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Transkript:

Basel-Landschaft Entscheide Erbschaftssteuer Voraussetzungen eines Stiefkindverhältnisses Entscheid des Steuergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 22. Mai 2015 Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Steuerfreiheit wie für direkte Nachkommen verlangen, dass ein qualifiziertes Stiefkindverhältnis mit einer häuslichen Gemeinschaft von mindestens zehn Jahren bestanden hat. Dieser Nachweis ist vom Steuerpflichtigen zu erbringen, kann aber auf verschiedene Weise geleistet werden, wenn das Einwohnerregister dazu keine schlüssigen Informationen liefert. Das Stiefkindverhältnis an sich muss jedoch nur im Zeitpunkt des Erbganges vorhanden gewesen sein. Sachverhalt: 1. Mit Veranlagungsverfügung vom 8. April 2015 wurde dem Pflichtigen eine Erbschaftssteuer in Höhe von CHF 4 382.70 (CHF 108 436../. Freibetrag von CHF 50 000. = CHF 58 436. ; CHF 58 436. x 7.5 %) auferlegt. 2. Mit Eingabe vom 15. April 2014 erhob der Pflichtige mit dem sinngemässen Begehren, die Veranlagungsverfügung sei aufzuheben, Einsprache. Zur Begründung machte er geltend, die Erblasserin habe in den Jahren 1965 bis 1978 und damit über zehn Jahre zusammen mit ihm und seinem Vater in häuslicher Gemeinschaft gelebt, zuerst in A, dann in B. Aufzeichnungen darüber sollten von Amtes wegen von den beiden Gemeinden beigezogen werden. 3. Mit Einsprache-Entscheid vom 6. Februar 2015 wies die Steuerverwaltung die Einsprache ab. Zur Begründung führte sie aus, man habe versucht, Informationen bei den Gemeinden einzuholen. Die geltend gemachte häusliche Gemeinschaft für die Zeit vom 6. Oktober 1972 bis 1. April 1978 könne aufgrund der Belege der Gemeinde B nachvollzogen werden. Für die Zeit vor dem Jahr 1972 seien gemäss der Gemeinde A indes keine entsprechenden Unterlagen vorhanden, welche den Beginn der häuslichen Gemeinschaft dokumentieren würden. Daher sei ein Zusammenleben lediglich während rund 5 ½ Jahren nachgewiesen. 331

4. Mit Eingabe vom 5. März 2015 erhob der Pflichtige mit dem sinngemässen Begehren, der Einsprache-Entscheid sei aufzuheben, Rekurs. Zur Begründung machte er geltend, er sei davon ausgegangen, dass sich die häusliche Gemeinschaft aufgrund der Aufzeichnungen der beiden Gemeinden einfach nachweisen lassen würde. Mit seinem Vater habe er seit seiner Geburt am 8. Mai 1957 an der X-Strasse in A gewohnt, anfänglich zusammen mit seiner am 15. Juni 1962 verstorbenen Mutter, alsdann ab dem 4. März 1965 mit der Erblasserin. Sein Vater habe die Erblasserin am 23. Juli 1970 geehelicht. Am 5. Oktober 1972 sei man an die Y-Strasse in B gezogen, wo man bis am 1. April 1978 gewohnt habe. 5. Mit Vernehmlassung vom 1. April 2015 beantragte die Steuerverwaltung die Gutheissung des Rekurses. Zur Begründung führte sie aus, seitens des Pflichtigen seien Belege nachgereicht worden, von welchen die Steuerverwaltung keine Kenntnis gehabt habe: ein Deutscher Pass der Erblasserin mit Einträgen der Aufenthaltsbewilligung, ein Ausländerausweis (Kat. C) des Vaters des Rekurrenten mit Einträgen, Auszüge aus dem Familienbüchlein, allesamt mit Wohnort an der X-Strasse in A. Dazu komme noch ein Bestätigungsschreiben der Schwester der