Früherkennung und Entwicklung von Trends durch vernetztes Denken
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- Paul Morgenstern
- vor 5 Jahren
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1 Früherkennung und Entwicklung von Trends durch vernetztes Denken - Das RAHS 1 -Vorhaben der Bundeswehr - Thomas Kolonko, Dezernat Zukunftsanalyse des Zentrum für Transformation der Bundeswehr 2 ; Prof. Dr. Michael Durst, Hochschule für Ökonomie & Management 3 ; Dr. Carolin Durst, Universität Erlangen-Nürnberg 4 Abstract. Das Dezernat Zukunftsanalyse entwickelt in einem Forschungs- und Technologievorhaben eine öffentlich zugängliche webbasierte Plattform. Ziel des Projekts ist es, mithilfe des vernetzten Denkens zukünftige Trends und Szenarien besser einschätzen zu können. Dieser anwendungsorientierte Beitrag gibt einen Überblick über das RAHS-Projekt und zeigt am Beispiel des Trendradars auf, wie die zukünftige interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Behörden, Universitäten und Unternehmen funktionieren könnte. 1. Einleitung Etliche Beispiele der Vergangenheit belegen, dass auch geniale Wirtschaftslenker gelegentlich falsche Prognosen getroffen haben: Als nach Kriegsende im Jahr 1945 Henry Ford II das Volkswagenwerk zur kostenlosen Übernahme angeboten wurde, antwortete dieser: Nein danke, dieses Auto ist eine Fehlkonstruktion [HKN09]. Fakt ist, dass die Zukunft nicht vorhergesehen werden kann. Aber durch eine globale Analyse von Ereignissen und Trends auf Basis verschiedener Parameter können Entwicklungen eingeschätzt und alternative Entscheidungsmöglichkeiten bestimmt werden [Kre09]. Eine Methode zur frühzeitigen Erkennung von Chancen, Risiken und Gefahren für einen bestimmten 1 Risk Assessment and Horizon Scanning 2 Prötzeler Chaussee 25, Strausberg, ThomasKolonko@bundeswehr.org 3 Zeltnerstraße 19, Nürnberg, michael.durst@fom.de 4 Lange Gasse 20, Nürnberg, carolin.durst@wiso.uni-erlangen.de
2 Untersuchungsbereich ist die explorative Szenariokonstruktion [FSS01]. Die Qualität der hierbei erstellten Zukunftsszenarien wird durch das Wissen und die Kreativität von Menschen mit unterschiedlichsten Erfahrungen und Wissenszugängen erhöht [Mit09]. Übertragen auf die Bundeswehr bzw. die Unternehmen bedeutet dies, dass sich nicht nur interne Experten, sondern Wissensträger aus vielen unterschiedlichen Unternehmen bzw. Institutionen an einer gemeinsamen Zukunftsforschung beteiligen sollten. Doch wie gestaltet sich eine derart partizipative Zukunftsforschung? 5 2. Das RAHS-Projekt der Bundeswehr In der Zukunftsforschung werden umfangreiche strukturierte und unstrukturierte Daten produziert, analysiert und interpretiert [DSS10]. Neben der Auswertung von Nachrichten und Publikationen aller Art kommen hier auch (teil-)automatisierte Analyseverfahren zum Tragen. Zur Strukturierung der gewonnen Erkenntnisse dienen zumeist Trends und Szenarien. Sowohl in der Analyse als auch in der Interpretation kommen bereits heute softwaregestützte Verfahren zum Einsatz. Die gemeinsame Arbeit über die einzelnen Schritte der Zukunftsforschung hinweg wird jedoch von keiner existierenden Softwarelösung unterstützt. Dazu konnten zwei Gründe identifiziert werden: Zum einen existiert kein global konsistentes Konzept in der Zukunftsforschung, das Methoden, Ergebnisse und Aufgaben definiert [RoG06]. Zum Zweiten ist der Gedanke der Kooperation zwar in der Literatur beschrieben, jedoch bis dato in keiner bekannten Softwarelösung abgebildet. Daher hat sich die Bundeswehr entschlossen, ein Forschungs- und Technologievorhaben durchzuführen, das die Chancen und Möglichkeiten einer kooperativen Softwarelösung in der Zukunftsanalyse erörtert. Ziele des Projekts Im Rahmen des Forschungs- und Technologievorhabens RAHS möchte das Dezernat Zukunftsanalyse der Bundeswehr sein methodisches Instrumentarium für die Erarbeitung und den Transfer sicherheitspolitischer Zukunftsanalysen überprüfen, erweitern, qualifizieren und softwaretechnisch unterstützen. Die Zusammenarbeit mit externem Partner steht dabei im Vordergrund. 5 Wir folgen hier teilweise den bereits im Tagungsband der Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2012 erläuterten Ausführungen (S ff).
