Die hohe Kunst der Reduktion

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1 Die neue Werkshalle 10 der Hundegger Maschinenbau GmbH in Hawangen ist ein gutes Beispiel dafür, welche Vorteile die Vorfertigung standardisierter Holzbauteile bietet in puncto Qualität, Ästhetik und Kostensenkung. Die hohe Kunst der Reduktion Hallenbau Beim Bau der neuen Werkshalle 10 der Hans Hundegger Maschinenbau GmbH reduzierte Tragwerksplaner Timo Bareth von der Häussler Ingenieure GmbH die Zahl der Bauteile auf sieben standardisierte Elemente. Das daraus konstruierte Tragwerk ist kostengünstig, filigran und funktional. Joachim Mohr Seit den 1980er-Jahren ist die Hans Hundegger Maschinenbau GmbH mit ihren Produkten ein Protagonist der maschinellen Vorfertigung im Holzbau. Die neue Werkshalle 10 in Hawangen stellt dies eindrucksvoll unter Beweis. Aus wenigen einfachen Elementen konstruiert, ist sie ein gutes Anschauungsbeispiel dafür, welche Vorteile die Vorfertigung standardisierter Holzbauteile bietet in punkto Qualität, Ästhetik und Kostensenkung. Plan, Konstruktion und Statik zur neuen Halle stammen von der Häussler Ingenieure GmbH in Kempten einem Unternehmen, das in Süddeutschland maßgeblich an einigen spektakulären Projekten mitgearbeitet hat. Dazu gehören unter anderem das Freizeitbad in Deggendorf mit einer kostengünstigen m messenden Kuppel aus Holz und Kunststofffolie und verschiedene Planungen für die Robert Bosch GmbH in Immenstadt und Blaichach. Hinzu kommen Holz-Tragwerksplanungen für Wohnhäuser und Gewerbebauten in Kooperation mit verschiedenen Zimmereien, unter anderem Taglieber in Öttingen. Häussler und Hundegger pflegen dank der langjährigen Zusammenarbeit bei Bamtec, einem System für die Vorfertigung von Bewehrungselementen für Stahlbetonplatten, eine enge Geschäftsbeziehung: Zu der vom Ingenieurbüro entwickelten und mit dem Innovationspreis der deutschen Wirtschaft 2010 ausgezeichneten Innovation liefert der Maschinenbauer die computergesteuerte Schweißanlage. Beton- und Holzarbeiten für die Halle 10 wurden nach Abschluss der Planungsphase von Hundegger ausgeschrieben. Den Zuschlag für die Betonarbeiten bekam die Augustin Beck GmbH aus Memmingen, die Holzarbeiten übernahm die Müllerblaustein 20 bauen mit holz

2 Balkenquerschnitte (Halle 9: cm, Halle 10: cm) die Firsthöhe nicht einhalten können, weil die Fußpunkte der Träger-Untergurte durch Einfahrts-, Tor- und Kranhöhen vorgegeben waren. Bilder: Hans Hundegger GmbH Tragendes Element im Dach sind die insgesamt 15 Fachwerkträger, die als Einfeldträger quer über die Hallenbreite spannen und die Dachlast über ein 6 Meter-Rasterfeld abtragen. Die Sparren, die von Fachwerkträger zu Fachwerkträger gespannt sind, wurden als standardisiertes, keilgezinktes Bauteil mit Winkel vorgefertigt. Standardisierte Bauteile schaffen filigrane Konstruktion Im Vergleich zu Halle 9 vereinfachte Timo Bareth darüber hinaus die gesamte Dachkonstruktion aus wirtschaftlichen Gründen und um für die neue Halle eine geradlinige, filigrane Deckengestaltung zu erreichen. Wo in Halle 9 mehrere Bauteilebenen in der Decke übereinander geschichtet waren, reduzierte Bareth das Tragwerk in Halle 10 auf vier standardisierte Elemente: Fachwerkträger, Sparren, Unterzüge und Schubdiagonalen, ergänzt durch Knaggen und Leisten, die als Auflagerpunkte dienen. Resultat dieser Selbstbeschränkung