AKTION PSYCHISCH KRANKE Vereinigung zur Reform der Versorgung psychisch Kranker e.v.

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Transkript:

AKTION PSYCHISCH KRANKE Vereinigung zur Reform der Versorgung psychisch Kranker e.v. Oppelnerstraße 130 53119 Bonn Tel 0228 676740 Fax 0228 676741 apk-bonn@netcologne.de www.apk-ev.de Stellungnahme der AKTION PSYCHISCH KRANKE vom 02.01.2017 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten Die APK begrüßt den Gesetzentwurf und die Absicht, die Regelungslücke, die infolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 26.07.2016 festgestellt wurde, noch in der laufenden Legislaturperiode zu schließen. Die APK begrüßt ausdrücklich auch das Ziel, das Recht auf Selbstbestimmung von betreuten Menschen zu stärken und die Folgen des Gesetzes einer Evaluation zu unterziehen. Die APK ist der Auffassung, dass der Gesetzentwurf dem Beschluss des BVerfG Rechnung trägt. Die Herauslösung der ärztlichen Zwangsmaßnahme aus den Regelungen des 1906 und die Überführung in die eigenständige Norm 1906a mit der gleichzeitigen Bindung der ärztlichen Zwangsbehandlung an die Durchführung im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung wird von der APK ausdrücklich begrüßt. Gleichwohl möchte die APK mit folgenden Vorschlägen erreichen, dass der Absicht des Gesetzentwurfs durch einige Präzisierungen noch besser Rechnung getragen werden kann. Zu Artikel 1, Änderungen des BGB: Zu Nr. 1, Änderung des 1901a BGB: Die APK schlägt vor, im vorgesehenen Absatz 4 des 1901a im Zusammenhang mit den Patientenverfügungen die Worte in geeigneten Fällen zu streichen und den Hinweis auf die Möglichkeit einer Behandlungsvereinbarung aufzunehmen. Absatz 4 würden dann lauten: Der Betreuer soll den Betreuten in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit einer Patientenverfügung und in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit einer Behandlungsvereinbarung hinweisen und ihn auf dessen Wunsch bei der Errichtung einer Patientenverfügung unterstützen.

2 Die Regelung hat das Ziel die Selbstbestimmung der Menschen in medizinischpsychiatrischer Behandlung durch die Verbreitung von Patientenverfügungen und Behandlungsvereinbarungen weiter zu stärken. Dazu soll der Betreuer den Betreuten auf die Möglichkeiten einer Patientenverfügung hinweisen und ihn bei der Errichtung unterstützen. Diese Vorgabe unterstützt die APK. Soll dies aber tatsächlich nachhaltig erreicht werden, ist erforderlich, dass die Patientenverfügung zu einem Zeitpunkt errichtet wird, zu dem der Betreute über ausreichende, ihm angemessene und für ihn verständliche Informationen und über die Zeit verfügt, sich über die eigenen Behandlungswünsche klar zu werden. Nur wenn der Hinweis auf eine Patientenverfügung grundsätzlich ohne konkreten Anlass erfolgt, kann das Ziel der Patientenverfügung, im Zustand von Einwilligungsfähigkeit die Behandlungswünsche zu formulieren, tatsächlich erreicht werden. Außerdem ist dann auch dem Rechtspfleger die Möglichkeit gegeben, im Rahmen der Prüfung der Betreuung auch abzufragen, ob diese Hinweise in der gebotenen Weise erfolgt sind. Die Bindung an geeignete Fälle lässt zu viel Spielraum in der Interpretation. Damit gefährdet die Vorschrift das von ihr angestrebte Ziel. In psychiatrischen Kliniken haben sich Behandlungsvereinbarungen bewährt. Der Hinweis auf diese sollte ebenfalls aufgenommen werden. Zumindest sollte in der Begründung der Hinweis aufgenommen werden, dass im Falle einer Behandlung in einer psychiatrischen Klinik der Betreuer mit Einverständnis des Betreuten das Krankenhaus zum Angebot einer Behandlungsvereinbarung auffordern soll. Zu Nr. 2, Änderungen des 1906: Die APK begrüßt die Klarstellung in der Überschrift des Paragrafen und unterstützt ausdrücklich die Regelung, im Absatz 4 die gerichtliche Genehmigung von freiheitsentziehenden Maßnahmen auch vorzusehen, wenn Betreute nach 1906 Abs. 1 untergebracht sind. Zu Nr. 3, Einführung des 1906a: Diese Regelung in einem eigenständigen Paragrafen wird begrüßt. Grundsätzlich sind die Bedingungen, unter denen eine ärztliche Zwangsmaßnahme angeordnet und genehmigt werden kann, zutreffender formuliert als in der bisher geltenden Fassung des 1906 Abs. 3. Die APK schlägt jedoch vor, das Ziel der Regelung durch einige Klarstellungen zu stärken. 1. Im 1906a, Abs. 1 soll in der Nummer 2 folgende Einfügung vorgenommen werden: Hinter den Worten oder seelischen Behinderung soll die Einfügung vorgenommen werden zurzeit. Die Nummer 2 würde dann lauten:

