EUROPÄISCHE KOMMISSION
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- Albert Schulze
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1 Ref. Ares(2013) /12/2013 EUROPÄISCHE KOMMISSION Brüssel, den 13. Dezember 2013 sj.g(2013) AN DEN PRÄSIDENTEN UND DIE MITGLIEDER DES GERICHTSHOFS DER EUROPÄISCHEN UNION SCHRIFTSATZ gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in den verbundenen Rechtssachen C-473/13 und C-514/13 eingereicht von der Europäischen Kommission, vertreten durch Maria Condou-Durande und Geert Wils, Mitglieder des Juristischen Dienstes der Kommission; Zustellungsanschrift: Merete Clausen, ebenfalls Mitglied des Juristischen Dienstes der Kommission, Bâtiment Bech, 5 rue A. Weicker, L-2721 Luxemburg, - der Zustellung aller Verfahrensschriftstücke über e-curia wird zugestimmt -, wegen Vorabentscheidung gemäß Artikel 267 AEUV, beantragt vom Bundesgerichtshof bzw. vom Landgericht München I (Deutschland) in den Verwaltungsstreitsachen bzw. Bero - Rechtsbeschwerdeführerin im Verfahren C-473/13- Bouzalmate - Rechtsbeschwerdeführer im Verfahren C-514/13 über die Auslegung des Art. 16 Abs.1 der Richtlinie (EG) Nr. 2008/115 des Europäischen Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348, , S. 98.
2 2 I. SACHVERHALT UND AUSGANGSVERFAHREN 1. Beide Rechtsbeschwerdeführer fallen in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115, die nach ihrem Art. 2 Abs. 1 auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige Anwendung findet. 2. Die Rechtsbeschwerdeführerin im Verfahren C-473/13, die mutmaßlich syrische Staatsangehörige ist, wurde am 2. Juli 2011 infolge einer Eingabe an die Härtefallkommission des Landes Hessen aus der Haft entlassen. Der Bundesgerichtshof behandelt als Rechtsbeschwerdegericht ihren Antrag, die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2011 festzustellen, in der die Unterbringung der Betroffene im Rahmen ihrer Abschiebungshaft in einer Justizvollzugsanstalt als rechtmäßig angesehen wurde. 3. Für den Erlass seiner Entscheidung hält der Bundesgerichtshof die Beantwortung der folgenden Frage für entscheidungserheblich: Ergibt sich aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, Nr. L 348/98) auch dann die Verpflichtung eines Mitgliedstaates, Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen zu vollziehen, wenn solche Einrichtungen nur in einem Teil der föderalen Untergliederungen dieses Mitgliedstaats vorhanden sind, in anderen aber nicht? 4. Der Rechtsbeschwerdeführer im Verfahren C-514/13, ein marokkanischer Staatsangehöriger, befand sich zur Zeit des Vorlagebeschlusses in Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt München, Abteilung Abschiebungshaft. Das Landgericht München behandelt die Beschwerde des Betroffenen gegen die vom Amtsgericht München am 20. September 2013 beschlossene Abschiebungshaft, und ist dabei der Auffassung, dass der Erfolg der Rechtsbeschwerde von der Auslegung von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 abhängt. 5. Für den Erlass seiner Entscheidung hält das Landgericht München die Beantwortung der folgenden Frage für entscheidungserheblich: Ergibt sich aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen
3 3 Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, Nr. L 348/98) auch dann die Verpflichtung eines Mitgliedstaates, Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen zu vollziehen, wenn solche Einrichtungen nur in einem Teil der föderalen Untergliederungen dieses Mitgliedstaats vorhanden sind, in einem anderen, in dem nach den Vorgaben der föderalen Untergliederung dieses Mitgliedstaates die Haft vollzogen wird, aber nicht? II. RECHTLICHER RAHMEN UND WÜRDIGUNG 6. Die Frage der Vorlagegerichte betrifft Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie (EG) 2008/115 des Europäischen Parlaments und des Rates. Laut Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten dieser Bestimmung bis spätestens zum 24. Dezember 2010 nachkommen. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil im Fall El Dridi feststellte, ist Art. 16 der Richtlinie unbedingt und hinreichend genau, ohne dass es weiterer besonderer Gesichtspunkte bedürfte, um ihre Umsetzung durch die Mitgliedstaaten zu ermöglichen Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie lautet: "Die Inhaftierung erfolgt grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen. Sind in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden und muss die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten erfolgen, so werden in Haft genommene Drittstaatsangehörige gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht." 2 8. Die Frage der Vorlagegerichte betrifft den hervorgehobenen Teil des zweiten Satzes von Art. 16 Abs. 1. Insbesondere lautet die Frage, ob beim Nichtvorhandensein von speziellen Hafteinrichtungen für Abzuschiebende "in einem Mitgliedstaat" nur ein Bezug auf die Mitgliedstaaten als Ganzes, oder ob dies im selben Maße für regionale Untergliederungen innerhalb eines Mitgliedstaats, wie etwa für die deutschen Länder, gilt. 1 2 Urteil vom 28. April 2011, C-61/11 PPU, El Dridi, noch nicht in der Slg. veröffentlicht, Rdnr. 47. Unsere Hervorhebung.
