Ort: Anklagebank im Gerichtssaal des Landgerichts Lübeck. Quelle: Personalakte Strafgefängnis Bremen-Oslebshausen (Sozialverhältnisse,

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Transkript:

4. Der Angeklagte Ort: Anklagebank im Gerichtssaal des Landgerichts Lübeck Quelle: Personalakte Strafgefängnis Bremen-Oslebshausen (Sozialverhältnisse, Material: Kurzbiografie: Edmund Fülscher Quelle: Die Straftat Anklageschrift Vorbereitung zum Hochverrat Anklageschrift Berlin 16.09.1936 Teile der Strafakte Fülschers Fotos: Erkennungsdienst Lübeck, Oktober 1935 Strafakte Fülscher Aufgabe: 1. Stelle die Person vor, die du präsentierst (Fotos, Kurzbiographie). 2. Beschreibe die Funktion bzw. das Ziel der Person im Dritten Reich (Fotos, Kurzbiographie). 3. Gib den Inhalt deiner Quelle (Anklageschrift) wieder. Was wird Edmund Fülscher vorgeworfen? 4. Versetze dich in die Lage von Edmund Fülscher und formuliere Gefühle oder Gedanken aus deiner Sicht. Anklagebank im Gerichtssaal.

Kurzbiografie: Edmund Fülscher Edmund Bruno Kurt Fülscher, geboren am 1. April 1915 in Lübeck, war ledig und wohnte im 3. Stock in der Glandorpstraße 19 in St. Lorenz- Nord. Er wurde als uneheliches Kind geboren und später von seinem Stiefvater, dem Schneider August Fülscher, adoptiert. Vom 6. bis zum 14. Lebensjahr besuchte er die St.-Lorenz-Knabenschule in Lübeck und war dann 10 Monate Kochlehrling im Restaurant Theaterklause. Danach arbeitete er bei der Hansa-Meierei und bei der Firma Schreiter. Seit 1931 fuhr er als Koch- und Messejunge und zuletzt als Stewart auf den Dampfern; Nordmark, Holstentor und St. Lorenz. Seit Januar 1935 war er in Lübeck als unständig beschäftigter Hafenarbeiter tätig. Er gehörte von Ende 1931 bis Ende 1932 der Kommunistischen Jugend an und machte in dieser Zeit auch eine vierzehntägige Schulung der Unterbezirksleitung mit. Der bis dahin nicht vorbestrafte junge Mann wurde am 13. Oktober 1935 vorläufig festgenommen. Am 28. November stellte das zuständige Amtsgericht Lübeck einen Haftbefehl aus und seit dem Tage saß Edmund Fülscher offiziell in Untersuchungshaft. Im Dezember 1936 wurde ihm schließlich der Prozess gemacht. Edmund Fülscher 1934, im Alter von 19 Jahren und 1998, als 83 jähriger.

Quelle: Die Straftat Unser erstes Ziel war, Solidaritätsspenden für die Familien der Inhaftierten zu sammeln, erläutert er. Ohne viel zu fragen hätten viele Leute geholfen, mit Geld, mit Lebensmitteln. Seeleute brachten Spenden aus dem Ausland mit. Das Gesammelte wurde an geheimen Orten aufbewahrt und von dort weiterverteilt. Automatisch kamen seine RAJ- Freunde (Revolutionäre Arbeiterjugend, 1934/35 von Fülscher gegründet) in Kontakt mit der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), der vor seiner Flucht nach Norwegen auch Herbert Frahm alias Willy Brandt angehörte, oder mit jungen Mitgliedern von SPD, KPD oder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Als die Nazis in Lübeck Plakate gegen Juden klebten das bekannte Nazi-Zerrbild eines jüdischen Gesichts mit der Unterzeile Lübeck will Euch nicht! konterte die RAJ. Sofort malte sie Plakate mit dem Hitler-Kopf und schrieb darunter Lübeck will Dich nicht! Nachts zogen sie in Dreiergruppen durch Lübecks Straßen und Gänge und klebten das Plakat an markante Plätze Natürlich war uns schon etwas mulmig dabei. Aber wir wollten ein Zeichen setzen! Kurz vor dem Antikriegstag 1935 - damals war es der 1. August - kletterten Edmund Fülscher und seine Freunde nachts mit einem großen Topf Farbe auf das Dach der Speditionsfirma Julius Appel am alten Güterbahnhof (zwischen Holstentor und der heutigen MuK). In großen Lettern pinselten sie aufs Dach: Brüder, in eins nun die Hände! Bildet die antifaschistische Einheitsfront gegen Krieg und Faschismus! Am nächsten Tag war unsere Parole gut zu sehen, vor allem von Menschen, die die Fischstraße, die Alfstraße oder die Braunstraße hinuntergingen. Natürlich versuchten die Nazis, den Spruch zu überpinseln, vergeblich: Auch danach konnte man ihn noch gut lesen. 1 1 Edmund Fülscher in einem Interview der Lübecker Nachrichten vom 17. Juli 1994.

