet wurde, hatte allein der Dynastie gegolten. Dieses Denkmalsmonopol wurde von der aufgeklärten Monarchie in Person Friedrichs II. von Preußen durchbrochen, als dieser ab 1769 auf dem Wilhelmplatz in Berlin seinen verdientesten Feldherren Standbilder errichten ließ. Diese Krieger waren keine regierenden Herren, sie hatten sich ihr Denkmal durch Verdienst erworben, und dieses war fortan der Maßstab für Denkmalwürdigkeit. Ein weiteres Kennzeichen des Denkmalkultes der Zeit ist es, dass als Stifter nicht mehr nur der Fürst auftrat, sondern neben ihm verschiedene Körperschaften oder auch eine Initiative aus dem Bürgertum zur Errichtung eines Denkmals führte. In Braunschweig nahm der Denkmalgedanke dieses Gepräge im Jahr 1785 an, im Jahr des Todes des nichtregierenden Herzogs Leopold, der in Frankfurt an der Oder bei dem Versuch, einfache Leute vor dem Ertrinken zu retten, selbst ertrank. Dieses Opfertodes wurde mit einer Reihe von Denkmalen gedacht folgte diesen Monumenten ein erstes Denkmal auf Karl Wilhelm Ferdinand, das wohl einem Fürsten galt, jedoch nicht dessen Dynastenturn, sondern einem zukunftsweisenden Regierungsakt, dem Schuldenedikt, das er am 1. Mai des Jahres erlassen hatte. Gestiftet hatte das Denkmal vermutlich die braunschweigische Landschaft, der Vertragspartner des Edikts, geschaffen wurde es von dem Braunschweiger Maler Friedrich Georg Weitsch. Im Jahr 1882 tauchte das Denkmal - besser, das Denkmalensemble - in Braunschweiger Privatbesitz auf und ist im Braunschweigischen Landesmuseum, wohin es 1906 gelangte, fragmentarisch erhalten. * Die Absicht eines Denkmalstifters war darauf gerichtet, dem Verdienstvollen die geschuldete Ehrung zuteil werden zu lassen, der Mit- und Nachwelt gemäß aufklärerischem Denken ein sittliches Vorbild aufzuzeigen und wenige Zeit später auch darauf, dem keimenden Nationalbewusstsein ein Identifikationsangebot zu unterbreiten. J Hennann BEE"KEN, Das neunzehnte Jahrhundert in der deutschen Kunst. Aufgaben und Gehalte. Versuch einer Rechenschaft. München 1944, S. 479.

214 212 Reimar F. Lacher Die schnelle Vermehrung der Denkmale im Straßenbild der Städte wurde später häufig als Inflation kritisiert, war jedoch genuine Folge des aufklärerischen Denkmalsgedankens, von dessen einflussreichsten Wortführern Sulzer und Hirschfeld ausdrücklich erwünscht. Johann Gcorg Sulzer, der Ästhetiker, schwelgte in der Vorstellung einer von Monumenten gespickten Öffentlichkeit: "Was wäre leichter, als alle Spatziergänge durch Denkmäler nicht blos zu verschönern, sondern zu Schulen der Tugend, und der großen patriotischen Gesinnungen zu machen?"2 Cay Christian Lorenz HirschfeId, dcr Gartcnkunsttheoretiker, machte auf den Landschaftsgarten als geeigneten Standort der zu errichtenden Denkmale aufmerksam 3. Tatsächlich war am Ende des 18. Jahrhunderts die wichtigste Domäne des Denkmals der Landschaftsgarten, wo es als sentimentalische Staffage integriert wurde, als Stimulus in künstlerisch inszenierten Empfindungsräumen fungierte. Diese Monumente waren fast ausschließlich als Grabdenkmal gestaltet und setzten so die Tradition des unter dem Motto,et in arcadia ego' in Bildkunst und Literatur überlieferten Motivs des arkadischen Grabmals fort, wie es von Poussin geprägt worden und auch in der Landschaftsmalerei am Ende des 18. Jahrhunderts beliebt war. Gleichviel ob - wie in zahlreichen Fällen - das Gartendenkmal auf einer Begräbnisstelle errichtet war, ob es sich wie etwa im Wörlitzer Garten um den Nachbau eines echten Begräbnisses, des Grabes von Rousseau in Ermenonville (errichtet 1778, in Wörlitz 1782) handelte, oder um andere Scheingräber - die frühe Denkmalskunst stand in engster Verbindung mit der gleichzeitigen Grabmalskunst 4 Beide bedienten sich derselben Formen, bevorzugten Säule, Pyramide, Obelisk, Urne, Sarkophag und verschiedene Tempelformen 5. Infolge der Einengung ihres Denkmalsbegriffs auf das figürliche Standbild und die architektonische Anlage, die wichtigsten Konkretisierungsformen des Monuments im weiteren 19. Jahrhundert, hat die Denkmalsforschung das mit der Grabmalskunst verbundene Monument anfangs außer Acht gelassen 6 Weitschs Beschäftigung mit dem Denkmalsgedanken blieb auch nach dem Ausgleich dieses Residuums unbeachtet. Bekannt waren lediglich seine Entwürfe zu Monumenten für Luthcr in Wittenberg (1804/05) und Blücher in Rostock (1815), die beide schließlich, das eine erst gut ein Jahrzehnt später, von seinem Freund Johann 2 lohann Georg SUlZER, Allgemeine Theorie der Schönen Künste in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden, Artikeln abgehandelt ( ). Neue vermehrte Auf!. Leipzig , Artikel,Denkmal', 2. Bd., S , hier S Christian Cay Larenz HIRSCH FELD, Theorie der Gartenkunst. Leipzig , insbes. 3. Bd., S vgl. Karl ARNDT, Denkmal und Grabmal. Notizen zur Entwicklung seit dem Klassizismus. In: Ausstellungskatalog. Wie die Alten den Tod gebildet. Wandlungen der Sepulkralkultur Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal Kassel im Wissenschaftszentrum Bonn-Bad Godesberg, Mainz 1979 (Kasseler Studien zur Sepulkralkultur 1), S , vgl. insbes. Jürgen DöRING, Das ~Zeitalter der Monumenten-Wuth". Zum Denkmalverständnis um In: Niederdeutsche Beitr. zur Kunstgesch., 29. Bd., 1990, S , hier S , mit der Diskussion älterer Grabmalstypologien. 6 Erst DÖRING 1990 (wie Anm. 5), wies nachdrücklich auf diese Gattung als Ausgangsfdd der späteren Denkmalspraxis hin und stellte die Gemeinsamkeiten in den historischen Vorstellungen von Denkmal und Grabmal dar.

215 Ein Denkmal auf Karl Wi/helm Ferdinand 213 Gottfried Schadow ausgeführt wurden und die für sich betrachtet als Gelegenheitsarbeiten Weitschs erscheinen mussten. Tatsächlich aber handelt es sich hierbei um die beiden weniger bedeutenden Beispiele einer größeren Werkgruppe. Die genannten Entwürfe entstanden erst in Berlin, wo Friedrich Georg Weitsch seit 1799, dem Jahr nach seiner Ernennung zum preußischen Hofrnaler und zu einem der Rektoren der Kunstakademie, lebte und 1828 starb. Doch die Auseinandersetzung mit dem Memorial gedanken hatte bereits in Braunschweig eingesetzt, wo er 1758 als Sohn des Landschaftsmalers Pascha Johann Friedrich Weitsch geboren wurde und wohin er nach Studienaufenthalten in Kassel, Düsseldorf und Italien stets zurückgekehrt war. Seine erste Denkmalsunternehmung war ein Gemälde, mit dem er sich um die Mitgliedschaft der Düsseldorfer Kunstakademie bewarb, ein Memorialbild auf den Maler Anton Raphael Mengs, dessen Bildform aus dem Gartendenkmal gewonnen war, nämlich ein Grabmal in landschaftlicher Umgebung zeigte 7 An einem zweiten Unternehmen, einem Denkmal für Lessing, war Weitsch nur in einer ersten Planungsphase beteiligt lieferte er einige großgedachte Entwürfe zu verschiedenen Grabanlagen, als deren Standort der Finkenberg südwestlich der Wolfenbütteler Bibliothek vorgesehen war. Als die Angelegenheit Jahre später wieder aufgegriffen und mit dem schlichten Grabaltar, der sich noch heute im Vestibül der Bibliothek befindet, zum Abschluss gebracht wurde, war die künstlerische Leitung in andere Hände übergegangen. Anders als Weitschs Entwürfe zu einem Monument für Lessing, gedieh die letzte Dt:nkmalsunternehmung seiner Braunschweiger Zeit tatsächlich bis zur Ausführung. Doch während das Lessing-Denkmal schon von der zeitgenössischen Öffentlichkeit rege erörtert wurde und seither Gegenstand zahlreicher Untersuchungen geworden ist 8, blieb dieses, das Denkmalcnsemble auf das Schuldenedikt, vollständig unbeachtet. In seiner fragmentarischen Erhaltung und unkonventionellen Anlage ist es, wiewohl in den Ausstellungsräumen des Landesmuseums vor aller Augen, bislang nicht einmal als Denkmal erkannt worden. Es ist noch im Jahr des Edikts entstanden und damit das früheste aller bekannten Denkmale auf Karl Wilhelm Ferdinand. * Als Karl Wilhelm Ferdinand Anfang 1794 resigniert den Oberbefehl über das Heer der Koalition gegen das revolutionäre Frankreich niedergelegt hatte, wurde ihm - obgleich er keineswegs als Sieger heimkehrte - am 6. Februar in Braunschweig ein begeisterter Empfang bereitet. Das Volk lief spontan zusammen, ihm zuzujubeln. "Hüte flogen und durchkreuzten sich in der Luft, und man hörte lange Zeit ein fröhliches Getöse", berichtet ein Augenzeuge 9 Als der Wagen des Herzogs vor dem 7 entstanden 1784, als Dauerleihgabe der Kunstakademie im Kunstmuseum Düsseldorf im Ehrenhof; von Annedore MiiLLF.R-HoFSTEDE, Der Landschaftsmaler Pascha Johann Friedrieh Wcitsch Braunsehweig 1973, Nr. 91 irrtümlich Weitseh dem Vater zugeschri"ben. 8 zuletzt Karl ARNDT, Lessings Denkmal in Braunschweig und seine Vorläufer I. In: Niederdeutsche Beitr. zur Kunstgesch., 22. Bd., 1983, S Q Enählung der angenehmen Auftritte, welche die ersehnte Wiederkunft des Durchlauchtigsten Herzogs Carl Wilhelm Fcrdinand aus dem Feldzuge gegen die Franzosen in Braunschwcig verursachte. In einem freundschaftlichen Briefe. [Braunschweig 1794], zit. nach Selma STERN, Karl Wilhclm Fcrdi-

216 214 Reimar F. Lacher Schloss hielt, vergaßen die Umstehenden in ihrem Ungestüm, das durch die "freundliche Mine" des Souveräns noch angefacht wurde, die Etikette. Die Zuschauer, so fährt der Augenzeuge fort, konnten "sich nicht zurückhalten, seine Hände zu ergreifen und durch einen Kuß oder herzlichen Druck darauf, ihr Freudengefühl zu äußern". In Predigten, Festlichkeiten allerorten und in einer Vielzahl von Druckschriften hallte der Jubel die folgenden Wochen hindurch nach lo Der schon zitierte Augenzeuge veranschlagte die Liebe der Bevölkerung zu ihrem Fürsten, die sich in dieser Begeisterung offenbarte, um so höher, als "der sonst so ruhige, zu Ausbrüchen des Affekts so wenig aufgelegte Braunschweiger, hier ganz seine Natur zu verleugnen" schien. Einige Monate später sorgte ein weiteres Ereignis für Aufsehen im Herzogtum. Die Erinnerung an die Misswirtschaft der vorherigen Regierung, die zur Verarmung des Landes geführt hatte, war noch wach, als Karl Wilhe1m Ferdinand sich und seine Nachfolger in einem "Edikt, die gegenwärtigen und künftigen Kammerschulden betreffend" am 1. Mai gegenüber den Landständen verpflichtete, "keine Schulden zu machen und besonders unsere Fürstliche Kammer-Kasse zu sichern [... ], daß nie ohne eine rechtmäßige Ursache dergleichen auf sie gebracht werden könne"ll. Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Kreditaufnahme überantwortete er den Landständen und hatte sich damit bereit erklärt, sich "selbst die Hände [zu] binden", wie es in der Präambel des Edikts noch heißt. Von der Geschichtsschreibung wurde dieser freiwillige Machtabtritt als konstitutionelles Element angesehen und gewürdigt, das früheste im deutschen Staatengefüge 12 Eine Bildtafel (Abb. 1), das Kernstück von Weitschs Denkmalensemble, zeigt die Personifikation Braunschweigs, aus der Hand des Herzogs ein Schriftstück empfangend, eine Urkunde mit der Aufschrift: "Serenissimi / Edict / lten / May / [... ]". Links im Hintergrund entwindet ein geflügelter Genius einer pcitschenschwingendcn Wagenlenkerin - der Despotie - das Blitzbündel, das Abzeichen der Regierungsgewalt. In den Lüften verkündet Fama den Regierungsakt als Ruhmestat. Herzog und Brunona sind von Volk umringt, das mit eben jener Überschwenglichkeit reagiert, mit der es den Herrscher bei seiner Heimkehr aus dem Revolutionskrieg empfangen hatte. Die Untertanen sind demütig auf die Knie gesunken, tanzen oder recken sehnsüchtig die Arme nach ihrem Landesherrn; die Nächststehenden küssen seine Hand und Amor legt seinem Fuß das in jenen Tagen viel genannte "Band der Liebe" an 13 nand. Herwg zu Braunschweig und Lüneburg. Hildesheim und Leipzig 1921 (Veröff. d. Historischen Kommission für Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumhurg-Lippc und Bremen 6), S. 212 f.; hieraus auch die folgenden Zitate. 10 vgl. Gcrd BIEGEL, 6. Februar Rückkehr von Herzog earl Wilhelm Ferdinand aus Frankreich und die Geschichte von Braunschweigs Stiftung. Brauns,,:hweig 1994 (Veröff. des Braunschweigischen Landesmuseums 74), S. 118; Biegel kennt "etwa 60 bis 70 Veröffentlichungen" und stellt einige davon vor (S ). 11 zit. nach SURN 1921 (wie Anm. 9), S ebd., S Prof. BISCHOFF (Helmstedt), Über die Kammerschulden der Fürsten. In: Bsg. Magazin, 51. St., 1794, Sp , hier Sp. 81Of.; das Motiv Amors, der sich am Schuh zu schaffen macht, ist Ferdinand

217 Ein Denkmal auf Karl Wilhelm Ferdinand 215 Abb. 1: Allegorie auf das Schuldenedikt, Öl / Holz, 66 x 68 cm, bez. unten links "F. G. WEITSCH / 1794", Braunschweigisches Landesmuseum, Foto I. Simon Der Herzog, in huldvoller Positur den Braunschweigern gegenüber stehend, zeigt wie bei der Rückkunft "freundliche Mine" (siehe oben) und lässt sie gewähren. * In der Lesart dieser Komposition war das Schuldenedikt, das kaum zufällig nach der Konfrontation des Souveräns mit dem revolutionären Frankreich verfügt wurde, auf das Wohl des Volkes gerichtet und begründete nachträglich die Liebe, mit welcher Karl Wilhelm Ferdinand empfangen worden war. Bols "Mars und Venus", ehem. Salzdahlum, heute Herzog AnIon Ulrich-Museum Braunschweig, entnommen.

218 216 Reimar F. Lacher Der Ausgangspunkt dieser Argumentation ist das Image Louis xv. (reg ), des,bien aime', dessen Herrschaft sich durch ihre Milde und die dafür gewonnene Liebe des Volkes zu legitimieren gesucht hatte J4. Joachim Heinrich Campe, der Aufklärungspädagoge und braunschweigische Edukationsrat, mit dem Weitsch 1789 bei der Planung des Lessing-Denkmals zusammengearbeitet hatte und den er 1797 porträtierte 15 (Abb. 2), übertrug das französische Modell in seiner Schrift Abb.2: Campe, Öl, von F. G. Weitsch / 1797, Braunschweigisches Landesmuseum, Foto I. Simon "Denkmal der Liebe eines guten Volkes zu seinem guten Fürsten"J6, welche das Volksfest beim Einzug des Erbprinzen Karl Georg August mit seiner Braut Louise von Oranien-Nassau Ende 1790 beschrieb, auf Braunschweiger Verhältnisse. In dem damaligen Freudensturm hatte sich die Liebe der Untertanen zu ihrem Fürstenhaus 14 zu Genese von Beinamen und Image sowie dessen Manifestationen im Herrscherbild (Allegorien von Mildem Regiment und Volkesglück im Postament des Standbildes Ludwigs XV. in Reims) vg!. Andreas KÖSTLER, Das Lächeln des Bien-Aime. Zur Zivilisierung des Herrscherbildes unter Ludwig XV. In: Andreas KösTLER / Ernst SEIDL (Hrsg.), Bildnis und Image. Das Porträt zwischen Intention und Rezeption. Köln u. a. 1998, S Brustbild im Braunschweigischen Landesmuseum. 16 Joachim Heinrich CAMPE (anonym erschienen), Denkmal der Liebe eines guten Volkes zu seinem guten Fürsten oder Beschreibung des allgemeinen Volksfestes welches die Ankunft des Herrn Erbprinzen und der Frau Erbprinzessin hoch fürst!. Durch!. zu Braunschweig veranlaßte. Braunschweig 1790, Vorrede.

219 Ein Denkmal auf Karl Wilhelm Ferdinand 217 Abb.3: Säulenpaar, Öl / Holz, Höhe 149 cm, Braunschweigisches Landesmuseum, Foto 1. Simon schon einmal geäußert, worauf Campe erklärte, er kenne kein Land, das "von der allgemeinen bald größeren bald geringeren Gärung welche seit dem 14ten Jul sich durch ganz Europa verbreitete, unangesteckter geblieben wäre" als Braunschweig, und keinen Regenten, "der auf seinem, von der Liebe und Dankbarkeit beglückter Unterthanen bewachten Fürstenstuhle ruhiger und in jeder Betrachtung sicherer gesessen hätte", als Kar! Wilhelm Ferdinand J7 Damit hatte Campe das Werben des Fürsten um die Liebe des Volkes als staatstragende Tugend ausgewiesen, dem Fürsten eine neue Rolle vorgeschlagen. In Braunschweig behalte diese Strategie der Legitimierung fürstlicher Macht, die in Frankreich 17 ebd., S. VIII.

220 218 Reimar F. Lacher fatal versagt hatte, selbst unter prekärsten Zeitumständen ihre Tragfähigkeit, so Campe. Hierin fand er das Herzogtum als Vorbild geeignet, das seine Schrift, die daher die Bestimmung,Denkmal' im Titel führte, publik machen sollte 18. Abb.4: Porträtmedaillon eines römischen Imperators, vermutlich des Trajan, Öl/ Blech, ca. 35 x 25 cm, Braunschweigisches Landesmuseum, Foto I. Simon Abb. 5: Porträtmedaillon Kar/ Wi/he/m Ferdinand, Öl/ Blech, ca. 35 x 25 cm, Braunschweigisches Landesmuseum, Foto I. Simon Die Liebe des Volkes gegen die Güte des Herrschers - Weitschs Bildtafel, basiert ganz auf diesem aufklärerischen Modell der Staatsräson. Die Darstellung verkündet Fürstenlob durch Volkesglück, vergibt an das Volk eine zweite Hauptrolle und setzt die Liebe des Volkes zu seinem Herrscher als Maßstab für dessen Güte. Die Methode der Bildfindung ist überaus originell: Zwei empirische Begebenheiten der ersten Hälfte des Jahres 1794 wurden simultaneisiert, der Empfang des heimkehrenden Fürsten und die Verfügung des Schuldenedikts einige Monate später. Hierdurch gewann die Darstellung stringente Authentizität und wurde zur Mitteilung des damaligen pa- 18 In engerem Sinne führte Campe die Liebesbekundung des Volkes auf die Liberalität der Regierung Kar! Wilhelm Ferdinands zurück; diese hatte sich in jener Zeit am deutlichsten in der Pressefreiheit erwiesen, die Campe für dessen zustimmende Augenzeugenberichte aus dem revolutionären Paris gewährten worden war (siehe unten). Campe lancierte die Schrift als Argument gegen die nach der Revolution erstarkende Ansicht, dass die Aufklärung die Macht der Fürsten untergrabe und durch die Zensur zu behindern sei.

221 triotischen Hochgefühls der Braunschweiger, das vom Maler sicherlich geteilt wurde. Über das unmittelbare Erleben, aus der sie ihre Authentizität gewinnt, ist die Szene durch Allegorik und klassische Gewänder in eine ideale Sphäre erhöht. Während die Bevölkerung recht unspezifisch kostümiert ist, tritt der Herzog in der Tracht der alten Germanen und Draker auf, wie sie durch die Reliefs der Triumphsäulen Trajans und Marc Aurels in Rom überliefert war. Somit stellt die Bildtafel einen der raren Versuche dar, in der ständigen Streitfrage des Kostüms Klassizität in der nationalen Vergangenheit anstatt wie üblich in der griechisch-römischen Antike zu finden. * Die Bildtafel ist zusammen mit zwei kannelierten dorischen Säulen (Abb. 3) in das Braunschweigische Landesmuseum gelangt. Über den ursprünglichen Zustand des Ensembles gibt ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 1882 Auskunft 19 Demnach erhoben sich die beiden Säulen, die von Urnen bekrönt waren, auf "hohen antiken Sockeln" (Abb. 4). An den Säulen hingen, wie auch heute noch, die Porträtmedaillons des Herzogs und eines römischen Imperators (Abb. 5 und 6). Die Darstellung mit der Übergabe der Urkunde an Brunona war am Postament der Säule mit dem Bildnis Karl Wilhelm Ferdinands angebracht. Eine weitere Bildtafel zierte mit der Darstellung der im Buch der Geschichte schreibenden Muse Clio den anderen Sockel. Diese nicht erhaltene Komposition wird ähnlich angelegt gewesen sein wie eine gleichfalls 1794 von Weitsch geschaffene Darstellung derselben Thematik auf einer Stobwasserschen Schreibkommode im Städtischen 19 Braunschweigische Anzeigen, ; damals vollständig in Braunschweiger Privatbesitz. Abb.6: Denkmalensemble auf das Schuldenedikt, Rekonstruktionszeichnung von Detlev Richter, München

222 220 Reimar F. Lacher Abb. 7: Klio, Öl/ Blech, ca. 40 x 40 Cffi, bez. "F. Weitsch fec ", Einsatzbild einer Schreibkommode der Manufaktur Stobwasser, Braunschweig, Städtisches Museum Braunschweig Museum zu Braunschweig (Abb. 7), zeigte allerdings anders als diese im Hintergrund eine antike Triumphsäule. Auch wenn nur zwei - immerhin markante - Merkmale darauf deuten, nämlich die Furche zwischen Nasenflügeln und Mundwinkeln sowie das kappenartig von der Stirn bis in den Nacken in gleicher Länge liegende Haar, und wenn darüber hinaus die Ähnlichkeit mit den gesicherten Porträts nicht eben augenfällig ist, so ist doch anzunehmen, dass mit dem zweiten Porträtmedaillon der römische Kaiser Trajan (reg.

223 Ein Denkmal auf Karl Wilhelm Ferdinand ) gemeint ist 20, mit der antiken Triumphsäule auf der verlorenen Bildtafel unter dem Medaillon entsprechend die Trajanssäule. Auch hier wären demnach in Weitschs Arbeit Ideen Campes wirksam. Dieser hatte schon 1790 als Dank für die Pressefreiheit das aufgeklärte Regiment des Braunschweigischen Herzogs durch den Vergleich mit Trajan gerühmt 21 Später fühlte sich ein Helmstedter Festredner durch die Freude der Braunschweiger bei der Rückkehr ihres Herzogs an einen ähnlich freudigen Empfang des heimkehrenden Trajan erinnert und fand auch in der Weisheit der Regierungsführung Übereinstimmungen zwischen Karl Wilhelm Ferdinand und Trajan 22 Aus dieser Gegenüberstellung gewann Weitsch eine Erweiterung seines Bildprogramms. Er gab reales Geschehen in idealer Überhöhung, schmückte es mit geläufigen, aus dem Barock übernommenen Motiven des Herrscherlobs - Fama, die Allegorie des Ruhms, und Clio, die Muse der Geschichtsschreibung - und setzte mit den Porträtmedaillons zur Bekräftigung der Aussage der erhaltenen Bildtafel Kar! Wilhelm Ferdinand in Analogie zu Trajan, dem Inbegriff des guten Fürsten. * Durch die Rekonstruktion der ursprünglichen architektonischen Form - Postament, Säule, Urne - wird das Ensemble als Denkmal erkennbar 23 In Anbetracht dessen muss das Material zunächst verwundern. Das Denkmal ist aus Holz gezimmert und trägt durch eine marmorierte Fassung und Weitschs Relief imitierende Grisaillemalerei nur den Anschein eines Monuments von Stein. Es ist anzunehmen, dass an der Ausführung des Denkmals die Lackwarenmanufaktur Stobwassers beteiligt war, für die Weitsch schon seit Ende der siebziger und insbesondere in der ersten Hälfte der neunziger Jahre arbeitete 24 Dort standen kunstfertige Tischler bereit, dort entstanden eben zu jener Zeit Möbel wie die genannte Schreibkommode, die teils mit ähnlichen vegetabilischen Ornamenten verziert sind wie die Plinthen der Säulen. Wie die intakte Oberfläche beweist, war das Ensemble niemals im Freien aufgestellt. Vielmehr handelt es sich um eines jener Monumente, die im Zuge der Popularisierung des Denkmalsgedankens am Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur in die Malerei, in die Formenkataloge der Porzellanmanufakturen und als Freundschaftsmonument in die Motivik der Stammbuchkupfer, sondern durch die Möbclkunst auch in 20 hierzu Walter Hatto GROSS, Bildnisse Trajans. Berlin 1940 (Das römische Herrscherbild 2,2). 21 Joachim Hcinrich CAMPE, Briefe aus Paris. Braunschweig 1790, S. I1I f.:,,[... ) nur in einem Lande, wo man nichts von Despotismus weiß, ist es erlaubt, über Despotismus und Freiheit so zu schreiben, wie ich darüber gcschrieben habe. Nur untcr einem Trajan darf man wie Plinius, auf Gräuel und Frcvelthaten dcr Ncrone und Domitiane schelten." Wiederum hatte Campe damit auf frühere franzosischc Strategien des Herrscherlobs zurückgegriffen (vgl. KÖSTLER 199!l, wie Anm. 14. S. 2(1). 22 F. A. WIFDE8\JRG, Trajan und Karl Wilhelm Ferdinand, regierender Herzog zu Braunschweig und Lüneburg. Eine Vorlesung in der Herzoglichen Deutschen Gesellschaft zu Helmstädt nach der Zurückkunft des Hcrzogs vom Rhein nach Braunschweig, gehalten. In: Humanistisches Magazin, 5. Bd., 1794,4. Stück, S DÖRING 1990 (wie Anm. 5), S. 133 ff. bestimmt Urne, Säule und Obelisk als die weitaus häufigsten Dcnkmalformen um 1800, wobei Säule und Obelisk häufig von einer Urne bekrönt und mit einem Bildnismedaillon versehen waren. 24 Dieser Annahme pnichtet der Stobwasser-Spezialist Detlev Richter, München, der diesen Aufsatz angeregt hat, entschieden bei.

224 222 Reimar F. Lacher den Innenraum Eingang fanden 25 Allerdings wurde hier kaum je auf eine bestimmte Person oder auf ein Ereignis Bezug genommen wie mit dem Denkmal auf das Schuldenedikt. Häufig verband sich in den Zimmermonumenten die Form des Denkmals mit einer Funktion, der eines Ofens etwa oder der einer Uhr. Dem entsprechend handelt es sich bei Weitschs Monument um einen Schrein, denn Postamente und Säulen wurden mit Türen versehen. Postament, kannelierte Säule und Urne, die strukturellen Bestandteile eines Trauermonuments 26, sind die Formen von Weitschs Denkmal wie die zahlreicher Öfen, Uhren und auch Stammbuchkupfer. Selbst wo sie nicht das Andenken Verstorbener bewahren wollte, behielt die Denkmalskunst am Ende des 18. Jahrhunderts demnach ihre Verbindung mit der Grabmalskunst bei und verallgemeinerte das Elegische, das in dieser Form angelegt war, zum Vehikel der Sympathetie, das nun ebenso Träger des Freundschaftskultes wie des Liebesbandes zwischen Volk und gutem Fürst sein konnte. * Erstmals in seinem Schaffen hatte Weitsch mit dem Denkmal auf das Schuldenedikt aktuelles politisches Geschehen verarbeitet, wobei persönliche Anteilnahme und die öffentlichen Diskurse in eine Gestaltung einflossen, die nichts weniger als gesucht wirkt. Dem Denken und Fühlen der Zeitgenossen musste das Bildprogramm unmittelbar einleuchten. Ob das Denkmalensemble zur Kenntnis der Zeitgenossen gelangte, ist allerdings fraglich. Die Durchsicht der Braunschweiger Presse nach Hinweisen auf das Werk ist vergebens. Über Stifter, Aufstellungsort und eine etwa ausgerichtete Einweihungsfeierlichkeit fehlen jegliche Nachrichten einige Beispiele bei DÖRING 1990 (wie Anm. 5), S. 139, mit Verweis auf Renate KRÜGER, Das Zeitalter der Empfindsamkeit. Wien/ München 1972; Beispiele für Stammbuchkupfer und Porzellan auch in Ausstellungskatalog. Wie die Alten den Tod gebildct 1979 (wie Anm. 4), Kal.nr. 171l-11l3 und ; Beispiele für Öfen und Standuhren bei Olto VON FALKE/ Hcrmann SCHMITZ (Hrsg.): Deutsche Möbel vom Mittelalter bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Stullgart [1923], 3. Bd., Abb. S. 38, 69 u. a. 2. die Urne leistet diese Spezifikation; vgl. etwa HIRSCHt'ELD (wie Anm. 3), 3. Bd., S Als Auftraggeber kommen die Landstände, der Vertragspartner des Schuldenedikts in Betracht, als Aufstellungsort deren seit 1794, dem Jahr des Edikts erbautes Gebäude, das "Landschaftliche Haus" in Braunschweig (zerstört), doch findet sich weder im Restbestand des Landschaftlichen Archivs (NdsStA Wolfenhüttel, 1 Ldsch) noch in den Bauakten des Landschaftlichen Hauses (NdsStA Wolfenbüttel, 23 Fh. 1, 411 ff.) ein Hinweis auf das Ensemble. Dcr Zeitungsbericht aus dem Jahr 1882 nennt Schloss Salzdahlum als Provenienz, eine Angabe, mit der man in Hraunschweig stets schnell zur Hand war, seitdem das Schlossinvcntar 1811 versteigert wurde. Doch wurdc Salzdahlum 1794 längst nicht mehr als Residenz genutzt.

225 Gründerkrach in Braunschweig von Norman-Mathias Pingel Der Schriftsteller Wilhc\m Raabe, seit 1870 in Braunschweig wohnhaft, schrieb am 1. März 1875 an seinen befreundeten Schriftstellerkollegen Friedrich Notter in Stuttgart: "Hier am Ufer der Oker fän,b>1 die Zeit an, seltsam zu duften. Banken krachen zusammen, Fabriken stehen still, bejahrte Professoren der Geschichte rennen sich ganz nach römischer Weise den Dolch in die Brust, Giftmörder und Mörderinnen werden geköpft, und was das Curioseste ist: sehr kopflose Menschen sind mit einemmale im Stande, den Finger an die Nase zu legen und zu bemerken:,ja, so haben wir das doch nicht gedacht!'" I Neben lokalen Tagesaktualitäten wie dem Selbstmord des Historikers und Pädagogen Wilhelm Assmann und der Hinrichtung des Mörderpaares Krebs und Brandes teilte Raabe dem Stuttgarter Freund mit, dass nunmehr die Auswirkungen des Gründerkrachs von 1873, der sich zu einer Weltwirtschaftskrise entwickelt hatte, auch in Braunschweig angekommen seien und vom heimischen Publikum mit Erstaunen zur Kenntnis genommen würden. Auf dem Gebiet des späteren Deutschen Reiches vollzog sich in der Hochkonjunkturphase zwischen 1850 und 1873 der Durchbruch der Industriellen Revolution, wobei dem sich lebhaft entwickelnden Eisenbahnbau besondere Bedeutung zukam. Auch in der Stadt Braunschweig ist der auf die Mitte der 1860er Jahre datierbare Siegeszug der Industrialisierung ohne den Leitsektor Eisenbahn nicht denkbar, denn bis in die 1870er Jahre blieb die Eisenbahnbauwerkstätte das bedeutendste Industrieunternehmen in der Stadt Braunschweig 2. Das nach dem Deutsch-Französischen Krieg geeinte Deutsche Reich erlehte nicht zuletzt durch die französischen Tributzahlungen ein erhebliches wirtschaftliches Wachstum, so daß die Zeitgenossen den Eindruck hatten, es scheine sich "das Erwerbsleben des ganzen großen Deutschen Reiches (... ) in eine riesenhafte Aktiengesellschaft verwandeln zu wollen." Geradezu rauschhaft wurden in diesen "Gründerjahren" reichsweit im bislang unhekannten Umfang Eisenbahnlinien, Banken, Bergwerks- und Hüttengesellschaften und Industriegesellschaften gegründet 3 Diese ungesunde Entwicklung wurde bekanntlich durch den Wiener Börsenkrach vom Mai 1873 beendet. Es folgte bis 1896 fast ein Vierteljahr- I Zitat nach Richard MooERHAcK, Besucher im alten Braunschweig: Braunschweig 1992, S Hans-Ulrich WEHLER, Bismarck und der Imperialismus. 4. Aufl. München 1976, S. 53 Cf.; Gerhard SCHILDT, Tagelöhner, Gesellen, Arbeiter. Sozialgeschichte der vorindustriellen und industriellen Arbeiter in Bmunschweig Stuttgart 1986 (= Industrielle Welt Bd. 40), S. 323 ff.. J Wehler (wie Anm. 2), S. 58 ff., Zitat S. 58, der rheinische Wirtschaftsmagnat Gustav Mevissen im Juni 1872.

226 224 Norman-Mathias Pinge/ hundert lang eine Konjunkturperiode mit verlangsamtem wirtschaftlichen Wachstum 4. Am Beispiel von drei Industrieunternehmen in der Stadt Braunschweig sollen die negativen Auswirkungen der internationalen Wirtschaftskrise von 1873 verdeutlicht werden, die eine noch nicht als Großstadt anzusprechende, gleichwohl im wirtschaftlichen Aufschwung begriffene Haupt- und Residenz<;tadt eines deutschen Kleinstaates betrafen 5. Die Eisen- und Stahlhütte der Gebrüder Röhrig, das Walzwerk von Fehland und die Eisenbahnwagen-Bauanstalt von Deicke waren allesamt eisenproduzierende und -verarbeitende Großunternehmen mit einem umfangreichen Mitarbeiterstamm, die in den 1870er Jahren ihren Betrieb einstellen mußten. Die deutsche Eisenindustrie hatte nach dem Friedensschluß von 1871 großen Anteil an dem Aufschwung, der Industrie und Handel im neuen Deutschen Reich erfaßte 6 Die erhöhte Nachfrage führte allgemein zur Vergrößerung der Produktionseinrichtungen, aber auch zum stetigen Preisanstieg für Eisenhüttenprodukte, bis im Herbst 1872 zumindest für einige Produkte wie z. B. Walzeisen die Preisentwicklung durch englische Konkurrenz gedämpft wurde. Begleitet wurde der Aufschwung der Eisenindustrie, der nach Ausbruch der Krise 1873 in eine offensichtliche Überproduktion mündete, durch gestiegenes Lohnniveau und hohe Steinkohlen- und Kokspreise. Ein erster Schlag für die Eisenindustrie bedeutete die Anfang Oktober 1873 erfolgte reichsweite Herabsetzung bew. Aufhebung des Schutzzolles auf Eisenprodukte. Der in Folge dcr Überproduktion und ausländischer Konkurrenz unvermeidliche Verfall der Eisenpreise schien jedoch - offenbar reichsweit - im Sommer 1874 zum Stillstand gekommen zu sein, bis die am 1. August 1874 erfolgte zwanzigprozenti ge Eisenbahn-Frachterhöhung die deutsche Eisenindustrie in den Grundfesten erschütterte, so dass zahlreiche Hüttenwerke den Betrieb einstellen mussten. Für ein industrielles Großunternehmen wie die Eisen- und Stahlhütte der Gebrüder Röhrig in Braunschw~ig bedeutete die Frachtkostcncrhöhung eine besondere Belastung. Um 1860 hatten Gebrüder Röhrig in der südwestlichen Braunschweiger Außenstadt, im Wilhelmitorbezirk, dem angestammten Industrierevier in der Nähe des Bahnhofs, einen Hochofen mit Puddlings- und Walzwerk angelegt. Zu Beginn des Jahres 1862 nahm das Unternehmen den Betrieb auf, bis März 1863 wurde außerdem eine Gießerei eingerichtet1. Hier wurde aus Salzgitterschen Eisenerzen Roheisen er- 4 Hans ROSEN BERG, Große Depression und Hismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa. Frankfurt a. M. [0.J.], S. 28. S Der Gründerkrach in Braunschweig ist bislang nur beiläufig mit dem Zusammenhruch von Deieke und Fehland erwähnt worden, zuletzt: Gerhard SCHILDT: Die Industrialisierung. In: Die Braunsehweigisehe Landesgeschichte. Jahrtausendrückhlick einer Region. Hrsg. v. Horst-Rüdiger JARCK und Gerhard SCHILDT. Braunschweig 2000, S , v.a. S Bericht der Handelskammer zu Braunschweig für das Jahr Braunschweig 1875, S. 11 ff.. 7 Uebersicht üher die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten zu Braunschweig während des Jahres In: Braunsehweigisches Magazin Jg (40. Stück) 23; Uebersicht über die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten zu Braunschweig während des Jahres In: Braunschweigisches Magazin Jg (45. Stück) 23; Braunschweigische Anzeigen , Bekanntmachung Gebr. Röhrig & Fehland.