Erblasserin, womit glaubhaft dargelegt worden sei, dass ab dem Jahr 1965 tatsächlich eine häusliche Gemeinschaft des Vaters des Rekurrenten mit der im Jahre 1970 geehelichten Erblasserin bestanden habe, welche zuerst als Haushälterin dort tätig und wohnhaft gewesen sei. Der damals noch minderjährige Rekurrent mit Jahrgang 1957 sei mangels einer Fremdplatzierung notwendigerweise ebenfalls dort wohnhaft und damit Teil der häuslichen Gemeinschaft gewesen. Es könne sich nun zudem noch die auslegungsrechtliche Frage stellen, ob nebst der häuslichen Gemeinschaft von zehn Jahren auch das Stiefmutterverhältnis ebenfalls solange gedauert haben müsse (kumulierte Voraussetzung) oder ob eine häusliche Gemeinschaft von mindestens zehn Jahren genüge und die Erblasserin lediglich im Zeitpunkt ihres Todes Stiefmutter sein müsse. Rein vom Gesetzeswortlaut her werde nur eine häusliche Gemeinschaft von zehn Jahren mit der zuwendenden Person verlangt und dieselbe müsse Stiefoder Pflegeelternteil gewesen sein. Die Materialien zur Gesetzesrevision würden zu dieser Frage keine klare Antwort geben. Die Idee dahinter liege darin, dass bei einem Stief- oder Pflegekindverhältnis von mindestens zehn Jahren und häuslicher Gemeinschaft vermutungsweise eine solche Nähe aufgebaut worden sei wie bei eigenen Nachkommen. Vorliegend könne dies aber offen bleiben, weil es sich um einen speziell gelagerten Fall handle, da die zuwendende Stiefmutter im zeitlichen Vorfeld der Ehe zugleich auch Haushälterin des damals verwitweten Vaters gewesen sei, also faktisch die Rolle einer Pflegemutter eingenommen habe, ohne dass es dazu eines behördlich genehmigten Pflegekindsverhältnisses bedurft hätte. Erwägungen: 1. Das Steuergericht ist gemäss 19 des Gesetzes über die Erbschafts- und Schenkungssteuer vom 7. Januar 1980 (ESchStG) i.v.m. 124 des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern (Steuergesetz) vom 7. Februar 1974 (StG) zur Beur- 332

teilung des vorliegenden Rekurses zuständig. Gemäss 129 Abs. 2 StG werden Rekurse, deren umstrittener Steuerbetrag wie im vorliegenden Fall CHF 8 000. pro Steuerjahr nicht übersteigt, vom Präsidenten und zwei Richterinnen und Richtern des Steuergerichts beurteilt. Da die in formeller Hinsicht an einen Rekurs zu stellenden Anforderungen erfüllt sind, ist ohne weitere Ausführungen darauf einzutreten. 2. Vorliegend unterliegt der Beurteilung, ob die Steuerverwaltung zu Recht eine Erbschaftssteuer erhoben hat. 3. Zunächst stellt sich die Frage, ob der Pflichtige Stiefkind der Erblasserin, S. B., verstorben am 28. Oktober 2012, war. a) Unter Stiefkindern versteht man nicht gemeinsame Kinder von Ehepaaren. Stiefeltern haben keine elterliche Sorge, haben indes dem Ehegatten gemäss Art. 299 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) vom 10. Dezember 1907 in der Ausübung der elterlichen Sorge gegenüber dessen Kindern in angemessener Weise beizustehen und ihn zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern. b) Der Pflichtige, geb. am 8. Mai 1957, ist der Sohn von V. und M. E. Letztere ist am 15. Juni 1962 verstorben. Am 23. Juli 1970 heiratete der verwitwete Vater S. B. Ab diesem Zeitpunkt war die Erblasserin Stiefmutter des Pflichtigen. 