13. Wahlperiode 19. 10. 2004 Antrag der Abg. Helmut Walter Rüeck u. a. CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Schwarzkopfkrankheit bei Puten Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. welche Tierarten an der Schwarzkopfkrankheit erkranken können; 2. ob und welche Möglichkeiten der wirksamen Behandlung von Schwarzkopfkrankheit und der Prophylaxe bestehen und wieso diese nicht in der Bundesrepublik Deutschland angewendet werden; 3. ob in Baden-Württemberg Fälle von Schwarzkopfkrankheit bei Puten aufgetreten sind und a) wie viele Betriebe davon betroffen waren; b) wie viele Tiere daran verenden mussten; 4. ob es zutrifft, dass aufgrund fehlender zugelassener Behandlungsmöglichkeiten an Schwarzkopfkrankheit erkrankte Tiere nach gesicherter Diagnose aus Gründen des Tierschutzes getötet werden mussten und wie viele dies sind; 5. ob die Tötung dieser Tiere durch die Verabreichung von Arzneimitteln bei der Behandlung und/oder Prophylaxemitteln hätte vermieden werden können; Eingegangen: 19. 10. 2004 / Ausgegeben: 17. 11. 2004 1
6. ob das Fleisch von behandelten Tieren für den menschlichen Verzehr unbedenklich ist; 7. ob es zutrifft, dass die EU-Kommission erklärt hat, sie stünde einer Zulassung von Mitteln zur Behandlung und Prophylaxe der Schwarzkopfkrankheit bei Puten in einem beschleunigten Verfahren sehr wohlwollend gegenüber, wenn der Antrag auf Zulassung von einem Mitgliedsland gestellt wird; 8. ob ihr bekannt ist, wieso die Zulassung von diesen Mitteln durch die Bundesregierung nicht beantragt wurde und wie sie dies bewertet; 9. ob sie Möglichkeiten sieht und gewillt ist, auf die Bundesregierung einzuwirken, damit diese schnellstens die Zulassung von Mitteln zur Behandlung und Prophylaxe der Schwarzkopfkrankheit bei der EU-Kommission beantragt. 19. 10. 2004 Rüeck, Brunnemer, Hoffmann, Kiefl, Kübler, Dr. Lasotta, Traub CDU Begründung Die Schwarzkopfkrankheit wird durch den Erreger Histomonas meleagridis verursacht. Seinem Auftreten kann durch hygienische oder andere Maßnahmen nicht vorgebeugt werden. Der mögliche Befall ist auch unabhängig davon, ob es sich um große oder kleine Bestände, oder um konventionell oder nach den Vorschriften des ökologischen Landbaus wirtschaftende Betriebe handelt. Tausende von Tieren sind bereits an der Schwarzkopfkrankheit verendet oder mussten nach gesicherter Diagnose getötet werden. Im Interesse der Tiere, des Tierschutzes und der Landwirte ist unverzüglich dringender Handlungsbedarf geboten. Stellungnahme Mit Schreiben vom 10. November 2004 Nr. Z(33) 0141.5/260 F nimmt das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum zu dem Antrag wie folgt Stellung: 1. welche Tierarten an der Schwarzkopfkrankheit erkranken können; Zu 1.: Die Schwarzkopfkrankheit tritt bei Geflügel auf und stellt insbesondere bei der Putenhaltung, aber auch in Hühnerbeständen ein Problem dar. 2. ob und welche Möglichkeiten der wirksamen Behandlung von Schwarzkopfkrankheit und der Prophylaxe bestehen und wieso diese nicht in der Bundesrepublik Deutschland angewendet werden; 2
