Trauerrituale in verschiedenen Kulturen
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- Rolf Rosenberg
- vor 6 Jahren
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1 Trauerrituale in verschiedenen Kulturen Einleitung 1. Trauerrituale sind so alt wie die Menschheit und stehen immer in direkter Verbindung zur Frage: Was geschieht mit uns Menschen nach dem Tod? Die Religionen geben uns darauf unterschiedliche Antworten und daraus haben sich viele verschiedene Rituale entwickelt. Diese Rituale wurden im Laufe der Zeit oft angepasst an die immer währenden gesellschaftlichen Veränderungen, an die vorhandenen Ressourcen, die Umweltbedingungen und an die individuellen Bedürfnisse der Menschen. So ist es auch verständlich, dass beispielsweise eine katholische Beerdigung eines wohlhabenden Italieners anders abläuft als die eines mittellosen Chinesen Abgrenzungen Die hier beschriebenen Trauerrituale sollen dem Leser einen groben Überblick verschaffen, wie sich in unterschiedlichen Glaubenssystemen verschiedene Abläufe entwickelt haben. Auf eine Vollständigkeit der Beschreibungen muss leider verzichtet werden, weil die lokalen Unterschiede sehr gross sind und die Beschreibung dieser Details den Rahmen dieses Papiers sprengen würde. Beerdigungsbräuche vergangener Kulturen 2. Da in den archaischen Gesellschaften die Rituale meist nur mündlich überliefert wurden existieren kaum Beschreibungen konkreter Trauerrituale. Anhand von Ausgrabungen konnte aber nachgewiesen werden, dass die Toten in allen Kulturen auf spezielle Art beigesetzt wurden, was auf spezifische Kulthandlungen schliessen lässt. Ferner können wir davon ausgehen, dass die Verarbeitung des Verlustes eines Mitmenschen zu jeder Zeit in der Menschheitsgeschichte eine zentrale Rolle gespielt haben muss. Rituale dienten und dienen noch heute dazu, mit dem Verlust und der Trauer besser fertig zu werden Ägypten Von den ägyptischen Königen kennen wir das Einbalsamieren des Leichnams und die Beisetzung in Pyramiden und anderen Grabstätten. Während den verschiedenen ägyptischen Pharao-Dynastien wurde das Glaubenssystem verändert und entsprechend mussten auch die Rituale angepasst werden Frühe Hochkulturen Lateinamerikas Von den Inkas, Mayas und den Azteken ist bekannt, dass die Stammesoberhäupter in Tempeln begraben wurden. Die frühen mittelamerikanischen Kulturen kannten auch den Pyramidenbau, der unter anderem als letzte Ruhestätte diente. In Süd- und Mittelamerika fand man mumifizierte Leichen, die mit speziellen Techniken (Tüchern, Gips ) einbalsamiert wurden. museumstrasse st. gallen info@ritualmeister.ch
2 2.3. Kelten In der proto-keltischen Kultur wurden die Toten eingeäschert und auf Urnenfeldern begraben. Die Kelten hingegen begruben ihre Toten in Sitzgräbern. Später wurden Verstorbene in Hügelgräbern beigesetzt. Darin fand man komplette Wagen und andere Grabbeigaben (Schmuck, Waffen, Esswaren ), die man den Toten auf die letzte Reise mitgegeben hat Indianer (USA) Von den nomadisch lebenden nordamerikanischen Indianerstämmen ist bekannt, dass sich alte Stammesangehörige zum Sterben an heilige Orte zurückgezogen haben, wo sie sich dann der Natur übergaben. In den ansässigen Stämmen, die vor allem den Süden besiedelten, waren sowohl Erd- als auch Feuerbestattungen gebräuchlich Parsen Die Parsen (Anhänger Zarathustras) durften weder verbrannt noch vergraben werden, weil sowohl das Feuer als auch die Erde heilig waren und mit den Toten beschmutzt worden wäre. Aus diesem Grund wurden die Toten auf sogenannten Türmen des Schweigens beigesetzt, wo sie dann von Vögeln entsorgt wurden. 