Wissenschaftliche Dienste. Sachstand. Insolvenzrecht Einzelfragen zum Ablauf des Insolvenzverfahrens Deutscher Bundestag WD /18

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Transkript:

Insolvenzrecht Einzelfragen zum Ablauf des Insolvenzverfahrens 2018 Deutscher Bundestag

Seite 2 Insolvenzrecht Einzelfragen zum Ablauf des Insolvenzverfahrens Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 22. November 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.

Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Welcher Zeitpunkt ist für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens maßgeblich? 4 2. Welche Wirkungen hat die Eröffnung? 4 2.1. Regelinsolvenz 4 2.2. Insolvenz in Eigenverwaltung 4 3. Welche Wirkung hat der Insolvenzantrag? 5 4. Ab wann kann eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden? 5 5. Können nach der Insolvenzeröffnung entstandene Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen Masseverbindlichkeiten sein? 6 5.1. Bestandsverträge 6 5.2. Neuverträge 7

Seite 4 1. Welcher Zeitpunkt ist für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens maßgeblich? Das Insolvenzverfahren wird mit dem Eröffnungsbeschluss des zuständigen Amtsgerichts eröffnet ( 27 InsO 1 ). 2 Der Eröffnungsbeschluss soll gemäß 27 Absatz 2 Nr. 3 InsO auch die Stunde der Eröffnung enthalten. Ist die Stunde der Eröffnung gleichwohl nicht angegeben, so gilt als Zeitpunkt der Eröffnung die Mittagsstunde des Tages, an dem der Eröffnungsbeschluss erlassen worden ist ( 27 Absatz 3 InsO). 2. Welche Wirkungen hat die Eröffnung? 2.1. Regelinsolvenz Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über ( 80 Absatz 1 InsO). Insolvenzmasse ist das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt ( 35 Absatz 1 InsO). Verfügt der Insolvenzschuldner gleichwohl nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse, so ist diese Verfügung unwirksam ( 81 Absatz 1 Satz 1 InsO). Hat der Insolvenzschuldner am Tag der Eröffnung des Verfahrens verfügt, so wird vermutet, dass er nach der Eröffnung verfügt hat ( 81 Absatz 3 Satz 1 InsO). Leistet ein Dritter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Insolvenzschuldner, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte ( 82 Satz 1 InsO). Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung geleistet, so wird vermutet, dass er die Eröffnung nicht kannte ( 82 Satz 2 InsO). Eine zentrale Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das Verbot von Einzelvollstreckungen: Gemäß 89 Absatz 1 InsO sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. 2.2. Insolvenz in Eigenverwaltung Im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ( 270 ff. InsO) gelten die vorhergehenden Feststellungen nur eingeschränkt. So ist etwa abweichend von 80 Absatz 1 InsO der eigenverwaltende Insolvenzschuldner unter Aufsicht des Sachwalters weiterhin berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen ( 270 Absatz 1 Satz 1 InsO). 1 Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 24 Absatz 3 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) geändert worden ist. 2 Hoffmann, in: BeckOK GewO, 43. Edition, Stand: 01.10.2018, 12 GewO Rn. 24.

Seite 5 Ob die 82 und 83 InsO mangels Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis anwendbar sind, ist streitig. 3 Die 87 91 InsO sind entsprechend anwendbar; bei 90 InsO ist statt auf den Insolvenzverwalter auf den Schuldner abzustellen. 4 3. Welche Wirkung hat der Insolvenzantrag? Der Insolvenzantrag kann in verschiedener Hinsicht unmittelbare oder mittelbare insolvenzrechtliche Relevanz erlangen. Hat etwa ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Insolvenzschuldners erlangt, so wird diese Sicherung mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam ( 88 InsO). Von großer Praxisrelevanz ist zudem, dass gemäß 21 InsO das zuständige Gericht bereits nach Antragstellung und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens per Beschluss vorläufige Maßnahmen treffen kann. So kann es insbesondere bestimmen, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners verboten sind ( 21 Absatz 2 Nr. 3 InsO) oder dem Insolvenzschuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen ( 21 Absatz 2 Nr. 2 InsO). 5 Bei der Beantragung der Eigenverwaltung gilt abweichend hiervon, dass, wenn der Antrag nicht offensichtlich aussichtslos ist, das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen soll, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind ( 270a Absatz 1 InsO). 4. Ab wann kann eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden? Insolvenzgläubiger haben ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden ( 174 Absatz 1 Satz 1 InsO). Die Anmeldefrist wird vom Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss bestimmt ( 28 Absatz 1 Satz 1 InsO). Sie beträgt mindestens zwei Wochen und höchstens drei Monate ab Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses ( 28 Absatz 1 Satz 2 InsO). 6 3 Vgl. Ellers, in: BeckOK InsO, 11. Edition, Stand: 26.07.2018, 270 InsO Rn. 84 m.w.n. 4 Ellers, in: BeckOK InsO, 11. Edition, Stand: 26.07.2018, 270 InsO Rn. 84 m.w.n. 5 Vgl. Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 9. Auflage 2018, 21, Rn. 274. 6 Zenker, in: BeckOK InsO, 11. Edition, Stand: 26.04.2018, 174 InsO Rn. 15.