227 Gründerkrach in Braunschweig 225 zeugt, das durch den Puddelprozess in Schmiedeeisen umgewandelt wurde 8 Gebrüder Röhrig, die durchschnittlich 350 Arbeiter, im Jahre 1871 sogar 510 beschäftigten 9, produzierten von vornherein unter ungünstigen Standort bedingungen mit Wett bewerbsnachteilen, da die weite Entfernung von den Kohlenrevieren, die nur durch die Eisenbahn als Transporteur überbrückt werden konnte, unweigerlich zur Erhöhung der Produktionskosten führte. Gebrüder Röhrig hatten mit höheren Frachtkosten zu kalkulieren als z. B. die Eisen- und Stahlhütten in Westfalen oder Schlesien, die näheren Zugang zu den Kohlevorkommen besaßen. Die privatisierte Braunschweigische Eisenbahn stand selbst wie viele deutsche Eisenbahnlinien unter den negativen Auswirkungen des Gründerkrachs. Die erhoffte wirtschaftliche Besserung durch Erhöhung der Frachttarife blieb aus, wie auch die Direktion der Braunschweigischen Eisenbahn-Gesellschaft in ihrem Jahresbericht für 1874 eingestehen musste: "Daß die Hoffnung auf Steigerung der Einnahmen durch die im August V.J. in's Leben getretene Erhöhung der Güter-Tarifsätze getäuscht worden, ist leider eine allseitig anerkannte Thatsache, sie findet ihre Erklärung in dem bis vor Kurzem stets sinkenden Verkehr fast aller Länder, durch welche die deutschen Bahnen genährt werden" 10. Gebrüder Röhrig gerieten in einen Dauerkonflikt mit der Braunschweigischen Eisenbahn-Gesellschaft wegen der erhöhten Frachttarife ll, zumal die Unternehmenssituation sich verschlechterte, denn 1875 musste der IIochofenbetrieb eingestellt werden 12. Seit 1878 versuchten Gebrüder Röhrig in drei erfolglosen Bittgesuchen an den Braunschweigischen Landtag, ihr gestörtes Verhältnis zur Eisenbahn-Gesellschaft zu "regulieren", d. h. vor allem niedrige Frachttarife zu erreichen. Die beauftragte Landtagskommission hatte im Februar 1878 festzustellen, dass seitens der Eisenbahn-Gesellschaft keine Rechtsverletzung vorlag, wenn, wie geschehen, das Vertragsverhältnis gekündigt wurde. Gebrüder Röhrig schienen jegliches Vertrauen in die Eisenbahn Gesellschaft verloren zu haben, denn sie lehnten die angebotenen besonderen Frachttarife, mit denen die Eisenbahn-Gesellschaft "bis an die äußerste, geschäftlich mögliche Grenze" zu gehen bereit war, mit dem Hinweis ab, "daß sobald sie ihre Einrichtungen danach getroffen, die Erhöhung des Tarifs wieder eintrete"13. Unbeantwortet bleibt hierbei die Frage, warum das Unternehmen nicht Vertragsabschlüsse mit länge- Richard BETTGENHAEUSER, Die Industrieen des Herzogthums Braunschweig. I. Teil. Braunschweig 1899, S Außerordentlicher Landtag 1877/78, Bericht 11. Sitzung , S beschäftigten Gebrüder Röhrig nach eigenen Angaben nur noch 172 "meist verheiratete Beamte" und Arbeiter. 10 Braunschweiger Tageblatt Weitere Schwierigkeiten bestanden in der Frage der Anschlussgleise am Braunschweiger Standort und der Beschränkung von Frachtkredit. Dazu 16.ordentlicher Landtag 1878/80, Protokoll 8. Sitzung , S Nach BETTGENHAEUSER (wie Anm. 8) S. 77 wurde damit 1875 der letzte Kokshochhofen in Braunschweig ausgeblasen. 13 Außerordentlicher Landtag 1877/78, Bericht 11, Sitzung , S. 94 ff, Berichterstattung Abgeordneter Krampe, Zitate S ordentlicher Landtag 1878/80, Protokoll 8, Sitzung , S. 34ff, Berichterstattung Abgeordneter v. Schmidt-Phiseldeck ordentlicher Landtag 1881/83, Protokoll 13, Sitzung , S. 58, Berichterstattung Abgeordneter Krampe.

228 226 Norman-Mathias Pingel rer Laufzeit angestrebt hat. Im Sommer 1879 mussten Gebrüder Röhrig den Betrieb einstellen und ca. 130 Arbeiter entlassen!4. Auf sinkende Eisenpreise!5 und unzureichende Kapitalausstattung ist die kurze, nur zweieinhalbjährige Lebensdauer der Aktiengesellschaft "Braunschweiger Walzwerk" zurückzuführen. Der Fabrikant Heinrich Christian Hermann Fehland und der Tischlermeister Carl Heinrich Wilhelm Fehland legten vor dem Wilhelmitor eine Kesselfabrik an, die zu Beginn des Jahres 1866 ihren Betrieb aufnahm! /72 erweiterte Fabrikant Hermann Fehland seine Produktionsanlagen durch ein mit sieben Dampfkesseln betriebenes Puddlings-, Walz- und Hammer-Werk!7. Die im März 1872 in Betrieb genommene neue Fabrik wurde ein halbes Jahr später, am 24. Oktober 1872 in die Aktiengesellschaft "Braunschweiger Walzwerk" umgewandelt, wobei das Aktienkapital auf Taler, aufgeteilt in 1500 Aktien zu je 200 Taler, festgelegt wurde l8 In der ersten Geschäftsperiode zwischen Oktober 1872 und Jahresende 1873 war infolge der starken Nachfrage der Aktienkurs auf 139,5 Prozent gestiegen 19, doch waren bereits die negativen Auswirkungen der erwähnten englischen Konkurrenz und die für 1873 als "ungünstig" bezeichneten Geschäftsaussichten der deutschen Walzwerke zu registrieren 2o Neuanschaffungen und Grundstückserweiterungen verdeutlichten die unzureichende Kapitalausstattung des Braunschweiger Walzwerks, so daß 1874 ein Kredit der "Braunschweigischen Credit-Anstalt" in Höhe von Taler in Anspruch genommen werden musste. In einer Generalversammlung am 9. März 1875 beschloss die Gesellschaft in Liquidation zu treten 2!, nachdem bereits am 13. Februar der dreihundertköpfigen Belegschaft 22 gekündigt, am 27. Februar die Entlassung wirksam und das Werk geschlossen worden war 23 Bereits zwei Wochen später nahm die 14 Braunschweigische Anzeigen Das im Dezember 1880 zum öffentlichen Verkauf gestellte Fabrikgrundstück mit Hochofen und Walzwerk wurde von dem Fabrikanten Oscar Röhrig aus Wernigerode übernommen und bis IHH9 weitergeführt. Vgl. Braunschweigische Anzeigen (Verkauf) und Braunschweigische Anzeigen (Löschung im Handelsregister). " "Der Proceß gegen die Gründer des,bmunschweiger Walzwerks' zu Helmstedt", in: Braunschweiger Tageblatt 20.6., 22.6., und IHn, hier Ausgabe IHn. 16 Braunschweigische Anzeigen , Bekanntmachung Herzogliche Polizeidirektion vom über die von Fehland geplante Kesselfabrik. - Braunschweigische Anzeigen , Bekanntmachung Herzogliches Handelsgericht vom über Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. 17 Brallnschweigische Anzeigen , Bekanntmachung Herzogliche Polizeidirektion vom ,. Braunschweiger Tageblatt Braunschweigische Anzeigen , Bekanntmachung Herzogliches Handelsgericht vom über Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister. 19 Braunschweiger Tageblatt Bericht Handelskammer 1874 (wie Anm. 6) S Braunschweigische Anzeigen Braunschwcigische Nachrichten ; Braunschweiger Volksfrellnd Braunschwcigische Nachrichten ; Braunschweiger Volksfreund

229 Gründerkrach in Braunschweig 227 Braunschweigische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Direktion des Braunschweiger Walzwerks wegen außerordentlich großer Unterbilanz auf2 4 Die Eisenbahnwagen-Bauanstalt des Fabrikanten Friedrich Deicke hatte eine über zwanzigjährige stetige Aufwärtsentwicklung erlebt, bevor sie 1871 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Der 1819 in Braunschweig geborene Deicke konnte 1878 vor dem Herzoglichen Kreisgericht in Hclmstedt eine erstaunliche Erfolgsgeschichte zu Protokoll geben: "Ich habe als einfacher Arbeiter angefangen unter den denkbar kleinsten Verhältnissen, indem ich mir einige Hundert Thaler Geld borgen mußte; ich war Stellmacher und habe zuerst im Jahre 1848 für die Herzogl. Braunschweigische Staatsbahn mit dem Bau von Eisenbahn-Wagen begonnen und bis zum Jahre 1869 allein für die Herzogl. Staatsbahn gebaut. Nun vergrößerte sich aber der Bedarf von Jahr zu Jahr, so daß es schließlich nothwendig wurde, daß ich in drei Häusern arbeiten ließ, und um das Jahr 1864 noch einen Garten kaufte, der einen Morgen groß war; ich ließ Maschinen aufstellen und glaubte, es sei nun wohl ausreichend. Es half aber Alles nichts, der Bedarf an Wagen und das Vertrauen zu mir und meinen Lieferungen war derart, daß immer größere Aufträge kamen und ich mich schließlich entschloß, ehe ich noch mehrere Gebäude hinstellte, ein Terrain am Wilhelmi-Thor von 61/4 Morgen anzukaufen. Darauf begann ich in rationellerer Weise mit Maschinen-Betrieb. Im Sommer 1869 erhielt ich Aufträge von der Bergisch-Märkischen Bahn (... )"25. Als im Sommer 1871 Aufträge für Taler hereinkamen, entschloss sich Deicke zum Verkauf seiner Fabrik, die dringend erweitert werden musste. Der Verkauf und damit die Verbreiterung der Kapitalbasis war unabweislich geworden, denn, so Deicke, "ich hätte ein Millionär sein müssen, hätte ich das Alles aus eigenen Mitteln bestreiten sollen"26. Am 1. Oktober 1871 nahm die neugegründete Aktiengesellschaft unter der Firma "Braunschweigische Eisenbahnwagen-Bauanstalt" den Geschäftsbetrieb auf2 7 Das Grundkapital betrug Taler und zerfiel in 1750 Aktien a 200 Taler, der Generalversammlung stand das Recht zu, das Kapital bis zu weiteren Talern zu erhöhen. Als Direktoren fungierten der Fabrikant Friedrich Deicke und der Lotterieinspektor Hermann Wolff 28. Die Eisenbahnwagen-BauanstaIt verfolgte auch als Aktiengesellschaft das Prinzip, Aufträge in solider und bester Form auszuführen 29, wodurch die bisherige Wertschätzung und Achtung des Unternehmens im Kreis der Kunden aufrechterhalten werden konnte. Der Umsatz stieg in den drei Geschäftsjahren zwischen 1871/72 bis 1873/74 von Taler auf Taler. Auf dem fast Quadratmeter großen Fabrikgelände vor dem 2. Braunschweigische Nachrichten ; Braunschweigische Anzeigen , Bekanntmachung Herzogliches Handelsgericht über Schuldenstand des Unternehmens. 25 Verhandlungen des Strafprocesses, die Gründung der Braunschweigischen Eisenbahnwagen-Bauanstalt betreffend, nebst Gutachten. Braunschweig 1878, S Verhandlungen (wie Anm. 25) S Braunschweiger Tageblatt Braunschweigische Anzeigen , Bekanntmachung Herzogliches Handelsgericht vom über Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister. 29 Braunschweiger Tageblatt

230 228 Norman-Mathias Pingel Wilhelmitor in Braunschweig waren nach einer Mitteilung aus dem Jahre vicr Dampfkessel, drei Dampfmaschinen, 110 Werkzeugmaschinen und 48 Schmiedefeuer in Betrieb. Damals betrug die Zahl der beschäftigten Arbeiter ca 520 Mann, die Eisenbahnwagen-Bauanstalt war damit der zweitgrößte Arbeitgeber Braunschweigs 31 Zur Produktionspalette gehörten vor allem von den Eisenbahnverwaltungen in Auftrag gegebene Personenwagen I, 11 oder III. Klasse, bedeckte oder offene Güterwagen, Güterzug-Gepäckwagen und eiserne Kohlenwagen. Zwischen dem 1. Oktober 1874 und dem 30. September 1875 wurden allein 495 Wagen fertiggestellt und abgeliefert 32 Doch bereits damals wurde es aufgrund der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, von denen auch die deutschen Eisenbahnen betroffen waren, für die Eisenhahnwagen-Bauanstalt bei öffentlichen Ausschreibungen immer schwieriger, im verschärften Wettbewerb als Mindestfordernder den Zuschlag zu erhalten 33. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hatte im Sommer 1875 festzustellen: "Direktion und Aufsichtsrath trifft der einzige Vorwurf, daß Beide sich zu sanguinischen Hoffnungen auf die Entwicklungsfähigkeit der deutschen Industrie hingegeben haben"34. Lediglich in den ersten beiden Geschäftsjahren 1871/72 und 1872/73 wurde ein Reingewinn von 4388 Talern bzw Talern erzielt, so daß am Ende des zweiten Geschäftsjahres erst- und einmalig eine achtprozentige Dividende an die Aktionäre verteilt werden konnte 35 Die beiden folgenden Geschäftsjahre schlossen mit steigenden Unterbilanzen ab. Eine außerordentliche Generalversammlung beschloß am 15. Juli 1875 auf Empfehlung des Aufsichtsrates und einer Revisionskommission, die "Reconstruierung" der Gesellschaft durch Reduzierung des Aktienkapitals von auf Taler (= Mark) zu erreichen. und zur Beschaffung neuer Betriebsmittel Aktien im Gesamtwert von Mark auszugeben 36 Diese Pläne konnten den Niedergang des Unternehmens ebensowenig aufhalten wie "bedeutende Summen", die von zwei Braunschweiger Kreditinstituten, dem Herzoglichen Leihhaus und der "Credit-Anstalt" vorgestreckt wurden 3? Im Herbst 1875 lagen offensichtlich keine neuen Aufträge vor, die eine Hoffnung auf Weiterexistenz des Werkes hätten begründen können, da die Staats- und Privatbahnen "hinreichend, stellenweise zum Überfluß, mit Transportmittel versehen"38. Ende November 1875 wurden bereits 80 Arbeiter entlassen 39, die übrige Belegschaft folgte, nachdem im Frühjahr 1876 die letzten Aufträge, 30 Bericht Handelskammer 1874 (wie Anm. 6) S SCHILDT (wie Anm. 2) S Bericht der Handelskammer zu Braunschweig für das Jahr Braunschweig 1876, S In geschäftliche Schwierigkeiten geriet zeitgleich auch die zweite im Herzogtum Braunschweig ansässige Eisenbahnwagenbauanstalt, Bock & Sohn, deren Inhaber, der Braunschweiger Stadtverordnete Albert Bock kurz vor Weihnachten 1875 dureh Einnahme von Gift freiwillig aus dem Leben schied: Braunschweiger Tageblatt und Braunschweiger Tageblatt \ Verbandlungen (wie Anm. 25) S Braunschwcigische Nachrichten ; Braunschweiger Tageblatt und Verhandlungen (wie Anm. 25) S Braunschweiger Tageblatt Braunschweigische Nachrichten

231 Gründerkrach in Braunschweig neue Personenwagen für die Ostbahn und ein zweietagiger Personenwagen für die I1seder Hütte fertiggestellt worden waren 40 In der Generalversammlung am 11. Mai 1876 wurde die Liquidation der Gesellschaft beschlossen, die Einleitung des Konkursverfahrens folgte 41 Deicke betrieb nach dem Untergang seines Unternehmens für kurze Zeit 1876/77 in Braunschweig ein Kohlengeschäft, siedelte nach Wittenberg über und baute dort eine neue, erfolgreiche Eisenbahnwagen-Bauanstalt auf 42. Der Untergang des "Braunschweiger Walzwerks" und der "Braunschweigischen Eisenbahnwagen-Bau-Anstalt" hatte jeweils ein gerichtliches Nachspiel, wobei sich die von Herzoglicher Staatsanwaltschaft zu Braunschweig erhobene Anklage in beiden Fällen gegen die als "Gründer" bezeichnete Personen gruppe von Bankiers und Kaufleuten 43 richtete, die als erste Zeichner sämtliche Aktien der neu gebildeten Aktiengesellschaften erworben und dann zum Teil dem Publikum zum Kauf angeboten hatten. Die Anklage wegen Betrugs beim Walzwerk gründete sich auf den Umstand, dass in einem für das kaufwillige Publikum bestimmten, Anfang Dezember 1872 veröffentlichten Prospekt die Mitteilung enthalten sei, Fehlands Firma sei "für eine unter obiger Firma,Braunschwciger Walzwerk' gebildete Actien=Gesellschaft für den Preis von (einschließlich Provision) Taler (... ) käuflich erworben"44, wobei der nach Ansicht der Anklage wichtige Umstand nicht erwähnt worden sei, dass die Gründer gemäß einer Vorabvereinbarung eine Provision in Höhe von Taler (in Form von 275 Aktien) umsonst erhielten. Ähnlich verhielt es sich beim Verkauf der Fabrik Deickes, der sein Unternehmen den Gründern für Taler überlassen hatte. Die Gründer brachten Deickes Fabrik als ihre Einlage auf das Grundkapital in Anrechnung eines Wertes von Taler in eine am 3. September 1871 gebildete Aktiengesellschaft ein, wobei der Gesellschaftsvertrag zwischen sämtlichen, nun als Aktionäre auftretenden Gründern abgeschlossen wurde 45 Die Anklage betrachtete es als "Entstellung oder Unterdrükkung wahrer Thatsachcn"46, dass in einem Anfang September erschienenen Prospekt, in dem die Gründer Taler der von ihnen gezeichneten Aktien zum Kurs von 105 Prozent anboten, nicht der Umstand ausdrücklich erwähnt worden sei, dass Deicke seine Fabrik nur für Taler übergeben habe und der als Provision bezeichnete Aufschlag der Gründer hingegen Taler betragen habe. 40 Bericht der Handelskammer zu Braunschweig für das Jahr Braunschweig 1877, S Verhandlungen (wie Anm. 25) S Deieke starb im März Vgl. Norman-Mathias PINGEL, Deicke, Friedrich. In: Braunschweiger Stadtlexikon. Ergänzungsband. Hrsg. von Manfred R.W. GARZMANN und Wolf-Dieter SCHUEGRAF. Braunschweig 1996, S Die Anklage richtete sieh im Fall der "Eisenbahnwagcn-Bauanstalt" gegen 15 Personen, darunter den Wagenfabrikant Deicke, im Fall des " Walzwerks gegen zehn Personen, darunter den Fabrikdirektor Hermann Fehland, wobei der Direktor der "Braunschweigischen Crcdit-Anstalt" Alexander Benndorf, der Kaufmann Gustav Runde, der Lotterie-Inspektor Hermann Wolff und der Bankier earl Vhl in beiden Verfahren angeklagt wurden. Angaben naeh Verhandlungen (wie Anm. 25) S. 1 f. bzw. Braunschweiger Tageblatt Text nach Braunschweiger Tageblatt ' Verhandlungen (wie Anm. 25) S. 394f.. "" Ebd. S Ebd. S. 387.

232 230 Norman-Mathias Pinge/ In bei den Fällen sind die Gründer vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen worden. In den Prospekten des" Walzwerks" und der "Eisenbahnwagen-Bau-Anstalt" konnte keine" Vorspiegelung falscher Thatsachen"48 nachgewiesen werden. Letztlich waren die Gründer als Verkäufer "wie jeder andere Verkäufer bei Handel und Wandel" nicht verpflichtet, den Ankaufspreis und den hinzugerechneten Gewinnbetrag bekannt zu geben, zumal damals von günstigen Aussichten für beide Unternehmen ausgegangen werden konnte 49 Im Gerichtsverfahren konnte nachgewiesen werden, dass Deickes Unternehmen tatsächlich den von den Gründern angenommenen Wert von Taler besessen hatte~o. Die Gerichte bestätigten im Januar bzw. im Juni in letzter Instanz die Rechtmäßigkeit der von den Gründern verfolgten Strategie. Die Gerichtsurteile konnten letztlich nicht die Argumentation von Kleinanlegern berücksichtigen, die bei dem wirtschaftlichen Niedergang beider Unternehmen erhebliche Vermögensverluste erlitten hatten, so wie im Fall des" Walzwerks" ein Hofschlachtermeister, ein Sattlermeister, ein Bahnmitarbeiter und zwei Privatleute zu verstehen gaben, dass sie unter der im Prospekt erwähnten "Provision" lediglich eine "geringe Maklergebühr" verstanden hätten. Die Geschädigten hätten niemals die Aktien erworben, wenn sie die wahre Provisionshöhe gewusst hätten. Man habe die Aktien als vermeintlich sehr gute Kapitalanlage erworben "im Vertrauen auf die Tüchtigkeit und Ehrenhaftigkeit der an der Spitze des Unternehmens stehenden Männer"52. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass in der Gruppe der Geschädigten und auch in weiteren Kreisen der Bevölkerung eine negative Stimmung gegen Gründer um sich greifen konnte, zumal für einen Großteil von Anlegern wie Nicht-Anlegern die Einzelheiten der Aktiengesetzgebung vor allen in ihren möglichen Konsequenzen bei wirtschaftlicher Depression nicht überschaubar waren. Der sozialdemokratische "Braunschweiger Volksfreund" griff diese Stimmung in seinen umfangreichen Berichten über die Niedergangsphase der bei den Unternehmen auf. In der Ausgabe vom 19. September 1875 sprach er in einem groß aufgemachten Leitartikel hinsichtlich der bereits erwähnten Differenz des Kaufpreises in Höhe von Taler vom "Betrug an der Braunschweigischen Eisenbahnwagen-Bauanstalt." Der" Volksfreund" scheute sich gleichzeitig nicht, den Vorsitzenden des Aufsichtsrats und an der Gründung beteiligten Lotterieinspektor Hermann Wolff öffentlich als "Betrüger" zu bezeichnen, denn man liebe es "offen zu reden": "Das Vermögen der Aktionäre ist auf Null reduziert, viele Bürger haben die Frucht eines mühevollen Lebens verloren, sie sind in unerhörter Weise betrogen worden, und die Betrüger sollen.,. Ebd. S Erkenntnis Herzoglkhes Kreisgericht Braunschweig vom , in: Verhandlungen (wie Anm. 25) S. 33 f.. '0 Justizrat Quenstedt vor Herzoglichem Kreisgericht Hclmstedt am , in: Verhandlungen (wie Anm. 25) S "Wahrspruch und Erkenntniß" im Proz"ß der "Eist:nbahnwagcn-Bauanstalt" datiert vom Un8, vgl. Ebd. S Der Freispruch im "Walzwerk"-Prozess datiert vom 2H. 6. 1H78, vgl. Braunsehweiger Tageblatt Zitate nach: Braunschweiger Tageblatt , Prozeßbericht Herzogliches Kreisgericht Helmsledt H.

233 Gründerkrach in Braunschweig 231 stolzen Hauptes einhergehen können"53! Diese Äußerungen konnten für einen mitangeklagten Gründer wie den Obergerichtsadvokaten Otto Häusler nur als Ausfluss einer "Gründerhetze"54 gewertet werden. Die Staatsanwaltschaft hatte nach eigenem Bekunden (zur Vorbereitung des Walzwerk-Prozesses)55 die Ermittlungen nur im "öffentlichen Interesse" aufgenommen, "weil das Verfahren der Gründer ein das Gemeinwohl schädigendes gewesen sei"56. Mit Blick auf die im Juni 1878 nach zwei Attentaten auf den deutschen Kaiser Wilhelm I. angelaufene innenpolitische Kampagne gegen die Sozialdemokratie gab der Vertreter der Staatsanwaltschaft zu bedenken, daß der Sozialdemokratie Vorschub geleistet werde, aber nicht von der Staatsanwaltschaft, wie der Verteidiger der Gründer, Obergerichtsadvokat William Huch glaubte feststellen zu müssen, sondern durch die Gründer selbst, die er als Leute bezeichnete, "deren verderbliche Thätigkeit in der Gründerperiode eine heillose Verwirrung al1er sittlichen und rechtlichen Begriffe in den niederen Volksklassen angerichtet habc"57. Die Staatsanwaltschaft musste vom Ergebnis her sich den vom Obergerichtsadvokaten Häusler als Verteidiger im Prozess der "Braunschweigischen Eisenbahnwagen Bau-Anstalt" erhobenen Vorwurf gefallen lassen, im Vorfeld nicht ausreichend kompetente Sachverständige konsultiert zu haben. Unter dem Eindruck der sozialdemokratischen Pressekampagnen wurde offensichtlich nicht "mit genügender Schärfe auf die Aufklärung der Verhältnisse hingearbeitet"58. Vor den Zeitgenossen vol1zog sich damit in diesen "Gründerjahren" ein vielfach nur schwer erklärbares Geschehen, dass bei nachdenklichen Beobachtern wie Wilhelm Raabe nur starke Bedenken und Skepsis hervorrufen konnte. Das neugegründete Deutsche Reich und seine Bürger waren im bislang unbekannten Ausmaß unter die Auswirkungen eines scheinbar überbordenden Kapitalismus gekommen. Karl Marx konnte im fernen London mit grimmiger Genugtuung bereits im Januar 1873 feststellen: "Die widerspruchsvolle Bewegung der kapitalistischen Gesellschaft macht sich dem praktischen Bourgeois am schlagendsten fühlbar in den Wechselfällen des periodischen Zyklus, den die moderne Industrie durchläuft, und deren Gipfelpunkt - die allgemeine Krise. Sie ist wieder im Anmarsch, obgleich noch begriffen in den Vorstadien, und wird durch die Al1seitigkeit ihres Schauplatzes, wie die Intensität ihrer Wir- " Braunschweiger Volksfreund Braunschweiger Tageblatt , Walzwerk-Prozeßbericht Kreisgericht Helmstedt Ebd., Erklärung Assessor Reinbek. 'b Im Fall der Eisenhahnwagen-Bau-Anstalt hatte Staatsanwalt C. Koch am Anklage beim Herzoglichen Kreisgericht Braunschweig erhoben, der ablehnende Bescheid des Kreisgerichts Braunschweig vom war durch Erkenntnis des Herzoglichen Kassationshofs vom aufgehoben und das einzuleitende Hauptverfahren an das Herzogliche Kreisgericht Helmstedt verwiesen worden. Angaben nach: Verhandlungen (wie Anm. 25) S. 1 ff.. 57 Braunschweiger Tageblatt (wie Anm. 54). S8 Obergerichtsadvokat Häusler vor Herzoglichem Kreisgericht Helmstedt am , in: Verhandlungen (wie Anm. 25) S. 351.

234 232 Norman-Mathias Pingel kung, selbst den Glückspilzen des neuen heiligen, preußisch-deutschen Reichs Dialektik einpaucken"59. Naiver Wachstumsglaube, ungebremstes Gewinnstreben und fehlende ökonomische Sachkompetenz sind nicht nur auf die Gründerjahre beschränkt, wie auch gegenwärtig immer wieder feststellbar ist. Das Schlusswort hat der als Verteidiger im Prozess der "Braunschweigischen Eisenbahnwagen-Bau-Anstalt" fungierende Justizrat Quenstedt aus Berlin, der am 12. Januar 1878 das ganze Problemfeld brilliant umriss: "Der Cantor Hartekopp - ein Capitalist, wie ihn mein geistreicher College Meyersburg genannt hat - hat erklärt: ich habe gezeichnet, weil mir ein Mann sagte, das Geld liegt jetzt auf der Straße, man braucht es nur aufzunehmen. Ja, meine Herren, das ist das Geheimniß, und wie das gekommen ist, damit will ich Sie nicht ermüden. Das ist gekommen durch unsere, ich möchte beinahe sagen chauvinistische Auffassung von dem immensen Aufschwung, den unser deutsches Vaterland genommen hatte auch in wirthschaftlicher Beziehung. Wir haben geglaubt, der Himmel hänge voller Geigen und wir müßten jetzt, nachdem die politische Einheit erreicht war, auch spielend Freiheit und Reichthum bekommen, und in dieser verzeihlichen Idee, der wir alle mehr oder minder unterlegen sind, hat man gesagt: dieses zerklüftete, zerrissene Land, das mit einem Male geeinigt ist, muß nun auch mit einem Male die Güter erringen, die andere Nationen, welche länger geeinigt waren, in Jahrhunderten sich errungen haben. Man hat geglaubt, spielend nehmen zu können nach den Erfolgen des Schlachtfeldes, was man sich erst durch jahrelange Mühen erringen muß. Da sind beide Theile schuldig gewesen, - nicht rechtlich, sondern ideell - sowohl die Gründer wie die Anderen" Karl Marx im Nachwort zur zweiten Auflage des "Kapitals" am , in: Karl Marx. Friedrich Engels. Werke. Band 23. Berlin (Ost) 1969, S Justizrat Quenstedt vor Herzoglichem Kreisgericht Hclmstedt am , in: Verhandlungen (wie Anm. 25) S. 365.

235 Bibliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte mit Nachträgen Berücksichtigt auch Literatur der 1978 zum Regierungsbezirk Braunschweig hinzugekommenen Kreise in Auswahl bearbeitet von Ewa Schmid Allgemeines, Landeskunde Jahre Wohnungslosenhilfe im Braunschweiger Land: von der Herberge zur Heimat zur Stiftung Wohnen und Beraten, hrsg. im Auftr. d. Stiftung Wohnen und Beraten anlä<;slich ihres Jubiläums v. Burkhard MEIER. Braunschweig: Arbeitskreis Andere Geschichte S., Abb. 2. ALLNER, Otfried: Eine Bodetalwanderung über Hexentanzplatz und Roßtrappe - mit Anmerkungen. In: Unser Harz. Jg S ,6 Abb. 3. AUFGEBAUER, Peter: Burgenforschung in Südniedersachsen. Im Auftr. d. Vereins "Freunde der Burg Plesse c. V." hrsg. v. Peter Aufgebauer. Göttingen: Göttinger Tageblatt S., Abb. 4. Der Auftakt. Profile-Projekte-Partnerschaften, Tätigkeitsbericht Konzept u. Red.:Rebecca RITTER. Braunschweig: Stiftung Nord/ LB, Öffentliche S., Abb. 5. Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für Jugendliche und junge Erwachsene in der Region Südostniedersachsen. Dokumentation eines deutsch-französisch-italienischen Seminars der FH Braunschweig/ WolfenbÜtle1, hrsg. v. Ludger KOLHOFF. Baltmannsweiler: Schneider-Verl. Hohengehren S., Abb. 6. BORNEMANN, Manfred: Die "Ecken" im zentralen Harz. In: Unser Harz. Jg S , 3 Abb. 7. DANERT, Friedhc\m: Wasserwandern auf Aller, Oker und IIse. In: KreiskaI. Gifhorner Heimatbuch [2001]. S , Abb. 8. DELFS, Jürgen: Grenzen und Grenzmale im Wald. Gifhom: Landkr. Gifhom S., Abb. (Schriftenreihe d. Kreisarchivs Gifhom; 20) 9. DEN ECKE, Dietrich: Bibliographie zur Geschichte und Landeskunde von Göttingen und Südniedersachsen für das Jahr (Kr. Göttingen, Kr. Northeim, Kr. Osterode [ohne Harzgebiet]). In: Göuinger Jb. Bd S

236 234 Ewa Schmid 10. Findlingsgarten Königslutter. Steinerne Zeugnisse der Eiszeiten. [Text: Ernst-Rüdiger LOOK.] 1. Aufl. Königslutter: Freilicht- und Erlebnismuseum Ostfalen S.,Abb. 11. FLINDT, Stefan: Höhlen im Westharz und Kyffhäuser. Geologie, Speläologie, Archäologie. Hrsg. Landkreis Osterode am Harz. Holzminden S., Abb. (Archäologische Schriften d. Landkr. Osterode am Harz; 3) 12. FRIEDRICH, Ernst Andreas: Steine erzählen aus Niedersachsens Geschichte. Hannover: Landbuch Ver! S., 146 Abb. 13. Fundchronik der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises Holzminden für die Jahre 1997 und In: Jb. f. d. Landkr. Holzminden. Bd [2001]. S ,12 Abb. 14. GEBHARDT, Günter: Die Kunstgräben zwischen Torfuaus und Altenau. In: Unser Harz. Jg S ,6 Abb. 15. Gesamtregister zu den Heimatkalenderni Heimatbüchern des Landkreises Wolfenbüttel von 1955 (1. Jg.) bis 2001 (47 Jg.). Landkreis Wolfenbüttel [Hrsg.]. Wolfenbüttel S. 16. GLAZIK, Ernst, Holger KULKE: Schloß Herzberg: geologisch exponiert, baulich exemplarisch, historisch reich an kaum bekannten Details. In: Heimatb!. f. d. süd-westl. Harzrand. H S , Abb. 17. GROBIS, Heike: Häufig zu "Gast" in Osterode - der "Rote Hahn". In: Heimatbl. f. d. süd-west!. Harzrand. H S , Abb. 18. HERMANN, Norbert: Bibliographie der Ortschroniken für den Landkreis Wolfenbüttel. Wolfenbütte1: Landkr S. 19. HERMS, Amo: Dorfentwicklung in Stadtrandlagen. In: Braunschw. Heimat. Jg. 87, S , Abb. 20. HILDEBRANDT, Werner: Hat der Wurmberg seinen Mythos verloren? In: Allgern. Harz-Berg-Kal [2001]. S , Abb. 21. JÄGER, Oaudia: "Die Flüchtlinge und die Kartoffelkäfer, die werden wir nie wieder los!" Katalog zur Ausstellung Fremde - Heimat - Niedersachsen, Flüchtlinge und Vertriebene in Niedersachsen und im Landkreis Peine nach dem 2. Weltkrieg. Peine: Kreismuseum S., Abb. (Schriftenreihe d. Kreismuseums Peine; 24) 22. KLAUBE, Manfred: Der Ambergau. Wirtschafts-,Sozial und Politikgeschiehte. Hrsg. v. der Stadt Boekenem. Oausthal-Zellerfeld S., Abb., Kt. 23. KORTH, Gerhard: 700 Jahre Schloß und Land Wolfsburg. Vom Adclssitz an der Aller zur Autostadt. Jena: Bussert und Stade1er S., Abb. 24. Landkreis Wolfenbüttel. Hrsg. in Zusammenarb. mit d. Landkreisverwaltung. Red.: Burkhard DRAKE, Korne1ia VOGT, 4., völl. neue Ausg. Oldenburg: Ver!. Kommunikation u. Wirtschaft S., Abb. (Deutsche Landkreise im Portrait) 25. Niedersächsische Landesbibliothek. Niedersächsische Bibliographie. Regionalbibliographie für die Bundesländer Niedersachsen und Bremen. Bd. 16. Berichtsjahr Bearb. v. Siegfried HÜBNER und Ulrieh BREDEN. (Hannover: Nds. Landesbib!.). Hameln: Niemeyer XL, 495 S. (I. Allgemeines, Natur, Volkskunde, Freizeitgestaltung, Sport, Siedlung, Gesellschaft und Statistik, Staat und Politik, Recht, Verwaltung und Militär, Soziales und Gesundheit, Land-, Forstwirtschaft und Fischerei, Wirtschaft, Kultur, Künste, Religion und Kirche, Geschichte, Landeskunde, Person, Familie. 2. Verfasser- und Titelregister, Orts-, Personen- und Sachregister.]

