Dr. Axel Heider: Entwicklung des Erhaltungszustandes des Wolfes in Mitteleuropa

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Transkript:

Dr. Axel Heider: Entwicklung des Erhaltungszustandes des Wolfes in Mitteleuropa Aa Weidewirtschaft und Wolf in Baden-Württemberg ein lösbarer Konflikt? 19.03.2018 www.bmel.de

Gliederung I. Verbreitung, Schutz und Management des Wolfes in Europa 1. Verbreitung und Schutz 2. Wolfsmanagement in unseren Nachbarländern 3. Aussagen zur Wolfspräsenz in Europa 4. EU-KOM Haltung II. Wolfspopulationen in Europa 1. Mitteleuropäische Flachlandpopulation 2. Status Quo Wolfsbestand in Deutschland 3. Vorposten einer nordosteuropäisch-baltischen Population? III. Wolf in Koalitionsvereinbarung CDU/CSU u. SPD IV. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 19.03.2018 Folie 2

I.1. Verbreitung und Schutz des Wolfes in Europa Bis Ende des 18. Jh.: Der Wolf ist in ganz Europa verbreitet, Großbritannien und Irland ausgenommen. Ab dem 19. Jh.: Ausgedehnte Nutztierhaltung; Wolfsrisse auf Vieh; Folgen: scharfe Verfolgung der Wölfe (Jagd, Abschussprämien, Vergiftung) bis zur Ausrottung in den meisten der heutigen EU-Länder; Beispiel Finnland: In den großen Wolfsjahren wurden zwischen 1858 u. 1862 (4 Jahre) folgende Wolfsrisse gemeldet: 2865 Pferde, 1093 Stiere, 4514 Kühe, 5422 Kälber, 25974 Schafe, 3510 Schweine u. 3221 Rentiere. Ähnlich hohe Zahlen sind aus Schweden u. Russland dokumentiert. (Quelle Kaj Granlund, Das Europa der Wölfe, 2015). Restpopulationen: Italien, Spanien, Finnland und Balkanländer (sowie dem Gebiet des früheren russ. Zarenreiches). 19.03.2018 Folie 3

Verbreitung und Schutz des Wolfes in Europa (2) Photo: R. Frank/BUND Naturschutz BY-Online 19.03.2018 Folie 4

Verbreitung und Schutz des Wolfes in Europa (3) Ende des 20. Jh.: Unterschutzstellung wildlebender Wölfe International (WA, Anhang II, Berner Konvention, Anhang II, europaweit (EG-VO 338/97 Anhang A, FFH-RL Anhang II, Anhang IV, Art. 12 u. 16) national (BNatSchG streng geschützte Art, TierSchG). In Sachsen - nach Auffassung des BMEL in Übereinstimmung mit EU-Recht - dem Jagdrecht unterstellt (ganzj. Schonzeit; Mitwirkungspflicht der Jäger beim Wolfsmonitoring). Bis 2016/17: Anhaltender Anstieg der Wolfsbestände in der EU auf > 10.000 Spezies. Quelle: CHWolf 2016 19.03.2018 Folie 5

Wölfe in der Kamerafalle (Quelle: WWF-online) 19.03.2018 Folie 6

I. 2. Wolfsmanagement in unseren Nachbarländern Staat Geschätzter Wolfsbestand Maßnahmen 1. Einzelabschüsse 2. Jagdl. Management Italien Frankreich 800 (in and. Quelle bis zu 1600) 360 (ca. 36 Rudel, davon 9 Rudel grenzüberschreitend mit IT; Vergrämung (Elektrozäune, Ton/Licht, Hunde), Entschädigung; Problem: deutliche Bestandsreduzierung infolge Wilderei Vergrämung, Abschüsse nahe von Nutztierherden unter amtlicher Aufsicht; 2016: 23 Mio Entschädigung (nat./eu) Problem: Landwirte fordern mehr Maßnahmen, 2016 allein 10.000 Schafrisse Spanien 2000-2500 vorbeugender Herdenschutz, Kleinpferde als Ersatzbeute, Entschädigung regional unterschiedlich; Problem: Landwirte unzufrieden, illegale Abschüsse Polen 950-1300 Vergrämungsmaßnahmen, Fang u. Tötung in Gefahrensituationen sowie auf Antrag möglich FFH Anh. IV Nur Entnahmen sog. Problemwölfe (regional sehr unterschiedlich) FFH Anh. IV kontrollierter Abschuss in 2015: 36 (davon 34 erlegt); in 2016: 42. In 2018 bis zu 40 danach 10% Entnahme möglich FFH Anh. IV (südl. Duero Fluss) zw. 2011 u. 2015: 26 Entnahmen nach Art. 16. Anh. V (nördl. Duero Fluss): nach Regionen sehr verschieden zw. 0 u. 150 Wölfe je Region FFH Anh. V 2000-2012: Tötungserlaubnisse für 49 Wölfe; 2014: 4 Tötungserlaubnisse Slowakei 300-600 Gebietsweise streng geschützt FFH Anh. V Für nicht streng geschützte Populationen Abschuss gem. Jagdgesetz Schweden 340 Wolfsmonitoring FFH Anh. IV Schutzjagd per Lizenz möglich, 2014/15: 44 Abschüsse 19.03.2018 Folie 7

