Vierzig Jahre Zusammenleben mit Enten
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- Sarah Straub
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Vierzig Jahre Zusammenleben mit Enten Warum Enten und nicht Hühner? Hühner sind Individualisten, Enten bilden eine Familie, sind immer zusammen und helfen sich gegenseitig. Gegenüber den Menschen halten sie eher Distanz, sie kennen ihr Pflegepersonal, sind aber nicht eigentlich zutraulich, ausser in extremen Situationen. Tagesablauf Wie verläuft ein normaler Ententag? Morgens werden sie aus dem Stall gelassen, bekommen dann altes Brot in Wasser aufgeweicht und Legemehl. Mittags eine Handvoll Körner. Abends müssen sie eventuell in den Stall getrieben werden, oft kommen sie aber von selbst. Das geht so: «Änti heicho». Wenn sie Lust haben, in den Stall zu gehen, kommen sie von selbst. Dabei haben sie einen hohen Quakton. Wenn sie nicht auf Anruf reagieren, muss man sie treiben. Man muss in einer gewissen Distanz hinter ihnen gehen (sogenannte Fluchtdistanz), zu nah brechen sie aus, zu weit weg ist keine Führung möglich. Die Enten haben ein Blickfeld von fast 360 Grad, sehen also auch nach hinten. So kann man sie mit Armbewegungen dirigieren, Arm links verhindert ein Ausweichen nach links und umgekehrt. Es besteht keine besondere Marschordnung. Obgleich wir jeder Ente einen Namen gaben, reagierten sie nicht auf individuellen Anruf, aber als Gruppe auf einen Befehl. Nur eine einzige Ente frass mir die Körner aus der Hand. Ich habe sie aber auch nicht speziell darauf dressiert. Gute und schlechte Erpel Der Erpel fühlt sich für die Enten verantwortlich, z. B. beim Fressen wacht er und frisst erst, wenn die Enten genug gefressen haben. Das fällt ihm nicht leicht. Zum Beispiel die Körner hat er besonders gern, aber er hat Angst, dass für ihn nichts übrig bleibt. Unruhig trampelt er von einem Bein aufs andere, aber er beherrscht sich. Nur Bruno - er war ein schlechter Erpel - frass immer sofort und überliess das Wachen dem Suppenkasperli, einem schlanken Erpel. Normal hat man ja nur einen Erpel, sonst kann es Streit geben. Einmal hatten wir zwei Erpel, weil bei der Auswahl der jungen Enten eine davon ein Erpel war. Bei der Auswahl junger Enten bestimmt man das Geschlecht nach dem Ton des Quakens. Enten haben einen tiefen Ton, Erpel einen hohen. Namen und Rassen Die Namen der Enten waren sehr verschieden. Da gab es die Kleopatra oder die Frau Pfarrer, den Suppenkasperli und die Emma, den Bruno - nach einem dicken Freund benannt -, das Sabinli etc. Der Name hatte nur für uns eine Bedeutung. Die Enten sind schlechte Brüter, sie verlassen die Eier, wenn sie den Eindruck haben, die Zeit sei nun reif zum Schlüpfen. Die Küken haben zudem Mühe, die 47
2 harte Schale zu durchbrechen. Meist lässt man Enteneier durch ein Truthuhn oder im Brutkasten ausbrüten. Es gibt ganz verschiedene Rassen, relativ grosse wie z. B. die Okinton-Enten oder die schlanken Laufenten, die Stummenten, die nicht quaken, sondern nur hauchen können. Sie fliegen aber bis einige Meter hoch, entwickeln besonders kräftige Brustmuskeln und werden deshalb für die Entenbrüstli auf unseren Menükarten gezüchtet. Die anderen Enten können nur etwa einen Meter über dem Boden fliegen. Eierlegen und Balzen Eier legen sie je nach Wärme vom Februar oder März bis August/September. Sie sind schmackhafter als Hühnereier. Gekaufte Enteneier darf man nur gekocht