Gemeinsam voneinander lernen Geschlechterstereotype aufbrechen



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Gemeinsam voneinander lernen Geschlechterstereotype aufbrechen Frauenförderung und Gender bei der Femtec.GmbH von Martina Battistini, Femtec.GmbH Die Femtec.GmbH ist ein Hochschulkarrierezentrum für Frauen, ihr vorrangiges Ziel ist damit auch wenn dieser Begriff heutzutage gerne vermieden wird im wortwörtlichen Sinne die Frauenförderung, nämlich die Qualifizierung und Vernetzung von begabten angehenden Ingenieur/innen und Naturwissenschaftler/innen, um sie für anspruchsvolle Fach- und Führungsaufgaben in Industrie und Forschung vorzubereiten. Eine so verstandene Frauenförderung ist für die neun namhaften Partnerunternehmen der Femtec kein Auslaufmodell, sondern zukunftsorientierte Personalpolitik. Dazu gehört neben dem Careerbuilding-Programm für Studentinnen auch die Nachwuchsförderung für Schülerinnen, die die Femtec in Form der Try it! - Junge Frauen erobern die Technik -Workshops für Mädchen seit ihrer Gründung 2001 betreibt. Die Femtec baut ihre Aktivitäten kontinuierlich weiter aus, so wird zurzeit ein Promovendinnen-Programm entwickelt mit dem Schwerpunkt Übergang in die Wirtschaft und die Netzwerkarbeit mit den mittlerweile zahlreich vorhandenen Femtec-Alumnae intensiviert. Seit 2009 führt die Femtec.GmbH das für junge Frauen und Männer angebotene Programm Talent Take Off Start ins Studium im Auftrag der Fraunhofer-Gesellschaft für angewandte Forschung e.v. durch, und zwar mit einem explizit geforderten gendersensiblen Konzept. Mit diesem Orientierungs- und Bindungsprogramm werden MINTbegeisterte Schüler und Schülerinnen bei der Studienfachwahl unterstützt und Studienanfänger/innen aus diesem Fächerspektrum frühzeitig an die angewandte Forschung herangeführt

Seite 2 und in ihren Methodenkompetenzen gestärkt. Das Kommunikationsportal mytalent und ein Abschlussevent für alle MINT-Talente runden das Programm ab, das Teil des Nationalen Paktes für Frauen in MINT-Berufen der Bundesregierung ist. Was heißt Gender in der (Schüler/innen-)Arbeit der Femtec? Am Beispiel der Schüler/innen-Arbeit der Femtec soll erläutert werden, wie Frauenförderung und Genderperspektive sich ergänzen. Die Schüler/innen-Arbeit der Femtec war bisher eine, die allein auf Mädchen ausgerichtet war. Sie folgte damit dem vielfach bewährten Ansatz, in Technik- und Naturwissenschaften Mädchen spezifische Angebote zu machen, um ihnen eigenständige praktische Erfahrungen zu ermöglichen, ihr technikbezogenes Selbstkonzept zu stärken und sie dadurch zu ermuntern und zu motivieren, sich Bereichen zuzuwenden, für die ihnen lange die Begabung abgesprochen worden ist. Eine Nachbefragung der Try it! -Absolventinnen ergab, dass knapp 80 Prozent der Schülerinnen sich durch den Workshop ein MINT-Fach zutrauen, 51 Prozent haben Hilfestellung für ein konkretes Fach erfahren. Fast dreiviertel der Teilnehmerinnen studieren heute ein MINT-Fach. Mit dem Programm Talent Take Off Start ins Studium werden neue Wege beschritten und eine genderbewusste Nachwuchsförderung im MINT-Bereich erprobt. Talent Take Off ist Teil der Nachwuchsförderung der Fraunhofer-Gesellschaft, die u.a. Talents Schools anbietet, in denen MINT-begeisterte Schüler/innen mit Wissenschaftler/innen an Fraunhofer-Instituten drei Tage eigene kleine Forschungsarbeiten durchführen. Mindestens 50 Prozent der Talent

Seite 3 School Teilnehmenden sind Mädchen. Das von Femtec konzipierte und im Auftrag von Fraunhofer durchgeführte Programm Talent Take Off baut darauf auf und begleitet die Jugendlichen bei der Studienfachwahl und bis in die erste Studienphase hinein (Module für Studienanfänger/innen ab 2011). An den bisherigen fünf Kursen haben 106 Jugendliche teilgenommen, davon 57 Mädchen, das entspricht 53,8 Prozent. Gender in der Studien- und Berufswahl Was bedeutet nun Gendersensibilität bei der Durchführung von Talent Take Off? Zusätzlich zum quantitativen Aspekt in den Kursen stellen Mädchen die Mehrheit - ist die Genderperspektive integraler Bestandteil des gesamten Programms. Im Kurs geht es um den Studienwahlprozess, dazu werden Trainings und Technik-Workshops angeboten, ein Fraunhofer-Institut besucht, Studierende und Ingenieur/innen befragt, das eigene Interessenprofil und ein persönlicher Aktionsplan erstellt. Insbesondere in den Trainings wird thematisiert und reflektiert, ob Jungen und Mädchen unterschiedliche Erfahrungen machen im Prozess ihrer Studienfachwahl, welche Art von Unterstützung sie erfahren, welche Vorbilder sie jeweils haben, und inwieweit sie das bei ihrer Studien- und Berufswahl beeinflusst. Im Teambuilding wird wenn es zur Situation passt der Blick dafür geschärft, ob Jungen und Mädchen typischerweise bestimmte Rollen einnehmen oder in einer spezifischen Weise agieren und kommunizieren. Dies ist auch ein Thema im Kommunikationstraining, zum Teil wird in geschlechtergetrennten Gruppen gearbeitet. Die Thematisierung des Geschlechterblicks führt zu einer paradoxen Situation, die Gendertrainings häufig kennzeichnet: Die Konzentration auf Unterschiede birgt die Gefahr der Vertiefung der Gräben und der Verstärkung von Stereotypen. Dass diese diskursiv aufgelöst werden, da-