Wolfsmanagement in unseren Nachbarländern (2) Staat Geschätzter Wolfsbestand Norwegen 65-68, weitere 25 im Grenzgebiet zu Schweden Schweiz s. nachfolgender Vortrag Maßnahmen 1. Einzelabschüsse 2. Jagdl. Management Wolfsmonitoring, Zielgröße 35 45 Tiere überschritten, illegale Wolfstötungen werden streng bestraft Herbst 2016: Regierung ordnet die Tötung von 47 Wölfen an Slowenien Baltikum (Litauen, Lettland Estland) 40 50 Ex. (s. aktualisierte Angaben im nachfolgenden Vortrag) 600-800 (60-70 Rudel LTU 300 Ex. LVA, 19 Rudel EST) Herdenschutz Wolfsmonitoring, Herdenschutz und regelmäßige Bejagung; besonders In EST sehr fein justiertes Management mit wildbiologisch/ genetischer Untersuchung der erlegten Spezies Finnland 37 Rudel 2015/16 40 Rudel 2016/17 Bestandsregulierung Österreich unklar Von 2009 u. 2015 zw. 2 u. 7 genetischen Nachweisen Quelle (u.a.): Conferences of EU-Directors of Wildlife Management and Hunting Anh. IV: Zust. Ministerium entscheidet nach Gutachten u. Anhörung aller Betroffenen über letale Entnahme: 2010 bis 14: 9, 9, 12, 1, 5 Ex. FFH Anh. V: LTU: Bejagung 15.10.-1.4. Jagdquote bis zu 20% (Zielpopulation: 250 bis 500 Ex.) LVA: Bejagung 15.7.-31.3. Jagdquote ca. 150 Ex. (Zielpopulation: 300 bis 500 Ex.) EST: 2014: 38 legale Abschüsse (Zielpopulation 15 25 Rudel, d.h.150 250 Ex.) FFH Anh. IV; Anh. V (Rentiergebiete) 46 Wölfe zum Abschuss freigegeben (01/2016); 43 erlegt 19.03.2018 Folie 8

Photo: Jan Noak / WWF 19.03.2018 Folie 9

I. 3. Aussagen zur Wolfspräsenz in Europa In der Schweiz werden schadenträchtige Wölfe inzwischen zur Entnahme freigegeben Zu verurteilende Selbstjustiz in Spanien Schweiz: Ein Wolf hat - trotz Herdenschutzhunden - in wenigen Tagen auf einer Alp in Flums-Kleinberg zwölf Schafe getötet. St. Galler Bauernverband fordert sofortige Reduzierung der Wölfe im Kantonsgebiet. Unkontrollierter Ausdehnung der Wolfspopulation müsse Einhalt geboten werden (BLICK, 19.8. 16). Spanien: Bauerngewerkschaft beklagt Zunahme von Schäden u. unzureichende Entschädigung mittelbarer Schäden, Gängelung durch Behörden. Folge: illegale Verfolgung/Abschüsse (Quelle: Deutschlandradio 10.5.16). Schweden: Prof. Urban Emanuelsson, Lunds Universität: Debatte über den Wolf habe an Augenmaß verloren. Mit der Aufgabe der Schafzucht sieht er wertvolles Grünland und damit die Artenvielfalt gefährdet ( Radio Schweden, 30.9.2013). Frankreich: Dr. Laurant Garde, Centre d'etudes et de Réalisations Pastorales Alpes Mèditerranée: Sollten Politik und Verbände keine Trendwende einleiten, dann werde Ansteigen der Wolfspopulation die natürliche Weidewirtschaft beenden. (Filmbericht http://www.dailymotion.com/video/x11itci_sheep-breedersthe-invisible-bites-msa_news). Norwegen: Nach der Regierungsentscheidung 2016, dass 47 der 68 (+25 grenznahe) im Land lebenden Wölfe wegen ausufernder Schäden erlegt werden dürfen, reichten Tierschützer eine Petition mit ca. 200.000 Unterschriften ein.