war eine klar strukturierte, luftige Deckengeometrie, die unter anderem einen sehr guten Lichteinfall über die senkrechten Glasflächen in den Sheddächern ermöglicht. Tragendes Element im Dach sind die insgesamt 15 Fachwerkträger, die als Einfeldträger quer über die Hallenbreite spannen und die Dachlast über ein 6 Meter-Rasterfeld abtragen. Die Sparren, die von Fachwerkträger zu Fachwerkträger gespannt sind, wurden als standardisiertes, keilgezinktes Bauteil mit Winkel vorgefertigt. Holzbau GmbH aus Blaustein bei Ulm, die das Projekt außerdem als Generalunternehmer abwickelte. Dem Holzbauer lieferten Häussler Ingenieure die fertigen Abbundpläne und Maschinensteuerdateien. Neue Norm erschwert nahtlosen Übergang Die neue Halle ist 21,80 m breit, 108 m lang und steht in der Flucht der bestehenden Halle 9, die sie an den Enden um ein und zwei Felder überragt. Wie Halle 9 sollte sie mit einem in Nord-SüdRichtung ausgerichteten Sheddach ausgestattet sein: Senkrechte Glasflächen auf der Nordseite unterstützen bei diesem Konzept die Hallenbelichtung, während die ideal geneigten Schrägflächen im Süden die Montage von PV-Modulen ermöglichen. Auf Wunsch des Auftraggebers sollte die neue Halle mit nahtlosem Übergang an Halle 9 gestellt werden, sodass sie wie eine Verlängerung wirkt. Die Schwierigkeit eines solchen Übergangs zwischen Alt und Neu bestand darin, dass sich die Vorgaben für die Schneelast und für die Bauteildimensionen seit dem Bau der Bestandshalle geändert hatten. Timo Bareth, geschäftsführender Gesellschafter und verantwortlicher Planer bei Häussler Ingenieure: Die neue Holzbauordnung und höhere Schneelasten legten uns auf größere Holzquerschnitte fest. Gleichzeitig sollten wir im gleichen Raster eine absolut identische Dachgeometrie erreichen. Teilweise ließ sich diese Aufgabe durch andere Holzqualitäten lösen so sind die Enddiagonalen in Halle 10 aus BSH 16, während in Halle 9 ausschließlich BSH 11 verwendet wurde. Bei den Fachwerkträgern in den Sheddächern wurde dagegen im Vergleich zur Bestandshalle eine modifizierte Bauteilgeometrie erforderlich: Ohne diese Modifikation hätte man angesichts der größeren

3 Senkrechte Glasflächen auf der Nordseite unterstützen die Hallenbelichtung, während die ideal geneigten Schrägflächen im Süden die Montage von PV-Modulen ermöglichen. An ihren Enden sind die Sparren ausgeklinkt und liegen auf Knaggenhölzern auf. Am oberen Ende sind sie mit Schlitzblechen und Stabdübeln am Fachwerkträger befestigt, am unteren dient eine Vollgewindeschraube der Lagesicherung. Dank der speziellen Sparrengeometrie war es möglich, bei der Dachkonstruktion ohne zusätzliche Trägerlagen auszukommen. Die einzelnen Schichten des Dachs passen sich an die Form der Sichtsparren an, die unterste Schicht aus OSB-Platten bildet dabei die Hallendecke. Darüber folgen eine Polyethylenfolie, 140 mm Dämmung und eine Dachbahn aus PVC. Der U-Wert des Dachs liegt bei 0,25 W/(m 2 K). Aus statischer Sicht ist das Hallendach eine Scheibe, die durch Schubdiagonalen und Verbandshölzer ausgesteift wird. Dabei werden, dem Raster der tragenden Stützen folgend (s. unten), jeweils drei Querachsen zu einem Verband zusammengefasst. Im Feld zwischen den Verbänden steifen zusätzliche Diagonalen bis zur Hallenmitte die Deckenkonstruktion aus. Betonstützen und A-Böcke tragen die Windlasten Die senkrechten Lasten der Halle 