3. Trauerrituale mit jüdischen Wurzeln Da sich das Christentum und der Islam aus dem Judentum entwickelt haben und sich diese Religionen in den säkularisierten Gesellschaften immer stärker vermischen, lohnt sich eine gemeinsame Betrachtung Jüdische Trauerrituale Im Judentum ist festgelegt, dass der Leichnam keineswegs verbrannt werden darf, sondern bis zur Auferstehung unangetastet in der Erde ruhen muss. Aus diesem Grund dürfen jüdische Friedhöfe nicht aufgehoben werden. Der Beerdigung gehen rituelle Waschungen voraus. Der Tote wird jeweils vom gleichen Geschlecht gewaschen. Danach wird der Leichnam in ein einfaches, ganz von Hand genähtes Totenhemd gekleidet, das keine Taschen hat, weil im Tod alle sozialen Unterschiede aufgehoben sind. Bis zur Beerdigung wird die Leiche nicht allein gelassen, um böse Geister von ihr fernzuhalten. Es gilt, den Leichnam so schnell wie möglich zu beerdigen. Für die schlichte Erdbestattung (ohne Musik, Blumen und spezieller Trauerbekleidung) wird die Leiche in ein weisses Leinentuch gehüllt. Mit Gebeten und einem knappen Nachruf wird der Tote in das Erdreich hinab gelassen und anschliessend wird das Grab zugeschaufelt. Die trauernde Familie reisst als Symbol des Schmerzes ein Stück Kleidung entzwei. Bei jüdischen Trauerfeiern sind Frauen und Männer nicht gemischt. Die eigentliche Trauerzeit beginnt erst nach der Beerdigung, wenn im Trauerhaus die Spiegel verhängt werden. 7 Tage lang (Schiwa) gehen die Hinterbliebenen keiner Arbeit nach und lassen sich von Freunden und Verwandten besuchen. Dabei dürfen die engsten Angehörigen das Haus in der ersten Woche nicht verlassen. Sie sitzen als Zeichen der Trauer und Seite 2 / 6
3 des Schmerzes auf niedrigeren Stühlen und selbst die hygienische Pflege wird auf ein Minimum reduziert. Die zweite Phase der Trauer heisst Scheloschim, die einen Monat dauert. Während dieser Zeit dürfen die Angehörigen des Verstorbenen die Haare nicht schneiden und nicht einmal an religiösen Festen teilnehmen. Die dritte Phase, die ein Jahr dauert, heisst Awelut. Sie wird nur für die Eltern gehalten. In dieser Zeit wird täglich ein Gebet gesprochen und auf ausgelassene Feste verzichtet. Als Zeichen der Erinnerung und Anerkennung des Verstorbenen legen die Juden bei ihrem Besuch am Grab einen Stein auf den Grabstein. Jüdische Friedhöfe dürfen nicht aufgehoben werden Katholische Trauerrituale Die Christen glauben auch an die Auferweckung der Toten am Jüngsten Tag. Das katholische Ritual setzt vor dem Ableben mit der Krankensalbung (Sakrament) ein. Dazu wird das Zimmer mit einem Tisch mit Kreuz, Kerzen und Weihwasser vorbereitet. Nach der Begrüssung durch den Priester nimmt dieser vom Kranken das allgemeine Schuldbekenntnis oder die Beichte ab. Ferner kann er dem Kranken den vollkommenen Ablass gewähren. Danach können der Kranke und die Anwesenden auf Wunsch die heilige Kommunion empfangen. Die Krankensalbung schliesst mit dem Segen des Priesters. Unmittelbar vor und nach dem Eintritt des Todes werden von den Anwesenden Sterbegebete gesprochen. Unmittelbar nach dem Tod wird ein Fenster geöffnet, damit die Seele entweichen kann. Der Leichnam wird oft zu Hause, im Spital oder auch auf dem Friedhof (in einer speziellen Aufbahrungshalle) im Sarg aufgebahrt, damit die Hinterbliebenen vom Toten persönlich Abschied nehmen können. Zu diesem Zweck werden die Verstorbenen speziell gekleidet und hergerichtet. Vor der Beerdigung kann beim Toten eine Totenwache gehalten werden. Dabei lesen die Trauernden Bibeltexte oder sind am Singen und beten. Das Begräbnisritual wird auf lokal unterschiedliche Arten durchgeführt, beinhaltet aber immer folgende Komponenten: Eröffnung, Wortgottesdienst oder Eucharistiefeier und Beisetzung bzw. Verabschiedung. Die Urne oder der Sarg wird üblicherweise am Grab mit Weihwasser bespritzt und die Gäste werfen etwas Erde ins Grab. Die Beerdigung ist in der katholischen Tradition