moment text foto ralf f. broekman, olaf winkler ece günden UNTERSCHIEDLICHE REZEPTIONSRÄUME Ralf F. Broekman und Olaf Winkler im Gespräch mit Hans-Georg Esch Hans-Georg Esch, seit August warst Du allein in Köln mit fünf Ausstellungen bzw. Installationen präsent. Während Du mit Fotoarbeiten für internationale Architekturbüros bekannt geworden bist, liegt der Schwerpunkt hier auf Deinen freien Arbeiten, wie sie auch schon Deine Serien wie etwa Megacities oder Cities Unknown bestimmt haben. Welche Bedeutung hat für Dich diese tatsächliche oder scheinbare Verlagerung Deines Fokus auf freie Arbeiten? Ich möchte nicht von einer Verlagerung sprechen. Ich habe immer neben meinen Auftragsarbeiten frei fotografiert und bin damit mit meinem Buch City and Structure erstmals 2008 an die Öffentlichkeit getreten. Ausstellungen und ein weiteres Buch, Cities Unknown, folgten und mittlerweile ist das Interesse an meinen freien Arbeiten zu meiner großen Freude gestiegen. Vielleicht beschreibt man die Entwicklung am Besten, wenn man von einer neuen Gewichtung spricht. Meine freien Arbeiten geben mir, wie die Formulierung schon suggeriert, mehr Freiheit. Ich bin in meiner Themenwahl autark und kann mich Sujets fotografisch nähern, die mich interessieren und die ich mit der Kamera in der Hand für mich erkunden möchte. Das Interesse von Kunstinteressierten, Sammlern und Institutionen bestärkt mich nachhaltig darin, weiter freie Projekte zu planen und zu realisieren. Aber auch das Fotografieren für Architekten ist mir nach wie vor wichtig. Vielleicht kann man es auf den Nenner bringen, dass sich beide Arbeitsgebiete ergänzen und sich gegenseitig beeinflussen. hg esch Peking in Köln, Köln, 2012 5 / 2012 build 47
moment hg esch (5) Neben klassischen Ausstellungen hast Du in Köln auch ungewöhnlichere Präsentationsformen gewählt, wie bei der Installation Peking in Köln, wo Du auf 100 in der Stadt verteilten City Light Boards Fotografien aus Peking gezeigt hast, oder der Video- Performance Cologne / Beijing / China an der Außenfront des Römisch-Germanischen Museums. Wie wichtig ist diese Öffnung der eigenen Arbeit, sowohl im Hinblick auf Techniken als auch auf Präsentationsformen? Als mir die Stadt Köln die Möglichkeit gab, mich an dem Rahmenprogramm zum Chinajahr 2012 zu beteiligen, habe ich sofort zugesagt. Ich habe mich gefreut, mit meinen seit 1997 in China entstandenen Fotos einen visuellen Aspekt zu den Feierlichkeiten beitragen zu können. Als wir in einem Planungsteam zusammensaßen, wurde die Möglichkeit in Betracht gezogen, die City Light Boards in Köln zu bespielen, und JC Decaux, der Betreiber dieser Werbeflächen, hat sich sehr kooperativ gezeigt. Mir gefiel die Idee, die Partnerstadt Peking wortwörtlich in den Kölner Stadtraum zu holen. Wir haben die Aktion Peking in Köln genannt und das Konzept ist mit 100 City Light Boards in allen Kölner Stadtteilen wunderbar aufgegangen. Die Projektion auf das Römisch-Germanische Museum war indes ein Experiment. Ich bin von Hause aus neugierig und wollte einfach wissen, ob meine Stadtfotografien auch als Projektion funktionieren. Zusammen mit Filmemachern und Lichtkünstlern habe ich dann das Konzept zu der Projektion entwickelt und zum Abschluss des Chinafests uraufgeführt. Grundlage bleiben aber meine Fotografien, ich teste lediglich für mich neue Formen der Präsentation aus. Dabei interessiere ich mich auch für unterschiedliche Möglichkeiten der Rezeption. Mir war es wichtig dem Thema entsprechend, die Bilder aus Peking in Köln zu zeigen, und dies für jedermann sichtbar und nicht nur in einer Ausstellung. Welche anderen Möglichkeiten der Rezeption interessieren Dich? Woran arbeitest Du derzeit noch? 48 build 5 / 2012
Beijing 19 (o.) Wuhan 04 (u.) Einmalige Video-Performance Cologne / Beijing / China an der Außenfront des Römisch-Germanischen Museums, Köln, 2012 (l.) 5 / 2012 build 49