Zu 2.: Ein zugelassenes Medikament zur Therapie steht derzeit in der EU nicht zur Verfügung. Aufgrund der Stellungnahmen des Gemeinsamen FAO/WHO-Sachverständigenausschusses für Lebensmittelzusatzstoffe und des Ausschusses für Tierarzneimittel wurden alle Tierarzneimittel der als Nitrofurane bezeichneten Gruppe wegen der Genotoxizität und Karzinogenität dieser Stoffe in Anhang IV der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates aufgenommen, mit der Folge, dass in der gesamten Gemeinschaft die Verabreichung dieser Stoffe als Tierarzneimittel an zur Lebensmittelerzeugung bestimmte Tiere untersagt ist. Nach Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates werden Stoffe in das Verzeichnis des Anhang IV aufgenommen, wenn für die Rückstände eines in Tierarzneimitteln verwendeten pharmakologisch wirksamen Stoffes keine Höchstmenge festgesetzt werden kann, da Rückstände des betreffenden Stoffes in Lebensmitteln tierischen Ursprungs in jeder Konzentration eine Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers darstellen. Die Europäische Kommission forderte den Wissenschaftlichen Ausschuss für Tierernährung auf, eine wissenschaftliche Risikobewertung für den Futtermittelzusatzstoff Nifursol vorzunehmen, der ebenfalls zur Gruppe der Nitrofurane gehört. Die Zulassung wurde aufgrund der Stellungnahme dieses Ausschusses durch die Verordnung (EG) Nr. 1756/2002 des Rates vom 23. September 2002 (Amtsblatt L 265 vom 3. Oktober 2002) zum 31. März 2003 widerrufen. Seit dem 1. April 2003 ist somit der Einsatz des Futtermittelzusatzstoffes Nifursol zur vorbeugenden Behandlung der Schwarzkopfkrankheit bei Lebensmittel liefernden Tieren verboten. Ein Antrag auf Aussetzung der o. g. Verordnung wurde durch Beschluss des Europäischen Gerichtshofs in 1. Instanz vom 11. April 2003 (Rechtssache T 392/02 R, Solvay Pharmaceuticals bv gegen Rat) abgelehnt. Nur in den USA und in Kanada ist das Arsenpräparat Nitarsone als Futtermittelzusatzstoff zugelassen. Zur Prophylaxe kann noch der mögliche Erregereintrag unterbunden werden. Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch die orale Aufnahme von Blinddarmwürmern, in deren Eiern bzw. Larven sich die Erreger befinden können. Eine Einschleppung kann mit dem Kot anderer Vögel, z.b. Spatzen, oder bei Freilandhaltung durch Regenwürmer oder Arthropoden, die als Transportwirte dienen, erfolgen. Abhängig von der Haltungsform ist dies mehr oder weniger leicht möglich. Neben der regelmäßigen prophylaktischen Entwurmung werden vor allem hygienische Maßnahmen im Betrieb empfohlen. 3. ob in Baden-Württemberg Fälle von Schwarzkopfkrankheit bei Puten aufgetreten sind und a) wie viele Betriebe davon betroffen waren; b) wie viele Tiere daran verenden mussten; Zu 3. a) und b): In Baden-Württemberg sind bisher zwei Fälle von Schwarzkopfkrankheit in Putenmastbetrieben aufgetreten. Im ersten Betrieb waren 3.800, im zweiten 3.400 Puten betroffen. 3
4. ob es zutrifft, dass aufgrund fehlender zugelassener Behandlungsmöglichkeiten an Schwarzkopf erkrankte Tiere nach gesicherter Diagnose aus Gründen des Tierschutzes getötet werden mussten und wie viele dies sind; Zu 4.: In beiden Fällen wurden die noch nicht an der Krankheit verendeten Puten unter Aufsicht des zuständigen Veterinäramtes getötet. Im ersten Betrieb wurden ca. 1500, im zweiten ca. 300 Tiere getötet. 5. ob die Tötung dieser Tiere durch die Verabreichung von Arzneimitteln bei der Behandlung und/oder Prophylaxemitteln hätte vermieden werden können; Zu 5.: Ja. Auch die hier aufgetretenen massiven Verluste vor der Tötung der restlichen erkrankten Tiere wären unter Einsatz geeigneter Arzneimittel oder Prophylaxemittel zu vermeiden gewesen. 