10 werden rundum durch Stützen abgetragen. An der freien Seitenwand kamen dabei neben Pendelstützen aus Holz in jedem dritten Achsfeld vorgefertigte Vertikalstützen aus Stahlbeton zum Einsatz, die der Aussteifung in Längs- und Querrichtung dienen. Die Längsaussteifung hätte alternativ auch über A-Böcke erfolgen können, das wäre allerdings nicht wirtschaftlich gewesen, zumal sich eine Queraussteifung über die Giebelwände wegen der extremen Geometrie der 108 m langen Halle von selbst verbot. In der inneren, an Halle 9 angrenzenden Achse waren Betonstützen nicht möglich, weil man wegen des geringen Abstands zwischen beiden Gebäuden keine Köcherfundamente gießen konnte. Auf dieser Seite ist in Halle 10 die gesamte Dachlast auf Pendelstützen aus Holz aufgelagert. 22 bauen mit holz

4 Hinzu kam, dass Hundegger in den Giebelwänden keine Versteifungen wünschte, um bei der Konzeption von Eingängen und Zufahrtstoren möglichst flexibel zu sein. Aus diesem Grund wurden auch die Giebelstützen als Stahlbetonstützen ausgeführt. So konnte auf zusätzliche Aussteifungen in den Giebelwänden verzichtet werden. Die Stahlbetonstützen weisen einen Querschnitt von cm auf und stehen in cm großen Köcherfundamenten aus armiertem Ortbeton. Bei der Montage wurden die Stützen in die Köcherschalungen eingestellt und anschließend mit Beton vergossen, wobei über spezielle Schalungsprofile eine monolithische Verbindung zwischen Stütze und Fundament entstand. Zwischen den Köcherfundamenten befinden sich Streifenfundamente, auf denen sämtliche Holzstützen der Halle aufsitzen. Diese Holzstützen sind reine Pendelstützen ohne aussteifende Funktion, die ihre Windlast an die Dachscheibe abgeben. Schubdiagonalen und parallel zur Außenwand liegende Verbände im Dach nehmen die Lasten auf und transportieren sie in die Stahlbetonstützen, die sie in den Baugrund abtragen. Die Stahlbetonstützen tragen alle horizontalen Lasten in Hallenquerrichtung ab. Gleiches gilt für Lasten in Längsrichtung in der äußeren Hallenachse. In der inneren, an Halle 9 angrenzenden Achse waren Betonstützen nicht möglich, weil man wegen des geringen Abstands zwischen beiden Gebäuden keine Köcherfundamente gießen konnte. Auf dieser Seite ist in Halle 10 die gesamte Dachlast auf Pendelstützen aus Holz aufgelagert. Die Funktion der Aussteifung in Längsrichtung übernehmen hier A-Böcke, die Timo Bareth von Häussler Ingenieure in jedes dritte Feld eingeplant hat. Mit dieser Konstruktion gelang es dem Tragwerksplaner, auch die nicht unbeträchtlichen horizontalen und vertikalen Kräfte abzutragen, die durch den Betrieb der beiden Hallenkräne entstehen. Die Kranbahnen liegen auf Konsolen in den Holz- und Betonstützen auf. Deren Dimensionen sind so ausgelegt, dass beide Kräne jeweils bis 16 t zugelassen in dichtem Abstand parallel gefahren werden können, um zum Beispiel eine schwere Maschine gemeinsam zu transportieren. 280 identische Sparren senken die Kosten Die Wandscheiben der Halle 10 haben keine statische Funktion. Sie bestehen aus vorgehängten C-Kassetten mit 120 mm Dämmung und einer Aluwelle als Fassade. Ihr U-Wert liegt bei 0,28 W/(m 2 K). Natürlich hätte man beim Hallenbau auch andere Konzeptionen andenken können, zum Beispiel auch eine reine Holzkonstruktion mit direkt einbetonierten oder über Stahlfüße eingespannten Holzstützen. Angesichts der Hallengeometrie und der sehr hohen Kranlasten sieht Bareth hier allerdings keine realistische Alternative: Bei kleinen Hallen funktioniert so etwas sehr gut, in diesem Fall hätte man eine solche Lösung aber mit sehr hohen Querschnitten erkauft falls man die Lasten mit einer solchen Konstruktion überhaupt in den Griff bekommen hätte