4. Weiter stellt sich die Frage, wie Stiefkinder erbschafts- und schenkungsrechtlich besteuert werden. a) Gemäss 12 Abs. 1 lit. a ESchStG beträgt der Steuersatz der Erbschafts- und Schenkungssteuer für Stief- und Pflegekinder, nach Abzug eines Freibetrages von CHF 50 000., 7.5 %. b) Mit letztwilliger Verfügung vom 3. Dezember 2010 hat die Erblasserin den Rekurrenten als Erben eingesetzt. Entsprechend wurde dem Pflichtigen mit Veranlagungsverfügung vom 8. April 2015 eine Erbschaftssteuer in Höhe von CHF 4 382.70 (CHF 108 436../. Freibetrag von CHF 50 000. = CHF 58 436. ; CHF 58 436. x 7.5 %) auferlegt. Diese Besteuerung als Stiefkind erfolgte gestützt auf die vorgenannte Bestimmung grundsätzlich zu Recht. 5. Der Pflichtige macht nun aber geltend, er sei von der Erbschaftssteuer zu befreien, da er vor Erreichen des fünfundzwanzigsten Altersjahres während mindestens zehn Jahren in häuslicher Gemeinschaft mit der Erblasserin gelebt habe. a) Gemäss 9 Abs. 1 lit. b ESchStG sind Ehegatten, Eltern und direkte Nachkommen sowie die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Erblassers oder Schenkers von der Erbschafts- und der Schenkungssteuer befreit. Gemäss Abs. 2 der Bestimmung sind den direkten Nachkommen gemäss lit. b Stief- und Pflegekinder gleichgestellt, wenn diese vor Erreichen des fünfundzwanzigsten Altersjahres 333

während mindestens zehn Jahren mit der zuwendenden Person in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. b) Im Zuge der Änderung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes, neuer Steuerklassen, Steuersätze und Freibeträge, wurde 9 Abs. 2 ESchStG mit In - krafttreten per 1. Juli 2010 neu ins Gesetz aufgenommen (vgl. Landratsvorlage vom 28. Oktober 2008, Bericht der Finanzkommission an den Landrat vom 11. März 2009, Protokolle der Landratssitzungen vom 23. April und 7. Mai 2009 [Vorlage Nr. 2008-272]). Gemäss Landratsvorlage rechtfertigt sich in besonderen Fällen eine Gleichstellung der Stief- und Pflegekinder mit den steuerbefreiten direkten Nachkommen. So soll eine Steuerbefreiung für besonders langjährige und daher vermutungsweise sehr enge Beziehungsverhältnisse gewährt werden. Es sei daher vorgesehen, dass bei mindestens fünfjähriger häuslicher Gemeinschaft des Stief- oder Pflegekindes mit seinen «Eltern» keine Erbschafts- oder Schenkungssteuer erhoben werde. Die fünfjährige häusliche Gemeinschaft müsse allerdings im Zeitraum ab Geburt bis zum fünfundzwanzigsten Geburtstag des Kindes liegen. Diese altersmässige Begrenzung lasse sich damit begründen, dass das für die Steuerbefreiung geforderte enge Beziehungsverhältnis ab einem gewissen Alter nicht mehr entstehen könne. So entwickle beispielsweise ein dreissigjähriges Kind, dessen Mutter oder Vater wieder heirate, keine so enge Beziehung zur Stiefmutter oder zum Stiefvater, die eine Gleichstellung mit den direkten Nachkommen rechtfertigen würde. Aufgrund einer Anregung der Finanzkommission wurde die Dauer der häuslichen Gemeinschaft alsdann auf mindestens zehn Jahre festgelegt. c) Für eine Steuerbefreiung gemäss 9 Abs. 2 ESchStG müssen also zwei Voraussetzungen erfüllt sein, einerseits das Stiefkindverhältnis, andererseits das Leben in häuslicher Gemeinschaft mit der zuwendenden Person vor Erreichen des fünfundzwanzigsten Altersjahres während mindestens zehn Jahren. 