I. 4. EU-KOM Haltung EU-KOM: Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren zur Konfliktminimierung, zur Lösungsfindung, zum Erfahrungsaustausch, zum Dialog zwischen den Betroffenen, zur grenz- u. EU-übergreifenden Zusammenarbeit Leitlinien für Managementpläne für Großraubtiere (Guidelines for Population Level Management Plans for Large Carnivores), in denen u.a. festgelegt ist, dass der günstige Erhaltungszustand einer isolierten Wolfspopulation (neben anderen Voraussetzungen) mindestens 1000 adulte Individuen voraussetzt. EU-KOM erkennt Handlungsbedarf auf europäischer Ebene an: -> Aktualisierung einschlägiger Leitfäden u.a. zur Umsetzung Art. 16 FFH RL EU-KOM erkennt an: Ist eine Population mit anderen Populationen vernetzt und ein genetischer Austausch mit positiver Wirkung auf den Bestand erwiesen, können bereits mehr als 250 erwachsene Tiere ausreichen, um den Bestand als nicht gefährdet einzustufen. 19.03.2018 Folie 11

II. Wolfspopulationen in Europa 19.03.2018 Folie 12

II.1. Mitteleuropäische Flachlandpopulation - Prof. S. Herzog: Deutsch-westpolnischer Wolfsbestand sei keine eigenständige Population und nicht isoliert, sondern - westlicher Rand der deutlich größeren, nordosteuropäisch-baltischen Population (streitig). - Zuwanderungen von Tieren aus Nordostpolen nach Westpolen und Deutschland seien kein Einzelfall, sondern häufig. - Inzuchtkoeffizient des Bestandes in Brandenburg beträgt 0,01 und damit vergleichsweise niedrig.* *Sylwia Czarnomska, Bogumiła Jedrzejewska, Henryk Okarma u. a.: Concordant mitochondrial and microsatellite DNA structuring between Polish lowland and Carpathian Mountain wolves. Conservation Genetics 14 (3). Juni 2013 19.03.2018 Folie 13

II. 2. Status Quo (Wolfsbestand in D) 2016/17 Wolfsnachweise, z.t. Länder übergreifend: SH/Hamburg 2 Einzeltiere MV 3 Rudel, NI/Bremen 10 Rudel, 4 Paare, 2 Einzeltiere ST 11 Rudel BB/Berlin 22 Rudel, 3 Paare SN 14 Rudel, 5 Paare NRW 1 2 Wolfsnachweise RP 1 Wolfsnachweis HE 1 Wolfsnachweis TH 1 standorttreues Einzeltier BW 1 Wolfsnachweis BY 2 Paare Status im Wolfsjahr 2016/17: 60 Rudel, 14 Paare, 3 Einzeltiere, insgesamt ca. 600 Tiere. Quelle: DBBW 19.03.2018 Folie 14

Quelle: WWF-online 19.03.2018 Folie 15

II. 3. Vorposten einer nordosteuropäischbaltischen Population? - Wissenschaftlich gehört eine Population zusammen, wenn Möglichkeit von Paarungen zwischen Individuen und damit einen Abstammungszusammenhang besteht, also eine (signifikante) Wahrscheinlichkeit besteht, gemeinsame Nachfahren zu haben. - Bei Annahme eines dt. Vorposten (Austausch) einer nach Westen expandierenden baltisch-osteuropäischen Population => günstiger Erhaltungszustand - Herzog (2017): Auf Populationsebene kann nach den in der FFH-RL erwähnten Kriterien Erhaltungszustand des Wolfes in Mitteleuropa als günstig bezeichnet werden - Aber: FFH-RL fordert gemeinsames Monitoring zur Bewertung liegt derzeit nicht vor! Forderung: - UMK-Beschluss (17.11.2017) Thesenpapier unionsgef. Agrar-/u.Umweltminister Länder (Feb. 18): Intensivierung der Verhandlungen mit Polen mit Ziel eines gemeinsamen Monitorings und Managements des Wolfes. - Ziel gemeinsame Berichterstattung zum Erhaltungszustand der mitteleuropäischen Flachlandpopulation (PL und D) ebenso wie der alpinen Pop. des Wolfes möglichst bereits im Jahr 2019