237 Bibliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte Regionales Entwicklungskonzept für Südostniedersachsen. Hrsg.: Bezirksregierung Braunschweig, regionale Entwicklungsagentur für Südostniedersachsen e. V.; Zweckverband Großraum Braunschweig. Braunschwcig: Reson XXXVI, 232 S., Abb. 27. ROHDE, Hartmut: Die Eiszeiten im Landkreis Gifhom. In: KreiskaI. Gifhomer Heimatbuch [2001]. S , Abb. 28. ROSENTHAL, Günther: Zellbach. Historisches Grenzgewässer zwischen Zellerfeld und Clausthal. Clausthal-Zellerfeld: Verf S., Abb., Kt. 29. SANDTE, Konrad: Die Feldmark von Harlingerode im Mittelalter (1180 bis 1548) und die auf dieser gelegenen Wüstungen. In: Uhlenklippen-Spiegel. Nr S , Abb. 30. SCHMIDT, Marion, Thorsten SCHMIDT: Harz. Ein Führer durch Deutschlands nördlichstes Mittelgebirge. Wemigerodc: Schmidt S., Abb. (Touristen-Reihe) 31. SCHULZE, Hans K.: Der Raum um den Harz als Herrschafts- und Sakrallandschaft im Zeitalter der Ottonen. In: Sachsen u. Anhalt. Bd S SCHULZE, Rainer: Fremde - Heimat - Niedersachsen. Eröffnung der Ausstellung im Historischen Museum Schloß Gifhom am 23. März In: KreiskaI. Gifhorner Heimatbuch [2001]. S , Abb. 33. SEERINGER, Frank: Reiseberichte über den Harz im 18. und 19. Jahrhundert. In: Heimatbl. f. d. süd-westl. Harzrand. H S , Abb. 34. STOCKHAUSEN, Joachim von: Spurensuche im Grenzgebiet von Werra und Weser. 1. Auf!. Göttingen: Verl. Die Werkstatt S., Abb. 35. Unsere Region stärken - gemeinsam für die Zukunft. Braunschweig: Landesverband der CDA Braunschweig S. 36. WALLBRECHT, Andreas: Die Scheverlingenburg von Walle - über 1600 Jahre älter. In: KreiskaI. Gifhomer Heimatbuch [2001]. S , Abb. 37. Wir spielten nur auf Sieg. Die Geschichte des Fußballsports im Solling. Hrsg. v. Wolfgang SCHÄl'EK. Holzminden: Mitzkat S., Abb. Quellenkunde und Historische Hilfswissenschaften 38. CAMERER, Luitgard: Die Handschriften des Braunschweiger Geistlichen Amold Lampen in der Stadtbibliothek Braunschweig beschrieben v. Luitgard Camerer. Wiesbaden: Harrassowitz S., Abb. (Mittelalterliche Handschriften in Nds. Kurzkatalog; 6). 39. DIF.HL, Jürgen: Exempla für eine sich wandelnde Welt, Studien zur Norddeutschen Geschichtsschreibung im 15. und 16. Jahrhundert. Bielcfeld: Verl. f. Regionalgesch S. (Veröff. d. Instituts f. hist. Landesforschung d. Univ. Göttingen; 38) [Braunschwcig-Bczug] 40. EDER, Ekkehard: Das Epitaph der Herzöge von Braunschweig-Grubenhagen in der Osteroder St. Aegidien-Marktkirche. In: Heimatbl. f. d. süd-west!. Harzrand. H S , Abb. 41. FUNKE, Brigitte: Die Cronecken der sassen. Eine sächsische Geschichtskonzeption am Ausgang des 15. Jahrhunderts. Braunschweig: Stadt Braunschweig, Stadtbibliothek S.

238 236 Ewa Schmid 42. Großraum Städte-und Gemeindeatlas Braunschweig. Goslar, Northeim, Salzgitter, Wernigerode, Wolfsburg. Insg. 206 Städte und Gemeinden. München: ADAC-Verlag S., überw. Kt. 43. Johannes Mellinger, Atlas des Fürstentums Lüneburg um Hrsg.: Peter AUFGE BAUER. Bielefeld; Gütersloh: Ver!. für Regionalgeschichte S., Abb. (Veröff. d. Instituts f. Hist. Landesforschung d. Univ. Göttingen; 41) 44. KAPP, Maria: Handschriften in Goslar. Stadtarchiv, Städtisches Museum, Marktkirchenbibliothek, Jakobigemeinde. Wiesbaden: Harrassowitz S., Abb. (Mittelalterliche Handschriftcn in Nds. Kurzkatalog; 5) 45. KRÖGER, Rüdiger: Die orthographischen Traditionen der calenbergischen Kanzlei in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Hildesheim: Olms S. (Germanistische Texte u. Studien; 68) 46. KRÜGER, Karl Hcinrich: Studien zur Corveyer Gründungsüberlieferung. Münster: Aschendorff S. (Abhandlungen zur Corveyer Geschichtsschreibung; 9) [Braunschwcig-Bezug J 47. NASS, Klaus: Die Chroniken des Klosters Königslutter. Braunschweig: Braunschweigischer Geschichtsverein S., Abb. (Quellen u. Forschungen z. Braunschw. Landesgesch.; 37) 48. SCHROCK, Ulrich E. G., Jürgen Denicke: Münzkatalog der Grafen von Blankenburg Regenstein. Jena; Quedlinburg: Bussert und Stadel er S., Abb. 49. WEHKING, Sabine: Die Inschriften der Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671 ges. u. bearb. von Sabine Wehking auf Grund d. Materialsammlung von Dietrich Mack. Wiesbaden: Reichert S., Abb. (Die deutschen Insellriften, 56, Göttinger Reihe; 9) 50. WILKE, Jürgen: Die Ebstorfer Weltkarte. 1: Textband; 2: Tafclband. Bielefe\d: Verlag für Regionalgeschichte , 167 S., Abb. - (Veröff. d. Instituts f. Hist. Landesforschung d. Univ. Göttingen; 39) Allgemeine Geschichte in zeitlicher Reihenfolge 51. GREfEN-PETERS, Silke: Die Knochenfunde aus dem jungsteinzeitlichen Mauerkammergrab bei RemIingen, Ldkr. Wolfenbütte!. In: Nachrichten aus Nds. Urgesch. Bd S PASTOORS, Andreas: Die mittelpaläolithische Freilandstation von SaIzgitter-Lebenstedt. Genese der FundsteIle und Systematik der Steinbearbeitung. Salzgitter: Archiv der Stadt Salzgitter S., Abb. (Salzgitter-Forschungen; 3). 53. STEINMETZ, Wolf-Dieter: Geschichte und Archäologie der Harzburg unter Saliern, Staufern und Welfen , hrsg. v. Harzklub-Zweigverein Bad Harzburg und dem Braunschweigischen Landesmuseum. Bad Harzburg S., Abb., Kt. 54. LEIBER, Christian: Ein mittelalterlicher Messerscheidenbeschlag aus Buntmetall von der Lauenburg bei Hcyen, Landkreis Holzminden. In: Jb. f. d. Landkr. Holzminden. Bd [2001). S. 7-12, 5 Abb. 55. Ottonische Neuanfänge. Symposion zur Ausstellung "Otto der Grosse, Magdcburg und Europa". Hrsg. v. Bernd SCHNEIDMÜLLER und Stefan WEINFURTER. Mainz am Rhein: von Zabern VIII, 398 S., Abb.

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247 Bibliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte DÜSTERDIECK, Peter: Kinder- und Jugendbuchsammlung der Universitätsbibliothek Braunschweig. Braunschweig S. [Sonderdruck] 177. Eulenspiegel-Jahrbuch Im Auftr. d. Freundeskreises Till Eulenspiegels e. V. hrsg. v. Hans-Joachim BEHR. Red.: Dorothee C. PAPENDORF. Bd 41. Zugleich Tagungsband des Symposiums "Die Rezeption des Eulenspiegel-Stoffes im 20. Jahrhundert" am 30. September 2001 im Till Eulenspiegel-Museum Schöppenstcdt. Schöppenstedt S., Abb FRICK, Klaus N., Olaf KUTZMUTZ (Hrsg.): Nicht von dieser WeIt? Aus der Sciencefiction-Werkstatt. [Ergebnisse ausgewählter Literaturwerkstätten zum Genre Sciencefiction, die seit 1995 an der Bundesakademie für kulturelle Bildung stattfanden.] Wolfenbüttel S., Abb. (WolfenbütteIer Akademie-Texte; 3) 179. GIOVlNI, Marco: Indagni sui Poemetti agiografici di Rosvita die Gandersheim. Genova: Darficlet S. (Pubblicazioni dei D.AR.FI.CL.et. 201) 180. HODEMACHER. Jürgen: Dichterkrönungen in Helmstedt. In: Landkr. Hclmstedt. Krcisbuch [2001.] S Hrotsvitha. Hrotsvit of Gandersheim. A florilegium of her works. Woodbridge, Suffolk [u.a.]: Brewer S. (Library of medieval women) 182. Jahrbuch der Raabe-Gescllschaft Im Auftr. d. Vorstandes hrsg. v. Heinrich DETERING u. Ulf-Michael SCHNEIDER. Tübingen: Niemeyer S Jahrbuch der Raabe-Gesellschaft Im Auftr. d. Vorstandes hrsg. v. Heinrich DETERING und Ulf-Michael SCHNEIDER. Tübingen: Niemeyer S MUSCHWITZ, Gerhard: Stendhal in Braunschweig. In: Uhlenklippen-Spiegel. Nr S , Abb NAuMANN, Manfred: Stendhals Deutschland. Impressionen über Land und Leute. Weimar: Böhlaus Nachf VI, 365 S. IBraunschweig-Bezug] 186. SCHMELING, Heinz: Francois de Voltaire besuchte Braunschweig. In: Braunschw. KaI [2001]. S , Abb SEIDE, Adam: Die braunschweigische Johanna. Ein deutsches Requiem. Roman. 2., erw. Aufl. Hannover: Revonnah S., Abb. Theater, Musik 188. ABRY, Jutta: Die Helmstedter Bachkantorei. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb HOLZGANG, Gilbert: Jasager, Neinsager, Ansager. Dokumentarische Aufführung über den 20. Juli, den Remer-Prozess und das Fernsehen der Fünfziger Jahre. Braunschweig: Verf S WINKLER. Siegfried: Musica noster amor. Musik und Musiker an der Universität Hclmstedt. In: Landkr. Hclmstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb. Architektur, Kunstgeschichte und Denkmalpflege 191. BERGER. Joachim (Hrsg.): Der "Musenhor' Anna Amalias. Geselligkeit, Mäzenatentum und Kunstlicbhaberei im klassischen Weimar. Köln: Böhlau X, 216 S.

248 246 Ewa Schmid 192. BESSIN, Peter: Der Regent als Architekt. Schloß Richmond und die Lustschloßbauten Braunschweig-Wolfenhütte1s zwischen 1680 und 1780 als Paradigma fürstlicher Selbstdarstellung. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht S., Abb., 1 CD ROM. (Rekonstruktion d. Künste; 5) 193. BRAUNE, Michael [u.a.]: Bauarchäologische Untersuchungen im ehemaligen Augustiner-Chorherren-Kloster in St. Lorenz in Schöningcn. In: Nds. Denkmalpflege. Bd S ,12 Abb CRACKAU, Bettina: Die Lettnerkanzel in der Goslarer Neuwerkkirche - zur Herstellungstechnik und ursprünglichen Farbigkeit spät romanischer Stuckplastiken. In: Berichte z. Denkmalpflege in Nds. Jg S ,5 Abb DETERMANN, Johannes (Red.): Architektur mit Stahl in der Autostadt Wolfsburg. [Hrsg.: Stahl-Informations-Zentrum, Düsseldorf.] Düsseldorf: Stahl-Informations Zentrum S., Abb DIERSSEN, Klaus, Jutta FELKE: Druckgrafik + Fotografie. Zeitform, Formzeit. Kunstverein Salzgitter e. V Mai Salzgitter: Kunstverein S., Abb DÖRING, Thomas, Christian LENZ: Max Beckmann. Selhsthildnisse. Zeichnung und Druckgraphik. Braunschweig: Herzog Anton Ulrich-Museum S., Abb DRESCHER, Gerhard: Die Wandmalereien im Braunschweiger Dom - Ergebnisse von Schadensanalyse und Monitoring. In: Nds. Denkmalpflege. Bd S , 12 Abb EscHEBAcH, Erika (Red.): Deutsche Kunst in Braunschweig. Kunst im Nationalsozialismus. Vorträge zur Ausstellung ( ). Braunschweig: Städtisches Museum S., Abb. (Braunschw. Werkstücke; 105) EVERs, Ulrika (Hrsg.): Neue Architektur in Peine, Ausstellungsdokumentation, Kreismuseum Peine. Mit Beitr. d. Architekten. Peine: Kreismuseum S., Abb. (Schriftenreihe d. Kreismuseums Peine; 23) 201. FENDEL, Heinrich, Christina ACH HAMMER, Günter SIEBERT: Zinkgussfiguren des 19. Jahrhunderts in Niedersachsen und ihre Fassungen. In: Berichte z. Denkmalpflege in Nds. Jg S ,8 Abb. [Braunschweig-Bezug] 202. Frühlingserwachen - Nützliches für Gärten und Balkone. Katalog anläßlich der Ausstellung im Kreismuseum Peine vom 18. März bis 18. April Peine: Kreismuseum S., Abb. (Schriftenreihe d. Kreismuseums Peine; 22) 203. GIERMANN, Joachim: Zeiten des Gedenkens. Blick in die Kulissen der Geschichte. In: Altstadt-Kurier. Jg. 6. H S ,5 Abb GLISSMANN, Oliver: Hans Vredman de Vries. Allegorie auf Sünde und Erlösung. In: Nds. Denkmalpflege. Bd S ,4 Abb HANseH, Jutta, Roland SOMMER: Erfahrungen bei der Kartierung von mittelalterlichen Wandmalerei in Königslutter. In: Nds. Denkmalpflege. Bd S HASSELS, Ulrich: Architckturführcr Braunschweig. Architektur Jahrhundert. Hrsg.: Bund Deutscher Architekten, Bezirksgruppe Braunschweig. Braunschweig: Appelhans Getr. Zählung, ca. 260 S., Abb HENZE, Ingrid: Alte Kanzel an neuem Platz ein Marienberger Kleinod wiederentdeckt. In: Altstadt-Kurier. J g. 6. H S. 6-10, 4 Abb.

249 Bibliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte HEUSINGER. Christi an von: Die "Sammlung illuminierter Portraits" im Braunschweiger Kupferstichkabinett. In: Niederdt. Beitr. z. Kunstgesch S. 9-43, 20 Abb KELLMANN, Thomas: "Das rauchende Schloss" an der Weser Fürstenberg. Burg Schloss-Manufaktur-Museum. Eine Bau-und Nutzungsgeschichte in vier Akten. In: Nds. Denkmalpflege. Bd S , 16 Abb Klasse Frauen [Die Dokumentation erscheint anlässlich der einjährigen Zusammenarbeit mit Barbara STEIN ER. Doris BERGER (Kunstverein Wolfsburg) und Meike KRöNcKE (HBK Braunschweig) aus der die Ausstellung "ZwischenSicht" vom entstand.] Kataloggestaltung: Klaudia BARTSCH. Braunschweig: HBK S., Abb KLESSMANN, Rüdiger, Bemhard ROOSENS: Le Grand Conde. Ein Bildnis von Gonzales Coques in Braunschweig. In: Niederdt. Beitr. z. Kunstgesch S , 7 Abb KÜSTER, Bemd: "Im Strom der Zeit". Bildende Kunst nach 1945 in Holzminden. In: Jb. f. d. Landkr. Holzminden. Bd [2001]. S , 6 Abb MÜLLER, Hans Martin: Das Juleum Novum. Zur Architektur Paul Franckes in Helmstedt. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb PETER, Michael: Der Gertrudisaltar aus dem Welfenschatz. Eine stilgeschichtliche Untersuchung. Mainz: von Zabem (Schriften d. Dom-Museums Hildesheim; 2) 215. RECHER, Bemhard: Der Jagdfries an der Stiftskirche in Königslutter - von der Schadensanalyse zur Laserreinigung. In: Nds. Denkmalpflege. Bd S , 11 Abb ROST, Falko: Kirchliches Bauen in der Zeit des Landesherrlichen Kirchenregimentes von 1568 bis 1918 : Probeheft zur geplanten Schrift. 50 Jahre Baureferat im Landeskirchenamt Wolfenbüttel, 1948 bis Wolfenbüttcl:Verf S., Abb WEBER, Ursula: Bildende Kunst. Impressionen zwischen Tradition und Innovation. Braunschweig: UniversitätsbibI S. Volkskunde, Sprachgeschichte, Namenkunde 218. AHLERS, Rolf: Spreehlehre und Schreiblehre für ostfälisches Plattdeutsch. Gedanken und Hinweise zum Sprechen und Schreiben. Wendeburg: Krebs S., Abb., Kt AHRENS, Herrnann: Bäuerliche Familienc1ubs vor 100 Jahren. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S ALBRECHT, Peter: "Es geht doch nicht an, daß all und jeder Kaffee trinkt!" Kaffeeverbote in der Frühen Neuzeit. In: Am Limit. Kaffeegenuß als Grenzerfahrung S BLUME, Herbert: Rautheim, Renne1berg, Rüningen. Drei Braunschweiger Ortsnamen. In: Vulpis Adolatio. Heide1berg S EBERHARDT, Elga: Gifhomer Straßennamen. Ihre Bedeutung und Geschichte. Gifhorn: Kreisarehiv S. (Materialien z. Archivarbeit; 4)

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251 Bibliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte OLDEKOP, Werner, Friedmund MnCHERT: Die Brandgans als Brutvogel in der Umgebung Braunschweigs. In: Milvus. Braunschw. Beitr. z. Faunistik u. Naturschutz. Jg S , 7 Abb OLDEKOP, Werner, Wilfried PASZKOWSKI: Moorente übersommert an den Meiner Teichen. In: Milvus. Braunschw. Beitr. z. Faunistik u. Naturschutz. Jg S , 3 Abb SCHMETJEN, Birte: Evaluation der Öffentlichkeitsarbeit einer Naturschutzorganisation in einem Staatlichen Forstamt im Raum Braunschweig. Göttingen BI., XVI Anh., Abb SCHWERDTFEGER, Amd: Flora und Vegetation an Waldwegen im westlichen SoIIing. Göttingen BI., Abb., Kt STADE, Oliver: Der Luchs streift wieder im Harz umher. Im Nationalpark Harz wurden die ersten "Großkatzen" ausgewildert. In: Allgern. Harz-Berg-KaI [2001]. S , Abb THEuNERT, Reiner: Pf!ege- und Entwicklungsplan "Niedersächsischer Drömling". Schmetterlinge und Bockkäfer. Hohenhameln S., Abb., Kt VRIES, Tomke Antje de: Waldentwicklung im Nationalpark Harz, speziell im Revier Rehberg, unter besonderer Berücksichtigung des Wildeinflusses Rot- und Rehwild. Göttingen BI., Abb. Geschichte einzelner Orte 245. LAMPRECHT, Günter: Die Erneuerung eines Dorfes. 30 Jahre Ortskernsanierung ABBF.NRODE. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S , Abb A '[ZUM feierte sein 950-jähriges Bestehen. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S , Abb WAGNER, Dagmar: Geschichte des Dorfes Atzum. Wo1fenbütte1: Heckner S., Abb. (Beitr. z. Gesch. d. Stadt Wolfenbüttel; 9) BAD HARZBURG. Das Tor zum Nationalpark Harz. Informationsbroschüre. 4. Auf!. Mering: WEKA S ENGELKE, Karl: Harzburger Heimatkunde. Erlebte Vergangenheit. Erinnerungen eines alten Lehrers. Teil In: Uhlenklippen-SpiegeI. Nr S. 8-21, Abb.; Nr S. 6-15; Abb.; Nr S. 5-13, Abb.; Nr S.5-8, Abb BEDDINGEN. Zwölf Jahrhunderte Geschichte. Salzgitter: Stadt Salzgitter S., Abb. (Beitr. z. Stadtgesch.; 17) 251. MEDEFIND, Heinrich: Inschriften an Häusern, Denkmälern, Gedenktafeln in BORNUM am Elm aufgenommen und beschrieben (3. und letzter Teil). In: Dat Bormsche Lindenblatt S THIELE, Elisabeth, Gerhard RÖHRIG: 125 Jahre und mehr "Bornumer Liedertafel". In: Dat Bormsche Lindenblatt S , Abb WOHLD, Werner: Zum Weißen Roß [Bomum]. In: Dat Bormsche Lindenblatt S. 3-5, Abb. BRAUNSCHWEIG s. auch Nr. 158, 161, 167, 184, 185, 186, 198, 206, 231.

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253 Bibliographie zur Braunsch weigischen Landesgeschichte SPIES, Gerd: 1000 Grüße aus Braunschweig. Die schönsten Ansichtspostkarten vor 100 Jahren mit einem historischen Stadtplan. [Publikation anläßlich der gleichnamigen Ausstellung im April 2002.] Braunschweig: Städt. Museum 2001, 454 S., Abb TJARKs, Gerhard: Thema "Schlosspark Braunschweig". 3. BDA Workshop vom November Braunschweig: BDA, Bezirksgruppe Braunschweig S., Abb TORNAU, Joachim F.: Gegenrevolution von unten. Bürgerliche Sammlungsbewegungcn in Braunschweig, Hannover und Göttingen Biclefeld: Ver!. f. Regionalgesch S., Abb. (Hannoversche Schriften z. Regional-u. Lokalgeseh.; 16) 277. Troia - Traum und Wirklichkeit. Ausstellungsführer. Ausstellung im Braunschweigisehen Landesmuseum und in der Burg Dankwarderode. [Texte: Andreas W. VETTEr. Katalogred.: Nils BÜTTNER, Andreas W. VETTER.] Braunschweig S., Abb Vier Jahrzehnte Galerie Schmücking in Braunschweig, hrsg. v. Gerd SPIES. Braunschweig S., Abb. (Braunschw. Werkstücke; 103) 279. Vincent Tavenne, Hundert Fragen und keine Antwort. Kunstverein Braunschweig. Hrsg.: Karola GRÄSSLIN. Köln: König S., Abb Walter Dahn - drinking rain and eating soil/the remix. Galerie der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, 30. Nov Dez Eröffnungsrede: Michael GLASMEIER. Braunschwcig: Hochschule f. Bildcnde Künste S., Abb WARNECKE, Burchardt: Der Braunschweiger Nußberg und seine Umgebung. Ein Stück Stadtgeschichte aus dem Osten der Stadt Braunschweig. 5. Auf). Braunschweig: Appelhans S., Abb WASNER, Mike: Rund um den Amalienplatz. Stadtteilgeschichte zwischen Kreuzkloster und Jutespinnerei. Braunschweig S., Abb. (Stadtarchiv u. Stadtbibliothek Braunschweig. Kleine Schriften; 37) 283. WEDEMEYER, Bemd, Eva-Maria WILLEMSEN: Braunschweiger Hofkultur Ausstattung und Fragmente des ehemaligen Residenzschlosses. Braunschweig S., Abb KWAN, Elisabeth E.: BROM/:; - das Tor zum Wend land. In: Braunschw. KaI [2001]. S , Abb. CLAUSTHAL-ZELLJ::RFELD s. auch Nr. 28, 160, Jahre Studentenwerk Clausthal. Studieren, wo andere Urlaub machen. Clausthal Zellerfeld: Studentenwerk S., 286. BALCK, Friedrich: Das Große Clausthal. Ansichten einer Industrielandschaft und ihrer Menschen in Vergangenheit und Gegenwart. Clausthal-Zellerfe1d: Verl. Fingerhut S., Abb BAUER, Wilfried: Zur Erkundung von Oberharzer Zechenhäusem in und um die Bergstadt Clausthal-Zellcrfeld. In: Unser Harz. Jg S ,3 Abb WILKENS, Dietrich: DANNDORFer Chronik. Die Chronik zum Jubiläum, mit historischen Fotos aus dem Fundus von Hans-Jürgen Kämpfer und Heino Scharenberg. Danndorf S., Abb HILLMAR, Eckehard: Die erste urkundliche Erwähnung von EVESSEN (vor) dcm 5. Oktober 942. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S

254 252 EwaSchmid 290. ALTEN BACH, Heinrich: Männergesangverein GLENTORF von Glentorf: Verf S. [Masch.schr. verviclf.] 291. Beiträge zur GosLARer Kirchengeschichte. Die Vorträge der Amsdorfabende, hrsg. v. Otmar HESSE. BicIcfeld: Verlag für Regionalgeschichte S., Abb. (Beitr. z. Gesch. d. Stadt Goslar. Goslarer Fundus; 49) 292. HAUPTMEYER, Carl-Hans, Jürgen RUND (Hrsg.). Goslar und die Stadtgeschichte. Forschungen und Perspektiven Bielcfeld [u.a.]: Verl. für Regionalgesch S. (Beitr. z. Gesch. d. Stadt Goslar, Goslarer Fundus; 48) 293. HERMERDING, Siegfried, Eva RAUB: Der Kinderbrunnen von Goslar. Wedemark-Mellendorf: Hermerding S., Abb. (Ars regia-kultstätten-führer) 294. GOTTSCHALK, Wemer: Chronik der Stadt Goslar Unter Einbeziehung des Reichs-bzw. Landesgeschehens und des Umlandes der Stadt. Bd. 2: Goslar: Brumby IX, 479 S., Abb WENZEL, Helmut, Heinz RIEKE, Karl-Heinz WOYKOS: GRAFIfORST. Das Dorf am Drömling, vom Kriegsende bis zur Jahrtausendwende. Helmstedt : Kühne S.,Abb. GROp ELBE s. auch Nr MENZEL, Uwe: Aus der Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Groß EIbe. In: Hcimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S , Abb Jahre GROp STOCKIlEIM bis Wolfenbüttel S., Abb SCHWARZ, Gesine: Aus der Geschichte von Groß Stöckheim. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S , Abb HALLENDORF. Streifzüge durch zwölf Jahrhunderte. Salzgitter S., Abb. (Beitr. z. Stadtgesch.; 18) HARZ s. Nr. 6, 11,30,31,33, 107, 109, 115, 119, 128, 138, 141,224,225,226,229,230, 236,237,242, BOCK, Gerhard, Horst GAEVERt, Eckart MATTHIAS: HASSt:LFELDE in Vergangenheit bis zur Gegenwart - eine Chronik. In: Unser Harz. Jg S ,4 Abb MEYER, Bernd-Uwe: 130 Jahre Männergesangverein HWEPER. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S MEMMERT, Andreas: 1000 Jahre Klostergründung HI-:ININGEN - ein Dorf feiert seine Geschichte. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S. 7-13, Abb. HELMSTWT s. auch Nr. 156, 157, 164, 165, 166, 168, 172, 180, 188, 190, 213, 355, AHRENS, Sabine: Die Stadt HcImstedt und ihr Verhältnis zur Universität. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S BERNATZKY, Monika: "Daher sind die vielen Creutze". Mittelalterliche Steinkreuze in Helmstedt. In: Altstadt-Kurier. Jg. 6. H S ,3 Abb JOHANSEN, MeIsene: Erste urkundliche Erwähnung Helmstedts vor 1050 Jahren. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S KAPP, Maria: Kirche und Kloster St. Ludgeri in Helmstedt. In: Die Diözese Hildesheim. Jg S ,10 Abb KREM ER, Ulrich Michael: Die europäische Dimension der Helmstedter Bildungsgeschichte. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb.

255 Bibliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte PETERS, Rolf: Die Augustiner-Eremitenkirche am Hc1mstedter Markt. In: Landkr. He1mstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb POHL, Rosemarie: Zeugnisse der Universität in der St. Stephani-Kirche zu Helmstedt. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb STERLY, Marita: Die Bestände der universitätsgeschichtlichen Sammlung des Kreisund Universitätsmuseums Hc1mstedt. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb VAHLDIEK, Bernd-Wolfgang: Auf der Suche nach den Bernsteinproduzenten von He1mstedt. In: Arbeitskreis Paläontologie Hannover. 29(2) S WEIHMANN, Susanne, Jochen WEIHMANN: Zeitzeuge Grabmal. Friedhof St. Stephani He1mstedt. Helmstedt: Kühne S., Abb KUHNE, Hans: Am 1. August 1941 wurde HESSEN "preußisch". In: Uhlenklippen Spiegel. Nr S , Abb HOHENRODE. Acht Jahrhunderte Geschichte. Salzgitter S SEELIGER, Matthias: Aus dem Besitz des HOLZMINDENer Stadtmuseums: Historisierende Darstellungen von Holzmindener "Handwerkerwappen". In: Jb. f. d. Landkr. Holzminden. Bd (2001). S ,3 Abb SEELIGER, Matthias: Garnisonstadt Holzminden. Die Geschichte der Kaserne seit Holzminden: Mitzkat S., Abb. (Holzmindener Schriften; 3) ALTHOFF, Marlene, Susanne BARTELS-CHIKAR, Oliver KIRSCH: KLEIN BIEWENDE - ein Dorf macht Geschichte oder "Der steile Weg zum Landeshauptdorf". 2. Aufl. Klein Biewende S., Abb KRENTEL, Friedrich-Karl: Orts familienbuch Groß und KLEIN ELBE mit Höfe- und Häuserbuch. Stand 2000, mit Beitr. v. Friedrich BURGDORF. Hannover: Nds. Landesverein f. Familienkunde e.v., S. (Deutsche Ortssippenbücher R. B.; 241) 319. Festschrift 700 Jahre Till Eulenspiegel. KNF./TUNGEN am Elm, 1. bis 4. Juni Kneitlingen S., Abb FRENz, Alexandra, W. BENQlJES, Wolfgang MÜLLER, Meike STRACKHOLDER: Gutspark LUCKWM. Erhaltungs-und Wiederherstellungskonzept für eine Schöpfung. Hannover: Verf ,42 S., Abb., Anh KANEFEND, Inge: LUTTRuM. Die Geschichte eines niedersächsischen Dorfes nach nachgelassenen Dokumenten. Luttrum: Verf S AHLERS, Rolf: MEERDORF. Mehr als 850 Jahre aus der Geschichte des Ortes. Wendeburg: Krebs S., Abb Jahre OLPER. Geschichte und Geschichten aus unserem Dorf. Idee und Zusammenstellung: Ursula BROSCH, Heinz BROSCH. Braunschweig: Appelhans S., Abb FALK, Michael: Geschichtliches aus RETHEN. Namen, Zahlen und Daten, Dokumente und Fotos. Adenbüttel S., Abb Die ev. -luth. Schlosskirchc St. Maria Magdalena in SALZGI1TER-Salder. Ergebnisse einer kunsthistorischen Forschung von Kathrin ELLwARDT, hrsg. v. d. Kirchengemeinde Salder. Salzgitter S., Abb.

256 254 EwaSchmid 326. Kulturdenkmale in der Stadt Salzgitter. [Idee: Arbeitsgruppe Denkmalpflege in d. Braunschweigischen Landschaft: Jutta BRÜDERN. Texte: Wilfried BARTELS. Red.: Thomas CZWALlNA.) Braunschweig: Braunschw. Landschaft S., Abb MÜI.LER, Karl: SCHI. F.Wf:CKf: im Wandel der Zeit. Hrsg.: Karl Müller. Bockenern: Verf S., Abb THON, Ekkehard: Aus SCHOPPENSTEDIS 950-jähriger Geschichte. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfcnbüttel. Jg [2001.) S , Abb THON, Ekkehard: Schöppenstedt, unsere Kleinstadt am Elm: Sammlung historischer Texte und Fotos. 1. Aufl. Horb am Neckar: Geiger S., Abb. SI:.ESEN s. auch Nr HARTMANN, Willy: Häuserbuch der Stadt Seesen. Geschichte der Seesener Brau-, Büdner- und Bürgerhäuser von den großen Stadtbränden 1664 und 1673 an. Chronik der Stadtbrände vom 16. Bis 19. Jahrhundert. Verzeichnis der Bürgenneister der Stadt. 2. Auf). Scesen: HisChymia-Buchverl.; Norderstedt: Libri Books on Demand S., Abb KREBS, Erich: SnINLAHET Botenfrauen. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.] S , Abb RUHLENDER, Margot: Stiftskirche und Stift SrI:.TI:.RBURG. Salzgitter RUSSEGER, Manfred: Die Sterne auf der Rückseite des Altars der Kirche von Veltheim/ ühe. In: Braunschw. Heimat. Jg. 87, S , Abb KOCH, Fritz, Michael KOCH (Hrsg.): VOLKMARODE. Ein Dorf am Rande der Stadt Braunschweig. Königslutter S., Abb AHLERS, Rolf: Der Stein von WENSE. Wendeburg: Krcbs S., Abb. (Wendeburger Heimatkunde; 18) WouENBVrrEL s. auch Nr. 92, 94, 174, Jahre Aktionsgemeinschaft Altstadt Wolfenbüttel e.y.: Wolfenbüttel-Erhalten Sanieren-Gestalten. Wolfenbüttel, S., Abb Bücherzeiten. Gezeichnete Entdeckungen. Zeichnungen, Aquarelle, Druckgrafik. [Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 10. März bis 13. Mai 2001.) Mit einer Einf. v. Walter JENS und Texten von Hanns Michael CRASS. 2. Auf). Herne: EmschertaI Museum S., Abb HODEMACHER, Jürgen: Bürgerwehr im 15. und 16. Jahrhundert. Bürgerbewaffnung in Wolfenbüttel. In: Heimatbuch f. d. Landkr. Wolfenbüttel. Jg [2001.) S , Abb Jahresprogramm der Herzog August Bibliothek Red. und Gestaltung: üswald SCHÖNBERG. Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek S Katalog der graphischen Porträts in der Hcrzog-August-Bibliothek Wolfcnbüttel , bearb. v. Peter MORTZFELD. R. A: Die Porträtsammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Bd. 34: Biographische und bibliographische Beschreibungen mit Künstlerregister. München: Saur VI, 421 S Vier Jahrhunderte Schützen in Wolfenbüttel Tradition verpflichtet für die Zukunft. Schützengesellschaft Wolfenbüttel v [Red.: Peter GRUNENBERG). Wolfenbütte S., Abb.

257 Bibliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte WATTS, Harriett, Stefan SOLTEK: Der Künstler als offenes Buch. Teriade: livres d_artiste aus dem Malerbuchkabinett der Herzog August Bibliothek Wolfenbütte!. Frankfurt: Dez. f. Kultur u. Freizeit S., Abb Die wissenschaftliche Stadtbibliothek und die Entwicklung kommunaler Bibliotheksstrukturen in Europa seit [Vorträge eines bibliotheksgeschichtlichen Seminars vom 22. bis 24. Sept in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel]. Hrsg. v. Jörg FUGGE u. Pcter BORCHARDT. Wiesbaden: Harrassowitz (Wolfenbütte1er Schriften z. Gesch. d. Buchwesens; 34) 344. SCHAELOW-WEBER, Karen: Die katholischen Kirchen in WOLFSBURG. Passau: Kunstver. Peda S., Abb. (Peda-Kunstführer; 173) Bevölkerungs- und Personen geschichte 345. KAUFMANN, Jens (Hrsg.): Niedersächsische Trauregister Celler Land. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Jahr Teil 4: Amt Fallersleben, Stadt und Amt Gifhorn, Gericht Groß Schwülpcr, Amt Knesebeck, Amt Meinersen, Gericht Wettmershagen, Gericht Wolfsburg. Burgwedel: Verf IV, S KIEcKBuscH, Klaus: Die Einwohner Bevems zwischen 1575 und Streiter für bäuerliches Recht (mit einer Namenlistc). In: Jb. f. d. Landkr. Holzminden. Bd [2001]. S , 1 Abb TÖDTF.8F.RG, Gerda: Die ACfr:NHAH'VS in Freiheit. In: Heimatbl. f. d. süd-west!. Harzrand. H S , Abb BARTELS, Robert: Die Familie BARTEIS - Geschichte einer Oberharzer Bergmannsfamilie in Sankt Andreasberg (Teil 2, 19. Jahrh.) In: Allgem. Harz-Berg-Ka! [2001]. S , Abb ZIEHRES, Beate: Der merkwürdige Professor: Wundermann oder Scharlatan? [Gottfried Christoph BE/REIS). In: Landkr. He1mstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb AHLERS, Rolf: Konrad BESTE. Dichter, Schriftsteller, Dramatiker. Wendeburg: Krebs S., Abb. (Wendcburger Heimatkunde; 14) 351. CREYDT, Detlef: Konrad BfSTE. Zum 111. Geburtstag des niedersächsischen Schriftstellers. In: Jb. f. d. Landkr. Holzminden. Bd [2001]. S ,5 Abb FREIST, Bemhard: Ludwig BLYI,R ( ). Direktor von Neuerkerode, Pastor in spannungsvoller Zeit. Wolfenbütte S., Abb. (Quellen u. Beitr. z. Gesch. d. Evang. -luth. Landeskirche in Braunschweig; 7) 353. NEUMANN, Kurt: [Zum) Tagebuch der Marguerite BOER, geb. Perruchon in Bad Harzburg 1934 bis In: Braunschw. Jb. f. Landesgesch. Bd S , 1 Abb HOFFMEISTER, Kurt: Der Künstler M. Alf BRUMME. *1891 in Leipzig, in Braunschweig. Leben und Werk. Braunschweig: Hoffmeister S., Abb VERRECCHIA, Anacleto: Giordano BIWNO in He1mstedt. In: Landkr. He1mstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb THIEL, Kar! Heinz: Des Helmstedter Philosophieprofessors Johannes CASELIUS Dokumentation einer lebenslangen Freundschaft mit dem Göttinger Pfarrherrn Zacharias Kempe. In: Jb. d. Ges. f. nds. Kirchengesch. Bd S

258 256 Ewa Schmid 357. BERG, Britta: "... von Kindheit an nicht allzu großes glück in der WeIt..." Der Braunschweiger Buchhändler Christoph Friedrich FICKEL - ein Stück Sozialgeschichte des frühen 18. Jahrhunderts. In: Braunschw. Jb. f. Landesgesch. Bd S EDER, Ekkehard: Der Osteroder Kunstmaler August FRI:;CKMANN ( ). In: HcimatbI. f. d. süd-westi. Harzrand. H S , Abb FRICKE, Rudolf G. A.: Friedrich Oskar GIESEI.. Pionier der Radioaktivitätsforschung, Opfer seiner Wissenschaft. Wolfenbüttel: AF-Verlag S., Abb STEINECK, Renate: Genealogie v. HALL. v. Bevem - FrankenfeId. Fürth : Verf., gctr. Zählung KRECKMANN, Ingrid: Aus dem Leben des in Förste geborenen Porträtmalers Harry HENTE. In: Unser Harz. Jg S , 4 Abb PINGEL, Norman-Mathias: Braunschweiger Kindheit um Aus den Erinnerungen des Ministers Anton Gustav Friedrich LANGERFEWT. In: Braunschw. KaI [2001). S , Abb. LEIBNIZ, Gottfried Wilhelm s. auch Nr. 150, Gottfried Wilhe\m Leibniz. Allgemeiner, politischer und historischer Briefwechsel. Hrsg. v. Leibniz-Archiv der Nds. Landesbibliothek Hannover. Bd. 16: Oktober April Bearb. v. Malte-Ludolf BABIN, Reinhard FINSTER und Gerd van den HElNEL. Berlin: Akademie-Verlag LI, 891 S., Abb. (Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften u. Briefe. R. I; 16) 364. HIRSCH, Eike Christian: Der berühmte Herr Leibniz. Eine Biographie. 2. Auf!. München: Beck S., Abb. Kt BARNER, Wilfried: Goethe und LES.\ ING. Eine schwierigie Konstellation. Lessing Akademie Wolfenbüttel. Göttingen: Wallstein-Verl S., Abb. (Kleine Schriften z. Aufklärung; 10) 366. JAS PER, Willi: Lessing. Aufklärer und Judenfreund. Biographie. Berlin: Propyläen S., Abb MILDE, Wolfgang: Gotthold Ephraim Lessing. In: Mediaevalia et Lessingiana S MILDE, Wolfgang: Lessing und sein bibliothekarischer Kollege Christian Gottlob Heyne. In: Mediaevalia et Lessingiana S , Abb. LILLJHTROM, Emrni von s. Nr MUSCHWITZ, Gerhard: Johann Friedrich LOWEN, ein Schriftsteller aus Clausthal. In: Uhlenklippen-SpiegeI. Nr S , Abb.; Nr S , Abb. RANZEBACJI, Catharina s. Nr SEIFERT, Friedrich: Der Osteroder Mineraloge Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich RINNE ( ). In: Heimatbl. f. d. süd-westi. Harzrand. H S , Abb RICHTER, Jutta: Caroline SCHLEGEL-SCHELL/NG geb. Michaelis ( ). In: Uhlenklippen-SpiegeI. Nr S , Abb CHRISTMANN, Gerd: Bemdt SCHÜRMANN - ein Helmstedter Künstler. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb BOECK, Urs: Der Erzgießer Bertold SPRANKE in Hildesheim und Braunschweig. In: Nds. Denkmalpflege. Bd S , 5 Abb. STENDHAL s. Nr. 184, 185.