6. Es stellt sich die Frage, ob nebst dem Leben in häuslicher Gemeinschaft mit der zuwendenden Person vor Erreichen des fünfundzwanzigsten Altersjahres während mindestens zehn Jahren kumulativ auch das Stiefkindverhältnis ebenfalls solange gedauert haben muss. Mit anderen Worten ist nachfolgend zu prüfen, ob während der zehnjährigen häuslichen Gemeinschaft auch ein Eheverhältnis von Vater und Stiefmutter bestanden haben muss oder ob eine häusliche Gemeinschaft von mindestens zehn Jahren genügt und das Stiefkindverhältnis lediglich im Zeitpunkt des Todes der Stiefmutter vorliegen muss. Gemäss Gesetzeswortlaut wird nur eine häusliche Gemeinschaft von zehn Jahren mit der zuwendenden Person verlangt. Den hiervor zitierten Materialien zur Gesetzesrevision ist zu dieser Frage nichts Konkretes zu entnehmen. Die Idee hinter der Steuerbefreiung und damit der Gleichstellung mit den direkten Nachkommen liegt gemäss Gesetzgeber darin, dass bei einem Stiefoder Pflegekindverhältnis und häuslicher Gemeinschaft von mindestens zehn Jahren vermutungsweise eine solche Nähe aufgebaut worden ist wie bei eigenen Nachkommen. Welches rechtliche Verhältnis zwischen den «Eltern» bestand, ob dieselben im Konkubinat lebten oder verheiratet waren, ist daher zweitrangig. Entscheidend ist vielmehr die aufgebaute Nähe, welche sich durch das mindestens zehn Jahre dau- 334

ernde Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft manifestiert hat. Daraus folgt, dass das Stiefkindverhältnis nicht während mindestens zehn Jahren gedauert haben, sondern lediglich im Todeszeitpunkt des Erblassers im Sinne eines Stichtages gegeben sein muss. Letzteres gilt gemäss Art. 260 Abs. 3 ZGB im Übrigen auch bei der Anerkennung eines Kindesverhältnisses im Testament. Auch daraus ergibt sich, dass bei den Stiefkindern nicht das weitergehende Erfordernis eines während mindestens zehn Jahren bestehenden Stiefkindverhältnisses, und damit viel strengere Voraussetzungen, erfüllt sein müssen, da dies mit der vom Gesetzgeber in 9 Abs. 2 ESchStG gewollten Gleichstellung von Stiefkindern mit den direkten Nachkommen nicht vereinbar wäre. Überdies sind die bei Stiefkindern erforderlichen Voraussetzungen Schutzmechanismus genug, weil selbst dann, wenn die Heirat der «Eltern» erst kurz vor dem Tod des Erblassers geschlossen werden sollte, eine Steuerumgehung kaum denkbar ist, da das entscheidende Kriterium, das mindestens zehnjährige Leben in häuslicher Gemeinschaft vor Erreichen des fünfundzwanzigsten Altersjahres mit der zuwendenden Person, stets erfüllt sein muss. 7. Abschliessend ist zu prüfen, ob das Erfordernis des mindestens zehnjährigen Lebens in häuslicher Gemeinschaft vor Erreichen des fünfundzwanzigsten Altersjahres des Rekurrenten mit der Erblasserin erfüllt ist. Seitens der Steuerverwaltung wurde im Einsprache-Entscheid vom 6. Februar 2015 ausgeführt, man habe versucht, Informationen bei den Gemeinden einzuholen. Die geltend gemachte häusliche Gemeinschaft für die Zeit vom 6. Oktober 1972 bis 1. April 1978 an der Y-Strasse könne aufgrund der Unterlagen der Gemeinde B nachvollzogen werden. Jedoch seien gemäss der Gemeinde A für die Zeit vor 1972 