kein Sakrament und darf darum auch von Nichtpriestern abgehalten werden. Im Anschluss an die Beerdigungsfeier wird vor allem in ländlichen Gegenden die Trauergemeinde von den Hinterbliebenen zu einem anschliessenden Leidmahl (Traueressen) eingeladen. Am 2. November, dem Tag Allerseelen, beten die Gläubigen auf besonderer Weise um das Heil ihrer Verstorbenen. Die Gläubigen zeigen in der Eucharistiefeier und im gläubigen Empfang der Sakramente ihre Verbundenheit mit den Toten. Beim Besuch auf dem Friedhof wird als Symbol eine Kerze angezündet. Daraus hat sich in Mexiko ein richtiger Totenkult entwickelt, bei dem auf den Friedhöfen ausgelassene Feste gefeiert werden Christlich-orthodoxe Trauerrituale Die Rituale der orthodoxen Christen sind mit den katholischen vergleichbar, haben aber ihre Ursprünglichkeit beibehalten. Eine Einäscherung ist bei den orthodoxen Christen nicht erlaubt. Seite 3 / 6
4 Bereits ein bis zwei Tage vor der Beerdigung des Verstorbenen wird in der Friedhofskapelle im engen Kreis für den Toten gebetet. In der orthodoxen Kirche ist wie in der katholischen schwarz das Zeichen der Trauer. Die Hinterbliebenen bitten um Sündenvergebung und beten den Rosenkranz. Hier besteht in der Regel auch die Möglichkeit, den aufgebahrten Toten ein letztes Mal zu sehen. Am Tag der Beerdigung findet ebenfalls in der Kapelle eine Andacht mit einem Priester statt, der aus dem Leben des Verstorbenen berichtet. Anschliessend wird der Sarg unter Gebetsgesängen der Trauergemeinde zur Grabstelle getragen. Mehrere Grabredner erinnern an persönliche Erlebnisse mit dem Toten. Als Symbol des letzten Abendmahles giesst der Priester Rotwein in Kreuzform über den Sarg. Anschliessend gehen die Trauernden zu einem Tisch, der in der Nähe des Grabes aufgebaut ist, um dort gemeinsam als Zeichen der Auferstehung Weizenbrot zu teilen. Die Gräber sind mit Blumenkränzen geschmückt und eine brennende Kerze auf dem Grab erinnert an den Glauben, an die Auferstehung und das ewige Leben. Im Anschluss an die Beerdigung trifft sich die Trauergemeinde zum Kaffee im Gemeindehaus. Sieben Tage danach findet eine Andacht am Grab des Verstorbenen statt, bei der wieder Brot geteilt wird. Weitere Andachten gibt es 40 Tage, ein halbes Jahr und ein Jahr nach dem Tod Protestantische Trauerrituale Die protestantische (evangelische) Kirche beschränkt sich in ihren Ritualen auf ein absolutes Minimum. So soll auch die Abdankung schlicht gehalten werden. Sowohl Erd- als auch Feuerbestattung sind möglich. Die Trauergemeinde gedenkt des verstorbenen Menschen mit einem schlichten Abdankungsgottesdienst, der mit Musik und Gemeindegesang umrahmt und mit einem Gebet beendet wird. Am Grab hält der Pfarrer oder die Pfarrerin eine kurze Besinnung mit einem Gebet. Danach werden die Trauergäste in der Regel von den Angehörigen zu einem Leidmahl (Traueressen) eingeladen. Am 2. November, Allerseelen, wird jährlich den Toten gedacht mit einem Besuch auf dem Friedhof Islamische Trauerrituale Das islamische Ritual setzt vor dem Tod ein: Es verlangt dem Sterbenden das Bekenntnis ab, dass es keinen anderen Gott als Allah gibt und Mohammed der Bote Gottes ist. Wie im Judentum sind auch im Islam Erdbegräbnis und rituelle Reinigung vorgeschrieben. Eine Feuerbestattung ist nicht erlaubt. Nach der Waschung wird der Leichnam in ein Leinentuch gelegt. Der Leib soll rein zu Gott gelangen. Der Tote soll umgehend beigesetzt werden, möglichst noch am selben Tag. Am schlichten Grab, das parallel zu Mekka ausgerichtet sein muss, wird das islamische Totengebet (arabisch: Salat-ul-Janazah, türkisch: cenaze namazi) gesprochen. Der Leichnam wird nackt in einem Leichentuch bestattet. Der Kopf des Toten weist nach Westen, die Füsse nach Osten. Daraufhin werden vom Imam einige Verse vom Koran rezitiert und zum Ab Seite 4 / 6