259 Bibliographie zur Braunschweigischen Landesgeschichte KRECKMANN, Ingrid: Bertha Tt.TZNER und Emmi von Lilljeström. Aus dem Leben zweier Osteroder Künstlerinnen. In: Unser Harz. Jg S , 8 Abb STARKE, Günter K. P.: Rechen-August [August TJSCHER]. Ein Braunschweiger Original und Genie. In: Braunschw. KaI [2001]. S , Abb VAHLDIEK, Hansjürgen: Die VAIILDIEKS am Elm und Rieseberg. Eine Familiengeschichte, Nachkommenlisten. Berlin:Verf BI Vasel, August: Reisetagebücher und Briefe Hrsg. v. Oliver MATUSCHEK. Braunschweig: Appelhans S., Abb. (Veröff. d. Kreismuseen Hc1mstedt; 5) RICHTER, Jutta: Dorothea VW"SCHLEGEL ( ). In: Uhlenklippen-SpiegeI. Nr S , Abb VOGT, H.: XXIII. Auszug aus der Ahnenliste VOGT Pfarrer und Apotheker im Welfenlande. Celle: Verfa~ser S AHLERS, Rolf: Die VOIGn-, aus dem Braunschweiger Land nach Südwest-Afrika. In: Braunschw. Heimat. Jg. 87, S. 9-14, Abb EHRICH, Karin: Frauen im Deutschen Verein für das höhere Mädchenschulwesen. Anna VORWFRK - MittIerin zwischen pädagogischen Welten. In: Braunschw. Jb. f. Landesgesch. Bd S VRIES, Hans Vredman de s. Nr KRÖGER, Juel: Der Schriftsteller August WINNIG aus Blankenburg. In: Unser Harz. Jg S ,4 Abb KRANEPUHL, Peter: Friedrich Wilhelm ZACHARIA, geb. am in Frankenhausen, gest. am in Braunschweig. Leben, Werk und Wirken. Treuen/VoigtI.: Pauli S., Abb ZERBST, Christian: Zf:RBST, eine Pastorensippe im Herzogtum Braunschweig im 18. und 19. Jahrhundert. In: Landkr. Helmstedt. Kreisbuch [2001.] S , Abb.

260

261 Rezensionen und Anzeigen Hans-Jürgen Ge rh a rd, Karl Heinrich Ka u fh 0 I d, Ekkehard We s te r man n (Hg.), Europäische Montanregion Harz (Montanregion Harz 1 = Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum 98). Bochum: Deutsches Bergbau-Museum Bochum 2001, 333 S., Abb., 23 Im Mittelpunkt des hier zu besprechenden Aufsatzbandes steht die Geschichte des Montanwesens im Harz, einer der ältesten Montanregionen Deutschlands, deren Lagerstätten (Eisenerz) bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. ausgebeutet wurden, wie die Ausgrabungen von Düna bei Osterode gezeigt haben. Die Nutzung der Buntmetall-Lagerstätten des Harzes scheint bereits in der Bronzezeit eingesetzt zu haben, doch stecken die entsprechenden Forschungen noch in den Anfängen (S. 265). Der Band beruht weitgehend auf Forschungsergebnissen zur Montangeschichte des Harzes, die auf Arbeitstagungen des Arbeitskreises für Niedersächsische Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen vorgestellt wurden, sowie auf Arbeiten, die im Rahmen eines Forschungsschwerpunktes entstanden, der vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur von aus Mitteln des Landes Niedersachsen aus dem Vorab der Volkswagenstiftung finanziert wurde. Insgesamt konnten 16 Forschungsvorhaben durchgeführt werden, deren Ergebnisse zu Promotionen sowie zu einer Habilitationsschrift führten und die in diesem Band kurz präsentiert werden. Hinzu kommen einige weitere interessante Projekte, die das Montanwesen in anderen Regionen Europas zum Inhalt haben. Nach einem Vorwort des Mitherausgebers Karl Heinrich Kaufhold referiert Ekkehard Westermann über "Zusammenhänge und offene Fragen in der Erforschung der Harzer Montangeschichte vom 16. bis 20. Jahrhundert" (S ). Trotz intensiver Beschäftigung mit dem Thema Montanwesen im Harz in der Vergangenheit sind weitere Forschungen notwendig, um wichtige Fragen, etwa zur Entwicklung der Bergverwaltung, klären zu können. Brigitte Cech weist in ihrem Beitrag auf die notwendige interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaftlern unterschiedlichster Fachrichtungen (Archäologen, Naturwissenschaftler, Historiker) hin, die nicht nur bei der Erforschung des Montanwesens im Harz herausragende Ergebnisse gezeitigt haben. B. Cech untersucht den Bergbau im Bockhartrevier, einen Teil des in den Ostalpen gelegenen Montanreviers Gastein-Rauris, sowie das Verhüttungszentrum im Angertal bei Bad Hofgastein (S ). Den Bergbauspuren im Revier am Moisesberg in der Provinz Telemark in Süd-Norwegen und am Golmsberg (Gemeinde Seljord) (Abbau von Silber-, Kupfer-, Eisen- und B1eierzen) geht Björn Ivar Berg nach (S ). Zwischen 1537 und 1549 waren hier zahlreiche sächsische Bergleute tätig, wie aus den Quellen in den Staatsarchiven von Weimar und Dresden hervorgeht. Das "Eisenhüttenwesen in Eifel und Hunsrück im 17. und 18. Jahrhundert" untersucht Hermann-Joscf Braun. Er stellt fest, dass neben den Kriegszeiten des 17. Jahrhunderts vor allem der Mangel an Holzkohlen und Probleme bei der Versorgung mit kostengünstigen Eisenerzen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts zu den Schwierigkeiten im Eisengewerbe in dieser linksrheinischen Region beitrugen.

262 260 Rezensionen und Anzeigen Die Autoren Chris Evans und Göran Ryden befassen sich in einer ersten vorläufigen Studie mit der britischen Eisenproduktion im 18. Jahrhundert, wobei sie besonders auf die weitreichenden Geschäftsbeziehungen der Hüttenbesitzer hinweisen, die Stabeisen zur Weiterverarbeitung in zunehmendem Maße aus Schweden und Russland importierten (S.81-92). Die Arbeiten von Jenny Mex zur "Konkurrenzsituation der kurhannoverschen Eisenhütten von 1765 bis 1806" (S ) und von Michael Mende zu den "Harzer Eisenhütten im 19. Jahrhundert" (S ) dokumentieren die Veränderungen in der Produktionsweise des Eisens (von der Roheisenproduktion auf Holzkohlenbasis zum Betrieb von Kubolöfen im 19. Jahrhundert) und die a\imähliche Abkehr vom kameralistischen Zentralismus bei der Verwaltung des Eisenhüttenwesens. Gleich drei Aufsätze behandeln die Verwaltung des Bergbaus im Harz. Annette von Stieglitz referiert über "Die Verwaltung des Oberharzes von 1788 bis 1866" (S ). Mit der Sonderverwaltung des Kommunion - Unterharzischen Bergamtes in Goslar in der Zeit von 1635 bis 1866 setzt sich der Beitrag von Angelika Kroker auseinander (S ), während die Projektskizze von Hans Staudte das Rechnungswesen des Harzer Bergbaus zum Thema hat (S ). Den neuzeitlichen Handel mit Harzer Montanprodukten am Beispiel der Hannoverschen "Berghandlung" - es handelt sich dabei um einen staatlichen Regiebetrieb, der rund 150 Jahre existierte (bis 1867/68) und nicht unbeträchtliche Summen in den Staatshaushalt des Kurfürstentums, später Königreichs Hannover, spülte - untersucht Martin Stöber (S ) in seinem Beitrag. Eine kurze historische Skizze zur spanischen BIeiproduktion zwischen 1750 und 1850 präsentiert Rafael Dobado Gonzalez (S ). Ab ca setzten die Spanier große Mengen Blei auf dem europäischen Markt ab und brachten damit auch die Bleiherstellung im Harz in arge Bedrängnis. Der Beitrag von Roger Burt beschreibt beispielhaft die Einflussmöglichkeiten von Männerbünden mit ihrem Netz persönlicher Verbindungen, etwa der Freimaurer, der Oddfellows oder der "Jriendly societies", auf die wirtschaftlichen Strukturen im britischen Metallbergbau im 18. und 19. Jahrhundert (S ). Im Aufsatz von Anders Floren (t) stehen die Entwicklungen in der schwedischen Stabeisenproduktion von ca im Vordergrund (S ). Waren es bis zum 17. Jahrhundert Landwirte, sogen. Bergsmän, die im Nebenerwerb Bergbau betrieben und Eisen verhütteten, wurde die Herstellung von Schmiedeeisen in den Hammerwerken von Gewerken und Kaufleuten übernommen. Die Studie von Johannes Laufer gibt Einblick in die sozialen Verhältnisse des Oberharzer Berg- und Hüttenwesens, die bis weit in das 19. Jahrhundert hinein von der Berufsständigkeit der Berg- und Hüttenarbeiter geprägt waren (S ). Den Arbeitern boten die obrigkeitlichen und betrieblichen Institutionen (z. B. Knappschaftskassen und Magazinkornversorgung) eine nicht zu unterschätzende soziale Absicherung (vgl. S. 217). Ferner ermöglichte der Haus- und Grundbesitz einen landwirtschaftlichen Nebenerwerb, gab es Familien- und Subsistenzwirtschaft. Mobilität und Freizügigkeit des Einzelnen waren dadurch aber weitgehend eingeschränkt. Interessante Aufschlüsse zur Versorgung der Westharzer Bergbauregion mit Nahrungsund Betriebsmitteln und zur Rolle, die die kleineren Städte am Harzrand dabei spielten, gibt die Untersuchung von Udo Obal (S ). Aufschlussreiche Erkenntnisse zu den Schmelzhütten im Unter- und Oberharz in der frühen Neuzeit, vor allem zu den Schmelzvorgängen selbst, vermittelt Hans-Joachim Kraschewski in seinem Beitrag (S ). Die Entwicklungen und Veränderungen des Hüttenwesens im Raum Goslar vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit nach archäologischen Befunden und den Schriftquellen behandelt ein Autorenteam, das aus den Goslarer Archäologen Lothar Klappauf und Fried-

263 Rezensionen und Anzeigen 261 rich Albert Linke und den Historikern Christoph BarteIs und Michael Fessner, Bochum, besteht (S ). Neue Erkenntnisse zu den Hütten und ihrer Produktion in den Jahren konnte vor allcm Fessner durch seine Untersuchungen beisteuern. Auf das Kurkölnische Sauerland vor 1R03 als bislang wenig beachtete Montanregion macht Wilfried Reininghaus aufmerksam (S ). Während die mittelalterlichen Quellen noch sehr spärlich sind, lässt die Überlieferung für die Zeit vom Jahrhundert eine Reihe neuer Erkenntnisse erwarten. Der Geschichte des Montanwesen im Fürstentum Grubenhagen vom 13. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts geht Jörg Leuschner in seiner kurzen Projektskizze nach (S ). Peter-Michael Steinsiek beleuchtet das Problem der Holzversorgung im westlichen Harz von Nur mit Hilfe einer staatlichen Forstpolitik konnte die Ressource Holz in ausreichendem Maße für die Hüttenbetriebe, den Bergbau und die privaten Nutzer zur Verfügung vorgehalten werden. Die Aufsatzsammlung beschließt ein Beitrag von Günter Hein (t) und Oaudia Küpper-Eichas zur Geschichte des Oberharzer Bergbaus zwischen 1910 und 1945 (S ), ein Zeitraum, der geprägt war von der Krise im Montanwesen. Rüstungspolitik und Kriegswirtschaft des nationalsozialistischen Staates konnten den endgültigen Niedergang nur verzögern. Der anzuzeigende Band ist der erste einer neuen Reihe zum Montanwesen im Harz. Die Reihe wurde in enger Kooperation mit dem Deutschen Bergbau-Museum in Bochum ins Leben gerufen. Hier sollen nach und nach, mit einem einheitlichen Gesicht und unter der Herausgeberschaft von Christoph Barteis, Kar! Heinrich Kaufhold und Rainer Slotta, weitere Studien veröffentlicht werden, die im Rahmen des Forschungsschwerpunktes zum Montanwesen im Harz entstanden sind oder noch entstehen. Die hier vorgestellten interessanten Einzel- bzw. Teilstudien dürften das Interesse an weiteren Bänden der Reihe wekken. Denjenigen, die sich einen Forschungsüherhlick zum Montanwesen im Harz verschaffen möchten, sei das Buch zur Lektüre empfohlen. Andreas Bingener Wolfgang Mi I d e, Mediaevalia et Lessingiana. Kleine Schriften. Hg. von Wolfgang M a a z, Otto Maz a I, Renate S chi P k e und Fritz Wa g n e r (Spolia Berolinensia 19). Hildesheim: Weidmann 2001, XII, 390 S., Abb., Von 1968 bis zu seiner Pensionierung 1998 war Wolfgang Milde wissenschaftlicher Bibliothekar und Leiter der Handschriftenabteilung an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Zu seinem 65. Geburtstag im Jahr 1999 haben ihm Kollegen einen Band (der erst 2001 erschien) mit 24 seiner Aufsätze gewidmet. Sie mußten eine strenge Auswahl treffen, denn Mildes Werk ist erheblich umfangreicher. Die beigefügte Bibliographie nennt für die Jahre 1968 bis TItel, nämlich 227 Artikel, Aufsätze und Monographien sowie 42 Rezensionen. Das ist ein wissenschaftliches Werk von einem Umfang, wie es unter Bibliothekaren leider selten ist. Der Wissenschaftler Milde hatte jedoch das große Glück, an einer Bibliothek arbeiten zu dürfen, die noch nicht dem massenhaften Ansturm meist studentischer Nutzer ausgesetzt ist. Das heißt aber keineswegs, daß er sich im Elfenbeinturm der Handschriftenabteilung verkrochen hat. Schon der Titel des ersten Aufsatzes ("Die Stellung der Handschriftensammlung zwischen Dienstleistungsbetrieb und Forschungsstätte"), ein Vortrag aus dem Jahre 1977, zeigt, daß Milde auch die Handschriftenabteilung im Dienst ihrer Benutzer sieht. Inhaltlich sind die Themen der Aufsätze (dieses Bandes) weit gestreut, zeitlich und geographisch. Sein Arbeitsgebiet reicht von Cassiodor ("Literaturgeschichte und Bibliotheksgeschichte. Bemerkungen über Bücherverzeichnisse und Literaturverbreitung am Beispiel

264 262 Rezensionen und Anzeigen Cassiodors") bis zu Umberto Eco (" Von Goethe bis Umberto Eco: Handschriftenkunde - eine Grundlage der Mediävistik"), von Germanisten, die in Braunschweig geboren wurden ("Georg Baeseckes biographisch-bibliographische Aufzeichnungen aus dem Jahre 1936" bzw. "Altdeutsche Literatur und Textkritik. Vor 200 Jahren wurde der Braunschweiger Philologe Karl Lachmann geboren") bis zu Lessing, der auch in der WolfenbütteIer Bibliothek gearbeitet hat. Mittelalterliche Bibliothekskataloge haben Wolfgang Milde offensichtlich immer fasziniert. Schon die Dissertation des Jahres 1966 an der FU Berlin handelt über den Bibliothekskatalog des Klosters Murbach aus dem 9. Jahrhundert. Neben der Handschriftenkunde steht immer wieder die Bibliotheksgeschichte, wobei es nicht nur um Bibliothekskataloge geht. So werden Beziehungen zwischen Lessing und seinem "bibliothekarischen" Kollegen Christian Gottlob Heyne in Göttingen untersucht. Der Band ist gut erschlossen durch ein Sach- und Autorenregister sowie ein Register der erwähnten Handschriften. Letzteres umfaßt allein 7 Seiten und nennt Handschriften aus fast allen europäischen Ländern und den USA, wobei die WolfenbütteIer Bibliothek natürlich am häufigsten vertreten ist. Peter Düsterdieck Uwe 0 hai n ski u. Jürgen Ud 0 I P h, Die Ortsnamen des Landkreises Osterode (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 40 = Niedersächsisches Ortsnamenbuch 2). BieIefeId: Verlag für Regionalgeschichte 2000, XVIII, 249 S., 24 Die hier vorzustellende Publikation geht aus mehreren Veranstaltungen am Sprachwissenschaftlichen Seminar der Universität Göttingen hervor, die sich mit Orts- und Wüstungsnamen Niedersachsens beschäftigt haben. Das Interesse an diesen Namen ist sprachgeschichtlieh begründet. Sprache unterliegt der Veränderung. Einzelne Wörter werden irgendwann durch andere ersetzt und verschwinden, andere werden in ihrer Verwendung eingeschränkt. Das Bemerkenswerte an Orts-, Flur- und Flussnamen ist jedoch, dass sie zwar auch Abwandlungen in ihrer sprachlichen Gestalt unterliegen, aber konstant am Ort bleiben und selbst Völkerwechsel überstehen. Sie enthalten alte Wörter, die heute nicht mehr benutzt werden und dem Nichtfachmann in ihrer inhaltlichen Bedeutung zumeist verschlossen sind. Namen gelten daher als "Friedhof der Wörter". Anhand sprachwissenschaftlicher Beobachtungen ergeben sich Einblicke in die Frühgeschichte der Germanen und Altsachsen; es läßt sich etwa feststellen, wo früher hochdeutsch und wo niederdeutsch gesprochen wurde. Auch das ursprüngliche slawische Besiedlungsgebiet in Deutschland kann anhand der Namen exakt bestimmt werden. Das Projekt "Niedersächsisches Ortsnamen buch" wird vom "Institut für Historische Landesforschung der Universität Göttingen" in einer neu begründeten Reihe publiziert und soll nach Möglichkeit ganz Niedersachsen erfassen. Die einzelnen Bände orientieren sich an den heutigen Grenzen von Landkreisen und kreisfreien Städten, um das Quellenmaterial überschaubar und in vertretbarem Zeitrahmen ohne großen Mitarbeiterstab bearbeiten zu können erschien von Uwe Ohainski und Jürgen Udolph ein erster Band (Die Ortsnamen des Landkreises und der Stadt Hannover), der positiv aufgenommen wurde. Bereits zwei Jahre später können sie den zweiten Band "Die Ortsnamen des Landkreises Osterode" vorlegen. Weitere Bände sind bereits in Arbeit. Für den Kreis Osterode ließen sich insgesamt 117 Orte und Wüstungen verifizieren. Davon entstammt ein knappes Viertel dem ehemaligen Fürstentum Braunschweig. Durch die Gebietsreform von 1972 war der Restkreis Blankenburg westlich der Zonengrenze (mit

265 Rezensionen und Anzeigen 263 Braunlage, Wieda, Zorge, Walkenried etc.) aufgelöst und auf die Kreise Goslar und Osterode aufgeteilt worden. Vom aufgelösten Kreis Gandersheim gelangten Gebiete um Gittelde an den Kreis Ostcrode. Auf breiter Quellenbasis haben die Bearbeiter die Namensbelege zusammengestellt, wobei sie sich aus arbeitsökonomischen Gründen auf die gedruckte Überlieferung sowie die Orte und Wüstungen, die bis 1600 nachweisbar sind, beschränkt haben. Angesichts der großen Anzahl der Belege konnte nur ein Querschnitt unter sprachlichen Gesichtspunkten ausgewählt werden. Diese Belege werden anschließend kritisch untersucht, etwa auf falsche Zuordnung und sprachliche Entwicklung. Schließlich wird die in der Forschung bisher vorgenommene Erläuterung des einzelnen Ortsnamen wiedergegeben und eine eigene Deutung nach der Erörterung der bisherigen vorgenommen. In einem gesonderten Abschnitt werden die häufig vorkommenden Namenelemente vorgestellt (etwa Orte, die auf -hagen, -husen, - rode enden); die Erläuterung von Fachausdrücken findet ebenfalls ein eigenes Kapitel. Abgeschlossen wird der Band durch ein Literatur-, Quellen- und Kartenverzeichnis sowie ein ausführliches Register. Uwe Ohainski und Jürgen Udolph ist es gelungen, sich trotz der wissenschaftlichen Exaktheit allgemeinverständlich auszudrücken. Damit konnte das selbstgesteckte Ziel, neben den Fachwissenschaftlern auch die Einwohner des Landkreises und die an Fragen der Namenforschung Interessierten anzusprechen, erfüllt werden. JoscfDolle Joachim Sc h m i d, Grasleben - vom Bauerndorf zur Industriegemeinde. Die Geschichte eines Klosterdorfes am Lappwald, hg. von der Gemeinde Grasleben. Helmstedt: Druckerei Kühne 2000, 611 S., Abb., 30 Unter den alljährlich erscheinenden Ortsgeschichten gibt es immer wieder einige, die herausragen, so auch die von Joachim Schmid über Grasleben und das nicht nur wegen des Umfanges von 600 Seiten, auf denen Schmid und andere Autorinnen und Autoren die Geschichte Graslebens nachvollziehbar machen. Es ist mehr als eine Entwicklung" vom Bauerndorf zur Industriegemeinde" (so der Titel); es ist eine sehr gut recherchierte "Geschichte eines Klosterdorfes am Lappwald" (so der Untertitel), die das Geschehen in Grasleben einordnet in die allgemeine geschichtliche Entwicklung. Dem bereits im Titel angekündigten Primat des Wirtschaftlichen ("Bauemdorf', "Industriegemeinde") wird der Inhalt gerecht. Ausführlich thematisiert werden unter anderem die Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Handwerks, der Kohlenbergbau im 18. Jahrhundert, die Industrialisierung des ländlichen Raumes (Ziegelei, Molkerei, Rübensaftfabrik) und Grasleben als Standort unterschiedlicher Industriebetriebe (Allerthal-Werke AG, Salzbergwerk, Messwerkzeugfabrik, Sand- und Tonwerke ), immer auch hinterfragt nach den sozialen Auswirkungen und den Folgen für die Umwelt. Doch hinter der Beschreibung des Wirtschaftslebens tritt die allgemeine politische und gesellschaftliche Entwicklung des Ortes keineswegs zurück. Sie reicht von der Vor- und Frühgeschichte über das Mittelalter und die Frühneuzeit bis in das Jahr 2000, dem Jahr der 850-Jahr-Feier in Grasleben. Allerdings erfährt diese lineare Darstellung einen Bruch, denn vor dem Kapitel über das 19. und 20. Jahrhundert ist das Kapitel "Kirche und Schule" eingefügt, das diese beiden Einrichtungen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts beschreibt. Daß der Geschichte Graslebens im 20. Jahrhundert ein Drittel des Umfanges gewidmet wird, ist durchaus positiv zu bewerten, denn zu dieser Zeit hat die Leserin/der Leser die stärksten Bindungen. Erster Weltkrieg, Novemberrevolution, Nationalsozialismus, Zweiter

266 264 Rezensionen und Anzeigen Weltkrieg, Deutsche Teilung und Wiedervereinigung (für den Ort im ehemaligen Zonenrandgebiet von erheblicher Bedeutung) - die schlagwortartige Beschreibung eines bewegten Jahrhunderts wird mit der vorliegenden Ortsgeschichte in ein Dorf geholt, erhält hier Bedeutung, ergänzt unser Wissen mit dem, was in Grasleben geschehen ist, und das war nicht nur das Rätsel um die Kunstschätze im dortigen Salzbergwerk. Joachim Schmid greift auf wiedergegebene Gespräche im 1957 begonnenen Dorfbuch Grasleben zurück. Alltagsgeschichte wird spürbar in Erinnerungen, veranschaulicht Zeitgeschehen, auch wenn man die Bewertung der zu Wort Kommenden nicht unbedingt teilt. Dokumentiert wird die Zeitgeschichte auch mit zahlreichen, teilweise sehr aussagekräftigen Fotos, wie dem des Händedrucks zwischen einem Angehörigen der Grenztruppen der DDR und einem BGS-Beamten am 15. November 1989 am Grenzzaun bei Grasleben. Ein Kapitel mit Sagen aus Grasleben und der Beschreibung des dortigen Brauchtums sowie eine Darstellung des örtlichen Vereinslebens runden diese Ortsgeschichte ab. Das Quellen- und Literaturverzeichnis ist ausführlich. Bei dem Zitieren von Quellen- und Literaturangaben wäre eine dezidiertere Angabe als nur die Aufzählung am Ende eines Absatzes, teilweise drei bis fünf Angaben, wünschenswert gewesen, um den direkten Quellenzugang zu ermöglichen. Etwas störend wirkt sich an einigen Stellen auch aus, daß die teilweise sehr ausführlichen Bildunterschriften in der gleichen Schrift gehalten sind wie die kursiv wiedergegebenen Zitate, die allerdings ab etwa Mitte des Buches nur durch Anführungszeichen kenntlich gemacht werden. Das aber sind Formalia, die dem Inhalt dieser informationsreichen Ortsgeschichte, die zugleich ein Stück Braunschweiger Landesgeschichte ist, kaum Abbruch tun. Vor allem in der Darstellung des 19. und 20. Jahrhunderts kann das Werk von Joachim Schmid Vorbildfunktion haben für noch zu schreibende Chroniken. Reinhard Försterling Beddingen. Zwölf Jahrhunderte Geschichte (Beiträge zur Stadtgeschichte, hg. vom Archiv der Stadt Salzgitter 17). Braunschweig: Ruth Printmedien 2001, 463 S., Abb., 20 Hallendorf. Streifzüge durch zwölf Jahrhunderte (Beiträge zur Stadtgeschichte, hg. vom Archiv der Stadt Salzgitter 18). Braunschweig: Ruth Printmedien 2001, 288 S., 12 Mit Beddingen und Hallendorf liegen jetzt wieder zwei neue Monographien vor, die das Archiv der Stadt Salzgitter in seiner Reihe,Beiträge zur Stadtgeschichte' in lockerer Folge seit 1988 herausgibt. Nach Lichtenberg, Reppner, Gitter und Beinum nunmehr weitere Chroniken dieser alten, traditionsreichen Dörfer, die 1942 bei der Gründung Salzgitters ihre Selbständigkeit verloren und heute zu den insgesamt 31 Stadtteilen dieser Industriegroßstadt gehören. Anläßlich der Ersterwähnung von Beddingen und Hallendorf in einer Fuldaer Quelle vor rund 1200 Jahren haben sich engagierte Einwohner in bewährter Zusammenarbeit mit dem Kulturamt Salzgitter nun darangemacht, die Geschichte dieser Orte zu erarbeiten und in gedruckter Form zu veröffentlichen. Die als Ortschroniken angelegten Bücher sind somit Gemeinschaftswerke von Fachhistorikern (Mitarbeitern des Stadtarchivs Salzgitter), ausgewiesenen Heimatforschern und engagierten Bürgern von Beddingen und Hallendorf. In Aufbau und Aufmachung gleichen die reich mit Bildern versehenen (einige davon sogar in Farbe!) und gut lesbaren Bände ihren Vorläufern. In allgemeine Epochenabschnitte und Sachkapitel zu den einzelnen Lebensgebieten aufgegliedert, werden zwölf Jahrhunderte Geschichte der beiden Dörfer auf höchst anschauliche Art vor dem Leser ausgebreitet. Mit Jörg Leuschner, Reinhard Försterling und Ursula Wolff konnten auch hier wieder versierte Stadt- und Landeshistoriker gewonnen werden, die als Verfasser der Kapitel zu Mittelalter, Frühneuzeit und Neuzeit

267 Rezensionen und Anzeigen 265 verantwortlich zeichnen. Großen Raum nimmt in der Darstellung die jüngste Vergangenheit ein, die Zeit, die für die Menschen den wohl tiefgreifendsten Umbruch brachte und die dörflichen Strukturen in ihrer tradierten Fonn auslöschte. Denn unter den Äckern der alten Bauernsiedlungen gab es Eisenerzlager, Hallendorf lag direkt am Rand eines dieser riesigen Erzvorkommen. Auf Betreiben der nationalsozialistischen Machthaber sollte 1937 im Salzgiuergebiet ein gigantisches Industrierevier aus dem Boden gestampft werden, bestehend aus einer Produktionsstätte zur Stahlerzeugung, den "Reichswerken Hennann Göring" und einer späteren Großstadtgründung für eine Viertclmillion Menschen in Lebenstedt. Ohne Rücksicht auf die alte Agrarlandschaft und gegen den oft verbissenen Widerstand der alteingesessenen Bevölkerung kauften die Reichswerke massenhaft Landflächen der Gemeinden, Kirchen, Bauern und ungezählter kleiner Privatbesitzer auf. Für Beddingen und Hallendorf wurde sogar eine Genehmigung für den Totalankauf der Gemarkungen erwirkt. Fast alle Höfe gingen binnen kürzester Zeit an die Reichswerke, die Hofbesitzer wurden nach Patten sen bei Hannover oder in ostdeutsche Gebiete umgesiedelt. Wer dem Verkauf seine Zustimmung verweigerte, wurde enteignet. So verschwanden fast alle Bauern, und mit ihnen auch das Landhandwerk. Inmitten der Äcker von Hallendorf und Bleckenstedt entstanden die Hüttenwerke sowie diverse Schachtanlagen, Versorgungseinrichtungen, Wege- und Verkehrssysteme; bei Beddingen baute man einen StichkanaI und einen Hafen. Der enonne Arbeitskräftebedarf während Aufbauphase und Inbetriebnahme der Reichswerke ließ unmittelbar neben den Altdörfern weitläufige Lager und Belegschaftssiedlungen aus dem Boden wachsen. Auch während der Kriegszeit blieb der Zustrom von Menschen in das Industriegebiet gewaltig. Tausende zwangsverpflichtete "Fremdarbeiter" und Kriegsgefangene wurden zur Arbeit in der salzgittersehen Rüstungsproduktion herangeschafft und in den Baracken untergebracht. Auch ein Straflager zur "Arbeitserziehung" wurde bei Hallendorf eingerichtet, das direkt der Gestapo unterstand. Bei geringsten Vergehen erfolgte die Einweisung in dieses berüchtigte Lager 21, das bald zum Schrecken der Arbeiter der gesamten Region Braunschweig wurde. Durchschnittlich waren hier mehr als anderthalb tausend Männer und Frauen eingesperrt, von denen viele nicht überlebten. Nach Ende des Krieges dienten die Lager als Unterkünfte für die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, die jetzt die überwältigende Mehrheit der hiesigen Bevölkerung stellten. Noch lange sollten Lager das Bild dieser Gegend prägen, was in Ortsteilbezeichnungen wie "Siedlung" und "Neue Siedlung" seinen Niederschlag fand. So haben sich die alten Dorfgemarkungen zu einem imposanten Industriegebiet gewandelt, das nicht nur der Salzgitter AG und dem Volkswagenkonzern als Standort dient. Mehr als 500 Einwohner leben in dem jetzigen Stadtteil Salzgitter-Beddingen, in Salzgitter-Hallendorf aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft des Hüttenwerks gar Hier haben auch viele türkische Staatsangehörige, die als Gastarbeiter in die Stahlwerke geholt worden waren, mit ihren Familien eine neue Heimat gefunden. Ein wahrhaft rasanter Entwicklungsprozeß einstmals verschlafener Bauerndörfer, dem Leser ansprechend vennittelt und durch eingestreute Zeitzeugen berichte nachvollziehbar gemacht. In einem zweiten Teil der Chroniken sind die verschiedensten Gebiete des geschichtlichen und kulturellen Lebens in Beddingen und Hallendorf in jeweils eigenen Sachkapiteln abgehandelt: die Kirchen- und Schulgeschichte, die Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Dienstleistungsgewerbe, Bevölkerungsentwicklung und Einwohnerporträts, Flora und Fauna und die Flurnamen in der Gemarkung, Brauchtum, Hausinschriften sowie die Vereine und das Vereinsleben. Ein Anmerkungsapparat, die Verzeichnisse der benutzten Quellen und der Literatur, Abbildungsnachweise und Abkürzungen beschließen die mit zahlreichen aussagekräftigen Fotos, Gemäldereproduktionen, Kartenausschnitten, Plänen und Zeichnungen gut ausgestatteten Bücher.