III. Wolf im Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD Ziffer 4082 ff: Weidetierhaltung - Die Weidetierhaltung ist aus ökologischen, kulturellen und sozialen Gründen sowie zum Erhalt der Artenvielfalt und Kulturlandschaft zu erhalten. - Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität. - Wir werden die EU- Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können. - Unabhängig davon wird der Bund mit den Ländern einen geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln. - Dazu erarbeiten wir mit der Wissenschaft geeignete Kriterien für die letale Entnahme. - Wir wollen, dass Wölfe, die Weidezäune überwunden haben oder für den Menschen gefährlich werden, entnommen werden. 19.03.2018 Folie 17

Quelle: Anton Vorauer / WWF 19.03.2018 Folie 18

IV. Zusammenfassung; Schlussfolgerungen Der Wolf ist in Europa insgesamt nicht mehr gefährdet. Auch in Deutschland steigt die Population stark an. Von einem stabilen, sich austauschenden deutschwestpolnischen Wolfsbestand ist auszugehen. Es gibt erste Anhaltspunkte dafür, dass dieser Bestand keine isolierte sog. mitteleuropäische Flachlandpopulation darstellt, sondern so Herzog Teil der nordosteuropäisch-baltischen Population ist (streitig). In allen unseren Nachbarländern mit Wolfsvorkommen ist es - wie in D - zu Konflikten zwischen Wolfsbefürwortern (meist aus dem städtischen Bereich) und Weideviehhaltern/ Jägern/ländl. Bevölkerung gekommen. Während in den meisten anderen Nachbarländern auf Wolfsrisse neben insb. Aufklärung, runden Tischen, Herdenschutz, Entschädigungen auch mit jagdlichem Management reagiert wurde, wird dieser Ansatz in D - bisher - von großen Teilen des Naturschutzes bzw. der öffentlichen Meinung tabuisiert. FFH-Richtlinie (Art. 16) würde das zeigen Beispiele aus ESP, FIN, SLN u. FRA auch heute schon in D die Erlegung von Wölfen in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten, bei Gefahr für Nutztierherden oder zum Schutz lokal bedrohter Wildpopulationen zulassen. Präventionsmaßnahmen (Zäune, Schutzhunde) sind unverzichtbar, bieten aber keinen absoluten Schutz. 19.03.2018 Folie 19

Schlussfolgerungen (2) Was fehlt? Wissensbasierte Definition einer Zielgröße oder eines Zielkorridors für eine Mitteleuropäische Flachlandpopulation länderübergreifendes und gemeinsames Monitoring mit Polen So wie sich der Wolf über Ländergrenzen hinweg verbreitet, so sollte auch ein grenzübergreifendes Wolfsmanagement mit den Nachbarländern erörtert und etabliert werden. 19.03.2018 Folie 20

Schlussfolgerungen (3) Aktualisierung einer Habitatanalyse für (un)-geeignete Lebensräume Praxisgerechte Definition Problemwölfe und Entnahmevoraussetzungen Eine mögliche Regulierung / Reduzierung des Wolfsbestandes in D sollte nicht tabuisiert werden. Die Jägerschaft sollte in ein künftiges Wolfsmanagement einbezogen werden. Der geltende rechtliche Rahmen zum Schutz vor Wolfsschäden und zum Schutz der Bevölkerung sollte ausgeschöpft und wenn erforderlich angepasst werden; Entscheidungsträger, Viehhalter, Jäger und lokal betroffene Bevölkerung sollten frühzeitig, sachgerecht und transparent informiert werden. In Wohngebieten sollten Wölfe keinesfalls toleriert werden! Photo der Wolfssichtung in Rathenow/BB 2016 19.03.2018 Folie 21

Erst wenn es gelingt, durch aktives Tun, nicht durch Beschwichtigen, den verschiedenen Interessengruppen ihre Sorgen zu nehmen und sie bei der Lösung ihrer konkreten Probleme zu unterstützen, kann es gelingen, die erforderliche Akzeptanz für die Rückkehr des Wolfes zu schaffen (Herzog 2016) Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit! Photo: WWF online 19.03.2018 Folie 22