Seite 6 Die festgelegte Anmeldefrist ist jedoch keine Ausschlussfrist, sodass auch verspätete Anmeldungen bis zum Ende des Schlusstermins grundsätzlich wirksam sind, aber mit Nachteilen gemäß 177, 189 InsO behaftet sein können. 7 Vor der Eröffnung vorgenommene Anmeldungen sind jedoch unwirksam. 8 Insbesondere soll auch eine Anmeldung beim vorläufigen Insolvenzverwalter keine Wirkung entfalten, auch nicht etwa bei Personenidentität ex nunc ab Verfahrenseröffnung. 9 5. Können nach der Insolvenzeröffnung entstandene Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen Masseverbindlichkeiten sein? 5.1. Bestandsverträge Gemäß 55 Absatz 1 Nr. 2 InsO können Verbindlichkeiten aus bestehenden gegenseitigen Verträgen zu Masseverbindlichkeiten werden, wenn der Verwalter ihre Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt. Hierzu gilt: Die erste Alternative des 55 Abs. 1 Nr. 2 ist in Zusammenhang mit 103 zu sehen. Ist ein gegenseitiger Vertrag im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung beiderseits nicht vollständig erfüllt, so können die noch ausstehenden Erfüllungsansprüche mit der Verfahrenseröffnung nicht mehr durchgesetzt werden. Der Vertragspartner ist mit seinem gegen die Masse gerichteten Anspruch gem. 38 Insolvenzgläubiger. Der Insolvenzverwalter hat gem. 103 Abs. 1 das Recht, die Erfüllung des Vertrages zu verlangen. Entscheidet er sich für die Vertragserfüllung, bestimmt 55 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt., dass die Gegenforderung des Vertragspartners Masseverbindlichkeit wird. Mit der Erfüllungswahl führt der Verwalter den Vertrag mit dem Gläubiger fort; dessen zunächst undurchsetzbarer vertraglicher Erfüllungsanspruch wird zu einer Masseverbindlichkeit aufgewertet. Die Vertragserfüllung ist im Interesse der Gesamtgläubigerschaft nur dann gerechtfertigt, wenn sie für die Masse auch unter Berücksichtigung der noch zu erbringenden Leistungen vorteilhafter ist als die Vertragsablehnung. Die Qualifizierung des Anspruchs des Vertragspartners als Masseschuld rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass die Masse nur dann die volle Leistung beanspruchen kann, wenn sie die vertragsgemäße Gegenleistung erbringt. Die Insolvenzmasse wird dadurch per Saldo nicht geschmälert. Die zur vertragsgemäßen Erfüllung erforderlichen Ausgaben werden durch den in die Masse fließenden Gegenwert mindestens ausgeglichen. 10 Macht der Insolvenzverwalter von seinem Recht, Erfüllung zu verlangen, keinen Gebrauch und hat der Vertragspartner etwa bereits eine aus dem Vertrag geschuldete Geldsumme an den Insol- 7 Leithaus, in: Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 4. Auflage 2018, 174 InsO Rn. 8; Zenker, in: BeckOK InsO, 11. Edition, Stand: 26.04.2018, 174 InsO Rn. 15. 8 Zenker, in: BeckOK InsO, 11. Edition, Stand: 26.04.2018, 174 InsO Rn. 15. 9 Zenker, in: BeckOK InsO, 11. Edition, Stand: 26.04.2018, 174 InsO Rn. 12. 10 Hefermehl, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, 53 InsO Rn. 23a.