268 266 Rezensionen und Anzeigen Die Tradition der jungen Großstadt Salzgitter liegt in ihren eingemeindeten Dörfern, so steht es im Vorwort. "Die Stadt Salzgitter unterstützt daher die verschiedenen Bemühungen der Traditionsarbeit, zu der ganz besonders das Aufschreiben der Geschichte der Dörfer in Salzgitter gehört." Mit Hallendorf und Beddingen ist wieder ein Teil dieses Vorhabens eindrucksvoll realisiert und den Menschen, die hier leben, die Möglichkeit einer Ortsteile-Identität an die Hand gegeben. Auf die nächsten Chroniken der früheren Dörfer Salzgitters darf man gespannt sein. J oachim Schmid Matthias Pu h I e (Hg.), Otto der Große, Magdeburg und Europa. Eine Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg vom 27. August - 2. Dezember Katalog der 27. Ausstellung des Europarates und Landesausstellung Sachsen-Anhalt, Bd. 1: Essays, Bd. 2: Katalog. Mainz: Philipp von Zabern 2001, Bd. 1: XXIV, 584 S., Abb.; Bd. 2: VIII, 615 S., Abb., zus Otto der Große - Magdeburg und Europa war das Thema der Landesausstellung des Bundeslandes Sachsen-Anhalt und der Stadt Magdeburg im Jahre Sie wurde außerdem zur 27. Ausstellung des Europarates erkoren und bekam damit gewissermaßen europäische Weihen. So wie schon vorher bei den Ausstellungen über die Staufer, Salier oder Welfen (Heinrich der Löwe) stand auch hier ein Herrschergeschlecht im Vordergrund, die Ottonen. Ausgehend von der Person des Kaisers Otto 1., dem Großen, und seiner Bedeutung für Magdeburg sollte darüber hinaus das ottonische Zeitalter mit seinem Einfluss auf Europa thematisert werden. Hochkarätige Exponate aus dem In- und Ausland machten die Schau zu einem Anziehungspunkt für sehr viele Besucher. Die zwei Bände der Begleitpublikation unterscheiden sich in der Weise, dass der erste die wissenschaftlichen Essays umfasst, während es sich bei dcm zweiten Band um den eigentlichen Ausstellungskatalog handelt, in dem die einzelnen Exponate beschrieben werden. Der Essayband gliedert sich nach einer Einführung von Matthias Puhle in sechs Hauptkapitel: I. Geschichte und Überlieferung, 11. Die ottonische Königslandschaft in Sachsen, III. Otto der Große und seine Familie, IV. Herrschaft und Reich, V. Magdeburg - "Die königliche Stadt", VI. Das ottonische Kaisertum in Europa. Zu diesen Themen wird von verschiedenen Autoren Stellung genommen, wobei es zum einen Kunsthistoriker sind, die Kunst und Baukunst der ottonischen Epoche thematisieren wie beispielsweise die Buchmalerei, während zum anderen Historiker wie z. B. Joachim Ehlers, Bernd Schneidmüller oder Johannes Fried historische Fragestellungen wie auch rezeptionsgeschichtliche Aspekte abhandeln. Mit der Kaiserkrönung Ottos I. im Jahre 962 war ja nach dem Zerfall des karolingischen Reiches wieder ein Kaiserreich entstanden, das über das Mittelalter hinaus bis 1806 Bestand hatte. Ein Schwergewicht der Betrachtung liegt des weiteren auf Magdeburg mit Dom und Pfalzanlage, denn nirgendwo anders haben sich Spuren des Kaisers mehr als hier erhalten. Magdeburg war der von Otto dem Großen am häufigsten besuchte und am stärksten geförderte Ort seines Reiches, hier hat er wunschgemäß seine letzte Ruhestätte gefunden. Magdeburg verdankte dem Kaiser nicht nur seinen "Eintritt in die Geschichte", sondern auch den Aufstieg zu einer der Metropolen des Abendlandes der damaligen Zeit. Nach dem Willen des Kaisers sollte die Stadt durch die Erhebung zur erzbischöflichen Metropole sogar zu einem "Konstantinopel des Nordens" werden, was allerdings ein Wunschtraum blieb. Der zweite Band, der Ausstellungskatalog, gliedert die Exponate der Ausstellung nach denselben sechs Hauptkapiteln wie der Essayband. Er besticht vor allem durch die Abbil-

269 Rezensionen und Anzeigen 267 dun gen der herausragenden Objekte. Der erste Ausstellungsabschnitt stellt historische Chroniken, Annalen und Viten vor, um die ottonische Historiographie zu dokumentieren. Werke mittelalterlicher Geschichtsschreiber vermitteln zeitgenössische und rückblickende Eindrücke von Persönlichkeit und Wirkung des Kaisers und seiner Nachfolger. Das zweite Kapitel dokumentiert unter dem Schwerpunkt "Ottonische Königslandschaft" anhand von Architekturmodellen, archäologischen Funden, Münzen, Waffen etc. so divergierende Schwerpunkte wie Pfalzen, Bistümer, Adel, Wirtschaft und Handel und Volksfrömmigkeit. Auch Relikte des Alltagslcbens sind hier erfasst. Dies alles soll die wirtschaftlichen und politischen Grundlagen widerspiegeln, die dem Aufstieg der Ottonen zu Grunde lagen. Der dritte Abschnitt hat mit der Herrschaftspräsentation der ottonischen Familie Siegel und Diplome zu bieten, aber auch wunderbare Elfenbeintafeln, Schmuck und die eindrucksvolle Heiratsurkunde der Theophanu. Die Stiftungen bedeutender Klöster und Kirchen im Reich verdeutlichten den repräsentativen Anspruch des Herrscherhauses. Der vierte Bereich "Herrschaft und Reich" beschreibt und zeigt Beispiele herausragender Handschriften mit wunderbarem Buchschmuck (meist Evangeliare). Waffenfunde sollen das Umfeld der Schlacht auf dem Lechfeld dokumentieren. Andere wichtige politische und künstlerische Zentren des Reiches wie Augsburg, Trier, Würzburg, Regensburg, Mainz oder Köln werden anhand schriftlicher Überlieferung, Münzfunden und Sakralgerät vorgestellt und dokumentieren politischen und kulturellen Wandel. Der fünfte Abschnitt, der sich der königlichen Stadt Magdeburg widmet, weist Diplome, archäologische Funde, Architekturfragmente, vor allem aber die Gruppe der 16 Magdeburger Elfenbeintafeln auf, die - vermutlich in Mailand hergestellt - hier wieder zusammengeführt wurden. Wunderschön die Tafel der Domstiftung, die auch das Umschlagmotiv des Kataloges darstellt. Durch Gründung von Pfalz und Mauritiuskloster und die Erhebung zum Erzbistum stieg Magdeburg zu einem der führenden Herrschaftszentren des Reiches auf. Die Exponate des letzten Ausstellungs- und Katalogabschnitts "Das ottonische Kaisertum in Europa" dokumentieren Kunst und Buchmalerei in Oberitalien, Rom, Angelsachsen, Westfranken, Byzanz, Osteuropa, Spanien und Skandinavien, also Europa, und versuchen über die Kunstgeschichte einen europäischen Rahmen herzustellen, der durch Kontakte zu anderen europäischen Herrscherhäusern sowie durch Missionstätigkeit definiert wird. Die beiden opulenten Katalogbände, die über ein ausgezeichnetes Abbildungsmaterial verfügen, dokumentieren nicht nur ein groß angelegtes Ausstellungsprojekt auf hohem wissenschaftlichen Niveau, sondern sie stellen auch den Versuch dar, im Zeichen der gegenwärtigen EU-Einigungsideen eine europäische Dimension zu erreichen, was letztlich auch durch die Auszeichnung des Europarates unterstrichen wurde. Sicherlich hat der sächsische Kaiser Otto der Große "Beziehungen" zu vielen europäischen Territorien unterhalten, die Idee und Vorstellung von einem gemeinsamen Europa lag jedoch noch in weiter Feme und der Vergleich mit der heutigen Situation erscheint von daher etwas konstruiert. Aber selbst wenn man nicht gleich Europa bemühen will- für Sachsen-Anhalt ist diese Ausstellung auf jeden Fall ein sehr großer Erfolg gewesen, und die beiden Katalogbände dokumentieren dies eindrücklich. Erika Eschebach

270 268 Rezensionen und Anzeigen Tania B r ü sc h, Die Brunoncn, ihre Grafschaften und die sächsische Geschichte. Herrschaftsbildung und Adelsbewußtsein im 11. Jahrhundert (Historische Studien 459). Husum: Matthiesen 2000, 346 S., Tafeln, Karten, 51 Die von Bernd Schneidmüller betreute Dissertation hat sich die Aufgabe gestellt, verschiedene Ansätze zur Adc1sforschung am Beispiel einer Adc1sfamilie zu verbinden; landesgeschichtliche Ansätze sollten für strukturgeschichtliche Fragestellungen sowie für die mittelalterliche Rechts- und Verfassungs geschichte nutzbar gemacht werden. Die Brunonen, die sich vom Ende des 10. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts verfolgen lassen, boten sich für diese Studie an, da im sächsischen Bereich aus dieser Zeit über keine andere Grafenfamilie auch nur annähernd so viele Informationen vorhanden sind. Die Heterogenität der Quellengrundlage, die auf den ersten Blick als ein Problem angesehen werden könnte (schriftliche Quellen, archäologische Befunde in Braunschweig, siedlungsgeographische Forschungen, Stifts- und Klostergründungen, Goldschmiedearbeiten sowie die Münzen brunonisch-friesischer Provenienz), ergibt durch die umsichtige Interpretation von Tania Brüsch das relativ deutliche Bild einer aufstrebenden sächsischen Grafenfamilie, die durch die Nähe zum Königtum ihren Besitz und Einfluß nachhaltig ausbaute. An dieser SteHe können nur einige Punkte der Untersuchung angerissen werden, die für die braunschweigische Landesgeschichte von besonderer Bedeutung sind. Ausgangspunkt für die Studie bildet die gesicherte Genealogie der Brunonen, wobei nur die verwandtschaftlichen Zusammenhänge, die unmittelbar aus den Quellen herausgefiltert werden können, als gegeben behandelt werden. Fakten, Interpretationen und Hypothesen werden streng getrennt, um dadurch Spekulationen zu vermeiden. So wird die vermutete Verwandtschaft mit den Liudolfingern nicht weiterverfolgt, da sie in den zeitgenössischen QueHen keinen Niederschlag findet. Als ein Teilergebnis kanv festgehalten werden, dass bei den Brunonen die starke Verschwägerung mit dem sächsischen Adel einerseits und die Verwandtschaft mit den Saliern und den burgundischen Rudolfingern andererseits für das Selbstverständnis und die Politik der Brunonen weitreichende Folgen hatten. Dies zeigt sich insbesondere bei Ekbert 11. HaUe noch sein Vater die Nähe zu Heinrich IV. gesucht und durch seine Treue die Markgrafschaft Meißen erhalten, die ihn in die Spitzengruppe des Adels aufrücken ließ, so fand sich Ekbert 11. wiederholt in Opposition zum Kaiser und strebte vermutlich selbst die Königswürde an. Seine schwankende Haltung gegenüber Heinrich IV., die ihm in der Geschichtsschreibung ein sehr negatives Image einbrachte, kann Brüsch nach sorgfältiger Untersuchung differenzierter bewerten. Ekberts Besitzungen, die sich in Meißen, in Friesland und um Braunschweig konzentrierten, lagen zum Teil im Einflußbereich des Kaisers, zum Teil in dem der sächsischen Opposition. Um sie zu schützen, war ein gewisses Lavieren unausweichlich, zumal Ekbert zu beiden Parteien enge verwandtschaftliche Bindungen hatte. Von beiden Seiten umworben, gelang es ihm, seinen Einfluß auszubauen. Er scheiterte in dem Moment, als Kaiser und Opposition zueinander fanden. Sein Besitz wurde zur Verhandlungsmasse. Dadurch erscheint auch Ekberts gewaltsamer Tod durchaus folgerichtig. In dem Abschnitt über die brunonischen Herrschaftsrechte betont die Verfasserin zu Recht, dass der Überlieferungszufall bei den schriftlichen Quellen das Bild stark verzerren kann. Während wir über den Besitz in Friesland und in der Mark Meißen kaum Nachrichten finden, sind wir über die Rechte in und um Braunschweig wesentlich besser informiert. Vermutlich ausgehend vom Gebiet östlich der Oker konnten die Brunonen auch im Gebiet des Bistums Hildcsheim Fuß fassen. Braunschweig wurde dabei gezielt zum Herrschaftsmittelpunkt ausgebildet. Davon zeugen die Errichtung der Stifte St. Blasius und St. Cyriacus, des Ägidienklosters sowie weiterer Kirchengründungen und -neubauten, ferner der Ausbau der Burg. Der Einbezug archäologischer Forschungen unterstreicht die rasche Ent-

271 Rezensionen und Anzeigen 269 wicklung Braunschwcigs im 11. Jahrhundert, die nur durch Unterstützung der Brunonen möglich war. Die besondere Wertschätzung des Blasiusstifts wird zudem durch die kostbaren Golschmiedearbeiten unterstrichen, die Gertrud d. Ä. stiftete und die Brüsch als wichtige Quelle für das Selbstbewußtsein der Brunonen vorstellt. Insbesondere beeindruckt Brüsch durch ihre gründliche Interpretation der Urkunden, die über das Verfahren Heinrichs IV. gegen seinen Verwandten Ekbert 11. berichten. Sie gewinnt wichtige Einblicke über das Verhältnis zwischen dem König bzw. Kaiser und dem Markgrafen, über die Art der Konfliktführung zwischen ihnen, ferner über das Verhältnis des Königs zu den Fürsten, die in das Gerichtsverfahren gegen den Standesgenossen eingebunden waren. Der Vergleich mit dem wesentlich bekannteren Prozeß Friedrich Barbarossas gegen Heinrich den Löwen zeigt die Entwicklung, die im Verlauf eines Jahrhunderts im Königsgericht stattgefunden hat. Während das Fernbleiben des Herzogs bei der Verurteilung eine wesentliche Rolle spielt, ist dies bei Ekbert ohne Bedeutung. Überhaupt zeigt die Verfasserin auf, dass am Ende des 12. Jahrhunderts die Prozessführung bereits stark formalisiert ist, während sie ein Jahrhundert zuvor noch Unsicherheiten aufweist. Tania Brüsch hat in ihrer Dissertation bemerkenswerte neue Erkenntnisse für die Geschichte einer Adelsfamilie präsentiert. Auch wenn einige ihrer Ergebnisse nicht auf einhellige Zustimmung stoßen werden (vgl. Gudrun Pischke, Brunonen und Welfen als Königskandidaten und Königswähler vom 11. bis 14. Jahrhundert, in: Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. v. Armin Wolf, Frankfurt am Main 2002 S ), so können auch diese befruchtend auf die weitere Forschung wirken. Josef Dolle Michael Pet er, Der Gertrudistragaltar aus dem Welfenschatz. Eine stilgeschichtliche Untersuchung (Schriften des Dom-Museums Hildesheim 2). Mainz: Philipp von Zabern 2001, 256 S., Tafeln, Abb., 58,80 Die frühe Geschichte Braunschweigs ist eng mit dem sächsischen Adelsgeschlecht der Brunonen verbunden. Durch verwandtschaftliche Beziehungen zum salischen Königshaus waren mehrere seiner Mitglieder in die politischen Ereignisse der Reichsgeschichte des frühen 11. Jahrhunderts einbezogen. Die Chroniken und Herrscherurkunden, wie auch Nekrologe der frühen Salierzeit nennen zwar die Namen, jedoch sind die dynastischen Zusammenhänge nicht immer ersichtlich (vgl. das in diesem Jahrbuch besprochene Buch von Tania Brüsch, Die Brunonen, ihre Grafschaften und die sächsische Geschichte). Das betrifft besonders die Aszendenz der Mitbegründerin der Braunschweiger Stiftskirche, der Gräfin Gertrud (gest. 1077), Gemahlin des bereits 1038 verstorbenen, offensichtlich nicht in Braunschweig bestatteten Brunonengrafen Liudolf. Da zu diesem Braunschweiger Gründerpaar die schriftlichen Quellen fast gänzlich schweigen, ist schon seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder versucht worden, aus stilkritischen und ikonographischen Untersuchungen der ältesten Reliquiare des 11. Jahrhunderts im Braunschweiger Kirchenschatz auch auf die dyna~tische und geographische Herkunft von deren Stifterin Gertrud rückzuschließen. Denn durch Werkstattbezüge oder stilistische Annäherungen könnte nicht nur die Einordnung der Brunonischen Stiftungen in einen kunsthistorischen Kontext erleichtert, sondern auch der Umkreis kunsthandwerklicher Verbindungen der Braunschweiger Gräfin offenbar werden. Der Autor folgt in der Einleitung und im ersten Kapitel über den "Stand der Forschung" diesen wissenschaftlichen Traditionen einer sozusagen kunsthistorischen Ahnenreihe, angefangen bei Jakob von Falke (1888) und Max Creutz (1909) über Georg Swar-

272 270 Rezensionen und Anzeigen zenski (1930), Martin Gosebruch (1979) und kürzlich Hiltrud Westennann-Angerhausen (1998), um nur wenige zu nennen, in übersichtlicher Weise, was bei der Fülle der Literatur und den sich widersprechenden Meinungen nicht selbstverständlich ist. Auch die nächsten bei den Kapitel: die Beschreibung des Gertrudistragaltars und die weiter ausholende typengeschichtliche Untersuchung etwa gleichzeitig entstandener sakraler Kunstwerke bezieht den Leser vor allem durch die Hinweise auf die zahlreichen Abbildungen in die Untersuchung mit ein. Der Autor kommt hier zunächst zu dem Schluß, daß die Form des Gertrudistragaltars diesen noch am ehesten in die Traditionen von Niederrhein und Maasgebiet, bzw. Köln und Stavelot verweist. Insofern nimmt er "als frühestes Beispiel einer Gattung, die erst im 12. Jahrhundert zu einem weit verbreiteten Typus wurde" (S. 57) und in seinem formalen Muster auf die Entwicklung des feststehenden Altars hinleitete, einen hervorragenden Platz ein. Die stilistische Untersuchung erweist, daß von der Zusammenarbeit mehrerer Goldschmiede ausgegangen werden muß. Dies zeigt sich vor allem an der unterschiedlichen Ausfonnung der Reliefs dcr vorderen Wandung des Tragaltars zu der der Rückseite, auf der deutlich veränderte Proportionen der Figuren und eine stärker bewegte Faltenführung der Gewänder zum Ausdruck kommen. So entsprechen auch die waagrecht verlaufenden Edelsteinleisten der Rückseite und der beiden Seitenteile einem anderen Fonnverständnis als diejenigen auf der Vorderseite. Die "Künstlerischen Voraussetzungen" (so der Titel des dreiteiligen stilkritischen Untersuchungsteils des Buches) für die Gestaltung des Gertrudistragaltars sind seit jeher vor allem in dem Basler Antependium gesucht worden, das im Musee National du Moyen Age, Thennes et Hotel de Cluny ausgestellt ist. Auch der Autor findet einleitend viele charakteristische Merkmale der Formensprache, des verinnerlichten Ausdrucks und motivischer Plastizität des Basler Antependiums auf dem Gertrudistragaltar wieder; er behandelt aber ferner auch Unterschiede zwischen beiden Werken, die er mit dem zeitlichen Abstand beider und dem daraus zu erklärenden stilgeschichtlichen Wandel erklärt. Zwischen S. 63 und S. 108 schreitet der Autor dcn ganzen Umkreis der erhaltenen, zeitlich und geographisch irgend mit dem Basler Antependium im Zusammenhang stehenden Goldschmiedewerke ab, um schließlich zu befinden, daß alle Gemeinsamkeiten doch "Ietztlich Spiegelungen jener allgemeinen Stilentwicklung der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts" sind, die in der ottonischen Kunst und in der Trierer Buchmalerei Erzbischofs Egberts ( ) gründen. So seien für das Basler Antependium, wie schließlich auch für den Gertrudistragaltar die Vorbilder und Voraussetzungen in der Trierer Kunst des 10. Jahrhunderts zu suchen. Der Autor wendet sich daher im folgenden Abschnitt der lothringisch-mittelrheinischen Kunst zu, vornehmlich der Buchmalerei aus dem Skriptorium von Echternach, das sich das "Trierer Formenrepertoire" im 11. Jahrhundert aneignete und es zugleich weiterentwickelte. Bei den Reliefdarstellungen am Gertrudistragaltar gesellt sich jedoch zu diesen traditionellen Fonnen eine Verfeinerung und größere Ausdrucksfähigkeit von Haltung und Gesten, die wiederum eher auf niederrheinischen Einfluß deutet. Die Tendenz zur Verschlankung der Körperfonnen und zu expressiven Bewegungsabläufen auf der rückwärtigen Wandung des Gertrudistragaltars bezeugen zugleich den allgemeinen Stilwandel der Jahrhundertmitte, der sich vornehmlich im niederrheinischen und maasländischen Bereich vollzog. Die auffallend übereinstimmende Ornamentik der umlaufenden Filigranranke auf der Oberseite und der seitlichen Zierleisten des Gertrudistragaltars mit Werken aus dem Essener Domschatz aus der Zeit der Äbtissin Theophanu hatte 1979 schon Martin Gosebruch hervorgehoben. Eine stilistische Orientierung an niedersächsischen, speziell Hildesheimer Werken schließt der Autor zwar von vornherein aus, benennt dann aber in einem kürzeren Abschnitt doch grundsätzliche Unterschiede und erläutert diese wiederum an hervorragendem Bildmaterial.

273 Rezensionen und Anzeigen 271 Der Gertrudistragaltar ist nicht abgelöst von den anderen Stiftungen der Gräfin Gertrud zu behandeln. So ist schließlich mit dem Titel "Umkreis und Nachfolge" noch ein Schlußkapitel angefügt. Der Autor hält die bei den Kreuze, das Blasius-Armreliquar und den Tragaltar, die früher gelegentlich in größeren zeitlichen Abständen gesehen oder sogar verschiedenen Werkstätten zugewiesen wurden, eher für eine in sich geschlossene Gruppe. Darin bestärkt ihn vor allem die ornamentale Anordnung der Filigrane, die auf allen vier Werken nicht nur Beiwerk und Flächenfüllung, sondern ein wesentliches Kompositionsmoment sind. Weitere charakteristische Merkmale sind die geschlossenen Kastenfassungen, die Anordnung von Steinen und Perlen auf den Zierleisten und die übereinstimmende Farbauswahl der s. So läßt er auch keinen Zweifel daran, daß alle vier Werke der älteren Gertrud, der Gründerin der Braunschweiger Stiftskirche, zuzuordnen sind. Demgegenüber tritt die Frage nach der oder den regionalen Werkstätten zurück. Möglicherweise sind jeweils einer oder mehrere Goldschmiede nach Braunschweig gerufen worden, um aktuellerweise eines der gewünschten Werke anzufertigen, zu dem die Stifterin das Gold und die Steine lieferte. Vielleicht bediente sie sich dabei persönlicher Beziehungen zum niederrheinischen Raum, in dem die mittelrheinisch-lothringischen Traditionen der Goldschmiedekunst noch lebendig waren. Dem Band ist ein minutiöser Katalog der vier Gertrudisarbeiten angeschlossen sowie ein dem vielbehandelten Gegenstand angemessenes ausführliches Literaturverzeichnis. Der Autor führt den kunsthistorisch interessierten Leser in klarer Sprache und anhand sehr zahlreicher Bildbeispiele durch drei Kunstzentren des 11. Jahrhunderts letztlich zurück nach Braunschweig. Andrea Boockmann Arend Mi n der man n (Bearb.), Urkundenhuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden. Band 1: Von den Anfängen bis 1300 (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden 13 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 205). Stade: Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden 2001, CVII und 921 S., Abb., 45 Die Edition von Quellen zur mittelalterlichen Geschichte der niedersächsischen Territorien hat in den letzten bei den Jahrzehnten einen deutlichen Aufschwung genommen, der auch außerhalb Niedersachsens Anerkennung gefunden hat. Der Nachholbedarf in den verschiedenen Regionen Niedersachsens ist unterschiedlich groß und verschiedener Natur. Für das alte Land Braunschweig erscheint dringlich u. a. die Publikation einzelner Urkundenfonds geistlicher Institutionen, auch die Fortführung des stadtbraunschweigischen Urkundenbuchs. Dagegen liegen die Quellen bischöflicher Provenienz aus den Diözesen Hildesheim und Halberstadt beiderseits der Oker längst in mehrbändigen Publikationen vor, im Falle Hildesheims bis zum Jahr 1398 geführt, im Falle Halberstadts sogar bis Die dort veröffentlichten Urkunden betreffen sowohl die Angelegenheiten im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Diözesen als auch zahlreiche Rechtsgeschäfte im engeren Bereich der entstehenden bischöflichen Territorien. Ganz anders als im Braunschweigischen sieht die Situation im Gebiet des Hochstifts und des Bistums Verden aus. Hier ist es trotz mehrfacher Anläufe in der Vergangenheit nicht zu einer systematischen Publikation der urkundlichen Quellen gekommen. Erst die Einrichtung einer Wissenschaftlerstelle beim Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden in Stadc im Jahr 1997 brachte hier den Durchbruch. Nach erstaunlich kurzer Bearbeitungs7.eit wird jetzt der erste Band eines Verdener Urkundenbuchs

274 272 Rezensionen und Anzeigen vorgelegt, das die Zeit bis 1300 abdeckt. Trotz großer Zersplitterung der Überlieferung und auch Verlusten ist ein überaus eindrucksvolles Mosaik von 772 Quellentexten und -splittern entstanden. Der Bearbeiter hat es sich in seinem Urkundenbuch, das bis zum Jahr 1502 weitergeführt werden soll, zum Ziel gesetzt, alle von den Verdener Bischöfen und dem Domkapitel ausgefertigten und empfangenen Urkunden zu edieren. Besonders reich ist die Ausbeute im Lüneburger Stadtarchiv und in den Klosterarchiven um Lüneburg. Sie übertrifft zusammengenommen im Umfang sogar erheblich den Bestand des ehemaligen Bistumsarchivs, das im Niedersächsischen Staatsarchiv in Stade aufbewahrt wird und das naturgemäß den Kern des Quellenwerkes bildet. Um die Benutzung des Urkundenbuchs zu erleichtern, hat der Bearbeiter den Texten ausführliche Inhaltsangaben vorangestellt. Dies ist zwar dankenswert, darf aher nicht zum Maßstab von niedersächsischen Urkundeneditionen überhaupt werden, die sich sonst aus Gründen der Bearbeitungsökonomie wohlweislich auf "Kopfregesten" beschränken. In seiner Quellenvielfalt erinnert der vorliegende Band an die Urkundenbücher des 19. Jahrhunderts, denn es werden nicht nur Urkunden im engen Sinn geboten, sondern auch Lehnsverzeichnisse, Urbare, chronikalische Notizen, Nekrologeinträge, Inschriften etc. dazwischen geschaltet. Im Streben nach umfassenden Dokumentation ähnelt das Verdener Unternehmen dem Projekt des stadtbraunsehweigischen Urkundenhuehs. Es ist hier nicht der Ort, den Ertrag dieses grundlegenden Quellenwerkes für die Geschichte des Verdener und Lüneburger Raums zu würdigen. Dies muss dem Kenner vorbehalten bleiben. Stattdessen sei auf einige braunschweigische Betreffe hingewiesen. Schon im 11. Jahrhundert ist den Verdener Bischöfen Fernbesitz im Braunschweiger Land zugewachsen, nämlich bei Helmstedt und am Großen Fallstein (Nr. 60, 84). Bischof Richbert ( /1084) stammt aus der Familie der Grafen von Süpplingenburg. Ende des 13. Jahrhunderts stieg Heinrich aus der Familie der Herren von Biewende zum Verdener Domdekan auf (Siegelabb. S. 817 f.). Erwähnt sei schließlich noch, dass der Bearbeiter bei seinen umfassenden Recherchen selbstverständlich auch in Handschriften und Urkunden des Niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel und in Handschriften der Herzog August Bibliothek fündig geworden ist (S. XLlIIff.). Ulrich Schwarz Bettina Se y der hel m (Hg.), Goldschmiedekunst des Mittelalters. Im Gebrauch der Gemeinden über Jahrhunderte bewahrt. Eine Ausstellung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Kirchlichen Stiftung Kunst- und Kulturgut in der Kirchenprovinz Sachsen im Dom zu Magdeburg, in der Stiftskirche Quedlinburg und in der Stadtkirehe Wittenberg 2001 und [Magdeburg]: Stoba Druck Lampertswalde 2001, 348 S., Abb., Schon 1997 machte der Kunsthistoriker Johann Michael Fritz, ein Kenner romanischer und gotischer Goldschmiedekunst, die zumindest für den Laien erstaunliche Feststellung: "Nirgends haben sich so viele mittelalterliche Messkelche erhalten [... ], wie in lutherischen Kirchen [... ], zusammen mögen es über 1000 sein. Dies alles ist nicht trotz der Reformation bewahrt geblieben, sondern weil die Kirchen lutherisch geworden sind" (J. M. Fritz [Hrsg.], Die bewahrende Kraft des Luthertums. Mittelalterliche Kunstwerke in evangelischen Kirchen, Regensburg 1997, S. 17). Die mittelalterlichen liturgischen Geräte, in der Regel die Abendmahlsgeräte Kelch und Patene, haben sich in den evangelischen Kirchen eben deswegen erhalten, weil sie von der Gemeinde weiterbenutzt wurden. Auf der anderen Seite gibt es kaum irgendwo in Deutschland eine so hohe Zahl alter Gefäße wie

275 Rezensionen und Anzeigen 273 ausgerechnet im Kemland der lutherischen Reformation. Ein großer Teil der sich noch immer im Gebrauch der Gemeinden befindlichen Goldschmiedearbeiten stammt noch aus dem 12. und 13. Jahrhundert und befindet sich in einem von späteren Eingriffen nahezu unberührten Zustand. Gründe genug also, diesem in den provinzialsächsischen Kirchen ruhenden Schatz erstmalig eine eigene Zusammenschau in Form einer Ausstellung und eines ausführlichen Katalogs zu widmen. (Es ist im übrigen wenig bekannt, daß auch über das ebenfalls sehr reiche Kunsterbe des Braunschweiger Landes wenn auch nicht in Form eines reich bebilderten Katalogs so doch in Form einer fundierten Dissertation aus der Feder von Martin Wanderslcb ein umfassender Überblick vorliegt, s. ders., Luthertum und Bilderfrage im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel und in der Stadt Braunschweig im Reformationsjahrhundert, in: Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 66 [1968], S ; 67 [1969], S ; 68 [1970], S ; später separat, mit Nachwort und Personen- und Ortsregister o. O. o. J. [1996]. Zurecht weist die Herausgeberin des Katalogs darauf hin, daß Wanderslebs wichtiger Arbeit noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteil geworden ist.) Der Katalog teilt sich etwa zur Hälfte in einen Aufsatz- und den eigentlichen Katalogteil. Gewissermaßen als Antwort auf die eingangs zitierte Feststellung Johann Michael Fritz' gehen die ersten Aufsätze den historischen und theologischen Hintergründen und Voraussetzungen für den Gebrauch mittelalterlicher Gefäße im lutherischen Gottesdienst nach. Am Beispiel des sächsischen Kurkreises, vor allem aber Wittenbergs illustriert die Herausgeberin Bettina Seyderhelm Wandel und Kontinuität im Gebrauch der Gefäße. Selbstverständlich wurden im Mittelalter aufgrund der Vielzahl der Altäre und Messen ungleich mehr liturgische Geräte benötigt. Nach der Reformation wurden in jeder Gemeinde die besten, in der Regel wohl die schönsten und wertvollsten, Stücke für den Gebrauch behalten, meist zwei bis drei Kelche und Patene sowie drei bis vier Paramente und Ornate. Die übrigen Geräte, vor allem solche, denen im evangelischen Gottesdienst keine Funktion mehr zukam, Reliquiare und Monstranzen, wurden entweder verkauft oder verwahrt. Der Beitrag von Reimund Blühm skizziert knapp den Ursprung und die Bedeutung sowie die konfessionellen Unterschiede in der Auffassung vom Abendmahl, bevor sich Harald Schultze eingehender dem evangelischen Abcndmahls- und Bilderverständnis, vor allem dem der Reformatoren selbst, widmet. Franz Ronig trägt die katholische Sicht bei und Ernst Koch macht deutlich, welch überraschend große Bedeutung die Heiligen in der evangelischen Kirche auch lange nach der Reformation noch gespielt haben. Mit der Vorstellung vieler noch weitgehend unbekannter Stücke leisten der zweite Aufsatz- wie der Katalogteil auch einen Beitrag zur Erforschung der mittelalterlichen Gold- und Silberschmiedekunst in Mitteldeutschland. Beispielhaft hat Hans Fuhrmann Bildprogramm und Inschriften des Werbener Kelchs und der zugehörigen Patene aus dem 13. Jahrhundert untersucht. Im Beitrag über das Goldschmiedehandwerk des Jahrhunderts im Gebiet der heutigen Kirchenprovinz Sachsen stellt Kathrin Ellwardt die Ergebnisse der von ihr und Uta-Christiane Bergemann durchgeführten archivischen Recherchen vor. Die Ictzten beiden Aufsätze sind wieder grundsätzlicherer Natur und leiten bereits zum Katalogteil über. Friedrich Fuchs erläutert den Werkstoff Gold, den Berufsstand der Goldschmiede sowie deren Arbeitstechniken, während Bettina Seyderhelm die Funktion, Bedeutung und Geschichte der einzelnen liturgischen Geräte beschreibt. Der nun folgende Katalogteil ist reich, teilweise farbig bebildert. Die fotografischen Abbildungen zeugen von Sachverstand und lassen dank zahlreicher Detailaufnahmen ein vollständiges Bild der gezeigten Objekte entstehen. Hinzu kommen die ausführlichen Erklärungen, die das Objekt nicht nur beschreiben, sondern auch auf der Grundlage der angestellten archivischen Recherchen historisch einzuordnen versuchen. Abgeschlossen wird der Katalog durch eine umfangreiche

276 274 Rezensionen und Anzeigen Auswahlbibliographie. Ein kurzes Glossar sowie eine Übersichtskarte der Kirchenprovinz Sachsen erleichtern die Benutzung. Der Katalog folgt einer durchdachten Gesamtkonzeption. Aufsätze und Katalogteil sind von hohem und zugleich bleibendem Wert für Forschung und interessiertes Publikum. Der positive Gesamteindruck wird durch die überaus ansprechende Gestaltung des Buches sowie ein tadelloses Layout abgerundet. Johann Peter Wurm Luitgard C a m e re r (Bearb.), Die Handschriften des Braunschweiger Geistlichen Arnold Lampen in der Stadtbibliothek Braunschweig (Mittelalterliche Handschriften in Niedersachsen. Kurzkatalog 6). Wiesbaden: Harrassowitz 2001, 64 S., Abb., 29 Die Braunschweiger Stadtbibliothek besitzt einen wertvollen Bestand von ca. 200 mittelalterlichen Handschriften, die nach heutigen Maßstäben nur unzureichend erschlossen sind. Es ist deshalb zu begrüßen, dass nun eine ausgewiesene Kennerin der Materie einen ersten Baustein einer modemen Erschließung in der vom mediävistischen Arbeitskreis der Herzog August Bibliothek herausgegebenen Reihe der sog. Kurzführer vorlegt. Beschrieben wird eine zwar kleine aber wichtige Gruppe von 16 Handschriften überwiegend kirchenrechtlichen und theologischen Inhalts aus dem 15. Jahrhundert, die fast alle den Schenkungsvermerk ex donacione domini Amo/di Lampen sacerdotis tragen. Welcher Institution diese Handschriften zugedacht waren, ist vorerst nicht zu klären. Hinter dem Namen Arnold Lampen verbergen sich zwei Braunschweiger Kleriker (Onkel und Neffe?), die in einem Abstand von 40 Jahren als Studierende an der Universität Leipzig und Erfurt nachweisbar sind (1420 und 1468). Einige der Handschriften sind an diesen Universitätsorten entstanden. Als Vorbesitzer und in einem Fall als Schreiber erscheint Johann Bock aus Halberstadt, der 1443 in Erfurt Universitätsrektor war. Ein anderer gelehrter Schreiber namens Jacob Plescze läßt sich 1425 an der Universität Leipzig dingfest machen. Er ist noch 1455 in der Stadt Osterburg als Priester nachweisbar (Repertorium Germanicum Bd. 7, Nr. 191). Fast alle beschriebenen Handschriften überliefern Namen von gebildeten Klerikern, die sich als Schreiber oder Besitzer verewigten. Darin liegt der besondere personengeschichtliche Ertrag der Katalogisierung. Die Handschriften erweisen sich als Selbstzeugnisse einer Klerikerelite, der man in Universitätsmatrikeln, lokaler Überlieferung und in vatikanischen Registern vielfach begegnen kann. Es gibt auch Schreibervermerke, die als solche schon Lebensläufe sichtbar machen, wie diejenigen des Henricus Brunswigk de Salza, der im Alter von 38 Jahren Scholaster der Stiftskirche in Eisenach wurde und zwischen 1436 und 1448 verschiedene akademische Grade erwarb (Ms. 44). Auch für die Ortsgeschichte fällt etwas ab: in derselben Handschrift finden sich erstaunliche Angaben über die Auswirkungen einer Hungersnot in Schmedenstedt bei Peine. Die meisten der beschriebenen Handschriften sind Sammelhandschriften mit einer Vielzahl von Texten, die es zu identifizieren galt. Im kombinierten Personen-, Orts- und Sachregister sind die gewonnenen Ergebnisse alphabetisch erfasst (hier hätte man sich trotz des geringen Umfangs noch mehr Konsequenz in den Querverweisen erhofft). Eine Fortsetzung der Katalogisierung ist dringend erwünscht! U1rich Schwarz

