Bischof Peter Kohlgraf Gespräch mit einem Iraner

Ähnliche Dokumente
Predigt für den Jahreswechsel (Altjahrsabend) Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Predigt für den Altjahrsabend / Jahreswechsel

Wir wissen genau: Es ist nicht alles im zu Ende gehenden Jahr gut geworden

Trauerfeier für Eddy Uwakwe am , Uhr Baptistengemeinde Mollardgasse

Bibelgesprächskreis. Nichts Verdammliches. Ablauf. 1. In Christus 2. Leben im Fleisch 3. Leben im Geist

Gnade sei mit euch und Frieden von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Rolf Theobold Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes... Predigt über Röm. 8, 31b Dez (Silvester), Uhr Pauluskirche

Neustädter Universitätskirche, Altjahresabend , Pfarrer Dr. Wolfgang Leyk, Predigt zu Röm 8, 31b-39

TRINITATIS IV Samstag nach dem 19. Sonntag nach Trinitatis Eröffnung Psalm 32

Römer 8 (nach Schlachter 2000)

Sorge nicht, wohin dich der einzelne Schritt führt; nur wer weit blickt, findet sich zurecht (Dag Hammerskjöld)

ENDE des KIRCHENJAHRES

ENDE des KIRCHENJAHRES

1.Das Heil ist unverlierbar. 2.Das Heil ist verlierbar. Kann man aus der Gnade fallen?

dazugehören, zu Jesus Christus und zu seiner Kirche. Denn beide gehören zusammen.

Nach dem Tod das Leben Predigt zu Joh 5,24-29 (Ewigkeitssonntag 2015)

Predigt Festgottesdienst Röm.8,31-39

Festgottesdienst am (Judika) anlässlich der Wiedereinweihung der Evangelischen Kirche von Sterbfritz.

Predigt zu allein die Schrift und allein aus Gnade am Reformationstag 2017

A L R U N R E H R (Hrsg.) Luthers Wegweiser für jeden Tag

Predigt zum Altjahresabend von Frank Hiddemann

Predigt über die Lutherrose 22. So n Trin, Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Predigt zu Römer 8,32

Gott ist Liebe. 1. Johannes 4, 16-21

Geschenke zu Pfingsten Predigt zu 1 Kor 2,12-16 (Pfingsten 2018)

GOTTes. Zeugenschutz- Programm

Güte, die verändert Predigt zu Röm 2,1-11 (Buß- und Bettag 2016)

Lichterandacht. Lied: Gl. 505, 1-3 Wir sind nur Gast auf Erden

Predigt am Altjahresabend Textgrundlage: Römer 8,31b-39. Gott schenke uns ein Herz für sein Wort und ein Wort für unser Herz - Amen.

Gottesdienst im Januar 2018 Taufe Jesu (7.1.)

Predigt zum Thema Wann ist ein Christ ein Christ?

Das Gebet am im Trauerhaus

Tod, wo ist dein Stachel? (1 Kor 15,55) Unsere Sterblichkeit und der Glaube an die Auferstehung. BnP Following

Es müsste gnädiger zugehen Predigt am Reformationstag 2017

(Pfarrer Dr. Kurt Reuber, 1943) für ein gutes Leben mit Gott. Tipps und Texte für Erwachsene Zusammengestellt von Helge Korell

-1- ANDACHT ÜBER PAUL GERHARDT S LIED - Ist Gott für mich

OSTERN. Sonntag Rogate Die betende Kirche Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet. Ps 66,1

Predigt am , 6.n.Tr.

Predigt über Römer 5,1-5 (Oberkaufungen, 2. So. der Passionszeit )

Predigt zu Epheser 1,15-23

Evangelisch-Lutherische Freikirche Zionsgemeinde Hartenstein

Konfirmiert - wozu? Du wirst nun bald konfirmiert - Was bedeutet das für Dich?

TRINITATIS III. 17. Sonntag nach Trinitatis Sieghafter Glaube Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 1. Joh 5,4

Leben und Sterben vor Gottes Angesicht Predigt zu Röm 14,7-9 (Drittletzter So n Trin, )

Gottesdienst (April) Ostern - Emmaus Ostermontag - Lesejahr B

Weinfelder. Predigt. Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes. Juni 2016 Nr Römer 8,38-39

Gottesdienst für August 2016 (Evangelium 22. Sonntag C)

ERSTE LESUNG Ez 33, 7-9

FORM V: TRAUERGOTTESDIENST OHNE BESTATTUNG ÜBERSICHT

Arbeitsblatt 7: Verbindung nach oben zum 10. Textabschnitt

Lied: So wie ich bin, komme ich zu dir (KKL, Seite 133) So, wie wir sind, kommen wir zu dir. So, wie wir sind, kommen wir zu dir.

Eph. 2,4-10 Predigt am 7. August 2016 in Landau. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Und wir stellen im 21.Jahrhundert nach Christi Geburt fest, dass uns diese Fragen immer noch treiben, auch außerhalb von Kirchen und Gottesdiensten;

Wohin damit? Wie sollen wir unser Leben eigentlich leben, mit all dem Unfassbaren, das uns immer wieder überrollt? Wie sollen wir Worte finden

Heilsgewissheit Aussagen in Gottes Wort

Nachbarschaftsgebet zum Totengedenken

Tod, wo ist dein Stachel? (1 Kor 15,55) Unsere Sterblichkeit und der Glaube an die Auferstehung. Impuls-Katechese, Altötting

Gottesdienst für August 2017 Wer ist Jesus für mich?