3 Hierzu soll eine webbasierte Plattform für Methoden und Inhalte der sicherheitspolitischen Zukunftsanalyse entwickelt und implementiert werden, die folgenden Ansprüchen gerecht wird: Schaffen einer webbasierten Plattform für Methoden und Inhalte der sicherheitspolitischen Zukunftsanalyse; flexibler Einsatz verschiedener Methodenwerkzeuge für langfristige und mittelfristige Zukunftsanalysen; transparente und stetige inhaltliche Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern und Experten innerhalb und außerhalb der Bundeswehr; Integration von diskursiv erarbeiteten Inhalten und vorhandenen Wissensbeständen; Verbesserung der Dokumentation und Präsentation der im Dezernat erarbeiteten Studieninhalte; technische Unterstützung bei der Früherkennung. Kernstück der RAHS-Plattform sind 42 Methoden, welche im Prozess der strategischen Früherkennung zum Einsatz kommen. Von diesen 42 Methoden sind 22 Methoden softwareunterstützt und können direkt auf der Plattform ausgeführt werden. Dadurch wird besonders die Zusammenarbeit unterstützt, da die jeweiligen Projektteilnehmer gleichzeitig kollaborative Methoden anwenden können. Über die Plattform kann grundsätzlich jede Behörde, jedes Institut, jede Universität sowie jedes Unternehmen, welches mit der Bundeswehr zusammenarbeiten möchte, auf diese Methodenwelt zugreifen. Methodenkonfiguration Im Mittelpunkt von RAHS steht das sogenannte RAHS-Hexagon, das folgende sechs Phasen umfasst (siehe Abb. 1): 1. Recherche 2. Analyse 3. Projektion 4. Implikation 5. Kommunikation 6. Monitoring Diesen sechs Phasen sind die 42 Methoden in einer 1:n-Beziehung zugeordnet. Dadurch kann eine Phase mehrere Methoden beinhalten. Jeder Benutzer der Plattform kann sein eigenes Zukunftsprojekt anlegen und aus den verschiedenen Phasen bestimmte Methoden auswählen und somit sein
4 eigenes individuelles Zukunftsprojekt erstellen, welches er gemeinsam mit anderen Benutzern bearbeiten kann. Abb. 1: Oberfläche des RAHS-Hexagons Der Nutzer wird bei der Auswahl der Methoden für sein Projekt durch einen Methodenkonfigurator unterstützt, der z. B. unter Berücksichtigung des Zeit- oder Personalaufwands geeignete Methoden vorschlägt. Des Weiteren stehen zwei Analyseprozesse zur Verfügung: die explorative Szenariokonstruktion [FSS01] für die Generierung von Zukunftsszenarien und die trendbasierte Zukunftsexploration für das Identifizieren von Trends. Durch ein Rollen- und Berechtigungskonzept können Projektgruppen flexibel zusammengestellt werden, welche gemeinsam auf Methoden und Ergebnisse zurückgreifen. Nur der Projektleiter kann festlegen, welcher Nutzer am Projekt mitarbeitet bzw. welche Informationen oder Teilergebnisse für alle zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wird dem Schutz sensibler interner Daten oder kritischen zukunftsorientierten Fragestellungen Rechnung getragen. Alle Projektschritte und -ergebnisse sind in der RAHS-Plattform nachvollziehbar und transparent dokumentiert. Neben dem Hexagon umfasst die RAHS-Plattform acht weitere Bausteine: Eine Trenddatenbank für einen schnellen Zugriff auf alle identifizierten Trends, z. B. durch Suchfilter. Eine Faktorendatenbank, um alle erarbeiteten Schlüsselfaktoren 6 für zukünftige Szenarioprojekten zu speichern. 6 Um Szenare zu beschreiben, werden durch verschiedene Methoden Einflussfaktoren ermittelt. Die Einflussfaktoren, die eine hohe Wirkung und eine