277 Rezensionen und Anzeigen 275 Brigitte Fun k e, Cronecken der sassen. Entwurf und Erfolg einer sächsischen Geschichtskonzeption am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (Braunschweiger Werkstücke A 48). Braunschweig: Heckner Wolfenbüttel 2001, 336 S., Abb., 20 Schon im Titel dieser Arbeit spiegelt sich die Problematik des für große Teile Nordwestund Mitteldeutschlands bis heute bestimmenden alten Stammes- und Landesnamens "Sachsen", der infolge der rein dynastischen Wanderung von (Nieder)Sachsen nach(ober)sachsen-thüringen ("Sachsen-Coburg" usw.) seit 1423 diffus geworden ist und in seinem nordwestdeutschen Ursprungsgebiet seit dem 17. Jahrhundert verblasste. Nicht einmal im Mittelalter hatte Sachsen exakt definierbare Grenzen. Um so schwieriger war und ist es, sächsisch-niedersächsische Geschichte in einem schlüssigen Konzept in den Griff zu bekommen und zu beschreiben, wie alle bisherigen Versuche zeigen. Der Begriff Sachsen sowie die speziell auf Sachsen ausgerichtete Geschichtsschreibung ist bisher teilweise nur ungenügend erforscht worden. Eine hesonders hinderliche Forschungslücke schließt nunmehr die außergewöhnlich gute, gründliche, weitgreifende und auf breitester Literaturkenntnis aufbauende Braunschweiger Dissertation von Brigitte Funke, die Gewichtiges zur Erhellung des Sachsenbegriffes beiträgt und als maßstabsetzendes Standardwerk zum sächsischen Geschichtsbewusstsein zu bezeichnen ist. Die Cronecken der Sassen ist die erste sächsische Geschichtsdarstellung seit Widukind von Korvei und eine z. T. unter der Bezeichnung "Bilderchronik" sehr bekannte, lange Zeit geschätzte, viel gelesene und oft benutzte erste gedruckte niederdeutsche Chronik. Als wertvolle, reich illustrierte Inkunabel (Frühdruck) wurde das von einem anonymen Braunschweiger Autor (nicht, wie seit Leibniz vermutet, Cord Bote!) zwischen ca und 1491 verfasste Werk von dem bedeutenden DruckverIeger Peter Schöffer, einem Gutenberg Mitarbeiter und Pionier der Buchdruckkunst, im Jahre 1492 in Mainz gedruckt. F. untersucht intensiv die Druckgeschichte, den Stellenwert innerhalb der Frühdruckproduktion, Ausstattung, Illustrationen, Zielpublikum, Leserkreis und Besitzer der heute noch in 93 Exemplaren überlieferten Inkunabel. Vornehmlich befasst sie sich aber mit der wenig erforschten und deshalb bisher ziemlich rätselhaften Konzeption und Struktur der Chronik. Eine Identität des Chronisten mit dem Braunschweiger Hermen Bote hält sie für sehr zweifelhaft und überantwortet dieses Problem späteren Spezialforschungen. Die Vielzahl der weitausgreifenden Ergebnisse dieser vorzüglichen Dissertation kann hier aus Raumgründen nicht referiert werden. Herausgehoben sei nur Folgendes. Ganz ausführlich und gründlichst untersucht F. nach einem Überblick über den Sachsen begriff um 1500 die Hauptquellen der Sassenchronik, nämlich die Sächsische WeItchronik, die Braunschweigische Reimchronik und die Magdeburger Schöppen chronik auf die Frage hin, wie diese Werke sächsische Geschichte vermitteln und ob spezifisch sächsische Gesichtspunkte (bzw. Sachsenbewusstsein) darin wirksam sind. Das Ergebnis ist, dass sächsische Perspektive nur in den letztgenannten Chroniken zu erkennen ist, nicht aber in der ihren Namen demgemäß nicht ganz zu Recht führenden sogenannten "Sächsischen Weltchronik". Leitlinie sächsischer Geschichte ist für die Braunschweigische Reimchronik der sächsische Herzogstitel und die Genealogie der Herzöge von Braunschweig, für die Schöppenchronik der altsächsische Ursprung Magdeburgs als Vorort des Sachsenrechts. Eine Gesamtgeschichte Sachsens zu liefern war nicht die Absicht dieser drei Chroniken. Eine konzeptionell wirklich "sächsische" Geschichte bietet erstmals die Cronecken der Sassen, deren Titel als Plural zu verstehen ist, d. h. als "Chronikn der Sachsen". Damit stellt sie nach F. eine besondere historiographische Gattung dar: sie ist ein Konglomerat von Welt-, Landes-, Bistums- und Stadtchronik, das die Geschichte Sachsens in der Pluralität seiner Herrschaftsträger, nämlich der unter "Sachsen" zusammengefassten Hochstifte und Herrschaftsbildungen (mit den in ihnen belegenen Städten) vorführt, die mit ihren Wappen

278 276 Rezensionen und Anzeigen im Titelblatt programmatisch hervortreten: es sind die welfischen Herzogtümer, die askanischen Herzogtümer Sachsen-Lauenburg und Sachsen-Wittenberg, die ehemals a~kanische Markgrafschaft Brandenburg sowie die Bistümer Lübeck, Halberstadt, Hildesheim und die Erzbistümer Magdeburg und Bremen. Das historisch-politisch von "Sachsen" bereits abgesonderte Westfalen bliebt weitgehend unberücksichtigt, ebenso das Bistum Verden. Integrierende Faktoren sächsischer Geschichte sind die sächsische Ursprungssage, die Christianisierung der Sachsen sowie die sächsische Herzogsfolge, deren Darstellung F. jeweils mit den vom Chronisten benutzten Quellen detailliert vergleicht. Die Herzogsfolge geht auf den Sachsenherzog Widukind zurück und Braunschweig erscheint als Zentrum sächsischer Reichs- und Herzogsherrschaft. Die welfischen Herren von Braunschweig nehmen in der Chronik eine überragende Stellung ein. Kritisch beurteilt der Chronist die Übertragung der sächsischen Herzogswürde an die Wettiner 1423 und die damit einhergehende Abwanderung des Sachsennamens. Die Stadt Braunschweig, mit ihrem Wappen programmatisch auf dem Titelblatt erscheinend, wird in der Chronik neben Magdeburg besonders berücksichtigt. Der Chronist schreibt zwar auch aus braunschweigisch-hansestädtischer Perspektive und wendet sich an ein städtisches Publikum. Zugleich bezeugt er jedoch Stammesbewusstsein, indem er in seinem Werk eine geschlossene historiograph ische Bezugnahme auf die Vorstellung der durch Abstammungsgemeinschaft begründeten Stammeseinheit darbietet und eine an Sachsen orientierte historische Traditionsbildung vorlegt. Römische Gründungstraditionen (Gründung der Harzburg, Lüneburgs, Magdeburgs usw. durch Caesar!), die sächsische Stammesursprungssage, Stammesverfassung und sächsische Herzogstradition führt der Chronist zu einem geschlossenen Bild sächsischer Geschichte zusammen. Es handelt sich aber bei dem genuin sächsischen, welfisch-askanisch dominierten Geschichtsbild des Chronisten nicht um eine der herkömmlichen Stammes- bzw. Volksgeschichten oder Landes- bzw. Regionalgeschichten, sondern um eine als Gattungsbegriff neu von F. hierfür eingeführte "Monographie" zur sächsischen Geschichte. Das historiographisch Neuartige der Cronecken der Sassen ist die Verbindung von gesamtsächsischer und regional-lokaler Perspektive, die verschiedene dementsprechende Geschichtsinteressen ansprechen konnte, wie schon das Titelwappenprogramm anzeigt. Die 1255 Holzschnitte der Chronik, bei denen der Autor wohl teilweise mitgewirkt hat, sind kein dekoratives Element, sondern erfüllen nach F. textgliedernde und textaufschließende Indexfunktion, was für allem für die Wappen und die genealogischen Diagramme gilt. Die Sassenchronik wirkte ihrerseits zu sächsischer Traditionsbildung bei. Zeugnis dessen sind folgende, von F. ausführlich untersuchte spätere Monographien zur sächsischen Geschichte von zwei bedeutenden Landeshistorikern und zwei mittelmäßigen Kompilatoren: die "Saxonia" (1520) des Hamburgers Albert Krantz sowie die "Sächsische Chronica" (1585) des lange in Mansfeld wirkenden Cyriacus Spangenberg; bearbeitete Neuausgaben der Cronecken der Sassen legten der Magdeburger Johannes Pomarius 1588 und der Leipziger Matthäus Drcsser 1596 vor. Genau wird von F. der Sachsen begriff sowie die unterschiedlichen Vorstellungen von sächsischer Geschichte bei diesen Autoren herausgearbeitet, was hier nicht näher aufgezeigt werden kann. Krantz und Spangenberg bereichern das herkömmliche sächsische Geschichtsbild durch die Anbindung der Sachsen an die von der "Germania" des Tacitus vermittelte germanische Frühgeschichte Deutschlands. Der Beriehtssehwerpunkt ist bei Krantz nach Norden und bei Spangenberg nach Südosten ausgreifend verschoben. Spangenberg ordnet die "Sächsische Nation" und ihr "Sächsisches Reich" in die deutsche Geschichte ein. Krantz kritisiert die Abwanderung des Sachsennamens nach Mitteldeutschland. Pomarius betitelt seine bearbeitete und erweiterte Neuausgabe der Cronecken der Sassen bezeichnenderweise als "Chronica der Sachsen und Niedersachsen" und konkretisiert

279 Rezensionen und Anzeigen 277 damit differenzierend den diffus ausgeweiteten Begriff Sachsen. Spangen berg definierte 1585 Sachsen dahingehend, dass die unterschiedlichen Meinungen über die Abgrenzung nach Sprache, Obrigkeiten, alten und neuen Grenzen durch die als gültig erachtete Einteilung in die Reichskreise (seit 1512) verdrängt sei. So schrieb, was F. nicht mehr erwähnt, ein Jahrhundert später folgerichtig der Helmstedter Professor Heinrich Meibom d. J in logischer Begrenzung eine erste Einführung in die Geschichte Niedersachsens: eine gelehrte geschichtliche Landes- und Quellenkunde, an der der große wissenschaftliche Fortschritt der Historiographie gegenüber der Cronecken der Sassen abzulesen ist, die er sehr kritisch beurteilt und vorsichtig einem anonymen Braunschweiger Autor zuschreibt. Es ist das große Verdienst von F., diese Chronik als "genuin sächsische" Geschichtsdarstellung sichtbar gemacht zu haben und ihr damit einen hohen Wert zuzusprechen, was eine ganz neue Erkenntnis ist. Ihre durch Namenregister erschlossene, vielfältig weiterführende Arbeit auf einem komplizierten Forschungsfeld sollte dazu anregen, den disparaten Begriffskomplex Sachsen/ Niedersachsen endlich einmal so umfassend und gründlich zu untersuchen, wie das für den "stammesgleichen" Namen Westfalen seit 1931 längst mustergültig geleistet ist. Dieter Lent Hans Ha r t man n, Die Edelherren zu Warberg. Im Spannungsfeld zwischen Kreuz und Welfen. Braunschweig: Appelhans 2001, 207 S., Abb., Gesamtdarstellungen zur Geschichte von Adelsgeschlechtern sind darstellerisch ein schwieriges Unternehmen, weil die "endlose" Abfolge der Generationen auf den Leser ermüdend wirken kann und die Verzweigungen einer solehen Familie leicht Verwirrungen hinterlassen, die dazu führen, das man das Buch nicht zu Ende liest. Dem Autor der vorliegenden Geschichte der Warberger kann bescheinigt werden, daß ihm seine Absicht, eine lesbare Darstellung zu schaffen, gelungen ist. Er schafft Anschauung u.a. dadurch, daß er die Geschichte der alten und der neuen Burg Warberg immer einblendet, soweit die Überlieferung das zuläßt. Bestimmte Persönlichkeiten werden ausführlicher charakterisiert und besondere Vorfälle und ggf. auch Skandale dem Leser nahe gebracht. Dadurch gelingt eine sehr lebendige Schilderung im Rahmen der Zeitumstände, zumal der Autor sich sehr bemüht, die Geschichte des Geschlechtes in die politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge einzubetten. Störend wirkt dabei nur, daß vielfach längere Passagen aus der Literatur wörtlich zitiert werden, sodaß apodiktische oder merkwürdige Ausführungen bzw. auch Werturteile dieser Autoren einfließen. Die Geschichte der Edelherren zu Warberg ist ein wichtiges Thema der braunschweigisehen Geschichte und so gebührt dem Autor Dank, daß er die mühsame Aufarbeitung des Forschungsstandes auf sich genommen hat. Neben der nicht sehr umfangreichen Spezial literatur (Bege 1844, Bode 1911, Moll 1915 und Berg 1943) sind einige unveröffentlichte Manuskripte, etwa von Wahnschaffe, Pini, Rode und, vom Autor hervorgehoben, von Friedrich Smalian herangezogen. Quellenmäßig stützt sich die Arbeit auf Urkunden und Akten vorzugsweise des Niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel, ferner auf die Regestensammlung eines (tödlich verunglückten) Doktoranden (Göttingen in den achtziger Jahren) und auf die einschlägigen gedruckten Quellen (Chroniken, Urkundenbücher). Seinen Text belegt der Autor häufig mit Literatur, was bei einer so weit gespannten Arbeit auch verständlich ist. Für die Forschung ist dabei aber problematisch, daß der Quellenhintergrund dieser Zitate nicht direkt befragbar ist bzw. im vorliegenden Buch keine Auseinandersetzung erfolgt. Daher muß für zahlreiche Fragestellungen forschungsmäßig noch neu

280 278 Rezensionen und Anzeigen angesetzt werden, auch für die Reichsunmittelbarkeit der Warberger Herrschaft oder die Integrationsbemühungen der braunschweigischen Landesherrschaft. Die Strategie des Vorgehens etwa der Herzogin Elisabeth von Dänemark oder Herzog Augusts d. J. hätte analysiert werden sollen. Wenn der Autor derartige Zeugnisse oft nur zitiert, so liegt das offenbar daran, daß er der familienmäßigen Entwicklung so sehr den Vorrang gibt, daß etwa eine systematische Darstellung der Warberger Herrschaft nicht stattfindet - trotz vieler besitzgeschichtlicher Ausführungen und Einblendungen zum Zustand der Warberger Herrschaft. Es fehlt ein für die rechts- und verfassungsgeschichtliche Einordnung notwendiger Untersuchungsstil. Auch wird die finanzielle Entwicklung allzu individualistisch abgehandelt. Dennoch ist festzuhalten, daß mit dem vorliegenden Werk entscheidende Schneisen in das sonst schwer durchschreitbare Dickicht der genealogischen Abläufe und der Lebensumständc der Edelherren geschlagen wird, sodaß deren Taten und Schicksale nunmehr in übersichtlicher Weise in die braunschweigische Landesgeschichte eingereiht sind. Christof Römer C1audia Kau e r t z, Wissenschaft und Hexenglaube. Die Diskussion des Zauber- und Hexenwesens an der Universität Helmstedt ( ) (Hexenforschung 6). Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2001, 279 S., Tabellen, 24 In den F1ammen der Scheiterhaufen, die im 16. und 17. Jahrhundcrt in vielen europäischen Ländern aufloderten, fanden über Frauen und Männer als angebliche Hexen und Hexenmeister den Tod, nachdem man zuvor entsprechende Schuldgeständnisse aus ihnen herausgefoltert hatte. Diese Hexenjagden, nach Wolfgang Behringer "eine der schlimmsten von Menschenhand angerichteten Katastrophen der europäischen Geschichte", sind seit geraumer Zeit Gegenstand intensiver historischer Forschungen, häufig in Form von Dissertationen. Zu ihnen zählt auch die von C1audia Kauertz vorgelegte verdienstvolle Publikation, die 1999 als Dissertation von der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen angenommen wurde. Sie befaßt sich mit dcr Diskussion über das Zauber- und Hexenwesen an der Academia Julia in Helmstedt in den Jahren von hatte bereits Gerhard Schormann die Helmstedter Spruch praxis im Rahmen der gesamten norddeutschen Hexenprozesse untersucht. Er kam zu dem Ergebnis, daß die Juristen der Academia Julia nach denen von Rintcln die schärfste Hexenverfolgung vertraten. Im Gegensatz zu ihm legt Kauertz den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die juristischen Kriterien, die von den Rechtsgelehrten in Helmstedt bei der Beurteilung der zu begutachtenden Hexenprozesse sowie der Bemessung des Strafmaßes zugrunde gelegt wurden. Themengemäß stehen dabei die dämonologischen Vorstellungen der Professoren aller vier Fakultäten, Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie, sowie der interdisziplinäre Dialog im Mittelpunkt. In jener Zeit bildete die Dämonologie immer noch einen integralen Bestandteil der als unumstößlich aufgefaßten christlichen Glaubenslehren. Nach wie vor dominierte die Theologie sämtliche wissenschaftliche Bereiche, wenn sich auch bei den Naturwissenschaftlern, zumal den Medizinern, und den Philosophen erste Emanzipationsbestrebungen zeigten. Kauertz schildert detailliert und kenntnisreich die dämonologischen Grundüberzeugungen beider Konfessionen, ihre Übereinstimmungen und Differenzen. SeIbst ein so radikaler Kritiker der Hexenverfolgungen wie Johann Weyer ( ) war von der Existenz der Engel, Teufel, Zauberer und Hexen fest überzeugt. Aufgrund seiner naturwissenschaftli-

281 Rezensionen und Anzeigen 279 ehen Erkenntnisse hielt er jedoch die letzteren samt ihrer Magie für unschädlich, ihre Verfolgung und Hinrichtung für überflüssig und grausam. Weyer und seine Anhänger scheiterten jedoch an dem Beharrungsvermögen der mehrheitlich den traditionelien GlaubensvorstelIungen folgenden intellektuellen Eliten in Kirche, Administration und Universität. Die Kritiker der Hexenjagden konzentrierten sich mit Friedrich Spee von Langenfeld ab 1630 verstärkt und schließlich erfolgreich auf die offenkundigen Verfahrensmängel der einschlägigen Prozesse, zumal den Einsatz der Folter. Es fiel den Zeitgenossen laut Kauertz leichter, sich von jenen Prozessen als von dem Glauben an Hexen zu distanzieren. Gemessen an der Studentenzahl nahm die 1576 gegründete Academia Julia 1585 bereits den dritten Rang unter den Universitäten des Alten Reiches ein. Vor ihr lagen nur noch Wittenberg und Leipzig. Hinsichtlich des Hexenglaubens folgten sämtliche Professoren - außer dem Mediziner und Weyer-Anhänger Bökel - der orthodoxen lutherischen Tradition. Apostatische Zauberei galt ihnen als das schwerwiegendste Verbrechen gegen Gott, das nach den Bestimmungen des Alten Testamentes mit dem Feuertod geahndet werden mußte. Um die Verdachtsmomente zu erhärten, sah man die Folter gemäß der "Carolina", der Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., als volikommen legitimes Mittel an. Erbrachte die Tortur nicht das verlangte Geständnis, wurde sie regelmäßig ein zweites, mitunter aber auch noch ein drittes Mal wiederholt. Nicht wenige der Unglücklichen starben bereits an ihren Folgen. Im Vergleich zu den Rechtsgelehrten der Universität Rostock schöpften deren Helmstedter KolIegen ihren HandlungspicIraum zumeist nicht aus. Die Universitäten, federführend die juristischen Fakultäten, mußten von den Gerichten in Strafverfahren gegen Hexen und Zauberer konsultiert werden. Während die Rostocker Professoren die übersandten Akten kritisch überprüften und streng darauf achteten, daß die Belange der Angeklagten hinreichend berücksichtigt wurden, ließ man sich in Helmstedt überwiegend von den Meinungen, Wünschen und StrafvorstelIungen der konsultierenden Gerichte leiten. Auch Rügen für offensichtliche Rechtsbrüche, die in Rostock die Regel sind, werden von den Helmstedter Juristen selten ausgesprochen. Aus den Jahren haben sich 123 Helmstedter Entscheidungen erhalten, darunter 59 Todesurteile und 13 Landesverweise. Schormann teilt für den Zeitraum von insgesamt 423 Gutachten mit, von denen 107 die Todesstrafe, 175 die Folter und 161 die weitere Haft anordneten. Sehr breiten Raum nimmt die Analyse von vier Abhandlungen ein, in denen sich die Helmstedter Medizinprofessoren Bökel, Neuwalt, Biermann und Freitag mit magischen Handlungen und der Macht von Dämonen unter dem Blickwinkel der aristotelischen Physik auseinandersetzten. Insgesamt zeichnet sich Kauertz Untersuchung nicht nur durch ihren hohen informativen Gehalt aus, sie ist zudem erfreulich flüssig geschrieben. Sie führt eindrucksvoli jene damals herrschende, in sich stimmige, letztlich aber wahnwitzige Ideologie vor Augen, die eine furchtbare historische Wirklichkeit mit ungezählten, zumeist namenlosen Opfern schuf. Hans Christian Mempe1 Johannes Mellinger, Atlas des Fürstentums Lüneburg um Hg. und kommentiert von Peter Auf ge bau er, Kirsten Ca sem i r, Ursula Gell er, Dieter Ne i t zer t, Uwe o hai n ski und Gerhard S t r eie h (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 41). Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2001, 105, 46 S., Abb., 24

282 280 Rezensionen und Anzeigen Professor Ernst Schubert ist zum 60. Geburtstag von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Institut für Historische Landeskunde der Universität Göttingen ein Werk gewidmet worden, dem als Veröffentlichung frühester kartographischer Quellen für die Region Niedersachsen exemplarische Bedeutung zukommt. Die Anzeige in diesem Jahrbuch zollt aber auch der Tatsache Rechnung, dass das braunschweigische Amt Campen [bis 1348 und wieder ab 1706 zum Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel) sowie einige [ab 1706) braunschweigische Orte des Gerichtsbezirkes Papenteich abgebildet sind. Dr. Johannes Mcllinger, geboren um 1538 in Halle, war von 1582 bis zu seinem Tode 1603 als Hofmedikus in Celle angestellt, wobei er neben seiner medizinischen Tätigkeit auch kartographische Arbeiten wie eine im Kupferstich verbreitete, kleinmaßstäbige Karte des Fürstentums Lüneburg um 1593 sowie den beschriebenen Atlas ausgeführt hat. Die Verbindung von medizinischer, mathematischer, astronomischer und vermessungstechnischer Tätigkeit gründete in der für die Zeit typischen umfassenden Ausbildung im Quadrivium an den Artistenfakultäten der Universitäten. Sie ist nachweisbar auch für weitere Kartographen des 16. Jahrhunderts wie Gemma Frisius ( ) oder Caspar Peucer ( ) (Aufgebauer). Der sogenannte "Ämteratlas" von Mellinger ist um 1600 als Auftragsarbeit des Lüneburger Herzogs Ernst entstanden. Er enthält 42 handgezeichnete Karten von den einzelnen Ämtern und Vogteien des Fürstentums Lüneburg. Er bot der landesherrlichen Verwaltung einen Überblick über die Einteilung des Landes in die Gerichts- und Verwaltungsbezirke der unteren Ebene und deren ungefähre Größe sowie über Zahl, Namen und Lage der dazugehörigen Dörfer, Kirchspiele, Flecken und Städte. Die Amtsbezirke sind untergliedert in Kirchspiele, die mit stark schematischen Grenzen flächenhaft in verschiedenen Tönen koloriert sind. Wichtige Flüsse, Waldungen, auch größere Moor- und Heidegebiete sind eingetragen. Die Ortschaften werden durch verschiedene Signaturen gekennzeichnet. Eine viertürmige Silhouette bedeutet beispielsweise "Städtlein", eine dreitürmige "Fürstliches Haus", ein Gebäude mit mittlerem Turm "Adeliges Gut", eine Kirche ein "Kirchdorf" und eine rote Scheibe ein einfaches "Dorf". "Der Atlas darf nicht mit den Maßstäben moderner Kartographie beurteilt werden... er verzeichnet mehr als Signaturen und er erreicht dabei einen hohen Grad an Exaktheit: Und so war der Atlas des Johannes Mellinger nicht nur ein heute zu vergessendes Hilfsmittel früh neuzeitlicher Verwaltungspraxis, sondern er erweist sich als eine immer noch lebendig sprudelnde Quelle moderner niedersächsischer Landesgeschichte" (Neitzert). Eine der beiden vermuteten Originalausfertigungen des Atlasses mit einer Widmung an Herzog Ernst ist im Zweiten Weltkrieg im Stadtarchiv Hannover verbrannt, die weitere soll bereits seit dem Ende des 17. Jahrhunderts verschollen sein. Allerdings sind fünf spätere Kopien erhalten, von denen das um 1678 entstandene Exemplar im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover zur Faksimilierung ausgewählt wurde. Die Bearbeiter begründen dies mit seiner zeitlichen Stellung, der Vollständigkeit und der künstlerischen Gestaltung. Der Inhalt des vorgelegten Buches gliedert sich in den 107 Seiten umfassenden Textund Kommentarteil sowie in den Faksimileteil mit 46 vorzüglich reproduzierten Farbtafeln, die gegenüber der Vorlage leicht verkleinert sind. Ausstattung und Verarbeitung des Bandes lassen keine Wünsche offen. Im Textteil beschreibt Aufgebauer Weltbild und Kartographie zur Zeit von Johannes Mellinger, Streich berichtet über Johannes MeIlinger und die Anfänge der Regionalkartographie und der amtlichen Landesaufnahmen in den deutschen Territorien, während Neitzert die Darstellung des Fürstentums Lüneburg im Atlas analysiert. Ohainski steuert eine umfangreiche biographische Skizze Mellingers mit einem Werkverzeichnis sowie eine ausführliche Quellenbeschreibung und -einordnung unter Berücksichtigung der verschiedenen Ausfertigungen des Atlasses bei. Außerdem zeichnet er zu-

283 Rezensionen und Anzeigen 281 sammen mit Casemir verantwortlich für das Verzeichnis der in dcn verschiedenen Ausfertigungen des Ämteratlasses vorkommenden Orts-, Gewässer- und Flurnamen. Es enthält ca Nachweise, die für sich schon den immensen Quellenwert des Originals belegen. Casemir liefert zudem noch die sprachlich-binnenstrukturelle Analyse und Untersuchung der Genese der Handschrift. Ein 247 Titel aufführendes Literatur- und Ouellenverzeichnis von Geiler rundet die Erschließung ab. Das Vorwort der Herausgeber [und Bearbeiter] beginnt mit dem Hinweis auf die 1911 anlässlich der in Braunschweig zur XII. Versammlung Deutscher Historiker gezeigte historisch-kartographische Ausstellung, die "eine Grundlage bilden [sollte] für die Erörterungen der Fachleute, inwieweit sich das Kartenmaterial früherer Zeiten mit Erfolg für die Herstellung eines historischen Atlasses, insbesondere eines solchen von Niedersachsen, verwerten lässt". Der Mellinger-Atlas war ein Glanzstück dieser Ausstellung. Seine nunmehr vorgelegte vorbildliche Faksimilierung und quellenkundliche Kommentierung belegt einmal mehr die Aktualität des vorstehend genannten Mottos und nimmt damit gleichzeitig indirekten Bezug auf das 1989 abgeschlossene Projekt der Historischen Kommission zur Herausgabe eines Historischen Atlasses von Niedersachsen (Geschichtlicher Handatlas von Niedersachsen). Hans-Martin Arnoldt Gottfried Wilhelm Leibniz, Allgemeiner, politischer und historischer Briefwechsel. Hrsg. vom Leibniz-Archiv der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover. Bd. 16: Oktober 1698-April Bearb. von Malte-Ludolf Ba bin, Reinhard F ins t e rund Gerd van den Heu ve I. (=Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Reihe I. Bd. 16). Berlin: Akademie-Verlag 2000, LI, 891 S., Abb., 258 Die kritische Gesamtausgabe der Werke von G. W. Leibniz, die mit dem vorliegenden Band erstmals in dieser Zeitschrift angezeigt und besprochen wird, ist 1901 als französisch-deutsches Gemeinschaftsunternehmen geplant worden, das jedoch nach dem ersten Weltkrieg allein unter Obhut der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Angriff genommen werden konnte. Nach dem 1923 erschienenen ersten Band des Allgemeinen politischen und historischen Briefwechsels sind bis zum Jahre Bände dieser Reihe mit den Korrespondenzen bis zum Ende des 17. Jahrhundert erschienen. Die Leibniz Ausgabe gehört zu den wenigen geisteswissenschaftlichen Unternehmen, die auch während der deutschen Spaltung in beiden Teilen Deutschlands fortgeführt werden konnten. Nach der Wiedervereinigung und einer Konsolidierungsphase sind nunmehr zwei Akademien für ihre Herausgabe verantwortlich. Seit dem 1964 erschienenen 7. Band des Allgemeinen politischen und historischen Briefwechsels wird diese Reihe vom Leibniz-Archiv der Niedersächsischen Landesbibliothek in Hannover betreut. Leibniz' Korrespondenz spiegelt wegen der vielseitigen Interessen und Arbeitsgebiete des Universalgenies nicht nur das politische, gesellschaftliche, geistige und kulturelle Geschehen Europas zu seiner Lebenszeit ( ) wider, sondern sie ist auf allen diesen Gebieten auch eine außergewöhnlich reiche Fundgrube für die Geschichte Niedersachsens, seit Leibniz 1676 Hofrat in Hannover wurde und 1691 zusätzlich das Direktorat der Bibliotheca Augusta in Wolfenbüttel übernommen hat. In dem vorliegenden 16. Band der Reihe I, der die Korrespondenzen der Monate Oktober 1698 bis April 1699 umfaßt, sind insgesamt 475 Briefe gewechselt worden, von

284 282 Rezensionen und Anzeigen denen 317 erstmals aus den Handschriften ediert wurden, 198 Briefe stammen von Leibniz, 275 sind an ihn gerichtet. Von den Leibnizbriefen waren bisher nur 74, von den Korrespondentenbriefen 33 bekannt. Die von den Bearbeitern des Bandes verfaßte Einleitung informiert sachkundig und zuverlässig über die Vielfalt der in den Texten behandelten Themenbereiche. Mit den 100 Seiten umfassenden Indices (Korrespondenten, Personen, Schriften, Sachen, Absendeorte der Briefe) wird die Benutzung des Bandes erheblich erleichtert. Am Schluß befindet sich ein Nachweis der Siglen, Abkürzungen und Berichtigungen. In die Berichtszeit des Bandes fallen zwei wesentliche Veränderungen im persönlichen Umfeld von Leibniz, denn im Herbst 1698 wird die kurfürstliche Bibliothek in Hannover von der Leinstraße in die Schmiedestraße in jenen Renaissancebau verlegt, der bis zu seinem Tode sein Wohnsitz bleiben sollte und der heute seinen Namen trägt. Sieht man einmal von den Verzögerungen im Briefverkehr ab, so sind seine Aktivitäten durch den naturgemäß lästigen und unangenehmen Umzug kaum behindert worden. Mit Leibniz ziehen sein Sekretär R. Chr. Wagner, der Schreiber M. Zabany und der Diener Ulrich um, während der an der Rechenmaschine arbeitende Uhrmacher A. Scherp eine separate Wohnung behält. Einen wesentlichen Einschnitt bedeutet auch die Entlassung des historischen Mitarbeiters J. F. Feiler, der in Wolfenbüttel Quellenexzerpte für die Wclfengeschichte anfertigt, die sich bis zum Ende des 12. Jahrhunderts erstrecken. Sie belegen, daß Leibniz damals noch nicht sein gestecktes Ziel aus den Augen verloren hat, das "Opus historieum" bis zum Jahre 1235 fortzuführen. Fellers Funktion übernimmt nunmehr bis zu Leibniz' Tode J. G. Eckhardt. Feiler, der sich von Leibniz ungerecht behandelt sieht, rächt sich bei seinem Abgang mit einem Pamphlet (N. 474), da~ er an Herzog Rudolf August richtet und darin ein vernichtendes Urteil über Leibniz' Wirken als Direktor der Wolfenbüttcler Bibliothek fällt. Mit persönlicher Genugtuung dürfte Leibniz im Februar 1699 die Nachricht zur Kenntnis genommen haben, daß er zum auswärtigen Mitglied der Pariser Academie des Sciences nominiert worden sei. Enttäuscht ist er allerdings darüber, daß auswärtige Mitglieder keine Vergütung erwarten können. Die in den Korrespondenzen behandelten Themen knüpfen unmittelbar an jene des Vorgängerbandes an, wobei auffällt, daß in der amtlichen Korrespondenz Rangfragen und Angelegenheiten der Neunten Kur kaum noch eine Rolle spielen. Dagegen beginnt sich Leibniz ohne dienstlichen Auftrag auf dem Gebiet der welfischen Hauspolitik mit der möglichen englischen Thronfolge zu befassen. So kann er es als einen bemerkenswerten persönlichen Erfolg verbuchen, daß die cellische Herzogin Eleonore d'olbreuse auf sein Anraten Gespräche mit dem im September 1698 auf einem Jagdbesuch in der Göhrde weilenden englischen König Wilhelm 111. führt, die zum Ziele haben, das hannoversche Anrecht auf den englischen Thron abzusichern, Vorschläge, die der König wohlwollend zur Kenntnis genommen haben soll (S. XXXII). Leibniz' eigentlicher dienstlicher Auftrag in Hannover besteht jedoch darin, den Gedenkband "Monumentum Gloriae" für den verstorbenen Kurfürsten Ernst August zu gestalten, wozu eine Kontaktaufnahme zu Malern und Kupferstechern erforderlich wird. Maßgeblich beteiligt er sich auch mit Gedichten und ikonographischen Entwürfen an der öffentlichen Präsentation der für das Welfenhaus prestigeträchtigen Hochzeit der hannoverschen Prinzessin Wilhelmine Amalie mit dem Römischen König Joseph, wofür sich die Braut bei Leibniz brieflich bedankt (N. 40). Das einhellige positive Echo auf die Edition des "Codex juris gentium" und der "Accessiones historicae" nimmt Leibniz mit Genugtuung zur Kenntnis und entschließt sich, auf diesem Wege fortzufahren. Auch die Sammlung von Quellen zur Welfengeschichte verliert er nicht aus den Augen. Der hierfür in England tätige F. A. Hackmann berichtet laufend von dort über seine Forschungsergebnisse. Schließlich muß sich Leibniz auch im privaten

285 Rezensionen und Anzeigen 283 Auftrag des cellischen Premierministers A. G. von Bernstorff mit historischen Themen befassen, denn dieser streitet mit Behörden der Landesherrschaft über den Umfang der Jagdrechte des hohen Adels. Die von Leibniz für Bernstorff verfaßte umfangreiche Untersuchung" Vom Ursprung und Veränderung des Jagtrechts" (N. 24) wägt sorgfältig ab und ist in der Beurteilung zurückhaltend, so daß es eher unwahrscheinlich ist, daß sie im Prozess eine Rolle gespielt hat. Wie die über 100 in Braunschweig, Wolfenbütte1 und Helmstedt geschriebenen Briefe dieses Bandes belegen, besteht die enge Bindung an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel unvermindert fort. Dies hängt zweifellos mit dem freundschaftlichen Verhältnis zum regierenden Herzog Anton Ulrich zusammen, mit dem Leibniz nicht nur in kontinuierlichem brieflichen, sondern auch persönlichen Kontakt steht, wie seine Aufzeichnung einer Vielfalt von Themen belegt, die er mit dem Herzog mündlich erörtern will (N. 89). Als Direktor der Bibliotheca Augusta in Wolfcnbüttel empfängt er während seiner Abwesenheit die brieflichen Tätigkeitsberichte der beiden Bibliothekssekretäre J. Th. Reinerding und J. G. Sieverds. Um die Abwicklung finanzieller Angelegenheiten kümmern sich der Kammersekretär J. U. Müller und Leibniz' Hauswirt J. Chr. Balcke, der gleichzeitig als Berichterstatter fungiert. Wegen der Besetzung vakanter Lehrstühle der Helmstedter Universität wendet sich Leibniz an den Geheimen Rat J. U. Lüdecke, und den französischen Gesandten Ch. F. Du Heron bittet er, sich bei dem französischen Bischof J. B. Bossuet für die Wiederaufnahme der Reunionsverhandlungen zu verwenden. Leibniz verknüpft seine Aufenthalte in Braunschweig und Wolfenbüttel im November 1698 und Februar 1699 mit Reisen nach Berlin, um dort mit dem reformierten Hofprediger D. E. Jablonski die Möglichkeiten einer innerprotestantischen Union zu erörtern, wobei die von Jablonski verfaßte Schrift "Kurtze Vorstellung der Einigkeit und des Unterscheides im Glauben, beyder Evangelischen so genandten Lutherischen und Reformirten Kirchen" und das von Leibniz und Molanus verfaßte "Unvorgreiffliche Bedencken" als Grundlage dienen. Mit diesem Thema befaßt Leibniz auch die Helmstedter Theologen J. Fabricius und J. A. Schmidt, für deren Gehaltserhöhung er sich bei der Landesherrschaft einsetzt. Von Leihniz wieder aufgenommen bzw. fortgeführt werden gleichzeitig auch die protestantischkatholischen Reunionsgespräche mit J. B. Bossuet und Graf Buchhaim, dem Bischof von Wiener Neustadt. Wie früher sind in diese Verhandlungen Herzog Anton Ulrich und die Kurfürstin Sophie eingebunden, die sich von Leibniz in einem wieder regen Briefwechsel unterrichten läßt, daß das neue Jahrhundert mit dem Jahre 1701 beginnt. Über den Stand der Reunionsverhandlungen werden auch Kurfürst Georg Ludwig und sein Premierminister F. E. von Platen unterrichtet. Einer Einladung der Kurfürstin Sophie Charlotte nach Berlin kann Leibniz nicht Folge leisten. Diese Einladung zeigt jedoch die Wertschätzung, die sie für Leibniz hegt und die darauf hindeutet, daß Berlin für ihn in den kommenden Jahren neben Hannover und Wolfenbüttel eine immer größere Bedeutung gewinnen wird. Leibniz' brennendes Interesse für das Zeitgeschehen ist ungebrochen. Er diskutiert mit seinen Briefpartnern die sich abzeichnenden Konflikte im Norden, den drohenden Krieg um das spanische Erbe sowie die Bedeutung des Friedensschlusses von Karlowitz und beurteilt nach einer kritischen Analyse die außenpolitische Lage. Auf sprachwissenschaftlichem Gebiet nehmen Fragen der Etymologie und das Problem eines für alle Sprachen zu schaffenden Alphabets im Briefwechsel einen breiten Raum ein. Nicht unerwähnt sollte schließlich bleiben, daß mit der Erörterung der Bedeutung von Mystizismus und Quietismus auch philosophische Themen erörtert werden und daß mathematische und naturwissenschaftliche Fragen im Briefwechsel ebenfalls eine Rolle spielen.