6. ob das Fleisch von behandelten Tieren für den menschlichen Verzehr unbedenklich ist; Zu 6.: Die Verabreichung von in Anhang IV der unter Ziffer 2. genannten Verordnung aufgeführten Stoffen an Tiere, die zur Nahrungsmittelerzeugung genutzt werden, ist in der ganzen Gemeinschaft verboten. Auf die Antwort zu 2. wird im Übrigen verwiesen. Im Rahmen der Zulassung eines Futtermittelzusatzstoffes werden nach Artikel 9 der Verordnung (EG) 1831/2003 des Rates über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung Höchstmengen für Rückstände des Wirkstoffs oder seiner Metaboliten in den entsprechenden Lebensmitteln tierischen Ursprungs in die Verordnung aufgenommen, wenn die Rückstandsmenge eines Zusatzstoffs in Lebensmitteln, die von mit diesem Zusatzstoff gefütterten Tieren stammen, sich nachteilig auf die menschliche Gesundheit auswirken kann. Im Falle einer regional begrenzten Zulassung des Arsenpräparates Nitarsone wäre das Fleisch behandelter Tiere unter Beachtung der Wartezeit für den menschlichen Verzehr geeignet. 7. ob es zutrifft, dass die EU-Kommission erklärt hat, sie stünde einer Zulassung von Mitteln zur Behandlung und Prophylaxe der Schwarzkopfkrankheit bei Puten in einem beschleunigten Verfahren sehr wohlwollend gegenüber, wenn der Antrag auf Zulassung von einem Mitgliedsland gestellt wird; Zu 7.: Laut Schreiben des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) vom 18. Mai 2004 erwägt die Europäische Kommission, das in den USA und in Kanada zugelassene Arsenpräparat Nitarsone als Futtermittelzusatzstoff zur Verhütung der Schwarzkopfkrankheit bei Puten regional begrenzt in besonders betroffenen Regionen in Frankreich und dem Vereinigten Königreich im Rahmen einer Dringlichkeitszulassung zuzulassen. Der Hersteller des Präparates hat hierzu ein Antragsdossier bei 4
der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Prüfung vorgelegt. 8. ob ihr bekannt ist, wieso die Zulassung von diesen Mitteln durch die Bundesregierung nicht beantragt wurde und wie sie dies bewertet; 9. ob sie Möglichkeiten sieht und gewillt ist, auf die Bundesregierung einzuwirken, damit diese schnellstens die Zulassung von Mitteln zur Behandlung und Prophylaxe der Schwarzkopfkrankheit bei der EU-Kommission beantragt. Zu 8. und 9.: Das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum hat das BMVEL mit Schreiben vom 12. Januar 2004 über den ersten Fall von Schwarzkopfkrankheit in einem Putenmastbetrieb in Baden-Württemberg informiert. Zusätzlich wurde mit Schreiben vom 8. April 2004 an das BMVEL die Problematik des Therapienotstands dargestellt und das BMVEL gebeten, für das in den USA und Kanada zugelassene Prophylaktikum Nitarsone eine Eilzulassung bei der Kommission zu beantragen. Das BMVEL hat daraufhin mit Schreiben vom 18. Mai 2004 mitgeteilt, dass die Situation bei der Schwarzkopfkrankheit in Deutschland derzeit nicht als so gravierend einzustufen sei, dass eine Dringlichkeitszulassung zu fordern wäre. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 wurde das BMVEL dann über den zweiten Fall von Schwarzkopfkrankheit informiert. Eine regional begrenzte Zulassung von Nitarsone in Frankreich oder im Vereinigten Königreich würde für andere Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eröffnen, bei einem plötzlichen krisenhaften Auftreten der Krankheit die Zulassung kurzfristig auch auf weitere Regionen auszudehnen. Somit wäre es auch im Interesse Deutschlands, eine regionale Zulassung, z.b. für Frankreich, zu unterstützen. Stächele Minister für Ernährung und Ländlichen Raum 5