Edmund Fülscher auf einem Polizeifoto bei seiner Verhaftung im Oktober 1935 Fotos bei seiner Einlieferung im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen Januar 1937

Quelle: Anklage - Vorbereitung zum Hochverrat Der Reichsanwalt beim Volksgerichtshof Berlin, den 16. September 1936 Strafsache Nr. 15 J 162/36 Anklageschrift! [ ] 3. den Stewart Edmund Bruno Kurt Fülscher, geboren am 1. April 1915 in Lübeck, ledig, wohnhaft in Lübeck, Glandorpstraße 19/III, nicht vorbestraft, am 13. Oktober 1935 vorläufig festgenommen und auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts in Lübeck vom 28. November 1935 seit diesem Tage in Untersuchungsgefängnis in Lübeck in Untersuchungshaft [ ] - [...] bisher ohne Verteidiger klage ich an, in Lübeck die Angeschuldigte Klann auch in Hamburg, Rensefeld und Fehmarn, Berlin und der Angeschuldigte Fülscher auch in Prag, der Angeschuldigte Böckenhauser auch in Oslo: [ ] Fülscher von Herbst 1934 bis Oktober 1935 [ ] fortgesetzt und teilweise gemeinschaftlich miteinander und mit anderen handelnd das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt die Verfassung des Reiches zu ändern, vorbereitet zu haben, [ ] III. Die hochverräterische Tätigkeit der Angeschuldigten E) Verbreitung und Herstellung illegaler Schriften Die sämtlichen Angeschuldigten befassten sich während ihrer Tätigkeit für die illegale KPD in erheblichen Umfang mit der Herstellung, Aufbewahrung und Verbreitung kommunistischer Hetzschriften. [ ] 3.) Der Angeklagte Fülscher [ ] Auch von Werner Bringmann erhielt Fülscher kurz vor dem 1. August 1935 Propagandamaterial. Jener gab dem Fülscher auch den Auftrag, zum 1. August Plakate aufzukleben und Hetzinschriften anzubringen.

Dieser Weisung entsprechend begab sich Fülscher am 31. Juli 1935 kurz vor Mitternacht mit Bob Grube, Gustav Feldsien, Leo Cwieck und Karl Heinz Ring zum alten Bahnhof wo Fülscher auf das Dach eines alten Schuppens stieg und mit weißer Farbe die Inschrift anbrachte: Bildet die antifaschistische Volksfront gegen Faschismus und Krieg! Seine übrigen Genossen standen währenddessen Posten. Dann brachten die Genannten in verschiedenen Teilen der Stadt Plakate mit demselben Inhalt an, die Karl Heinz Ring in seiner Wohnung hergestellt hatte. [ ] Beweismittel: I. Die Einlassungen der Angeschuldigten II. Die Zeugen III. Urkunden und Schriftstücke Ich beantrage die Hauptverhandlung gegen die Angeschuldigten vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofs anzuordnen, die Fortdauer der Untersuchungshaft zu beschließen und den Angeschuldigten Verteidiger zu bestellen.