5 Ein Projektarchiv, in welchem die Teil- sowie die Endergebnisse der einzelnen Analyseschritte strukturiert ablegt sind und so jederzeit zur Diskussion bereitgestellt werden können. Eine Liste aller laufenden Projekte, um parallel bearbeitende Themen zu reduzieren, bzw. Inspirationen zu neuen Themen frühzeitig zu erhalten. Eine Community mit einer Übersicht über alle Nutzer der RAHS- Plattform mit hinterlegten Kontaktdaten sowie deren aktuellen und bereits abgeschlossenen Projekten. Eine Literaturdatenbank, in der alle Quellen und Information, die bei den Projekten verwendet werden, abgelegt sind. Eine Szenariowelt, in der alle generierten Szenarien abgelegt sind und die eine Visualisierungs- sowie Filterkomponente enthält, mit welcher man die Szenarien analysieren kann. Einen Trendradar, der das Bewerten, Klassifizieren und Konsolidieren von identifizierten Trends ermöglicht. 3. Kooperatives Trendmanagement Auch wenn viele verschiedene Definitionen und Facetten des Trendbegriffes existieren, kann vereinfacht gesagt werden, dass Trends nach dem sozioökonomischen Trendverständnis nach als beschreibbare beobachtbare Entwicklungen [einer oder mehrerer Variablen] in eine vergleichsweise eindeutigen Richtung [Mić06] verstanden werden kann. Die zu beobachtenden Entwicklungen der Trends lassen sich nur sehr schwer durch mathematische Modelle in die Zukunft prognostizieren. Zwar ist es möglich, falls keine unerwarteten Ereignisse eintreten, die Bevölkerungszahlen für Männer zwischen 20 und 30 Jahren in Deutschland im Jahre 2030 zu prognostizieren, jedoch wird es aufgrund der hohen Unsicherheit fast unmöglich sein, den Ölpreis für das Jahr 2030 vorherzusagen. Der RAHS-Trendradar verfolgt mehrere Ziele: Einerseits soll dieser einen visuellen Überblick von unterschiedlichen Trends geben. Dabei können die Trends anhand verschiedener Dimensionen z. B. Relevanz oder Eintrittswahrscheinlichkeit eines Trends, angezeigt werden. Anderseits dient der Trendradar zur schnellen und einfachen Bewertung von Trends durch unterschiedliche Benutzer. Wer welche Trends bewertet und wer hohe Unsicherheit bzgl. der Ausgangsfrage aufweisen, sind sogenannte Schlüsselfaktoren, welche für die spätere Szenariokonstruktion verwendet werden.
6 Zugriff auf den Trendradar hat, entscheidet der Projektleiter. Dieser kann den Trendradar in beliebig viele Sektoren aufteilen z. B. in die Bereiche Society, Technology, Economy, Environment, Politics und Values (STEEP/V) [Pil07]. Der Projektleiter entscheidet, welcher Benutzer welche Trends bewertet. Die Nutzer bewerten die Trends eigenständig, wobei ein Trend von vielen verschiedenen Nutzern bewertet wird. Diese Mehrfachbewertungen werden konsolidiert und daraus errechnet sich die anschließende Position der Trends im Trendradar. Abb. 2: Beispiel eines Trendradars Die Bewertung der Trends umfasst nicht eine einmalige Tätigkeit, sondern unterliegt einer ständigen und nachhaltigen Anpassung auf aktuelle Ergebnisse oder Erkenntnisse. Sie werden daher ständig überprüft und ggf. aufgrund neuer Datenlage erneut bewertet. Dadurch entsteht über den gewählten Zeitraum nicht nur ein aktuelles, sondern ein bewegliches Lagebild indem vergangene Ereignisse berücksichtigt werden. So können Entwicklungen von Trends besser sowie frühzeitig erkannt und bewertet werden. Jede Verschiebung und somit Neubewertung von Trends verlangt von dem Nutzer eine kurze Stellungnahme mit Begründung der Entscheidung. Somit ist auch im späteren Verlauf gewährleistet, einzelne Entwicklungen durch Quellen oder Information nachvollziehen zu können. Jeder Trend umfasst neben der Trendbeschreibung auch die Zuordnung von Chancen und Risiken. Welche Risiken und Chancen abgeleitet werden, entscheidet die entsprechende RAHS-Benutzergruppe.