Seite 4 für sorgen schon die Schüler/innen selbst, die zwar kurzzeitig Spaß daran haben, sich in Geschlechterklischees zu ergehen, aber diese schon sehr bald selbst widerlegen. Im Training sind die männlich und weiblich konnotierten Kommunikationsweisen ein didaktisches Mittel zum Zweck, nämlich herauszuarbeiten, welche Kommunikationsweisen eine gelingende produktive Kommunikation ermöglichen. Gleichzeitig sollen die Teilnehmenden aber auch dafür sensibilisiert werden, welche geschlechterbezogenen Wahrnehmungen von Verhaltens- und Kommunikationsweisen existieren, um auf den Umgang damit vorbereitet zu sein. Die Gendersensibilität des Programms spiegelt sich ebenfalls in der Auswahl der eingeladenen Gäste, die den Schüler/innen in Gesprächsrunden Rede und Antwort stehen, wie der Ingenieur unseres Partnerunternehmens Daimler, der gerade zum zweiten Mal ein Jahr Elternzeit nimmt, oder der Manager aus der Telekommunikationsbranche mit Personalverantwortung, dessen Work-Life-Balance sich auch darin ausdrückt, nachmittags auf dem Spielplatz nur die Mailbox des Handys arbeiten zu lassen. Hier erfahren die Jugendlichen, welche partnerschaftlichen Modelle für Beruf und Familie es gibt, aber auch, dass diese nicht immer leicht umzusetzen sind. Daneben kommt die Berufseinsteigerin bei einer Unternehmensberatung mit ihrer 60-Stundenwoche zu Wort und verdeutlicht, dass Work-Life-Balance in unterschiedlichen Lebensphasen jeweils etwas anderes bedeutet. Über Geschlechterverhältnisse gemeinsam lernen Im Kern des Kurses geht es um den vielschichtigen Prozess der Studienfachwahl. Aber es werden gleichzeitig noch andere Veränderungen auf einer subtileren Ebene angestoßen: Was lernen die Jugendlichen auf der sozialen, der geschlechterbezogenen Ebene? Die Mädchen erleben sich als

Gleichberechtigte, sowohl zahlenmäßig als auch inhaltlich. Einige sind deutlich besser über die Studiengänge informiert als mancher Junge und können ihr Wissen weitergeben. Sie erfahren aber auch, dass stereotype Erwartungen Jungen belasten können (z.b. immer den Ton anzugeben). Und die Jungen? Sie sind wahrscheinlich zum ersten Mal - umgeben von vielen Mädchen mit ähnlichen Interessen und Kompetenzen und können neue Rollen ausprobieren. Sie erleben, wie es ist, sich auf (fachlicher) Augenhöhe zu begegnen, sie lernen Studentinnen und Ingenieurinnen kennen. Eine gute Vorbereitung auf Studium und Berufsleben, in dem es immer mehr Kolleginnen geben wird und hoffentlich - auch einmal eine Chefin. Dies sind implizite Lernziele. Auf der expliziten Ebene ist es ein wichtiges Ziel, die Mädchen und Jungen zu einer gut funktionierenden Gruppe zusammenzufügen, damit sie sich auch nach dem Kurs weiterhin unterstützen und über das mytalent -Portal Kontakt halten. Alle Teilnehmenden der bisherigen fünf Kurse haben das als sehr positiv erlebt. Das Zusammensein mit den anderen Schüler/innen ist in der Evaluation immer der am höchsten bewertete Programmbaustein. Denn man darf nicht vergessen: Außerhalb der Nachwuchsprogramme sind sie als MINTbegeisterte Jugendliche eine kleine Minderheit. Macht es denn heute noch einen Unterschied, ob man als Mädchen oder Junge Physik oder Elektrotechnik studieren will? Also, Physik das ist nichts für einen Mann!, diesen Satz werden Jungen wohl kaum zu hören bekommen einige Mädchen auch aus unseren Kursen jedoch müssen sich mit solchen und ähnlichen Sätzen noch auseinandersetzen. Solange dies so ist, werden reine Frauenförderangebote in MINT-Fächern gebraucht. Aber: Daneben sollte es immer mehr gemischte Programme geben, für die Gendersensibilität selbstverständlich ist, um soziales Lernen über Geschlechterverhältnisse zu ermöglichen, um den Geschlechterblick in den Mainstream zu bringen! Kontakt: Martina Battistini, Femtec.GmbH, battistini@femtec.org. Heike Koos, Fraunhofer-Gesellschaft, heike.koos@zv.fraunhofer.de Seite 5 Alle Kurs-Informationen unter: www.femtec.org und www.fraunhofer.de/talent-take-off. Fotos:1-3 Jacek Ruta / 4: Fraunhofer IZM