5 Ein weiteres Argument für die gewählte Lösung ist aus Sicht des Statikers, dass die Kombination aus Holz, Stahl und Beton neben der vom Bauherrn gewünschten filigranen Konstruktion auch wirtschaftlich einen günstigen Kompromiss bot. Wirtschaftlichkeit war einer der Schwerpunkte, die man bei Häussler Ingenieure auf den Hallenneubau gelegt hatte. Aus diesem Grund setzte das Ingenieurbüro beim Bau der Halle auch sein Bamtec- Bewehrungssystem ein, mit dem man bis zu 20 Prozent an Baustahl spart. Timo Bareth: Dies entspricht dem Kerngedanken unserer Arbeit, als Dienstleister im Interesse unseres Kunden ästhetisch, konstruktiv und finanziell das Optimum des jeweiligen Gebäudes zu realisieren. Zur Aktivierung weiterer Sparpotenziale schöpfte man auch beim Holzbau die Möglichkeiten der Vorfertigung und Standardisierung weitgehend aus: Je besser ich die Bauteile standardisiere, desto günstiger kann ich die Halle am Ende fertigen lassen. Ein gutes Beispiel für diese Philosophie sind beim Projekt in Hawangen die Sparren: Einmal gezeichnet, wurden sie als Massenbauteil 280-mal in der Abbundanlage gefertigt. Bei der Montage bedeutete die klar strukturierte Konstruktion weniger Arbeitsstunden, eine kurze Montagezeit und damit eine schnellere Inbetriebnahme durch den Bauherrn Faktoren, die nicht nur für den Preis, sondern aus Sicht des Investors auch für die Rentabilität eines gewerblich genutzten Gebäudes entscheidend sind. Entsprechend groß war die Zufriedenheit bei Hundegger, zumal die Halle mit ihrer funktionalen Ästhetik ein sehenswertes Vorzeigeobjekt ist. Die Kranbahnen liegen auf Konsolen in den Holz- und Betonstützen auf. Deren Dimensionen sind so ausgelegt, dass beide Kräne jeweils bis 16 t zugelassen in dichtem Abstand parallel gefahren werden können. Die Halle ist die beste Werbung für Holz und Hundegger Einen weiteren Schwerpunkt legte man bei Häussler auf ökologische Aspekte des Projekts: Montageflächen für PV-Module ermöglichen Hundegger eine nachhaltige Stromproduktion, die großen Glasflächen in den Sheddächern verbessern die Belichtung und sollen helfen, den Strombedarf für die Hallenbeleuchtung zu senken. Unter die Rubrik Ökologie fällt auch die Entscheidung für den nachhaltigen Baustoff Holz. All diese Faktoren sind daran beteiligt, dass die Firma Hundegger mit ihrer Halle 10 ein Mustergebäude hat, das sehr eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit der eigenen Holzbearbeitungsmaschinen demonstriert: Hundegger konnte man eigentlich nur eine solche Halle hinstellen. Mit ihrer Filigranität, den verdeckten Verbindungen und den präzise gefertigten Bauteilen präsentiert sie jedem Kunden auf einen Blick: Schau her, so etwas Schönes kannst du mit meinen Maschinen machen, so Bareth. Autor Dr. Joachim Mohr ist freier Fachredakteur, Fotograf und Inhaber des Pressebüros Presse für Profis in Tübingen. Im Vergleich zu Halle 9 vereinfachte Timo Bareth die gesamte Dachkonstruktion aus wirtschaftlichen Gründen und um für die neue Halle eine geradlinige, filigrane Deckengestaltung zu erreichen. 24 bauen mit holz