3 2. der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung zurzeit die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann, Psychische Erkrankungen oder seelische Behinderungen sind keine statischen Zustände. Es trifft nicht zu, dass allein das Vorliegen einer psychischen Erkrankung oder einer seelischen Behinderung die Fähigkeit, eine notwendige Behandlung zu beurteilen ausschließt. Entscheidend hinzutreten muss, dass infolge der Erkrankung oder Behinderung ein Zustand eintritt, in dem die Fähigkeit, die persönliche Situation, die Schwere der Erkrankung, die zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen und die möglichen erheblichen gesundheitlichen Schäden zu erkennen und zu bewerten, vollständig ausgeschlossen ist. Dieser Zustand muss zusätzlich zu der Erkrankung oder Behinderung festgestellt, beurteilt und dokumentiert werden. Noch immer sind bei der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig Auffassungen (bei Betreuern, Richtern und psychiatrisch Begutachtenden) anzutreffen, dass mit dem Vorliegen einer Erkrankung oder dem Erteilen einer psychiatrischen Diagnose die Einwilligungsfähigkeit grundsätzlich ausgeschlossen wird. Dem ist mit großem Nachdruck entgegenzutreten. Daher ist die Klarstellung dringend erforderlich. Die Feststellung des akuten Zustands ist daher unerlässlich. 2. Die Regelung des 1906a Absatz 1 Nummer 7 wird ausdrücklich begrüßt. Ärztliche Zwangsmaßnahme dürfen nur in einem Krankenhaus im Rahmen eines stationären Aufenthalts durchgeführt werden. Die Einführung dieser Nummer 7 wird erforderlich, da die ärztliche Zwangsmaßnahme aus dem Vorliegen einer Unterbringung herausgelöst wird und nicht die Absicht besteht, Zwangsbehandlung auch im ambulanten Rahmen genehmigungsfähig zu machen. Es bedarf jedoch einer Klarstellung hinsichtlich der Formulierung, dass die Behandlung nur in einem Krankenhaus durchgeführt werden darf, in dem die gebotene medizinische Behandlung. sichergestellt ist. Die APK regt an, statt stationäre Aufenthalt die Worte vollstationäre Aufenthalt zu verwenden, um auszuschließen, dass eine ärztliche Zwangsmaßnahme auch im Rahmen von tagesklinischen Behandlungen oder stationsäquivalenten Behandlungen durchgeführt wird. Die APK schlägt ferner vor, den Begriff der gebotenen medizinischen Behandlung zu klären. Es muss gewährleistet sein, dass jede ärztliche Zwangsmaßnahme nur in dem Teil (Klinik, Abteilung, Station) eines Krankenhauses oder nur einem Fachkrankenhaus durchgeführt werden darf, der bzw. das über die vollständige Fachkunde verfügt. Es muss vermieden werden, dass Behandlungen einer somatischen Erkrankung in einer psychiatrischen Abteilung ohne ausreichende Fachkunde durchgeführt werden oder dass psychiatrische Behandlungen in dafür nicht qualifizierten somatischen Stationen erfolgen. Diese Klarstellung könnte im Gesetzestext erfolgen, zumindest jedoch sollte sie in der Begründung vorgenommen werden.