4 4 9. Die Antwort auf diese Frage ist von großer praktischer Bedeutung, da eine Mehrheit der deutschen Länder über keine "solche speziellen Hafteinrichtungen" im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie verfügen. 10. Die Kommission ist der Auffassung, dass auf den Mitgliedstaat als Ganzes abzustellen ist. 11. Dies ergibt sich erstens aus dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 1, der auf einen "Mitgliedstaat" und nicht auf eine weitere Untergliederung innerhalb eines Mitgliedstaats abstellt. 12. Der Kontext führt zum gleichen Ergebnis. Der zweite Satz des Art. 16 Abs. 1 bildet eine Ausnahme zum ersten Satz. Der letzte Satz des siebzehnten Erwägungsgrundes der Richtlinie bestätigt dies. Die Inhaftierung von abzuschiebenden Personen erfolgt "grundsätzlich", d.h. in der Regel, in speziellen Hafteinrichtungen. Die Unterbringung von abzuschiebenden Personen in gewöhnlichen Haftanstalten muss die Ausnahme bleiben. Eine Ausnahme ist streng auszulegen. Der Kontext bestätigt daher die Interpretation aus dem Wortlaut, nach welcher klar auf das Gesamtterritorium eines Mitgliedstaates abzustellen ist. Das Nichtvorhandensein spezieller Hafteinrichtungen in einer regionalen Untergliederung eines Mitgliedstaats kann daher eine Unterbringung in einer gewöhnlichen Haftanstalt in diesem Teil des Mitgliedstaats nicht rechtfertigen, wenn gleichzeitig in einem anderen Teil desselben Mitgliedstaates solche speziellen Hafteinirichtungen vorhanden sind. 12. Die Zielsetzung der Regelung führt zum gleichen Ergebnis. Laut dem sechzehnten Erwägungsgrund der Richtlinie, "sollte das Mittel der Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung nur begrenzt zum Einsatz kommen und im Hinblick auf die eingesetzten Mittel dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen". 3 Das Nichtvorhandensein von speziellen Hafteinrichtungen für Abzuschiebende entgegen dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 nur auf eine regionale Untergliederung des betreffenden Mitgliedstaats zu beziehen, würde dazu führen, weiterreichende Mittel als notwendig zum Einsatz zu bringen. 3 Unsere Hervorhebung.
5 5 14. Die Verweise auf die föderale innerstaatliche Verfassung eines Mitgliedstaates führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich ein Mitgliedstaat nämlich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um sich der Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen zu entziehen Die Kommission meint daher, dass die Vorlagefrage dahingehend zu beantworten ist, dass im zweiten Satz des Art. 16 Abs. 1 auf den Mitgliedstaat als Ganzes abzustellen ist. III. ENTSCHEIDUNGSVORSCHLAG 16. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen schlägt die Kommission dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten: Aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, Nr. L 348/98) ergibt sich auch dann die Verpflichtung eines Mitgliedstaates, Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen zu vollziehen, wenn solche Einrichtungen nur in einem Teil der föderalen Untergliederungen dieses Mitgliedstaats vorhanden sind, in anderen aber nicht. [elektronisch unterzeichnet] [elektronisch unterzeichnet] Maria CONDOU-DURANDE Geert WILS Prozessbevollmächtigte der Kommission 4 Urteile des 20. September 1990, C-5/89, Kommission / Deutschland, Slg. I-3437, Rdnr.18, des 9. Juli 1998, C-323/97, Kommission / Belgien, Slg. I-4281, Rdnr. 7-8, und des 11. Februars 2010, C- 523/08, Kommission / Spanien, Rdnr. 11.
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