Urban Mining Die Stadt als Rohstoffquelle Dr. Siegfried Behrendt

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Transkript:

Urban Mining Die Stadt als Rohstoffquelle Dr. Siegfried Behrendt Hannover Messe, Metropolitan Solutions 24.4.2012

Urban Mining Rückgewinnung von Rohstoffen aus anthropogenen Lagerstätten: Bestandsbewirtschaftung Mio. t Entwicklung der globalen geogenen und anthropogenen Kupferlager Jahr Graedel 2002; Rechberger 2004

Stark wachsender globaler Rohstoffbedarf Rohstoffbedarf bis 2050 ohne zusätzliche Effizienzsteigerungen Globaler Ölverbrauch (in Mrd. t) 30 25 20 15 10 5 0 4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 Weltweite Autoflotte (in Mrd.) 0 Globale Ressourcenextraktion (in Mrd. t) 350 300 250 200 150 100 50 0 Hennicke 2006, MaRess 2010

Der Ressourcenbedarf der Städte steigt Bis 2030 werden weltweit 2 Mrd. Menschen zusätzlich in Städten leben Mrd. 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung steigt um 13%-Punkte (von 50%auf 63% 3,0 2,0 1,0 0,0 Katalysatoren Bevölkerungswachstum Industrialisierung Landflucht Globalisierung 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 Quelle: IZT basierend auf UN 2010

Rohstoffmärkte turbulent Steigende und hochvolatile Preise Nachfrageimpulse in Wachstumssektoren Zunehmende Marktkonzentration Staatliche Interventionen auf den Rohstoffmärkten HWWI 2012

Bei Metallen und vielen Industriemineralien ist Deutschland stark von Importen abhängig Nettoimportanteil am Verbrauch [Gew.-%] Aluminium Antimon Blei Chrom Cobalt Eisen Kupfer Mangan Molybdän Nickel Niob, Tantal Silber Strontium Titan Wolfram Zink Zinn 0% 50% 100% BGR RoSit 2010, BGR 2009, USGS MYB 2010, BGR 2010

Kritische Rohstoffe Vulnerabilität 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 II I Kaolin Diatomit Si Al Ti Fe Kalk Pb Ta Gips Mn Bauxit GlimmerBentonit Perlit & Vermiculit Magnesit Mg Ilmentit & Rutil Talk & Speckstein Ga Pt Cu Li Co Te V IV Phosphat 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 W Seltene Erden Pd Be Ag In V Sn Ni Hf Nb Zn Flussspat Cr Mo Baryt Se Sr Zirkon Graphit Versorgungsrisiko Borat Bi Re Diamant Sb VIV III Ge TOP 13 Germanium Rhenium Antimon Indium Wolfram Seltene Erden Gallium Palladium Silber Zinn Niob Chrom Bismut IZT Adelphi 2011

Engpässe für Zukunftstechnologien Rohstoff Rohstoffbedarf Zukunftstechnologien Weltproduktion 2006 2030 2006 (in t) Gallium 0,28 6,09 Dünnschicht-Fotovoltaik, Integrierte Chips 99 Neodym 0,55 3,82 Permanentmagnete, Lasertechnik 7.300 Indium 0,40 3,29 Displays, Dünnschicht-Fotovoltaik 580 Germanium 0,31 2,44 Glasfaserkabel, optische Technologien 90 Scandium gering 2,28 Brennstoffzellen, Al-Legierungselement 1,3 Platin gering 1,56 Brennstoffzellen, Katalyse 221 Tantal 0,39 1,01 Mikrokondensatoren, Medizintechnik 1.400 Silber 0,26 0,78 RFID, Bleifreie Weichlote 20.200 Zinn 0,62 0,77 Bleifreie Weichlote, transparente Elektroden 302.000 Kobalt 0,19 0,40 Lithium-Ionen-Akku 67.500 Palladium 0,10 0,34 Katalyse, Meerwasserentsalzung 224 Titan 0,08 0,29 Meerwasserentsalzung, Implantate 201.000 Kupfer 0,09 0,24 Effiziente Elektromotoren, RFID 15.100.000 Selen gering 0,11 Dünnschicht-Fotovoltaik, Legierungselement 1.541 Niob 0,01 0,03 Mikrokondensatoren, Ferrolegierung 45.000 Ruthenium 0 0,03 Farbstoffsolarzellen, Ti-Legierungselement 29 Yttrium gering 0,01 Hochtemperatursupraleitung, Lasertechnik 7.000 Antimon gering gering Mikrokondensatoren 134.000 Chrom gering gering Meerwasserentsalzung, marine Techniken 9.010.000 Globaler Rohstoffbedarf für Zukunftstechnologien im Jahr 2006 und 2030 im Verhältnis zur gesamten heutigen Weltproduktion ISI/IZT 2009