moment hg esch (3) Cities Unknown an der Kölner Rheinpromenade, Köln, 2012 Zusammen mit Leica habe ich beispielsweise bis jetzt drei große begehbare 360-Grad-Rotunden entwickelt, die Stadtpanoramen zeigen. Als Betrachter fühlt man sich im Inneren der Rotunde von der gezeigten Stadt umschlossen. So ist eine völlig neue Erfahrung der Betrachtung möglich, weil die gesamte Bildfläche nicht auf einmal zu sehen ist es entsteht der Eindruck, wirklich selbst auf einer Aussichtsplattform zu stehen und auf eine Stadtlandschaft zu blicken. Die genannten Kölner Projekte und in anderer Ausprägung ebenso die Rotunden sind auch deshalb besonders, weil sie selbst in den urbanen Raum eingreifen. Das Publikum wird dadurch ein anderes, ebenso in der Tat die Bedingungen der Wahrnehmung der künstlerischen Arbeit, die nicht der konzentrierten Situation etwa in einem Galerien- oder Museumskontext entsprechen. Wie gehst Du mit diesen Aspekten um? Da ich aus der Architekturfotografie bzw. Auftragsfotografie komme, bin ich gewohnt, dass meine Fotos in unterschiedlichen Kontexten erscheinen: auf Websites, in Magazinen, auf Werbebannern oder als Großfotos auf Messen. Für mich war ja vielmehr neu, dass meine Fotografien plötzlich in Galerien und Ausstellungen zu sehen waren. So ist für mich die Idee unterschiedlicher Rezeptionsräume nicht unbekannt und ich mag es, damit zu spielen, zu arbeiten und mich auszuprobieren. Auch die Rolle des Fotografen verändert sich damit zu einem gewissen Grade. Hat sich Dein Selbstverständnis in dieser Hinsicht geändert? Nein, ich versuche gute Fotos zu machen, egal ob beauftragt oder frei. Ich gebe mir in beiden Disziplinen größte Mühe, das jeweils bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Siehst Du die Gefahr, dass es einen HG-Esch-Overload geben könnte und Dein Profil gegebenenfalls aufgrund der Quantität als auch der formalen Unterschiede unscharf werden könnte? Und wie begegnest Du dem? Die Vielzahl der Ausstellungen hat mich natürlich auch dahingehend sensibilisiert, nun genau zu entscheiden, wo und wann ich welche Arbeit zeige. In das Programm des Chinajahrs haben meine Fotografien und Aktivitäten hervorragend gepasst und ich konnte die Anfragen gut verstehen und hatte auch Lust, mich im Rahmen der genannten Veranstaltung zu präsentieren. Alle Ausstellungen zeigen gesetzte Schwerpunkte meiner Arbeit und eben, wie schon erwähnt, unterschiedliche Präsentationsformen, so dass die Idee, an verschiedenen Orten gleichzeitig auszustellen, auch aufging und konsequent war. Zurzeit konzipiere ich eine nächste größere Serie, die erst einmal Zeit für die Realisierung in Anspruch nehmen wird. Es wird sicher ein bis zwei Jahre dauern, bis ich dieses neue Projekt zeigen kann. Bis dahin werde ich mich jetzt wieder hauptsächlich auf das Fotografieren konzentrieren, das ist schließlich die Beschäftigung, die mir am meisten Spaß macht! Hans-Georg Esch, geboren 1964 in Neuwied, absolvierte eine klassische Fotografenausbildung. Seit 1989 arbeitet er als freischaffender Architekturfotograf für internationale Architekturbüros und zählt heute zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs. Daneben ist ein eigenständiges Oeuvre freier künstlerischer Arbeit getreten, in dem Esch den Blick auf die gesamte Stadt öffnet. Bekannt wurden die international ausgestellten und in Büchern veröffentlichten Serien wie Megacities, City and Structure oder Cities Unknown, die sich mit Boomcities westlicher wie asiatischer Prägung beschäftigen. Esch lebt in Hennef / Stadt Blankenberg. Zur Orgatec zeigt HG Esch am 26. Oktober eine kleine Auswahl seiner Werke in der Insight Cologne Lounge, die von build als Medienpartner von Insight Cologne unterstützt wird. Bis zum 31. Dezember läuft zudem noch die Ausstellung 40 25 in der Deutschen Bank Köln. www.hgesch.de 50 build 5 / 2012