286 284 Rezensionen und Anzeigen Wie bisher sind die Texte auch dieses Bandes wieder philologisch sorgfältig ediert und mit einem zuverlässigen Lesarten- und Anmerkungsapparat versehen. Ergänzen ließe sich allerdings, daß die auf S. 138 genannten Personen M. Charles und Mad. Kufstein unschwer mit dem damaligen französischen Gesandten Charles Du Heron und mit Clara Elisabeth von Coppenstein identifiziert werden können, die beide Korrespondenzpartner von Leibniz gewesen sind. Die Fundortangabe dieses Briefes müßte richtig BI lauten. Zu den Korrespondentenbiographien wäre anzumerken, daß der Hofbuchhändler Nicolaus Förster (S. 796) am in Erfurt geboren wurde und daß der Student H. B. Bergmann (S. 793) von als Amanuensis an der Bibliothek beschäftigt war. Über den nicht näher identifizierten Barbier Conrad Carll (S. 795) berichtet die hannoversche Kopfsteuerbeschreibung von 1689, daß er das Barnstorffsche Haus in der Köbelingerstrasse gekauft hahe. Günter Scheel Manfred Na u man n, Stendhals Deutschland. Impressionen über Land und Leute. Weimar: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, 2001, 365 S., Manfred Naumann, em. Professor für Romanistik in Jena, Rostock und an der Humboldt Universität Berlin, Direktor am Zentralinstitut für Literaturgeschichte an der Berliner Akademie der Wissenschaften bis 1990, hat nach jahrelanger Beschäftigung mit Stendhal (u. a. als Herausgeber einer 12-bändigen deutschen Stendhal-Ausgabe "Gesammelte Werke in Einzelbänden" ) eine Stendhal-Darstellung vorgelegt, die - mit an Madame de StaCis "De l'allemagne" (1810) erinnerndem Untertitel - einen gewichtigen Fortschritt darstellt für die Lebensbeschreibung dieses insbesondere an Frankreich, Italien und Deutschland interessierten europäischen Schriftstellers des 19. Jahrhunderts. Fortschritt auch gegenüber der jüngst erschienenen "kritischen" Stendhal-Biographie von Robert Alter (engl. 1979, deutsch 1982), die N. zu Recht in seinem Literaturverzeichnis unerwähnt gelassen hat. Die Braunschweiger Region und Stendhals hiesige Tätigkeit werden im Kapitel "Engagements im Königreich Westfalen" (S ) vorgestellt. N. behandelt auf 90 Seiten seine vielfältigen Aktivitäten als "Kriegskommissar-Adjunkt" (zunächst "auf Zeit") in Braunschweig und Umgebung ( ): Am traf er aus Berlin kommend im Gefolge seines Vetters und künftigen Vorgesetzten, des Intendanten (Zivilgouverneurs) von Braunschweig Martial Daru hier ein, nahm mit ihm und mit Dominique-Vivant Denon, dem Beauftragten Napoleons für die Herbeischaffung von Kunst- und Kulturgütern aus den besetzten Ländern Europas, an Requirierungen von Büchern, Handschriften und Kunstwerken in Wolfenbüttel, Braunsehweig und Salzdahlum teil; hatte vielfältige, nicht immer erquickliche Verwaltungssachen zu erledigen, versank aber nicht in Routine; schloss Freundschaft mit Karl Friedrich von Strombeck und Philippine von Bülow; verstrickte sich in Affären mit hochgestellten und anderen Damen, wurde aber von der "unsterblichen Geliebten" Wilhelmine von Griesheim nicht erhört, gedachte ihrer daher oft in Gestalten seiner späteren Werke; studierte - namentlich auf Ausflügen - Land und Leute des Braunschweiger Raumes und beschrieb beide; lieh sich Bücher aus Wolfenbüttel und beschäftigte sich mit historischen Ereignissen - kurz, die Braunschweiger Zeit war für Stendhal beruflich wie privat randvoll gefüllt und wird von N. lebendig und mit Quellen ausführlich untermauert geschildert. Ein lesenswerter Beitrag zur Braunschweiger Landesgeschichte, aber auch anregend, um Einzelheiten vertieft nachzugehen: Stendhals Verwaltungstätigkei-

287 Rezensionen und Anzeigen 285 ten (besonders den Requirierungen), seiner Lektüre und seinen historischen Interessen, seinen Bekanntschaften und Affären in und um Braunschweig Wolfgang Milde Rolf Ball 0 fund Joaehim Fra s s I (Hg.), Die Jacobson-Schule. Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der Jacobson-Schule in Seesen. Seesen: Selbstverlag Jacobson-Gymnasium 2001,347 S., Abb., Der Schul betrieb des renommierten Seesener Bildungsinstituts mit angegliedertem Internat begann im Oktober 1801 zunächst nur für Söhne jüdischer Familien, ab Januar 1802 dann auch für christliche Schüler, die von jüdischen und christlichen Lehrern unterrichtet wurden. Der Einzugsbereich dieser einzigartigen Simultanschule erstreckte sich bald nicht nur auf das Land Braunschweig, sondern auf ganz Deutschland und Europa, sogar bis in die USA. Der geschichtliche Abriss (S ) von Rolf Ballof (seit 1972 Schulleiter) in der hier anzuzeigenden Jubiläumsschrift schildert, wie die Schule bis 1921 als Privatschule (seit 1857 als Stiftung) existieren konnte, dann aus Finanznot dem Staat übertragen werden musste. In der NS-Zeit (S ) blieb sie als "Staatliche Oberrealschule Seesen" bestehen: 1933 wurden der Schulleiter offenbar aus politischen und drei weitere Lehrer aus rassischen Gründen entlassen, bis 1936 mussten alle jüdischen Kinder die Schule verlassen. Nachfolger des 1933 verjagten Kunstlehrers wurde der Seesener Künstler und Kunstpädagoge Gerhard Schrader, der dort bis 1977 lehrte. Joachim Frassi, seit 1977 Kunsterzieher am Jacobson-Gymnasium, widmet sich ihm (S ) unter Verweisen auf den Aufsatz von Henrike Junge-Gent ( ebenfalls dort Kunsterzieherin) im Ausstellungskatalog "Deutsche Kunst in Braunschweig. Kunst im Nationalsozialismus" (Besprechung: Brsg. Jb. 82, 2001, S. 247 f.). Die berühmte Synagoge wurde in der Pogromnacht 1938 zerstört (Fotos: S. 117), das Schülerheim 1943 in eine Heimschule umgewandelt und der "Inspektion der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten" der SS unterstellt. Nach dem Krieg lebten dort "Displaced Pcrsons". Bemerkenswert sind auch die überraschend heftigen,,68er"-konflikte zwischen Schülern und Lehrern von 1965 bis ca (S ). Seit 1975 heißt die Schule wieder nach ihrem Gründer "Jacobson-Gymnasium". Die Schwerpunkte der Festschrift liegen im 19. Jahrhundert: Ballofs Lebensbeschreibung (S ) Israel Jacobsons, des Landesrabbiners des Weserdistriktes und Braunschweigischen Kammeragenten, die Ausführungen zum simultanen Charakter der Schule (S , Ballof), dann die mit Erläuterungen versehenen Abdrucke von Gründungsdokumenten, Lehrplänen, zeitgenössischen Denkschriften über die Schule (S , Ballof, Meike Berg) sowie Urteile von Historikern üher Jacohson von 1828 bis 1996 (S ) dokumentieren die besonderen pädagogischen Ziele und die Leistung des Gründers dieser bedeutenden Bildungsanstalt. Zusammen mit dem "Statistischen Teil" (S ) - darunter Listen der Namen aller Lehrer seit 1801 mit ihren Unterrichtsfächern und Positionen an der Schule (S ) und aller Abiturienten seit 1926 (S ) sowie Diagramme der Schülerzahlen (S ) und der Abiturprüfungsfächer seit 1977 (S.31O-322) - und den Aufsätzen von Manfred Klaube (S ) zur Herkunft der Schüler aus dem bis zur Gebietsrcform 1974 hildesheimisehen Bockenem (sozialgeschichtlieh interessant besonders für die NS-Zeit) und von Joachim Frassl zur "Kunst am Jacobson" (S , s.o.) liegt hier eine eindrucksvolle Materialbasis für bildungsgeschichtliche Studien vor. Häufig verwiesen wird in den Texten be-

288 286 Rezensionen und Anzeigen reits auf Meike Bergs Dissertation aus dem Jahr 2000, "Jüdische Schulen in Niedersachsen... bis 1938 (Jacobson-Schule in Seesen und Samson-Schule in Wolfenbüttel)", die aber bis August 2002 noch nicht im Druck vorlag. Aufschlussreiche Einblicke in die sich unter den Einflüssen des jeweiligen Zeitgeistes wandelnde Rezeption von Israel Jacobsons Idealen an der Schule bieten die Festschriften zu früheren Jubiläumsfeiern (S , Ballof). Hervorzuheben ist die sorgfältige, mit ausführlichen Literaturangaben und 71 Abbildungen versehene Abhandlung zur Baugeschichte der Schule von Joachim Frassl (S ; S ). Besonderes Augenmerk richtet er auf die 1810 von Jacobson erbaute Synagoge (S ) und ordnet ihre bemerkenswerte Konzeption in die architekturgeschichtlichen Zusammenhänge ein (zum Modell der Rekonstruktion durch die Technische Universität Braunschweig: S ). Erlebnisberichte ehemaliger Schüler aus der Kriegs- und frühen Nachkriegszeit (S ) und im Text verstreute Fotos von Schülern setzen individuelle Akzente, Fotos des Lehrerkollegiums und Listen der Schüler des Jubiläumsjahres (S ) schließen den Band ab. Zu bemängeln sind ein etwas unübersichtlicher Aufbau der Festschrift insgesamt und einzelner Beiträge, das unhandliche DIN A 4-Querformat sowie F1üchtigkeiten in der Textgestaltung und viele Schreibfehler, leider auch im Abschnitt "Bibliothek und Archiv" (S , Ballof) bei den Angaben zu den im Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel deponierten Schulakten (S. 193): Sie bilden den Bestand 167 N (Schularchiv ), einige Bände befinden sich auch in 251 N (Kleinere Deposita). Versöhnlich stimmen dagegen die zahlreichen schwarz-weißen Abbildungen. Diese Monita sind nur Marginalien angesichts der erkennbar großen Mühe, die die Autoren und Herausgeber mit spürbarem Engagement auf sich genommen haben, um eine derart beachtliche Materialfülle zu präsentieren, die vielfältige Anreize und Grundlagen für weitere Forschungen bietet. Für diese Untersuchungen stehen auch im Staatsarchiv Wolfenbüttel noch bedeutende staatliche, kommunale und private Überlieferungen zur Jacobson-Schule und zur Seesener Synagoge zur Verfügung, die bisher nicht erschöpfend ausgewertet wurden. Ulrike Strauß Bernd We dem e ye r u. Eva Maria Will e m sen, Braunschweiger Hofkultur Ausstattung und Fragmente des ehemaligen Residenzschlosses. Braunschweig: Pigge Druck Osterwieck 2001, 552 S., 30 Wer einen Essay über Braunschweiger Hofkultur zwischen 1830 und 1918 erwartet, wie der Titel vermuten ließe, wird eines anderen belehrt - denn dieses Buch ist weitaus mehr. Eine mehr als sechsjährige Suche und Erfassung der Fragmente von Bau und Ausstattung des zerstörten Braunschweiger Schlosses fließt in diese Dokumentation ein, deren Kosten von der Richard Borek Stiftung getragen wurden. Unprätentiös im Aufbau, handelt es sich zunächst um einen scheinbar schlichten Katalog. In 320 Katalognummern dokumentieren sich die Ergebnisse der Autoren, die dem Verbleib von über 700 Objekten und Gruppen nachgespürt haben, Fragmenten von Bauteilen und der originalen Ausstattung des ehemaligen Braunschweiger Residenzschlosses. Das Buch erschien 2001 zur 170. Wiederkehr des 1. Spatenstichs und ist earl Theodor Ottmer ( ), Herzoglich Braunschweigischer Hofbaumeister, zum 200. Geburtstag am 19. Januar 2000 gewidmet. Nicht zuletzt ist es daher auch eine Würdigung der Arbeit Ottmers, die eine Vorstellung vom Werk dieses Architekten gewinnen lässt (vgl. den Ausstellungskatalog von 2000, Brsg. Jb. 81 [2000) S. 288 ff.). Von hier aus rückt Braun-

289 Rezensionen und Anzeigen 287 schweig in den Spannungsraum zwischen der Architektur Berlins, ausgehend von Karl Friedrich Sehinkel, und Münchens mit Leo von Klenze, ebenso wie es in eine Reihe mit Umgestaltungen anderer europäischer Städte im 19. Jh., darunter Paris und Florenz, zu stellen ist. Entsprechend den einzelnen Epochen der Entwicklung der Schlossanlage ist die Arbeit chronologisch gegliedert. Jeweils den Objektgruppen vorangestellt sind einführende Texte, die eine kunst- und kulturgeschichtliche Einordnung und Bewertung der erfassten Originale liefern. Diese Texte bieten gleichzeitig einen soliden Überblick über Kunsthandwerk und Geschmack in Braunsehweig zwischen 1830 und Maße, Datierung, Zustand, Provenienz und Verbleib der Stücke wurden mit größter Genauigkeit recherchiert, ergänzt durch Nachweise von Archivalien und Fachliteratur und in einer detaillierten beschreibenden Erfassung wiedergegeben. In dem als" Würdigung" bezeichneten Absatz erschließen die Autoren dann aus der Summe der herangezogenen Quellen, wo im Schloss sich die betreffende Objekte lokalisieren lassen, rekonstruieren so die ehemalige Einrichtung und damit eben den Ort, in dem diese Hofkultur sich entfaltete. Selbst kleinste, zunächst scheinbar unbedeutende Ausstattungsstücke sind beachtet. An ihnen wird deutlich, wie durch umfassende Sachkenntnis und wissenschaftliche Genauigkeit auch aus einem eher banalen Gegenstand, wie z. B. den in Japan hergestellten Aschenbechern, Aussagen zu gewinnen sind: Ein Exkurs führt ins Kunsthandwerk Japans ein, das sich damals erst kurz der restlichen Welt geöffnet hatte. Hinweise auf Ausstatter, Händler, Transporteure und der Wege des Warenhandcls um 1900 knüpfen sich an und führen zu Ergebnissen über wirtschafts- und sozialgeschichtliche Zusammenhänge, in dessen Mittelpunkt hier das Braunschweig des 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts steht. Die Menge der geleisteten Arbeit und die Fülle der aufgenommenen Spuren über den Verbleib der Originale reicht über Deutschland hinaus, die Mehrzahl allerdings hat sich (und wird sich wohl noch weiter) von Wolfenbütte1 bis Celle, von Wernigerode bis Hannover finden lassen. Dazu zählen Institutionen, wie das Braunschweiger Staatstheater, unter dessen Requisiten sich Originale der Schlossausstattung befinden, die Museen der Region ebenso wie Privatpersonen. Schriftliche Quellen haben sich einmal mehr im Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel erhalten. Dazu zählt auch ein bislang unbeachteter Fundus von Kartenmaterial zum Bau des Schlosses (Archivsignatur: K BI. 1-52), der aufgrund seiner Bedeutung eine gesonderte Publikation durch Bernd Wedemeyer erfahren wird. Dieses Schloss schien mit seinem Abriss völlig aus dem Gesicht einer Stadt gelöscht worden zu sein, deren Gestalt und innerer Rhythmus mit seiner Zerstörung gleichzeitig entscheidend verändert worden waren. Der vorliegenden gründlichen, soliden und wissenschaftlich vorbildlichen Arbeit ist es zu verdanken, dass eine doch erstaunlich große Menge an Erhaltenem erfasst werden kann. Beatrice Marnette-Kühl Harald M eie r, Kurt Neu man n : Harzburg. Chronik einer Stadt. Hg. von der Stadt Bad Harzburg. Hildesheim: Lax XXIV, 728 S., Abb., 40 Die Stadt Bad Harzburg hat eine Chronik in Auftrag gegeben, um über die Entwicklung der Stadt und des dazugehörigen Gebietes des ehemaligen braunschweigischen Amtsbezirkes "ein lebendiges, aufschlussreiches und auch kritisches Bild der Stadt in ihrer ganzen Vielfalt" (Vorwort des Bürgermeisters, S. XXI) zu erhalten. Harald Meier und Kurt Neumann haben auf 728 Seiten ein gut lesbares Buch geschrieben, das sich schwerpunktmäßig

290 288 Rezensionen und Anzeigen auf das 19. und 20. Jahrhundert bezieht. Mindestens 220 Seiten, also knapp 1/3, befassen sich mit der Vorphase und Dauer des sogenannten Dritten Reiches (u.a.,harzburger Front'). Stadt, Stiftung Nord LB/ Öffentliche und Spielbank Bad Harzburg finanzierten die Herstellung. Das Buch beginnt mit einem knappen chronologischen Überblick (=Teil A) über die Geschichte des Amtsbezirkes und seiner Gemeinden. Im zweiten Teil werden die für bestimmte Zeitabschnitte wichtigen Strukturen behandelt, eingeteilt in die Abschnitte,,19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg",,,1912 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges" sowie" 1945 bis heute" (Teil B). Es schließt sich als Teil C ein Großkapitel über heute noch existierende bedeutende Betriebe, Einrichtungen und Vereinigungen an (u. a. das Vollblutgestüt Bündheim, der Harzburger Rennverein, die Presse, die Spielbank, die Harzburger Akademie, Schulen und Kirchen). Deutlich wird das Anliegen der Verfasser, dass das Buch von möglichst vielen Harzburgern gelesen wird. Auch in einer Ortsgeschichte möchten die Autoren Kontroversen und Konflikte darstellen und "aus demokratischer Sicht den Handelnden Gerechtigkeit widerfahren... lassen" (Einführung, S. XXIII). Diesem Ziel dient ein essayistisch, journalistischer Stil. So wird die öffentliche Einschwörung auf Harmonie und Einheitlichkeit im Kaiserreich (,Volksgemeinschaft') verdeutlicht mit den Worten, es habe damals noch keine Streitkultur gegeben. Der journalistische Stil führt dabei zu interessanten und eigenwilligen Begrifflichkeiten, die sich nicht immer mit der Aussage der vielleicht eher,spröden' wissenschaftlichen Begriffe vollständig decken. Sie dienen jedoch durchaus dazu, vergangene Ereignisse in erfrischender Weise zu veranschaulichen (Überschriften:,Der Staat als Unternehmer und Verhinderer';,Sozialanalyse von Amsberg - vorweggenommenes Marketing';,Das neue Regime ab 1933 ließ aufmarschieren und gleichschalten'). Verschiedene Interessenkonflikte innerhalb der Stadt und gegenüber dem braunschweigischen Staat werden deutlich (Bäder- gegen Stadtpartei). Auch zwischen den umliegenden Orten mit Industrie und dem,bürgerlichen' Harzburg bestanden durchaus Spannungen. Bad Harzburg selbst erfuhr im 20. Jahrhundert den dramatischen Umschwung vom Luxusbad im Kaiserreich zum Kurort in der Nähe des Eisernen Vorhanges. Ausdrücklich hervorgehoben sei, dar.s die Zeit "im Vorfeld und während der nationalsozialistischen Herrschaft" (Vorwort des Bürgermeisters, S. XXI) von intensiv und ausführlich auch an persönlichen Beispielen von Tätern und Opfern in biographischer Form geschildert wird. Namen werden nicht verschwiegen. Die Ereignisse um die,harlburger Front' werden detailliert geschildert. Dem Schicksal jüdischer Bürger, der Arisierung ihres Besitzes und den Vorgängen in der Pogromnacht wird ein Kapitel gewidmet. Dies ist eine Stärke des Buches, um so mehr, als es mit Unterstützung der Stadt Bad Harzburg entstanden ist. Harzburg galt ja nicht zuletzt auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als Rückzugsort für ehemalige Rechte bzw. Nazis (u.a. Klagges in Bündheim). An dieser Stelle sei allerdings ein ergänzender Hinweis darauf erlaubt, dass die braune Vergangenheit von Reinhard Höhn etwas kurz geraten ist. Der Gründer der Harzburger Akademie, der Bad Harzburg nach dem Zweiten Weltkrieg bundesweit zusätzliche Bekanntheit verschaffte, war nicht irgendein "prominenter Angehöriger des SS-Apparates" (S. 540). Dies haben neu este Forschungen eindrucksvoll bestätigt. Höhn war als Mitarbeiter im Sicherheitsdienst-Inland (Reichssicherheitshauptamt) einer der derjenigen, die sich als (akademische) Elite im Nazi-Deutschland verstanden und dabei nationalsozialistische Ideologie umsetzten und intellektuell untermauerten. Die Verbindungen Höhns zur Wirtschaft der Bundesrepublik können durchaus noch dem alten Netz von Verbindungen des Sicherheitsdienstes zu verdanken sein (vgl. Norbert Frei, "Karrieren im Zwielicht". Hitlers Eliten nach Frankfurt am Main - New York 2001).

291 Rezensionen und Anzeigen 289 Im Abschnitt über Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter wird ihre Zahl in den Betrieben und Bergwerken in und um Bad Harzburg, soweit bekannt, nüchtern und sachlich dokumentiert. Die unmenschlichen Bedingungen des Lebens von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen (dies durchaus keine Synonyme) gerade aueh in Bergwerken und in Arbeitslagern könnten eindringlicher herausgestellt werden. Hier gibt es sicherlich Bedarf für ergänzende wissenschaftliche Forschungen. Leider fehlen die genauen Quellennachweise. Auch wenn interessierte Leser wohl dankbar sind, einmal nicht über einen Anmerkungsapparat zu stolpern, wäre für eine weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit dem sogenannten Dritten Reich in Bad Harzburg eine engere Verzahnung von Text und Zitaten mit genauen Quellenangaben wünschenswert. Verfasser und Bürgermeister haben bereits vorausgeahnt, dass Leser der Chronik Ergänzungen vorschlagen. Sie haben im Vorwort und in der Einleitung auf die notwendige Unvollständigkeit der Chronik und den Facettenreichtum hingewiesen. Indem sie dem Buch eine kritische Leserschaft wünschen, fühlt sich die Rezensentin mit ihren Hinweisen durch die Verfasser selbst ermuntert. Im Sinne der Verfasser und der Herausgeber ist der Chronik Bad Harzburgs ein lebhaftes Echo und eine kritische Auseinandersetzung zu wünschen. Gudrun Fiedler Erika Es ehe b ach (Hg.), Deutsche Kunst in Braunschweig. Vorträge zur Ausstellung ( ) (Braunschweiger Werkstücke B 20), Braunschweig: Heckner Wolfenbüttel 2001, 326, Abb., Die hier gedruckten drei Reden und 10 Vorträge führen begleitend in das gleichnamige Ausstellungsthema ein (dazu der gleichnamige große Ausstellungskatalog von 2000 im Verlag Georg Olms, der ebenfalls von Erika Eschebach betreut wurde, s. Brsg. Jb. 82, 2001, S. 247f.) und beleuchten mit zwei Ausnahmen nur allgemeine, nicht speziell braunschweigische Aspekte der Kunst im Nationalsozialismus, u. a. Film, Fotografie, die sogenannte "Entartete Kunst", Aktmalerei usw. Theoretisch breit ausgeführt wird, wie NS Kunst einzuordnen sei und wie man mit ihr umgehen sollte. Für die braunschweigische Region speziell relevant ist lediglich neben einem Essay von H. -u, Ludewig über die NS Zeit im Land Braunschweig besonders der Aufsatz von Dietrich Kuessner über "Kunst und Kirche im Nationalsozialismus". Zu diesem bisher völlig unbehandelten Thema kann K. feststellen, dass ganz im Gegensatz zur herrschenden Meinung im Dritten Reich durchaus in nennenswertem Umfang in Deutschland Kirchen gebaut worden sind, u. a. auch im Land Braunschweig. K. resümiert hinsichtlich Konzeption und Baustil der braunschweigisehen Kirchenneubauten in der NS-Ära, dass ein einheitlicher Stil nicht zu erkennen sei. Nur die Stadtbraunschweiger Bugenhagenkirche verkörpere vereinzelt den dem Nationalsozialismus konformen heroischen Stiltypus. Das Georgsglasfenster im Hohen Chor des Braunschweiger "Staatsdomes" deutet K. schließlich als deutsch-christliche Symbolik im Sinne der nationalreligiösen Weltanschauungsideologie von KJagges. Eine totale Entchristlichung des Staatsdomes kann K. aus verschiedenen Gründen nicht konstatieren. Dieter Lent

292 290 Rezensionen und Anzeigen Bernhard Freist, Ludwig Beyer ( ): Direktor von Neuerkerode; Pastor in spannungsvoller Zeit (Quellen und Beiträge zur Geschichte der Evangelischen-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, Heft 7). Wolfenbüttel: Selbstverlag der Evangelischlutherischen Landeskirche in Braunschweig, 2001, 88 S., Abb., 5 In der vorliegenden biographischen Studie über den langjährigen Direktor der Neuerkeröder Anstalten, Ludwig Beyer, versucht sein Enkel, der evangelische Theologe Bernhard Freist, die Persönlichkeit seines Großvaters näher vorzustellen und dessen inneren Werdegang und theologisches Denken zu skizzieren. Anliegen Freists ist es dabei, das Bild seines Großvaters zu korrigieren, welches seiner Meinung nach in Joachim Kliemes Studie über die Neuerkeröder Anstalten (Ausgrenzung aus der NS-" Volksgemeinschaft". Die Neuerkeröder Anstalten in der Zeit des Nationalsozialismus , Braunschweig 1997) verzerrt wiedergegeben wurde. Vor allem versucht er die von Klieme beschriebene Nähe Beyers zum Nationalsozialismus zu widerlegen. Als Belege dienen ihm dabei vor allem persönliche Briefe Beyers und seiner Familie, mit denen er die offiziellen Verlautbarungen Beyers, die K1ieme für seine Beurteilung Beyers herangezogen hat, relativieren möchte. Freist schildert den biographischen Werdegang Beyers bis zur Berufung zum Direktor der Neuerkeröder Anstalten Ende Anschließend geht er auf die 25jährige Tätigkeit seines Großvaters in Neuerkerode ein, versucht Schwierigkeiten, erreichte Leistungen, Erfolge und Misserfolge zu beschreiben. Schwerpunktmäßig wird dabei die Zeit des Nationalsozialismus behandelt, die die Neuerkeröder Anstalten in Sachen Zwangssterilisierung und Euthanasie vor schwierigste Herausforderungen stellte. Freist schildert Beyer als einen typisch deutschen Konservativen der Kaiserzcit und der Weimarer Republik, der mit Demokratie und Sozialdemokraten nichts im Sinne hatte. Auch das antisemitische Zitat von Beyer passt dazu, welches Freist demzufolge auch eher als Zeitgeistäußerung denn als persönliche Antipathie gegenüber Juden zu werten ist. Nach den Wahlen 1930 in Braunschweig trat Beyer demzufolge auch für ein Zusammengehen der Bürgerlichen mit der NSDAP in der Landesregierung ein; die junge Partei werde sich schon mausern, und ein Zusammengehen mit ihr sei einer Zusammenarbeit mit der SPD auf jeden Fall vorzuziehen - ein typischer, fataler Irrtum der Konservativen jener Jahre! In der Zeit des "Dritten Reiches" sei Beyer dann dcn schwersten Weg gegangen, sei im Amt geblieben, um Schlimmeres zu verhindern. Er habe eine Konfliktvermeidungsstrategie an den Tag gelegt, um die Anstalt bestmöglich zu schützen. Seine wahren, NS-kritischen Ansichten seien lediglich in persönlichen Briefen an seine Familie zum Ausdruck gekommen, dies aber auch nur bis Mitte der Dreißigerjahre. Danach habe er sich zu politischen Fragen nicht mehr geäußert. Trotz der äußerlichen Anpassung kam es zu schweren Eingriffen in die Anstalt, nicht zuletzt wurden Zwangssterilisationen durchgeführt, deren Verfügungen die Unterschrift Beyers tragen. Zum anderen verlegte man 1940 jüdische Anstaltsbewohner in "Krankenhäuser", wo sie unter strengster Geheimhaltung getötet wurden. Erst im Frühjahr 1941 nahm Beyer - inzwischen schon durch schwere Krankheiten gezeichnet - seinen Abschied, weil er die Nachfolge geregelt glaubte. Im folgenden Jahr ist er gestorben. Freist selbst stellt sich die Frage, ob sein Großvater nicht zu willfährig gegenüber dem NS-Staat gewesen sei, beantwortet sie aber dahingehend, dass Beyer sich nicht wie andere aus der Verantwortung gestohlen, sondern um der Neuerkeröder Anstalten und ihrer Bewohner willen ausgeharrt und sich die Hände notgedrungen auch schmutzig gemacht habe. Bei einer Entscheidung für den "Ieichteren" Weg und den früheren Eintritt in den Ruhestand - bereits 1932 war er 65 Jahre alt geworden -, hätte sich der NS-Staat schon viel zeitiger der Anstalten bemächtigen können. Eine abschließende Bewertung einer solch komplizierten Lebenssituation ist immer schwierig. Eindeutige Schuldzuweisungen sind dabei wenig hilfreich und oft selbstgerecht,

293 Rezensionen und Anzeigen 291 und selbstverständlich sind die Rahmenbedingungen nicht außer Acht zu lassen. Es kann allerdings auch nicht sein, dass man alles entschuldigend in Kauf nimmt mit der Begründung, im Innern sei der Betreffende dagegen gewesen, habe es sich nicht leicht gemacht und nur das Beste gewollt. Als Direktor hatte man auch eine Vorbildfunktion und eine Verantwortung dem Amt, den anvertrauten Schützlingen und sich selbst gegenüber, womit gewisse Dinge dann nicht vereinbar sind. Freist betont, dass Beyer den schwereren Weg gewählt habe; andere würden sagen, dass der Weg der Anpassung der leichtere gewesen sei. Letztendlich bleibt zu konstatieren, dass Beyer mit seiner Unterschätzung der Nationalsozialisten vor 1933 und seiner Geringschätzung der Weimarer Demokratie den Grundstein gelegt hat für seine späteren Schwierigkeiten. Sicher war er in dieser Beziehung nicht der einzige, dem dies passierte, es steht aber stellvertretend für das Versagen eines großen Teils des Bürgertums vor und während der NS-Zeit. Das persönliche Erleiden dieser Zeit wird damit nicht negiert oder gering geschätzt. Erika Eschebach

294

295 Liste der Mitglieder Name Abry AchilIes Adam Ahrens Ahrens Ahrens Albers Albrecht ABers Alsleben Angel Archiv der Landeskirche Arlom Armerding Arndt Arndt Arnold Arnoldt Asche Balaho Barner Barteis Bauermeister Becher Becher Becker Beckmann Beddies Beddies Vorname/Titel (sowe;t bekannt) Wilhclm Ralf Harm Hermann Olaf Wolf-Eberhard Angelika Peter, Dr. lürgen Sonja lohannes Gundula Hans-Erich Annclore Ellen Werner, Dr. Hans-Martin Klaus, Dr. Franz Gerhard, Dr. Peter Bernd-Bodo Dietrich Ursula A.l., Prof. Dr. Sabine Jörg Klaus Thomas, Dr. Ort Helmstedt Salzgitter Stadtoldendorf Ohrum Abbenrode Bad Lauterberg Braunschweig Braunschweig Helmstedt Braunschweig Cremlingen Wolfenbüttel Schladen Helmstedt Braunschwcig Wolfenbüttel Wolfenbüttel Braunschweig Hamburg Goslar Hannover-Kirchrode Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Köln Berlin Kleinmachnow

296 294 Liste der Mitglieder Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Behme Harald, Dr. med. Braunschweig Behr Hans-Joachim, Prof. Dr. Braunschweig Behre Friedrich-Wilhclm, Dr.med. Wolfenbüttel Behrendt Horst-Dieter Braunschweig Behrendt Jochen Seesen Beier Frank Semmenstedt Bepler Gillian, Dr. Wolfenbüttel Bergwitz Hubertus, Dr. Braunschweig Bernhardt Markus, Dr. Braunschweig Bertram Alfred Braunschweig Beutmann Gcrhard Braunschweig Bialobrzeski Kai Braunschweig Bibliothek der TU Braunschweig Bickel Wolfgang, Dr. phil. Armsheim Biegel Gerd Braunschwcig Binder Werner Braunschweig Birkholz Gerhard Braunschweig Biskup Thomas Braunschwcig Bitterle Hilde Braunschweig Blankenhahn Udo Soest Block-von Schwartz Ulrike Braunschweig Blume Detlef Braunschwcig Blume Herbert, Dr. Dr. h.e. Braunschweig Blume Konrad Braunschweig Blüthgen Jörg Hamburg Bode Peter, Dr. Hamburg Bode Sigrid Wolfenbüttel Bode Werner, Dr. Lagesbüttel Boehm Klaus-Jürgen Wolfenbüttel Böhm Siegfried Königslutter Boldt Hans-Joachim Braunschweig Boldt-Stülzebach Annette, Dr. Braunschweig Bollmohr Uta Helmstcdt

297 Liste der Mitglieder 295 Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Bommes Heidemarie Altenholz Boockmann Andrea, Dr. Göttingen Borchers Christian Wolfenbüttel Bormann Joachim Braunschwcig Böttcher Renate, Dip!. log. Wolfenbüttel Böker Johannes Braunschweig Böser Wolfgang Braunschweig Bötel Matthias Göttingen Bracke Gerhard Braunschweig Brackcbusch U1rich, Dr. med. dent. Braunschweig Brackhahn Peter Braunschweig Bräcklein Jürgen, Dr. Braunschweig Brandes Renate, Dr. med. Wolfenbüttcl Brauleke Joachim, Dr. Sickte Braunschweigischer Landesvereinfür Hcimat- Braunschweig schutz e.v. Brendecke Richard Alvesse Bressel Sigurd Bockenem Bretschneider Marlis Braunschweig Breuer Magnus, Dip!. Volkswirt Wolfenbüttel Brcustedt Edith Braunschweig Brink Ilse Wolfenbüttel Brohm Ulrich Hamburg Brüning Ludwig, Dr. mcd. Hclmstedt Büchau Dieter Wolfenbüttcl Buchler Inge Braunschweig Buchmann Ursula Braunschweig Brüdcrmann Stefan, Dr. Hannover Bues Georg Groß Dcnkte Bunselmcyer Silvia, Dr. Hildesheim Burgdorf Christa Braunschweig Buttler Hans Martin Hildesheim Butz Werner, Dr. jur. Kiel Camerer Luitgard, Dr. Braunschweig

298 296 Liste der Mitglieder Name Chemnitius Collins Conrady Cordes Czwalina Dachnowsky Damm, von Danielzik Daum Dedekind Dedie Deeters Dehesselles Deutsches Historisches Institut Derda Dewitz, von Dexel Dicderichs Dieh! Dierling Diestel Dietrich Diözesanbibliothek Münster Dittrich Döhnel Dolle Dolle Dombibliothek d. Diöz. Dombrowski Döring Dörrie Ehcling Ebeling Vorname/Titel (,oweit bekannt) Günter, Dr. med. Hans-Jürgen, Prof. Dr. Hans-Peter, Stadtrat Evamaria Thomas Kar! Günter Jürgen Renate Joscf, Prof. Dr. Ilse Ludwig Walter, Dr. Thomas Hans-Jürgen, Dr. Lothar Marie-Luise Helmut Jürgen Otto Gisela Werner, Dipl. log. Wolfgang, Dr. Karl-Armin, Dr. med. Dietmar Joscf, Dr. Bistum Hildesheim Georg J ohann-friedrich Ernst August Elisabeth Hans-Heinrich, Dr. Ort Wolfenbüttel Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschwcig Kirchzartcn-Burg Braunschweig Königslutter Braunschweig WolfcnbütteI Braunschweig Aurich Frankfurt Paris Hildesheim Mariental Braunschweig Hamburg Wolfenbüttc1 Brdunschweig Braunsehweig Wolfcnbüttcl Mtinster Lehrte Braunschweig Laatzen Braunschweig Hildesheim Vienenburg Wolfcnbüttel Braunschweig Braunschweig Duderstadt

299 Liste der Mitglieder 297 Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Eckardt Anneliese Braunschweig Eckstein Hclga Braunschweig Edler Helga Braunschweig Egclhaaf Ruth Braunschweig Ehlers Joachim, Prof. Dr. Berlin Ehlers-Knoll Ulrike Wolfenbüttel Ehrhard Hans Braunschwcig Ernst Wolfgang Braunschweig Essmann Ina Sickte Etwld Gottfried, Dr. Wolfcnbüttcl Falkenroth Ulrich, Dr. Braunschweig Feiner Edith, Dr. Braunschwcig Feldmann Wcrner Bad HarLburg Feuge Dorlis Braunschweig Fiedler Gudrun, Dr. Braunschwcig Fischer Fricdrich, Dr. jur Braunschweig Former Pctcr Braunschwcig Frassl Joaehim Braunschweig Frassl Thca Braunschwcig Fricdrieh Heiderose Braunschweig Frobesc Elke Braunschweig Frömsdorf Dietrich Goslar Frühauf Wolfgang Sickte Füllner Bernd Stadtoldendorf Gahnz Gerda Braunsehweig Gählert Sigrid Hclmstedt Garzrnann Manfrcd, Dr. Braunschweig Gattermann Hans-lJlrich Bonn Gatz Bodo, Dr. Wolfenbüttcl Gatzke Hans-Günter Braunschweig Gebhardt Werncr Cremlingcn Geginat Matthias Braunsehweig Geiger Liselotte Braunschweig

300 298 Liste der Mitglieder Name Geismar Gemdnde Sickte Gereke Gericke Giesau Giese Giese Giesecke Glindemann Gosebruch Graf Grell Grete Grieger Grote Grubert Gruber! Gruner Grünheid Grupe-Ncls Guntermann Günther Güntsch Haase Haeusler Hagen Hagena Hager Hahne Hallensieben Handwerkskammer Berufsbildungszentrum Hanewinckel Hardenberg Vorname/Titel (soweit bekannt) Alfred Elisabeth, Dr. med. Joachim-Hans Peter, Dr. Hannalore Hans Robert U. Eva Ina-Marie Sabine, Dr. Doris Helga Manfrcd, Dr. Hans-Henning, Dr. Martin Waldemar, Dip!. Ing. Manfred Lothar Vera Mechthild Walter Ulrike Agncs Ditmar Rolf, Dr. Walter, Dr. jur. Uwe Ursula Horst Dieter, Dip!. Ing. Heinz-Ulrich Ort Braunschweig Sickte Braunschweig Helmstedt Cremlingen Braunschweig Braunschweig Schöningen Braunschweig Braunschweig Hollern-Twielenfleth Braunschweig Braunschweig Gifhorn Wolfenbüttel Vechelde Wolfenbüttel Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Wolfenbüttcl Karlruhe Braunschweig Braunschweig Hannover Braunschweig Braunschweig Braunschweig Salzgitter Braunschweig