keine Belege vorhanden, welche den Beginn der häuslichen Gemeinschaft dokumentieren würden. Daher sei ein gemeinsames Zusammenleben während lediglich etwa 5 ½ Jahren nachgewiesen. Mit Rekurs vom 5. März 2015 wurden seitens des Pflichtigen ein Deutscher Pass der Erb - lasserin mit Einträgen der Aufenthaltsbewilligung, ein Ausländerausweis (Kat. C) des Vaters des Rekurrenten mit Einträgen und Auszüge aus dem Familienbüchlein, allesamt mit Wohnort ab dem 4. März 1965 an der X-Strasse in A nachgereicht. Damit ist die häusliche Gemeinschaft des Vaters des Rekurrenten mit der Erblasserin ab diesem Zeitpunkt nachgewiesen. Mit Schreiben der Schwester der Erblasserin vom 17. Februar 2015 wurde überdies bescheinigt, die Erblasserin habe ab dem Jahr 1965 an der X-Strasse in A in der einzigen Wohnung des Fabrikgebäudes mit dem Rekurrenten und dessen Vater gelebt. Zuerst habe die Erblasserin als Hausangestellte für den Vater des Rekurrenten gearbeitet, ab dem Jahr 1966 hätten die beiden im Konkubinat gelebt und alsdann im Jahr 1970 geheiratet. Die Erblasserin habe den Rekurrenten schon vor der Heirat wie ein eigenes Kind betreut. Damit ist nachgewiesen, dass der damals noch minderjährige Rekurrent, geb. am 8. Mai 1957, mangels einer Fremdplatzierung notwendigerweise ebenfalls an der X-Strasse in A wohnhaft und damit Teil der häuslichen Gemeinschaft gewesen ist. Aus alledem folgt, dass der Rekurrent im Zeitraum vom 4. März 1965 bis am 5. Oktober 1972 an der X-Strasse in A und vom 6. Oktober 1972 bis am 1. April 1978 an der Y-Strasse in B, also während insgesamt rund 13 Jahren, und zwar von seinem 8. bis zum 21. Altersjahr und damit vor Erreichen des fünfundzwanzigsten Altersjahres in häuslicher Gemeinschaft mit der Erblasserin gelebt hat, was im vorliegenden Verfahren 335

seitens der Steuerverwaltung auch nicht mehr bestritten wird. Dass das Stiefkindverhältnis vorliegend nur während 8 der vorgenannten 13 Jahre, nämlich von der Heirat des Vaters mit der Erblasserin im Jahr 1970 bis zur Beendigung des Zusammenleben im Jahr 1978 gedauert hat, spielt wie hiervor dargetan, keine Rolle. Auch ob vor dem Jahr 1970 ein faktisches Pflegeverhältnis bestand, kann offen bleiben. Entscheidend ist wie dargetan, dass der Rekurrent vor Erreichen des fünfundzwanzigsten Altersjahres während mindestens zehn Jahren mit der Erblasserin in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, was vorliegend erfüllt ist. Das rechtliche Verhältnis der «Eltern» in diesen zehn Jahren ist wie gesehen sekundär, solange die Erblasserin, wie vorliegend, im Zeitpunkt des Todes Stiefmutter ist. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass der Rekurrent die Voraussetzungen gemäss 9 Abs. 2 ESchStG erfüllt hat und entsprechend von der Erbschaftssteuer zu befreien ist. Der Rekurs erweist sich damit als begründet und ist gutzuheissen. 8. Ausgangsgemäss sind dem Rekurrenten keine Verfahrenskosten aufzuerlegen ( 130 StG i.v.m. 20 des Gesetzes vom 16. Dezember 1993 über die Verfassungsund Verwaltungsprozessordnung [VPO]). Demgemäss wird erkannt: 1. Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen. Der Einsprache-Entscheid vom 6. Februar 2015 und die Veranlagung vom 8. April 2014 werden aufgehoben. 2. 3. 336