5 schluss eine Grabrede gehalten. Danach werfen die Anwesenden eine Hand voll Erde ins Grab. Für die Beerdigung gibt es keine bestimmte Kleidungsvorschrift, sie sollte aber schlicht sein. Die Trauerzeit beträgt drei Tage, wobei die Familie des Toten von den Gemeindemitgliedern besucht und umsorgt wird. Es ist üblich, dass sich während dieser Zeit die Nachbarn um die Bewirtung der Trauergemeinde kümmern. Wie bei den Juden müssen Moslems auf moslemischen Friedhöfen begraben werden, weil die Gräber auch nicht aufgehoben werden dürfen. Auf speziellen Grabschmuck wird in der Regel verzichtet. 4. Trauerrituale mit hinduistischen Wurzeln Buddha ist in Indien aufgewachsen und wurde als Hindu erzogen. Seine Lehre hat sich deshalb aus dem Hinduismus heraus entwickelt und diesen wiederum beeinflusst. Später wurde Buddha als Inkarnation Vishnus in den Hinduismus integriert Hinduismus Den Hinduismus als einheitliche Religion gibt es im Grunde genommen gar nicht, doch es gibt in diesem sehr vielfältigen Religionsgemisch einige Gemeinsamkeiten, die wir unter dem Begriff Hinduismus subsumieren. Das gemeinsame Ziel des Hinduismus ist das Ausbrechen aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Die Seele verbindet sich dann mit der Weltseele (Brahman). In der klassischen Tradition wird der Leichnam des Verstorbenen auf einem Scheiterhaufen verbrannt, weil dem Feuer eine magische Kraft zugemessen wird. Während dem Verbrennen entsteht ein spezielles Knacken, wenn die Schädeldecke auseinander bricht. Der Hindu nimmt an, dass dabei die Seele den Körper verlässt. Häufig wird die Asche oder ein spezieller Knochen einem Fluss oder der Natur übergeben. Frauen sind bei der Einäscherung in der Regel ausgeschlossen. Der älteste Nachfahre leitet wenn möglich die Verbrennung des Toten und ist zu diesem Zweck weiss angezogen und hat zum Zeichen der Trauer den Kopf rasiert. Ein spezielles Ziel jedes Hindus ist die Einäscherung in Varanasi (Indien) und die Übergabe der Asche in den Ganges. Bei diesem Ritus ist es möglich, dass der Verstorbene direkt von den Göttern aus dem Kreislauf der Wiedergeburt erlöst wird. Ein einheitliches Ritual mit einer Totenfeier im christlichen Sinn gibt es nicht. Totenverbrennungen in Varanasi Hindus richten in ihren Häusern Altäre ein, um den Verstorbenen mit Opfergaben zu gedenken. Zum Andenken wird für jede Seele eine Kerze einem Fliessgewässer übergeben. Seite 5 / 6
6 4.2. Buddhismus Das höchste Ziel des Buddhismus besteht darin, den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt zu durchbrechen und das Nirwana zu erlangen. Die Wiedergeburt ist für die Buddhisten eine Strafe. Da aber jeder Buddhist seinen Heilsweg selbst bestimmt, gibt es auch keine festgelegten Bestattungsrituale. Sehr verbreitet ist die Feuerbestattungen. Die Asche wird oft der Natur übergeben oder an heiligen Stätten (Tempel, Stupas ) vergraben. Bei Erdbestattungen werden Buddhisten auf offenen Friedhöfen anonym beigesetzt. Im Bön-Buddhismus (vorwiegend in Tibet) ist die erstrebenswerteste Bestattung eine so genannte Luftbestattung. Hier wird der Tote an einen heiligen Ort gebracht und von spezialisierten Personen, die nicht Buddhisten sind, zerlegt. Danach werden die Überreste der Natur übergeben und später von Vögeln aufgepickt und somit in die Luft getragen. Diese höchste Form der Beerdigung ist wegen der hohen Kosten nur wohlhabenden Tibetern möglich. Buddhisten richten zum Gedenken an die Verstorbenen zu Hause und am Arbeitsplatz Altäre ein und bringen Opfergaben. In den Tempeln werden zum Gedenken Räucherwaren verbrannt. Betende in Taiwan Seite 6 / 6
2. Kapitel: Konfrontation mit Sterben und Tod
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