Seite 7 venzschuldner gezahlt, bleibt es dabei, dass eine Forderung des Vertragspartners auf Rückzahlung nur eine normale Insolvenzforderung ist, keine Masseverbindlichkeit. Dies kann etwa bei der Insolvenz von Dienstleistungsunternehmen dazu führen, dass die Vertragspartner das Insolvenzrisiko tragen, wenn sie vor Inanspruchnahme der Dienstleistung ganz oder teilweise in Vorleistung getreten sind und kein Zwischenhändler beteiligt war. 11 Im Insolvenzverfahren der Eigenverwaltung tritt an die Stelle des Verwalters der Schuldner, der die o.g. einschlägigen Rechte im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben soll ( 279 InsO). 12 5.2. Neuverträge Allgemein gilt, dass so genannte Neugläubiger, die nach Insolvenzeröffnung, aber vor Abschluss des Verfahrens auf Grund einer Handlung des Schuldners eine Forderung gegen diesen erwerben, bis zum Ende des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht auf die Insolvenzmasse, sondern nur auf das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners zurückgreifen können erst das nach Ende des Insolvenzverfahrens erworbene Vermögen steht ihnen damit als Haftungsobjekt zur Verfügung. 13 Aus einem nach Verfahrensbeginn geschlossenen Vertrag ist eine Klage gegen den Insolvenzschuldner gerichtet auf Zahlung deshalb nur zulässig, wenn sie auf Zahlung aus dessen bis dahin insolvenzfreiem Vermögen gerichtet ist. 14 Umgekehrt aber fällt wie gesehen nach 35 Absatz 1 InsO in die Insolvenzmasse auch das, was der Schuldner nach Verfahrenseröffnung erwirbt. Wer nach Insolvenzeröffnung einen gegenseitigen Vertrag mit dem Insolvenzschuldner schließt und etwa durch Geldzahlung erfüllt, gelangt also in die Lage, dass sein eigener Anspruch nur gegen das insolvenzfreie Vermögen gerichtet ist. 15 Zur Rechtfertigung dieser Sachlage wird darauf verwiesen, dass der Vertragspartner grundsätzlich frei entscheiden könne, ob er sich mit einem insolventen Schuldner einlässt und er zudem die Möglichkeit habe, auf Vorleistung oder Zug-um-Zug-Leistung zu bestehen. 16 Gleichwohl wird diese Situation mitunter als unbefriedigend angesehen: Gegen eine Forderung der Masse kann nicht mit einer Forderung aufgerechnet werden, die aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist. Unter der Geltung der Konkursordnung haftete das bei Verfahrenseröffnung vorhandene insolvenzbefangene Vermögen nicht für Forderungen, die nach Verfahrenseröffnung gegen den Insolvenzschuldner entstanden. Nunmehr fällt nach 35 Abs. 1 in die Insolvenzmasse auch das, was der Schuldner nach Verfahrenseröffnung erwirbt. Der Schuldner ist jedoch grundsätzlich nicht berechtigt, die Masse zu verpflichten ( 80 Abs. 1). Der Partner eines vom Schuldner persönlich geschlossenen 11 Kritisch in Bezug auf Luftfahrtunternehmen etwa Tonner/Wagner, Vorauszahlungen bei Flugbuchungen Ein Eingreifen des Gesetzgebers ist notwendig, VuR 2017, 449. Bei einem Zwischenhändler kann ggf. dieser das Insolvenzrisiko tragen, vgl. AG Bremen, Urteil vom 22.08.2018, Az. 9 C 247/17, BeckRS 2018, 1977. 12 Tetzlaff/Kern, Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 3, 3. Auflage 2014, 279 Rn. 5 ff. 13 Peters, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, 35 InsO Rn. 60. 14 Peters, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, 35 InsO Rn. 63-65. 15 Brandes/Lohmann, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, 96 InsO Rn. 40. 16 Peters, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, 35 InsO Rn. 63-65.

Seite 8 Austauschvertrages wird also Schuldner der Masse, weil die vom Schuldner begründete Forderung einen Neuerwerb gemäß 35 Abs. 1 darstellt, kann sich wegen seiner Gegenforderung aber nur an den Insolvenzschuldner persönlich halten. Diese mit der Eröffnung begründete Beschlagnahmewirkung würde vereitelt, wenn der Neugläubiger seinen Anspruch im Wege der Aufrechnung auf Kosten der Masse befriedigen könnte. Weiß der Vertragspartner bei Vertragsschluss nichts von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann er entsprechend 406 BGB aufrechnen und nach 82 mit befreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner leisten, falls er auch zu diesem Zeitpunkt noch gutgläubig ist. Kennt der Vertragspartner das Insolvenzverfahren, kann er auf Zug-um-Zug-Leistung bestehen. Ferner soll wenigstens für konnexe Forderungen die Aufrechnung zulässig und 96 Abs. 1 Nr. 4 insoweit teleologisch zu reduzieren sein. Der Rechtsgedanke des 81 Abs. 1 Satz 3 fordert darüber hinaus die Aufrechenbarkeit auch inkonnexer Forderungen, soweit sonst die Masse bereichert würde. Seit es die Möglichkeit der Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners gibt ( 35 Abs. 2 und 3), dürfte das Problem an Schärfe verloren haben. Nach der Freigabeerklärung, die öffentlich bekannt zu machen ist, wirtschaftet der Schuldner insoweit auf eigene Rechnung; der Neuerwerb fällt nicht in die Insolvenzmasse und steht zur Begleichung der Forderungen der Neugläubiger zur Verfügung. Gibt der Verwalter die wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners nicht frei, dürfte die Masse jedenfalls insoweit für vom Schuldner begründete Forderungen haften, als der Schuldner mit Kenntnis und Duldung des Verwalters handelte ( 55 Abs. 1 Nr. 1). In beiden Fällen greift 96 Abs. 1 Nr. 4 nicht ein. 17 * * * 17 Brandes/Lohmann, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, 96 InsO Rn. 40.