301 Liste der Mitglieder 299 Name Harnisch Harstick Hartmann Harzburger 0 Haucap-Naß Hauer Hauswaldt Hedicke Heide, von der Heike-Cramrn Heimel Heinemann Heinemann Heinemann Heinemann Hclmstedt; Stadtverwaltung Helmstcdt-Landkreis Schul- u. Kulturamt Hennecke Hcnnicke Hennig Hensen Henze Hcraldischer Verein.Zum Kleeblatt" e.y. Hering Herzog Anton Ulrich Museum Herzog August Bibliothck Heusinger, von Hillebrccht-Lindeman Hinz Hirschheydt, von Historisches Seminar Universität Hannover Höhne Hoffmann Vorname/TItel (soweit bekannt) H.-G., Prof. Dr. Hans-Peter, Prof. Dr. Dieter Anette, Dr. Helmut Elke, Dr. Helma Bemd Heinrich Martcl Carl-Gerd, Dr. Ernst August J ürgen u. Christel Werner Ulrich Wolfgang Elisabeth, Dr. Giscla Ingrid, Dr. Knut, Prof. Dr.-Ing. Christian, Dr. Almuth Walter Harro Dieter Arno Ort Wolfenbüttel Wolfenbüttel Braunschweig Bad Harzburg Braunschweig Braunschweig Braunschweig Braunschweig Börßum Vechelde Braunschweig Uetze Braunschweig Braunschweig Braunschweig Helmstedt Helmstedt Braunschweig Braunschweig Braunschwcig Braunschweig Helmstcdt Hannover Braunschweig Braunschweig Wolfenbüttcl Braunschweig Braunschweig Evessen Wedcmark / Elze Hannover Lingen Wolfenbilttel

302 300 Liste der Mitglieder Name Hoffmeister Hollmann Homann Horwege Huck Huck Hucker Hundt Industrie- und Handelskammer Isensee Israel Iversen Jacob lahn Jahn Jarck Jenter Johansen Josch Jünke Juranek Jürgens Kablau Kaiser Kalberlah Kaltschmidt Kamp Kämpen Kamphcnkel Kaphengst Kelsch Kerle Kettncr Vorname/Titel (soweit bekannt) Hans-J ürgen Reinhild Karl Heinz Wilfried Jürgen Stephan Bernd Ulrich, Prof. Dr. Dieter Erich Ottokar, Dr. Hans-Dietrich Ute Jürgen, Dr. Reinhard Horst-Rüdiger, Dr. Alfred, Dr. Mclsene Christiane Wolfgang Christian Klaus, Probst i.r. Anneliese Hermann D., Dr. IIenning Dorle Rosemarie, Dr. Kurt Andrcas, Dr. Elisabeth-Charlotte Wolfgang, Dr. Reinhild Bernd-Ulrich, Prof. Dr. Ort Salzgitter Wolfenbüttel Braunschweig Drochtcrscn Wolfenbüttel Potsdam Vechta Kandern-Wollbach Braunschweig Wolfenbüttel Süsel Braunschweig Hraunschweig Schöningen Braunschweig Wolfenbüttel lerxheim Helmstcdt Maasen Braunschwcig Westerode Braunschweig Braunschweig Gifhorn Braunschweig Wittmar Braunschweig Braunschweig Gifhom-Wiclsche Braunschweig Wolfcnbüttel Braunschweig Marburg

303 Liste der Mitglieder 301 Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Kiekenap Bernhard, Prof. Ur. Braunschweig Kiclhorn Liesclotte Cremlingen Kirchhoff Adalbert Süpplingen Kleemeyer Helga Braunschweig Klein Angela, Dr. Braunschweig Kling Theodor Königslutter Klinge Hans-Jürgen, Dip!. Ing. Köln Klinzmann Ernst Braunschweig Klittich Roger Braunschweig Kloth Wiebke Hclmstedt Knackstedt Ralf Mariental-Horst Knauer Wilfried Wolfenbuttel Knoblich Susanne Braunschweig Knop Henning Leipzig Koch Fritz Braunschweig Köckeritz Sascha Braunschweig Kohl Christa Braunschweig Köhler Marcus Braunschweig König Suse Wolfenbüttel Königslutter, Stadt Rathaus Königslutter Kupp I Ians-Werner Braunschweig Kossira Horst, Dr. Wolfenbüttel Köther Margarcte Braunschweig Kraft Armin Braunschweig Kranz Inge Braunschweig Krause Hartmut Wolfenbüttel Krause Karl-Joachim Braunschweig Kreikchohm Ralf, Dr. Braunschweig Kretschmer Annemarie Wolfenbüttcl Krökel Magdalene Braunschweig Krosigk, von Konrad Bad Soden Krueger Thomas Alfc\d/ Leine Kruggel Otto Königslutter

304 302 Liste der Mitglieder Name Kruse Kuessner Kuhr Kulhawy Kulturamt Kultur- und Heimatpflegeverein Schunteraue 1982 Kulturinstitut Kumlehn Kunisch Kunze Kurde Kurdum Kusch Kwan Lamberg Lambers Lancelle Landkreis Wolfenbüttcl Lange Lange Langenheim Langenkämper Langncr Lauffer Lausehmann Lauterbach-Hammerslcy LeCam Leerhoff Lchmann Lemp Lent Lerche Vorname!Titel (soweit bekannt) Gcrhard, Dr. Dietrich Hermann Andreas Jürgcn Günter Wolfram Hcike Hans Jörg Reinhard, Dr. Elisabcth Peter, Prof. Dr. Silke Hasso Karl-Wilhelm, Regicrungspräsidcnt a.d. Hans Vieter, Dr. Friedrich Jürgcn Astrid Burckhard Ulrich Sabine Jcan-Lue Heiko, Dr. Wilhclm Monika Dieter, Dr. Ernst Christian Ort Neukefcrloh Braunschweig Braunschweig Peine Sccsen Braunschweig Br'dunschweig Wolfenbüttcl Detmerode Braunschwcig Wolfenbüttcl Helmstedt Frankfurt! Oder Braunschweig Braunschweig Emsdcttcn Braunschwcig Wolfenbüttcl Hannoversch Münden Wolfenbüttel Königslutter Minden Braunsehweig Rccklinghauscn Braunschweig Braunschweig Quimper, Frankreich Hannover Braunsehweig Braunschweig Wolfenbüttcl Helmstedt

305 Liste der Mitglieder 303 Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Liebing Willi F. Wt:ndt:burg Liepclt Klaus-J ürgen Braunschweig Lindemann Gen Köln Lindt:mann Lisclotte Braunschweig Lindemann Ruth Braunschweig Lindemann Ulrike Braunschweig Lindholm Mark T. Media,PA, USA Linhardt Andreas Braunschweig Linkner Ulrich Königslutter Lippclt Christian Wolfenbüttel Lippelt Hans Vcchclde Lochte Wilfried, Dr. Dip!. Ing. Groß Schwülpcr Löhr Karin-Ingrid Groß Vahlberg Löhr Marianne Salzgitter Luckhardt Jochen, Dr. Wolfcnbüttcl Ludewig Hans-Ulrich, Dr. Schüppenstt:dt Ludewig-Ohlcndorf Ulrich Braunschwcig Lüdgen Heinz-Günter Offenbach Lüdtkc Reiner Braunschweig Lüer Reinhardt, Dr. Bornum ~~ Ingrid: Braunschwcig Lustig Oswald Wolfenbüttel Luthmann Ingrid Braunschweig Lutze Rolf, Dr. Göttingen Maaß Rainer, Dr. Darmstadt Marnette-Kühl Beatrice, Dr. Wolfcnbüttcl Marohn Aribert Braunschweig Marohn Brunhild Braunschweig Märtl Clalldia, Prof. Dr. München Maschke Bert Brallnschweig Maßner Dorothe Brallnschweig Matthes Dieter, Dr. Wolfenbüttel Mälleler Reinhold, Dr. Brallnschweig

306 304 Liste der Mitglieder Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Maurer Hclga Braunschweig Mayer Helmut Wolfcnbüttel Medcfind Heinrich Königslutter Meibeyer Wolfgang, Prof. Dr. Braunschweig Meibom Hans-Friedrich Braunschweig Meier Rudolf, Dr. Wolfenhüttd Meinhardt Matthias Braunschweig Mclzcr Wolfgang Oausthal-Zellerfcld Menzel Dieter Wolfenhüttel Merker Arndt Braunschweig Meyer Günter Schöningcn Meyer Heinrich Julius, Dr. Gevenslebcn Mcyer Johanna Rraunschweig Meyer Rolf Wolfenbüttel Mcyer Wiltrud Braunschweig Michael Eckhard, Dr. Lüneburg Miche Hclga, Dr. Braunschweig Milde Wolfgang, Prof. Dr. Wolfenbüttel Minte Horst, Dr. Braunschwcig MisoI Gerhard, Dip!. Ing. Celle Mittelstädt Norbert, Dip!. log. Braunschweig Moderhack Richard, Dr. Braunschweig Möhle Jutta Braunschweig Mordmüller Gcrda Braunschweig Moshagcn Ilse Hc1mstedt Motz Konrad, Dip!. Ing. OausthaI-Zellerfeld Mügcl Kar! Wilhclm, Dr. Braunschweig Müller Friedrich-Wilhelm, Dr. Wolfenbüttel Müller Hcinz-Hcrrmann Sickte Müller-Grzenda Astrid, Dr. Braunschweig Munte Michael, Dip!. log. Braunschweig Munzel Jörg, Dr. Sassenburg Muthmann Johannes Salzgitter

307 Liste der Mitglieder 305 Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Nds. Staatsarchiv Wolfenbüttcl Nef Hans-Joachim, Dr. med.dent. Salzgitter Neukirch Dieter, Prof. Dr. Wettenberg Nicolae Sorin, Dip!. Ing. I1sede Niemann Gerhard, Dr. med. Wolfenbüttel Niemann Hartwig Braunschweig Niemann Jürgen Wolfenbüttel Niepel Christel und Jochen Braunschweig Niquet Ursula-Maria Wolfenbüttel Nolte Hermann Braunschweig Nord/ LB Girozentrale Hannover Oelrich Karl Heinz, Prof. Dr. Wolfenbüttel Ohainski Uwe Göttingen Ohnesorge Klaus-Walther, Dr. Wolfenbüttel Oppermann Martin Braunsehweig Otte Dieter, Dr. Wolfenbüttel Otten Lieselotte, Dr. Wolfenbüttel Owezarski Rolf Helmstedt Pape Hermann Hemmingen Pawlak Joachim Wolfenbüttel Perschmann Heinrich C. Wolfenbüttel Petke Wolfgang, Prof. Dr. Göttingen Pingel Norman-Mathias, Dr. Braunschweig Pinkepank Annemarie Wolfenbüttel Piper Henning, Prof. Dr. Berg/ Pfalz Pirlich Günter Braunsehweig Pix Manfred, Dr. h.c. Neustadt a.d. Aisch Plawitzki Martin, Studienrat Goslar Pohl Rosemarie Helmstedt Pohlmann Cornelia Wolfenbüttel Pollmann Klaus E., Prof. Dr. Braunschweig Pracht Manfred, Dip!. log. Wolfenbüttel Prochnow Margarethe Braunschweig

308 306 Liste der Mitglieder Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Puhle Domthea, J)r. Wolfenbüttel Puhle Matthias, Dr. Braunschweig Pumpe Anton Gifhorn Quakatz Gisela Braunschwcig Quant Geert Braunschweig Radünz Klaus-Jörg, Dipl. Ing. Braunschweig Rahn Kerstin, Dr. Wolfenbüttcl Rapp Christian Sickte Rattunde Gerda Wolfenbüttel ReckewelI Roger Wolfenbüttel Redemptoristenkloster Steterburg Salzgitter Reichardt Christoph Beverungen Reid Sigrid Braunschweig Reimold Kurt Wolfcnbüttel Reinboth Friedrich Braunschweig Reinhard Gisela Wolfenbüttel Renner Werner Salzgitter Reuschel Andrcas Bramsche Reuter Hans-Gcorg, Dr. Wolfenbüttel Richter Axel Vechelde Rieckmann Paul Braunschweig Rinne Antjc, Dip!. Ing. Braunschweig Rischer Michael Braunschweig Ritter Ingeborg Braunschweig Rode Hanna Braunschweig Rollwage. Marlis Braunschweig Roloff Ingrid Braunschweig Römer Christof, Dr. Braunschweig Roppel Hans-Peter, Dip!. log. Braunschwcig Rosendahl Uwe Braunschweig Rößner Renee, Dr. Oldenburg Rost Falko Dettum Rothe Christel Destedt

309 Liste der Mitglieder 307 Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Rothe Christian-J. Crcmlingen Rötting Hartmut, Prof. Cramme Ruben Gunnhild, Dip\. Ing. Braunschweig Ruppemhal Nikolaus, Dr. Ingc1hcim Ruschcpaul Gunhild Wolfsburg Rüth Ingeborg Zimmern o. R. Sackmann Heinrich Delligsen Salge Jürgen, Prof. Dr.-Ing. Salzgittcr Samse Rernd-Peter Northeim Sander Eleonore Braunschweig Sanders Karl-Wolfgang, Dip\. lug. Bad Harzburg Sandfuchs Uwe, Prof. Dr. Braunschwcig Sauer Edclgard Braunschweig Saucr Günler Braunschweig Schaller Karlheinz, Dr. Cremlingen Schaper Ilse Braunschweig Schaper Chrisloph, Dr. Wolfcnbüttcl Schaper Hans Sickte Schaube Rita Braunschweig Scheel Günter, Dr. Wolfenbüttei Scheliga Thomas Wolfenbüttel Schierding Joachim Lengede Schild Frank-Pcter Braunschweig Schildt Gerhard, Prof. Dr. Braunschweig Schiller Karin Hclmstedt Schillig Henning Braunschwcig Schinke Jürgcn Salzgitter Schlot hauer Johanna Braunschwcig Schlütcr Hclla Braunschweig Schmid Hartrnut Braunschweig Schmid Joachim Rcmlingen/ Gr. Biewende Schmid Thomas Wolfenbüttc1 Schmidt Burkhard, Dr. Braunschweig

310 308 Liste der Mitglieder Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Schmidt Elke Braunschwcig Schmidt Peter Marius Salzgitter Schmidt Ruth Braunschweig Schmuck Gertrud Wolfenbüttel Schmut7Jcr Reinhard, Prof. Dr. Wolfenbüttel Schneider Ulrich Braunschwcig Schneider-Sickert Frank, Dr. med. Braunschweig Schneidmüller Bernd, Prof. Dr. Bamberg Schnell Manfred, Dipl. Ing. Wolfenbüttcl Scholkemeier Waltraud Braunschweig Schön Ulrich Braunschweig Schönlebe Irmgard, Dr. med. Braunschweig Schurmann Michael-Heinrich Hannover Schott Michael, Dr. med. Hildesheim Schrader Erhard Groß Denkte Schradcr Heinrich Braunschweig Schraepler Harald, Dipl. Ing. Braunschweig Schroeder Gert, Dr. med. Helmstedt Schröter Carsten Braunschweig Schuegraf Wolf-Dieter Braunschweig Schultc Jutta Braunschweig Schulz Irmgard Braunschweig Schulze J08chim Braunschweig Schulze Sibylle Helmstedt Schumacher Carl-Ludwig, Dipl. Ing. Wolfcnbüttel Schumann Peter Braunschweig Schütte Hans-Günther, Dr. Braunschweig Schwartzkopff Theodor Hermann Büstedt Schwarz Ulrich, Dr. Wolfenbüttel Schwikkard Christian Goslar Seeliger Matthias, Dr. Holzminden Seesen, Stadtverwaltung Bad Gandersheim Scgner Eberhard Berlin

311 Liste der Mitglieder 309 Name Vorname/Titel (",weit bekannt) Ort Seidl Pcter Wolfenbüttel Seile Kurt Braunschweig Seyfert I1se Wolfenbüttel Siebcrs Helmuth, Dipl. Ing. Braunschweig Sil'bers Rotmud Braunschweig Siebert Herta, Dr. Braunschweig Siebert Rolf Braunschweig Siemers Victor-L., Dr. Braunschweig Sievers Maria-Elisabeth Stadtallendorf Smalian Friedrich Wolfenbüttel Smidt Harm, Dip\. Ing. Bad Gandersheim Söffge Gunnar Goslar Sodemann Bcttina Peine Spendel Johannes-Maria Wolfsburg Spic1meyer Günter Hann.Münden Spies Gerd, Dr. Bmunschwcig Spreckelmeycr Gos...;n, Dr. WolfenbütteI Staats Martina Peine Stadtarchiv Braunschweig Stadtbibliothek Braunschweig Stadt Bad Gandersheim Bad Gandersheim Stadtarchiv Salzgitter Salzgitter Staude Margarethe Cremlingen Steckhan Peter. MA Braunschweig Stcding Rolf Rraunsehwcig Steffens Werner Braunschweig Stein Eva-Maria Braunschweig Steinhorst Wolfgang, Prof. Dr. RemIingen Straten, von der Marcus Eschwege Strathmann Gabriele Wolfenbüttel Strauch mann Rudolf Wolfenbüttcl Strauß Ulrike, Dr. Braunschweig Struck meier Axcl, Dr. Wolfenbüttel

312 310 Liste der Mitglieder Name Vorname/Titel (soweil bekannt) Ort Stübig Herbert Meppcn Stüwig Hans, Dipl. log. Braunschweig Stulgies-Wirt Manfred VeItheim Tartsch Erika Braunschweig Täubrich Reiner, Dr. St. Augustin Tegebauer Reinhard Friedrich Braunschweig Tesmer Eberhard, Dr. Offenburg Theissen Andrea Berlin Thiel Theodore Wolfenbüttcl Thiele Klaus, Dr. med. Wolfenbüttel Thies Christian Klein Denkte Thies Harmen, Prof. Dr. Abbenrode Thies Klaus, Dipl. log. Groß Schwül per Thorhauer Hannes, Dr.-Ing. Braunschweig Thunack Frank Wolfenbüttel Tiggeler Steffen Wolfenbüttel Timmermann Renate Braunschweig Tömer Rudolf Hannover Trippier Klaus, Dr. Celle Vahrmeyer Joachim Braunschweig Vegelahn Karlo Oste rode Viedt Wolfgang Grasleben Viereck Reinhild Braunschweig Vieth Gerhard. Dr. Braunschweig Vogel Hans-Herbert Wolfenbüttcl Vogt Rosemarie Braunschweig Vogtherr Thomas, Prof. Dr. Wallenhorst Völker Eberhard Bad Harzburg Volkmann Rolf Grasleben Vollmar Helge Hillerse Wachtel Herbert, Dr. log. Königslutter Wachter Hubertus Wolfenbüttel Wacker Gabriele, Dr. Cremlingen-Hordorf

313 Liste der Mitglieder 311 Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Wagener-Fimpel Silke,Dr. Bückeburg Wagner Eberhard Reinbek Wagner Reinhard Braunschweig Walterhöfer Helga Braunschweig Walther Christian, Dr. mcd. Hclmstedt Walz Friedrich Braunschweig Wasmus Hans-Ulrich Edewecht Waßmuß Heinrich Braunschweig Webendocrfer Klaus Braunschwcig Weber Jörg CremJingen Wedde Willi Braunschweig Wegner Lieselottc Königslutter Wehmann Michael Wolfenbüttcl Wehrstedt Wolfgang, Prof. Braunschweig Weinmann Arno,Dr. Bramschc Weiss Ingrid Braunschweig Weitkamp Sibylle Laatzen Welge Pictcr Wolfenbüttel Wellner Sippwalt Stuttgart Wenzel Renate Salzgitter Werner Sieglinde Braunschweig Westphal Lieselotte Wolfenbüttel Wickboldt Wemer Braunschweig Wiechmann Claus, Dr. Ing. Braunschweig Wiehe Horst Braunschweig Wienke Christa Helmstedt Wicrsdorff Iris Destedt Wiese Erhard Helmstedt Wiesner Johannes, Dr. Wolfenbüttel Wilke Hartmut, Dr. med. Helmstedt Wilkens Dietrich Damdorf Windheuser Jens Uwe Höxter Winkler Siegfried Helmstedt

314 312 Liste der Mitglieder Name Vorname/Titel (soweit bekannt) Ort Winter Ruth Wolfcnbüttel Wiswe Mechthild, Dr. Hannover Wittig-Sorg HcidcJics, Dr. Hamburg Wittke-Baars Erika Wense Wolf Jürgcn, Dr. Arolsen Wolff Ingcburg Salzgitter-Thiede Wolff Klaus, e. K. EilsIeben Wolff Metternich, von Bcatrix, Frfr. Dr. Höxter Wolnik Christi ne Braunschweig Wurm Johann Peter, Dr. Lübeck Zahlten Johanncs, Prof. Dr. Braunschweig Zellmer Jörg Bad Harzburg Zeuner Bärbel Braunschweig Zicgler Heinz Braunschweig Zimmermann Elconore Braunschweig

315 Chronik des Braunschweigischen Geschichtsvereins vom November 2001 bis Oktober 2002 (Johannes Angel) 1. Allgemeines Der Verein hat laut Mitgliederliste vom Februar 2002 eine Mitgliederzahl von 632 Personen und Institutionen. Zu Sitzungen trat der Gesamtvorstand am 7. November 2001 und am 26. August 2002 in Wolfenbüttel zusammen, der engere Vorstand tagte am 11. März 2002 in Braunschweig. Die Mitgliederversammlung am 11. April 2002 im Städtischen Museum Braunschweig wurde von 190 Mitgliedern und Gästen besucht. Der Vorsitzende berichtete über das Erscheinen folgender Publikationen: Das Braunschweigische Jahrbuch für Landesgeschichte Band 82, Eine ganz besondere Resonanz hat der Aufsatz über das durch die Französin Marguerite Boer von 1934 bis 1952 in Bad Harzburg geführte Tagebuch erfahren. Die Kosten des Jahrbuches betrugen knapp DM. Die "Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region", die in 2. Auflage erschienen ist Das Urkundenbuch des Klosters Walkenried, Band 1 (Erscheinen im Mai 2002). Anschließend informierte der Vorsitzende über die nachstehend aufgeführten Exkursionen des Sommerhalbjahres Sämtliche Fahrten wurden von den Mitgliedern sehr gut angenommen. Abschließend berichtete er über den Festakt zum 1 OOjährigen Bestehen des Vereins am 6. Mai 2001 im Kleinen Haus des Staatstheaters Braunschweig. Rund 300 Mitglieder nahmen an der ausgebuchten festlichen Veranstaltung teil. Frau Dr. Boldt-Stülzebach referierte über die von ihr organisierten und betreuten Vorträge des Winterhalbjahres , die mit durchschnittlich 80 Besuchern wieder eine erfreuliche Resonanz hatten. Herr Dipl.-Kfm. Webendoerfcr stellte als Schatzmeister des Vereins den Abschluss per 31. Dezember 2001 vor, der einen Kassenbestand von 2.283,67 DM ausweist. Dieser ist durch die Ausgaben für den Festakt zum 100jährigen Bestehen niedriger ausgefallen. Herr Webendoerfer teilte anschließend mit, dass er sein Amt im Laufe des Jahres niederlegen werde und stellte Herrn Sascha Köckeritz von der Norddeutschen Landesbank als seinen kommissarischen Nachfolger vor. Er legte abschließend

316 314 den Voranschlag für das Jahr 2002 zur Einsichtnahme aus, der Einnahmen und Ausgaben von Euro vorsicht. Frau Dr. Strauß berichtete dann, dass die Kassenprüfung durch sie und Herrn Dipl.-Ing. Schnell keine Beanstandungen ergeben habe. Auf Antrag aus der Mitte der Mitglieder wurde dem Vorstand ohne Gegenstimme bei Enthaltung der Vorstandsmitglieder Entlastung erteilt. Da Herr Dipl.-Ing. Schnell erklärt hat, sein Amt als Kassen prüfer nicht mehr wahrnehmen zu können, ist die Wahl eines Nachfolgers erforderlich. Auf Vorschlag des Vorsitzenden wird Herr Heinrich Medefind als neuer Kassenprüfer gewählt und nimmt die Wahl an. Wegen der Umstellung auf den Euro wird die Festsetzung des neuen Mitgliedsbeitrages erforderlich. Auf Vorschlag des Vorsitzenden stimmt die Mitgliederversammlung dem neuen Beitrag von 21 Euro einstimmig zu. Gegenüber der bisherigen Beitragshöhe von 42 DM ist dies eine geringe Beitragssenkung. Zu der Mitteilung des Vorsitzenden, dass im Braunschweigischen Jahrbuch 2002 nach längerer Pause wieder ein Abdruck des aktuellen Mitgliederverzeichnisses mit Namen und Wohnort erfolgen soll, gibt es keine Gegenstimmen. 2. Exkursionen April 2002: Zweitagesfahrt nach Lübeck. Leitung der Fahrt: Herr Landeskirchenarchivrat DR. JOHANN PETER WURM und Frau DR. GUDRUN FIEDLER. Der Schwerpunkt der Exkursion lag auf der bürgerlichen und klösterlichen Wohnkultur des mittelalterlichen Lübeck. Auf dem Programm stand neben dem Besuch der Jakobikirche, des HI.-Geist-Hospitals und des Burgklosters die Begehung von Objekten, die normalerweise der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, u.a. die Besichtigung eines Bürgerhauses. 25. Mai 2002: Tagesfahrt na/te Wegesysteme im Lande Braunschweig; mittelalterlicher Steinbruch im E/m; frühe Papierindustrie in Räbke". Leitung der Fahrt: Herr Heimatpfleger GÜNTER SIEBERT für die Wegesysteme, Herr HEINRICH MEDEFIND für den Steinbruch im Elm, Herr Dr. VICTOR SIEMERS für die Papiermühlen. Die Fahrt führte auf einer alten, erschlossenen sächsischen Route über Ohrum und Meine bis zur Allerfurt bei Brenneckenbrück. Danach Führung durch den Steinbruch im Elm und Weiterfahrt nach Räbke. Die Schunter in Räbke mit einem Gefälle von ca. 20 m war Antrieb von 3 Papiermühlen, von denen noch einige Gebäude und das Mühlenwasser erhalten sind. 8. Juni 2002: Tagesfahrt nach Hannover: "Ehrgeiz, Luxus und Fortune" - Spuren des Aufstiegs der Hannoveraner Welfen. Leitung der Fahrt: Frau DR. ANGELIKA KROKERI Frau DR. GUDRUN FIEDLER. Im Mittelpunkt der Exkursion nach Hannover stand der durch Ehrgeiz, Luxus und Fortune geprägte Aufstieg der hannoverschen Welfen. Mit einer Spezialführung im Historischen Museum und einem Rundgang am Leibnizhaus und am Leineschloss vorbei wurde das alte Zentrum welfischer Macht im 17. Jh. bis zur Personalunion mit

317 315 England 1714 ausgelotet. Ein geführter Spazierweg durch die Herrenhäuser Gärten zeigte die neue Art der Herrschaftsrepräsentation durch barocke Prachtentfaltung und den Herrschaftswillen, der sich auch auf die Beherrschung der Natur erstreckte. Der Vergleich mit den Braunschweiger Welfen war zentrales Thema. 22. Juni 2002: Tagesfahrt n Gewerbeförderung unter Karl I: Industrieansiedlungen im Hils". Leitung der Fahrt: Herr Museumsleiter THOMAS KRÜGER M.A.! Frau DR. GUDRUN FIEDLER. Die Fahrt führte zunächst nach Alfeld. Herr Krüger erläuterte die Ausstellung zur Geschichte der Industrieansiedlung im Hils. Es folgten eine Führung durch die Stadt Alfeld, die von 1530 bis 1643 zum Lande Braunschweig gehörte (u.a. Rathaus, Planetenhaus, St. Nicolai-Kirche, Gropiusbau des Fagus-Werkes) und eine Exkursion in den Hils zu den traditionellen Stätten der Glasherstellung mit einer Führung durch eine Glashüttengrabung. 27. Juli 2002: Tagesfahrt ins Obere Eichsfe/d. Leitung der Fahrt: Herr DR. DIETER LENT. Das durch die Grenze lange uns weniger bekannte Obere Eichsfeld war Ziel des Ausflugs, bei dem u. a. die Burgruine Hanstein, der Hülfensberg mit der Wallfahrtskiche bei Wanfried und die Stadt Heiligenstadt angesteuert und durch historische Erklärungen näher gebracht wurden. 24./ 25. August 2002: Zweitagesfahrt nach Münster. Leitung der Fahrt: Herren DR. HORST-RüDlGER JARCK/ KLAUS RUHNAU. Am 1. Tag gab es eine Stadtführung in Münster mit Stadtmarkt, Dom, Lambertikirche und Rathaus, sowie den Besuch des neuen Picasso-Museums. Der 2. Tag war einer Wasserschlösserrundfahrt mit Besichtigungen von Hülshoff-Havixbeck, Droste Vischering, Nordkirchen und Westerhausen gewidmet. 3. Vorträge a) im Städtischen Museum Braunschweig 18. Oktober 2001: Herr Gunter FreudenthaI (Hamburg): Auf den Spuren des norddeutschen Hopfenanbaus - Hopfenanbau und Handel in Braunschweig 15. November 2001: Herr Dr. Steffen Bajohr (Düssc\dorf): Sexualität und Geschlechtsmoral im Braunschweiger Arbeitermilieu Januar 2002: Herr Prof. Dr. Milde (Freie Universität Berlin/ Wolfenbüttel): Frömmigkeit, Theologie und Philosophie - bildhaft im Evangeliar Heinrichs des Löwen 21. Februar 2002: Herr Dr. Matthias Asche (Tübingen): Kultur- und Bildungsbeziehungen der Universität Rostock zum Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel in Spätmittelalter und Früher Neuzeit 21. März 2002: Herr Dr. Christoph BarteIs (Bochum): Das Harzer Montanwesen im Mittelalter

318 April 2002 (mit Jahreshauptversammlung): Herr Prof. Dr. Joachim Ehlers (Ber \in): Ein Reichsfürst in Aktion - Heinrich der Löwe in den Urkunden Friedrich Barbarossas b) im WolfenbüttcIer Schloß 6. Februar 2002: Herr Prof. Dr. Hauptmeyer (Hannover): Niedersachsen einst und jetzt: Vom Agrar- zum High-Tech-Land? - Betrachtungen aus der Perspektive des Historikers. VERSTORBENE MITGLIEDER deren Namen seit seit dem Erscheinen des letzten Jahrbuchs 2001 der Redaktion bekannt wurden Henje Becker, Wolfenbüttel Hans-Joachim Beutel, Cremlingen Susanne Dorff, Helmstedt Rainer Dube, Braunschweig Dr. Wilhelm Loock, Braunschweig Günter Napp, Braunschweig Wolfram Trojok, Braunschweig

319 317 Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte Bd. 16 Eckert, Georg: Die Braunschweiger Arbeiterbewegung unter dem Soziallistengesetz, I.Teil ( ). Bd. 17 Wiswe, Mechhild: Die Flurnamen des Salzgittergebietes Bd. 18 Giesau, Peter: Die Benediktinerkirche St. Ägidien zu Braunschweig: Ihre Baugeschichte von 1278 bis 1478 und ihre Stellung in der deutschen Architktur des 13. bis 15. Jahrhunderts Bd. 19 Kleinau, Hermann: Die von Werle im Raum Braunschweig - Nordharz - Halberstadt. Ein Beitrag zur Geschichte der welfischen Dienstmannschaft und Pfalzenforschung Bd. 20 Bd. 21 Bd. 22 Bd. 24 Gruhne, Fritz: Auswandererlisten des ehemaligen Herzogtums Braunschweig ohne Stadt Braunschweig und Landkreis Holzminden Knauf, Tassilo: Die Architektur der Braunschweiger Stadtpfarrkirchen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Gerkens, Gerhard: Das fürstliche Lustschloß Salzdahlum und sein Erbauer Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel Sander, Julie: Kulturelles Leben in Mitteldeutschland im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, dargestellt am Gästebuch der Industrie-Töchter-Schule in Blankenburg am Harz ( ) Bd. 25 Billig, Wolf gang: Die Stiftskirche zu Steterburg Bd.26 Bd.27 Bd. 28 Ludewig, Hans-Ulrich: Das Herzogtum Braunschweig im ersten Weltkrieg Grefe, Ernst-Hermann: Gefährdung monarchischer Autorität im Zeitalter der Restauration. Der braunschwcigische Umsturz von 1830 und die zeitgenössische Publizistik Nicolai, Bernd: Libido Aedificandi. Walkenried und die monumentale Kirchenbaukunst der Zisterzinser um

320 318 Bd. 29 Bd. 30 Bd.31 Bd. 32 Bd. 33 Bd. 34 Täubrich, Rainer: Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig Wolfenbüttel ( ). Leben und Politik bis zum Primogeniturvertrag von Lietzmann, Hilda: Herzog Heinrich Julius zu Braunschweig und Lüneburg ( ). Persönlichkeit und Wirken für Kaiser und Reich Klieme, loachim: Ausgrenzung aus der NS-" Volksgemeinschaft". Die Neuerkeröder Anstalten in der Zeit des Nationalsozialismus Urkundenbuch des Augustinerchorfrauenstiftes Marienberg bei Helmstedt. Bearb. von Horst-Rüdiger larck Romanik in Niedersachsen. Forschungsstand und Forschungsaufgaben. Hrsg. von Harmen Thies Das Register der welfischen Herzöge Bernhard und Heinrich für das Land Rraunschweig (-1427). Bearb. von Ulrich Schwarz Bd.35 Anfang und Ende zugleich. Der Braunschweigische Landtag Hrsg. von Klaus Erich Pollmann Bd.36 "Es sei also jeder gewarnt." Das Sondergericht Braunschweig Hrsg. von Hans-Ulrich Ludewig und Dietrich Kuessner Bd.37 Nass Klaus: Die Chroniken des Klosters Königslutter Bd.38 Urkundenbuch des Klosters Walkenried. Bd. 1. Von den Anfängen bis Bearb. von lose! Dolle nach Vorarbeiten von Walter Baumann Die Bände 1-15 und 23 sind vergriffen. Sonderveröffentlichungen Pape: Fritz: Der Weinbau im ehemaligen Land Braunschweig Kelsch, Wolfgang: Wolfenbüttcl als alte Festungsstadt in zeitgenössischen Ansichten Issleib, S.: Philipp von Hessen, Heinrich von Braunschweig und Moritz von Sachsen in den Jahren 1541 bis

321 319 Beihefte zum Braunschweigischen Jahrbuch Bd. 2 Bunselmeyer, Si/via: Das Stift Steterburg im Mittelalter Bd. 3 Bd. 4 Bd. 5 Bd. 6 Bd. 7 Bd. 8 Bd. 9 Gerbert,Anneliese: Öffentliche Gesundheitspflege und staatliches Medizinalwesen in den Städten Braunschweig und Wolfenbüttel im 19. Jahrhundert Butz, Werner: Der Polizeibegriff im Herzogtum Braunschweig Wolfenbüttel. Umfang und geschichtliche Entwicklung bis Puhle, Dorothea: Das Herzogtum Braunscheig-Wolfenbüttel im Königreich Westphalen und seine Restitution von Boetticher, Annette: Gütererwerb und Wirtschaftsführung des Zisterzienserklosters Riddagshausen bei Braunschweig im Mittelalter Weinmann, Arno: Braunschweig als landesherrliche Residenz im Mittelalter forns, Annette: Lebens- und Arbeitssituation von Frauen im Lande Braunschweig Scheffler, Woifgang: Braunschweiger Goldschmiede-Familien aus zwei Jahrhunderten ( ) Bd. 10 Grote, Hans-Henning: Johann Balthasar Lauterbach ( ) Bd. 11 Bd. 12 Bd. 13 Bd. 14 Möhle, Martin: Der Braunschweiger Dom Heinrichs des Löwen. Die Architektur der Stiftskirche St. Blasius von Schmidt, Burkhard: Der Herzogenprozeß. Ein Bericht über den Prozeß des welfischen Herzoghauses gegen den Freistaat Braunschweig um das Kammergut ( ) Casimir, Kirstin, Ohainski Uwe: Das Territorium der Wolfenbütte1er Herzöge um Verzeichnis der Orte und geistlichen Einrichtungen der Fürstentümer Wolfenbüttel, Calenberg, Grubenhagen sowie der Grafschaften Hoya, Honstein, Rcgenstein-Blankenburg nach ihrer Verwaltungszugehörigkeit Kretzschmar, Lars: Die Schunterburgen. Ein Beitrag der interdisziplinären Forschung zu Form, Funktion und Zeitstellung Bd.15 Aischner, Uwe: Universitätsbesuch in Helmstedt Modell einer Matrikelanalyse am Beispiel einer norddeutschen Universität Bd.16 Viktor-L. Siemers; Braunschweigische Papiergewerbe und die Obrigkeit

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