4 Zu Artikel 2 Änderungen des FamFG Zu Nr. 6, Änderungen des 317 Absatz 1 FamFG: Die APK schlägt vor, dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Satz Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers stets erforderlich einen weiteren Satz anzufügen: Der Verfahrenspfleger muss über Erfahrung auf dem Gebiet der angestrebten ärztlichen Zwangsmaßnahme und in der Kommunikation mit betreuten Personen verfügen. Vielfältige Erfahrungen, insbesondere aus dem Bereich der Pflege mit dem sog. Werdenfelser Weg, zeigen eindrücklich auf, dass Verfahrenspfleger zu einer deutlichen Minderung von Zwangsmaßnahmen beitragen können, wenn sie über eine ausreichende und fachlich einschlägige Qualifikation verfügen. Im Bereich der psychiatrischen Versorgung handelt es sich dabei nicht nur um Kenntnisse über die Behandlung und mögliche Alternativen zur vorgeschlagenen Behandlung, sondern auch um die Fähigkeit, in eine individuell angemessene und manchmal auch besondere Form der Verständigung mit dem betroffenen Menschen einzutreten. Über diese Qualifikationen verfügen nicht nur fachlich qualifizierte Personen, sondern in zunehmendem Maße auch Menschen mit eigener Erfahrung als Patienten des psychiatrischen Hilfesystems (sog. Peers). Wenn der Gesetzentwurf den Vorgaben des BVerfG gerecht werden soll, die verschiedenen Rechte eines Menschen, insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf Schutz gegeneinander abzuwägen und die ärztliche Zwangsmaßnahme tatsächlich als ultima ratio zu betrachten und deshalb in jedem Fall Verfahrenspfleger einzusetzen, dann müssen diese auch über die einschlägigen Qualifikationen verfügen. Daher bedarf es einer Klarstellung im Gesetz. Zu Nr. 8: Änderung im 331 FamFG: Die APK schlägt vor, in der Nummer 2 hinter die Worte ein ärztliches Zeugnis über die Notwendigkeit der Maßnahme vorliegt einen Punkt zu setzen und einen Satz 2 einzufügen, der lauten soll: Das ärztliche Zeugnis über den Betroffenen muss Aussagen zum Willen und zu entsprechende Anknüpfungstatsachen enthalten. Die Rechtspraxis zeigt erhebliche Defizite in der Abgabe von ärztlichen Zeugnissen und ärztlichen Gutachten. So ist es zur Beurteilung der beantragten ärztlichen Zwangsmaßnahme unbedingt erforderlich, dass das ärztliche Zeugnis differenzierte Aussagen über die Person, die vorliegende Erkrankung, die aktuelle Situation, die vorgeschlagene Behandlung und über mögliche Behandlungsalternativen enthält. Darüber hinaus ist es jedoch auch erforderlich, den Willen der betroffenen Person zu erkunden, sich über die möglichen Anknüpfungstatsachen in der persönlichen Biografie der Person sachkundig zu machen und damit dem Gericht die Möglichkeit einer Beurteilung zu eröffnen. Nur dann ist das Prinzip der ultima ratio gewährleistet. Das Gericht muss über die Möglichkeit verfügen, den zeugnisgebenden Arzt

5 auf die Darlegung der genannten Aspekte zu verpflichten. Daher ist eine Verankerung im FamFG erforderlich. Allein die Notwendigkeit eines qualifizierten ärztlichen Zeugnisses würde nicht ausreichen, dem Prinzip der ultima ratio gerecht zu werden. Ferner schlägt die APK vor, gleiche Anforderungen auch an das ärztliche Gutachten nach 321 Absatz 1 FamFG zu richten. Zu Artikel 7: Die APK begrüßt die Aufnahme des Artikels 7 in den Gesetzentwurf ausdrücklich. Es trifft zu, dass über die Durchführung von ärztlichen Zwangsmaßnahmen keine ausreichenden Kenntnisse vorliegen. Die APK weist darauf hin, dass eine reine Auswertung der Beschlussstatistik nicht ausreicht. Tatsächlich müssen nicht nur die Beantragung und Genehmigung von ärztlichen Zwangsmaßnahmen, sondern auch die Umsetzung der Beschlüsse abgebildet werden. Insbesondere die Anwendungspraxis ist für die Durchführung des Gesetzes von wesentlicher Bedeutung. Die Ausführungen zu den einzelnen Rechtsnormen verweisen immer wieder auf die im Alltag vorzufindende Praxis. Daher muss gerade diese mit in die Evaluation einbezogen werden. Es ist dabei wichtig, zwischen verschiedenen Personengruppen, vor allem zwischen Betreuten mit psychischen Erkrankungen und Betreuten mit geistiger Behinderung, zu unterscheiden. Die APK bietet zu Fragen der Evaluation ihre Beratungskompetenz an. Vor dem Hintergrund verschiedener Erfahrungen regt die APK an, an der Entwicklung entsprechender Evaluationsvorhaben auch Experten mit eigener Erfahrung als Patienten des psychiatrischen Hilfesystems, sog. Peers, zu beteiligen. Abschließende grundsätzliche Bemerkungen: 1. Zur Stärkung der Errichtung von Patientenverfügungen regt die APK an, auf den Internetseiten des BMJV Muster für psychiatrische Patientenverfügungen und Behandlungsvereinbarungen einzustellen. Auch dazu bietet die APK ihre Mitwirkung an. 2. Grundsätzlich ist die Frage zu stellen, ob der Begriff der seelische Behinderung als Grundlage für freiheitsentziehende Unterbringungen, andere freiheitsentziehende Maßnahmen und ärztliche Zwangsmaßnahmen erhalten bleiben soll. Diese Maßnahmen werden unter den gesetzlich definierten Bedingungen angeordnet, wenn keine andere Möglichkeiten zur Erreichung der damit verbundenen Ziele bestehen. Sie gründen sich jedoch wie schon oben zum 1906a ausgeführt weitaus mehr an das Vorliegen einer akuten Erkrankung und einer besonderen persönlichen und aktuellen Situation, in der sich ein Betreuter befindet, als an das Vorliegen einer Behinderung. Die APK regt an, diese Fragestellung in die zukünftige Weiterentwicklung des Betreuungsrechts aufzunehmen. Aktion Psychisch Kranke e.v. Prof. Dr. Dr. Andreas Heinz stellv. Vorsitzender Matthias Rosemann Vorstand