7 Die Ableitung der Risiken und Chancen für einen Trend kann für das Dezernat Zukunftsanalyse im Ergebnis ganz anders aussehen als z. B. für das Umweltministerium. Trotzdem können beide Behörden unabhängig von den jeweiligen Implikationen den Trend bewerten. Durch das Rollen- und Berechtigungskonzept wird sichergestellt, dass nur Mitarbeiter des Institutes bzw. der Behörde oder Firma ihre eigenen Risiken- und Chancen sehen können. Jeder Trend kann dabei mehrere Risiken und Chancen umfassen. Ein Risiko oder eine Chance können auch mehreren Trends zugeordnet werden. Durch diese Zuordnung entsteht für jede RAHS-Benutzergruppe ein individueller Chancen- und Risikoradar, welcher als Grundlage die gemeinsam bewertete Trendanalyse hat. Der Trendradar umfasst damit mehrere Phasen des Trend- bzw. des Risikomanagements [DSS10; Brü08]. Er beinhaltet die Trenddokumentation, die Trendbewertung, die Trendanalyse sowie das Trendmonitoring. Die enthaltenen Chancen und Risiken bilden die Grundlage für Erstellung eines individuellen Risikobildes, welches in die Analyse der strategischen Früherkennung einfließen kann. Es wird angenommen, dass die konsolidierte Meinung der unterschiedlichen interdisziplinären Partner zu verschiedenen Trends, Chancen und Risiken die Qualität und Zuverlässigkeit der Ergebnisse erhöht. 4. Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag beschreibt eine webbasierte Kooperationsplattform, die eine organisationsübergreifende Zusammenarbeit zwischen Behörden, Instituten, Unternehmen und Hochschulen in der Zukunftsanalyse ermöglicht. Die Qualität von Prognosen, Szenarien und der Interpretation von Trends wird durch das Expertennetzwerk und die langfristige Konsistenz in der Methodik gewährleistet. Kollaborative Komponenten ermöglichen die räumlich und zeitlich versetzte Arbeit an Projekten in der Zukunftsanalyse und integrieren eine Vielzahl von Expertenmeinungen. Die beschriebene Lösung wird aktuell von mehreren Unternehmen und Organisationen (u. a. World-Economic-Forum, Bundeskriminalamt, Allianz etc.) im Rahmen von aktuellen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen erprobt. Literatur
8 [Brü08] Brühwiler, B ISO/DIS und ONR 49000: 2008 Neue Standards im Risikomanagement. [DSS10] Durst, M; Stang, S; Stößer, L; Edelmann, F (2010): Kollaboratives Trendmanagement. In: Hofmann, J (Hrsg), IT-basiertes Innovationsmanagement, HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, Nr. 273: [FSS01] Fink, A; Schlake, O; Siebe, A (2001): Erfolg durch Szenario- Management. Campus-Verlag, Frankfurt am Main. S. 67 [HKN09] Hofbauer, G; Körner RA; Nikolaus, U; Poost, A (2009): Marketing von Innovationen: Strategien und Mechanismen zur Durchsetzung von Innovationen. Kohlhammer, Stuttgart. [Kre09] Kreibich, R (2009): Zukunftsforschung zur Nachhaltigkeit Forschungsfelder, Forschungsförderung, Forschungspolitik. Arbeitsbericht Nr. 34/2009, Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin. [Mić06] Mićić, P (2006): Das ZukunftsRadar: Die wichtigsten Trends, Technologien und Themen für die Zukunft: S. 71 [Mit09] Mittelstaedt, W (2009): Evolutionäre Zukunftsforschung. In: Popp, R; Schüll, E (Hrsg), Zukunftsforschung und Zukunftsgestaltung. [MiR05] Mietzner, D; Reger, G (2005): Advantages and disadvantages of scenario approaches for strategic foresight. International Journal of Technology Intelligence and Planning, 1(2), [Pil07] Pillkahn, U (2007): Trends und Szenarien als Werkzeuge zur Strategieentwicklung. Publicis Corporate Publishing, Erlangen. S [RoG06] Rohrbeck, R; Gemünden, HG (2006): Strategische Frühaufklärung Modell zur Integration von markt- und technologieseitiger Frühaufklärung Einleitung. In: Gausemeier, J (Hrsg), Vorausschau und Technologieplanung, Heinz Nixdorf Institut, Paderborn: S
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