Der Stoffhaushalt einer Stadt Rechberger 2010

Zusammensetzung des anthropogenen Lagers Rechberger 2010

Verwertungsquoten der Hauptabfallströme Verwertungsquote 340501 Gesamtabfallaufkommen 65% 220763 Siedlungsabfälle 27810 48433 57% Abfälle aus dem Produzierenden Gewerbe 30060 53010 57% Bau- und Abbruchabfälle 162893 188607 86% Besonders überwachungsbedürftige Abfälle 18452 12632 68% in Tsd. t UBA 2007

Komplexität der Stofflager nimmt zu Wohnen Gesundheit GPS Verkehr Home Area Network: Context awareness Implantate Arbeiten Traffic Network Body Area Network MAN WAN Medien Einkaufen Kleidung Office Area Network I-wear Store Area Network

Sieben Autos im Wohnzimmer Gründerzeitwohnung Heutige Wohnung Metalle 1300 kg 7500 kg (100 Quadratmeter Wohnfläche) Daxbeck et al. 2009

Technologiemetalle Intel Leiterplatte Graedel 2006, National Research Council, US, 2007, S. 38

Wert der Metallrohstoffe Die urbane Mine wächst kontinuierlich 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 Kumulierte Verkäufe bis 2010: 10,3 Mrd. Mobiltelefone mit 2590 t Ag, 244 t Au, 100 t Pd Metallwert: 72 Mrd. US-$ Hagelüken 2009, eigene Berechnungen

Handys als Goldmine 41 Handys enthalten so viel Gold wie eine Tonne Gold-Erz.

Potenzial der MVA-Schlacke UBA 2010 Beispiel Schweiz: Durch eine Aufbereitung aller Schweizer KVA-Schlacken (jährlich 640'000 Tonnen) könnten etwa 56'000 Tonnen Metalle recycelt werden. Dies entspricht der recycelten Menge an Metallen aus Separatsammlungen von Aluminiumdosen, Weissblechdosen, Batterien und Elektronikschrott Umtec 2009

Rohstoffrückgewinnung aus Deponien Stoffablagerungen auf Abfalldeponien in Deutschland 600 500 Menge Mio. t 400 300 200 100 0 NE -M etalle E isen G las K unststoffe M ineralien Faulstich 2009

Rohstoffrückgewinnung aus Deponien Hausmülldeponie Reiskirchen tzen-kosten-bilanz: sammensetzung der Deponie, Schrottpreise (Cu), Spezifische Rückbaukosten Deponierückbau rechnet sich erst, wenn einige Parameter sehr günstig liegen. Umweltbundesamt 2011

Zukunftsmärkte Stofferkennung und Trennung: Optimierung der Anlagengestaltung, Stofferkennung trotz Verunreinigungen Automatische Demontagefabriken, Demontagezellen (Shredder für komplexe Produkte in der Regel nicht geeignet) Logistik, globale Recyclinginfrastrukturen Verfahrenstechnik (Edelmetalle und Kupfer liefern Anreize, um mit metallurgischen Verfahren Technologiemetalle zu gewinnen) Großes Wachstumspotenzial: 16% /a Umsatz BMU 2009 (Roland Berger)

Kontakt s.behrendt@izt.de www.izt.de IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung ggmbh Berlin