geniessen, da sie manchmal Paratyphus übertragen können, wenn man sie roh geniesst. Für uns bestand diese Gefahr nicht, da die Enten ja nicht in Bächen mit allenfalls infiziertem Wasser lebten. Bei uns badeten sie in einer grossen Eternitschale. Für den Winter legt man die Eier in die schönen Steingut-Töpfe aus Grossmutters Zeit. Dort sind sie haltbar bis ca. Februar, dann beginnen die Enten, wieder zu legen. Die Enten leben etwa fünf bis sechs Jahre. Die Legezeit ist etwas kürzer. Das Liebesleben der Enten beginnt mit Balzen. Der Hals streckt sich und zieht sich zusammen. Meist balzt der Erpel zuerst, aber auch die Enten zeigen mit dem gleichen Zeichen an, dass sie bereit seien. Die Erpel bevorzugen die schlanken Enten und zeigen weniger Interesse an den dicken. Das Besteigen der Ente ist relativ mühsam, und der Erpel muss sich an den Kopffedern festhalten, sonst fällt er herunter. Zaungäste Was machen die Enten den ganzen Tag? Unermüdlich gründeln sie im Gras nach Schnecken und zarten Pflanzen. So hatten wir im Gemüsegarten keine Schneckenplage. Zaungäste am Futter hatten wir zwei Sorten: die Spatzen und die Möwen. Die Spatzen waren sehr zahlreich, aber nur ca. im Mai und im September, nicht im Hochsommer und im Winter. Es sind Feldspatzen, die im Winter in den Süden ziehen. Einmal waren es besonders viele, der Futtervorrat aber knapp. So beschloss ich, einen Spatz zu schiessen und beim Futter zur Abschreckung aufzuhängen. Was geschah: Nach zehn Minuten waren die Spatzen alle wieder da, aber die Enten kamen nicht mehr zum Fressen! Die Möwen waren aufdringlich und frassen sehr viel. Wegjagen nützte wenig, bald waren sie wieder da. Ich fand dagegen ein einfaches Mittel: Die Futterschale stand normalerweise auf der flachen Wiese. Stellte ich das Futter in den ca. zwei Meter hoch umzäunten Entenhof, konnten sie nicht mehr anfliegen, da die Aufstiegs Flugbahn zu steil war. So hatten wir Ruhe. Nur vereinzelt kamen wilde Enten. Einst war der Erpel ausserordentlich aggressiv und liess meine eigenen Enten nicht mehr ans Futter. So musste ich ihn liquidieren. 48
3 Der Erpel wacht! Kommunizieren Enten haben Freude an Autos. Einige Zeit hatten wir ein Rotlicht an der Bushaltestelle. Jeden Morgen ging's sogar im Flug an die Alte Landstrasse hinunter, um die dort stehenden Autos zu betrachten, und erst dann gingen sie zum Fressen. Einmal gab es einen autofreien Sonntag, die Enten im Flug an die Alte Landstrasse, Der Flug zu den Autos... 49
4 keine Autos? Es gab ein aufgeregtes Geschnatter, und die Enten kamen sichtlich bedrückt zum Fressen. Aber nicht nur die Autos freuten die Enten, mit den Leuten an der Bushaltestelle führten sie gern ein Gesprach, was auch für die Wartenden ein Vergnügen war. Sanitätsdienstlich sind Enten korrekt. Bei einem Unfall bleibt eine bei der Verunfallten, die anderen kommen zu uns, schnattern und führen uns an den Unfallort, z. B. einen Schacht. Einmal hatte das Sabinli, eine besonders intelligente Ente, den Oberschenkel gebrochen. Nach dem Röntgenbild wurde dieser am Körper fixiert und sie in einem Harass drei Wochen ruhiggestellt. Sie war bei dem Unfall noch sehr jung und blieb kleiner. Enten sind keine Wächter wie die Gänse, sie machen im Garten keine Schäden und rupfen nicht wie diese die Pflanzen aus. Aber zarte Salatblätter lieben sie doch. Unser Gemüsegarten war eingezäunt, nur das klein gebliebene Sabinli konnte mit dem Kopf durch das Drahtgitter reichen. Es zupfte die zarten Salatblätter ab und legte sie den anderen zum Fressen hin. Hunde, Füchse, Dachse Eine Gefahr für die Enten waren fremde Hunde, die sie angriffen und verletzten. Der Barry, des Nachbars Hund, bewachte sie treu. Es waren «seine Enten. Einmal allerdings hatte eine Patientin einen Schreck: Es war Sommer, das Fenster im Sprechzimmer stand offen. Plötzlich sah sie den Doktor aufspringen und im Hui durchs offene Fenster verschwinden. Ich hatte durch das Fenster einen Hund gesehen, der auf die Enten losging. Wenn die Enten z. B. durch einen Hund erschreckt wurden, flohen sie über die niedrige Umzäunung auf die Strasse. Dort gab es etwas Verkehrsschwierigkeiten, zum Glück aber nie einen Unfall. Die gefährlichsten Feinde der Enten sind Fuchs und Marder. Einmal vergassen wir, das Tor zum Stall zu schliessen. Der Marder kam und griff eine Ente im Stall an. Der kleine Erpel, es war der Suppenkasperli, schlug, selbst schwer verletzt, den Marder in die Flucht. Er überlebte zum Glück. Ein anderes Mal ging es traurig aus: Wir hatten fünf junge Entlein. Sie mussten von den grossen Enten getrennt untergebracht werden. Sie schliefen in einem Holzhäuschen mit Tür und Holzklappriegel. In mühsamer Arbeit grub sich der Marder unter dem Gitter durch, stiess den Riegel auf und tötete alle fünf jungen Enten. Er saugt nur das Blut, frisst die Körper aber nicht. Sabinli Nun die schönste Geschichte von Sabinli : Eines Abends fehlte Sabinli im Entenstall. Alle anderen waren brav heimgekommen. Wir suchten überall, fanden aber die kleine Ente nicht. Am nächsten Tag kam Sabinli zum Fressen mittags, abends fehlte es wieder. Wir hatten schon einen gewissen Verdacht. So stellten wir am nächsten Tag - Sabinli hatte abends wieder gefehlt - das Futter ins Entengehege. Sabinli kam zum Fressen. Wir trieben die anderen Enten hinaus und schlossen sie 50
5 im Hof ein. Aufgeregtes Geschnatter, Sabinli drinnen, die anderen draussen, durch das Gitter getrennt. Abends fehlte eine andere, grössere Ente. Wir gingen wieder auf die Suche. Diesmal sahen wir unter einem Busch den Bürzel der fehlenden Ente. Sie sass auf Eiern! Wenn man bedenkt, dass beim Brüten eine hormonale Umstellung erfolgt, ist es erstaunlich, dass eine andere Ente, die noch in der normalen Lege-Hormonlage ist, das Brutgeschäft stellvertretend übernimmt und sogar weiss, wo die Eier liegen. Tragödie im Entenstall Nun zum Schluss das traurige Ende: Wir waren später als erwartet heimgekommen, so war der Entenstall offengeblieben. Als ich abschliessen wollte, war der kleine Erpel, der Suppenkasperli, allein im Stall. Er kam sofort quakend zu mir und liess sich auf den Arm nehmen. Sonst ist es sehr schwierig, eine Ente zu fangen. Quakend gingen wir miteinander, den Suppenkasperli immer auf dem Arm, die anderen suchen. Wir fanden nur den Bruno, den schlechten Erpel und Vielfrass, tot. Er war dem Fuchs beim Abtransport wohl zu schwer geworden, so dass er ihn verlor. Nach diesem schweren Zwischenfall gaben wir das Zusammenleben mit den Enten auf, und meine Frau fragte: Wo kauft man Eier? Rolf Stahel 51
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Forum privater Magazine Herausgeberin: Christiane Steiner Postanschrift: 12057 Berlin; Dieselstr. 17 Telefon: 0171 474 86 17 Internet: www.magazinforum.de E-Mail: magazinforum@ch-steiner.de Forum privater
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