~ sulamithmama ~ ~ sulamithmama ~

Predigt am Altjahrabend, Wenn Gott für uns ist Römer 8,31-39

Bibel für Kinder zeigt: Das Mädchen, das Zweimal Lebte

Wir haben den gleichen Geist! Predigt zum Ökum. Gottesdienst am Hohen Kreuz 2018

Herausgeber. West-Europa-Mission e.v. Postfach Wetzlar. Tel / Fax /

Predigt für Sonntag, den 2. April Thema: Das Wirken des Heiligen Geistes. Text: Römer 5,1-6

Eröffnungpredigt der 3. Generalsynode der VELKD am in der Kreuzkirche, Hannover Text: Röm 8,31-39 (Leitender Bischof Dr. Johannes Friedrich)

5. Sonntag der Fastenzeit C 13. März 2016

Predigt zu Johannes 14, 12-31

WORTGOTTESDIENST IM MAI 2019 Christi Himmelfahrt

Predigtext Galater 2,16-21

Liste mit Vorschlägen für Taufsprüche

wie könnten wir unsere Orientierung in dieser Zeit als Christen finden? Kann das Wort Gottes uns helfen und uns unsere Fragen beantworten?

Es geht ums Ganze Predigt zu Röm 10,9-18 (17. So n Trin, )

Impulse zum Glauben. Wegweiser für eine neue Beziehung zu Gott

[Pause] [Pause] [Pause] Liebe Gemeinde, liebe Konfis, steigenden Lebenserhaltungskosten

ERZBISTUM HAMBURG. Pastoraler Orientierungs-Rahmen. für das Erzbistum Hamburg in Leichter Sprache

Predigt im Gottesdienst am 3. Advent, in der Cyriakuskirche Illingen Predigttext: Römer 15,5-13

Predigt für den Jahreswechsel (Altjahrsabend) Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

TRINITATIS IV. Donnerstag nach dem 22. Sonntag nach Trinitatis In Gottes Schuld Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.

Gottesdienst für April 2016 Der reiche Fischfang

Evangelisch-Lutherisches Pfarramt Siegen und Lüdenscheid Dienst am Wort. wer war Jesus? War Jesus nur ein Mensch, den Gott adoptiert hat?

Predigt zum des drittletzten Sonntag im Kirchenjahr zum Evangelium (Lk. 17,20-24) das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Vorschläge für Gebetsstunden am 8. jeden Monats

WAS DIE BIBEL UND DIE LUTHERANER LEHREN

Sehnsucht, die gestillt wird Predigt zu Joh 16,5-15 (Pfingsten 2017)

Inhaltsverzeichnis.

Predigt am in der Johanneskirche: Thema: Frieden mit Gott; Michael Paul

Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter beim Gottesdienst zum Fest Peter und Paul in der Münchner Liebfrauenkirche am 29.

Predigt des Erzbischofs Friedrich Kardinal Wetter bei der Eucharistiefeier und Segnung der Ehepaare am 30. September 2007 im Mariendom zu Freising

Gottesdienst im Juni 2018 Jesus sendet die Jünger aus.

Verse und Bibelsprüche zur Beerdigung

Peter Steinacker. Gedenkgottesdienst. Prof. Dr. Dr. h.c. 28. April 2015 St. Katharinenkirche Frankfurt am Main

Predigt Trinitatis. San Mateo Römer 11, 33-36

Gerettet! Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten. PSALM 50,15

Warum ist die Bibel so wichtig?

wunderbarste Liebesbrief

Predigt am 6. Mai 2018 in der Braunschweiger Friedenskirche

Beweis der Liebe. Gottes

Zur Kirche, die geprägt ist durch die frohe Botschaft des Evangeliums. Wie wird es sein, wenn Du stirbst und Du mußt vor Gottes Gericht erscheinen?

Predigt Matthäus 5,8 Glückselig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Zeichnung von Vivien)

Transkript:

Predigt am 29.10.17 um 10.00 h in der Johanneskirche Thema: Allein Jesus Christus / 500 Jahre Reformation / Michael Paul Römer 8,33-39 31 Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? 32 Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? 33 Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. 34 Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja mehr noch, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und für uns eintritt. 35 Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? 36 Wie geschrieben steht (Psalm 44,23):»Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«37 Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. 38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. Liebe Gemeinde, im Jahr 1516, ein Jahr vor der Reformation Martin Luthers, bereist Girolamo Aleandro im Auftrag des Papstes Deutschland und die Niederlande. Er ist entsetzt und schreibt einen Brandbrief an den Papst: Hier in Deutschland braut sich ein Sturm kolossalen Ausmaßes zusammen! Die Deutschen - so der gelehrte Gesandte- fühlen sich von Rom nicht nur ausgebeutet, sondern auch verachtet. Ein gefährliches Gefühlsgemisch liegt in der Luft! Als typische Barbaren drohen sie, alles zu zerschlagen, das heißt: Dem Papst die Gefolgschaft aufzukündigen und eine eigene, bessere Kirche aufzubauen. Was war die Reformation damals, Ihr Lieben? In erster Linie eine Gegenbewegung zur katholischen Kirche und zum machtbesessenen Papsttum von damals? Das war sie vielleicht auch: Gegenbewegung! Natürlich ging es ihr auch um Freiheit von Kirchenfesseln, um das Abschütteln von geistlicher Unterdrückung, von Machtmissbrauch, Ausbeutung und Prunksucht der Kirche. Aber das alles waren nur Folgen einer ganz anderen Reformation: Der Reformation des Glaubens. Dazu schreibt der katholische Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in diesen Tagen in unserer Evang. Sonntagszeitung: Eine solche Reform braucht die Kirche heute dringend Für Christus gehen, für seine Botschaft brennen, um seine Wahrheit ringen mit anderen und für andere, ist und bleibt die Herausforderung des Evangeliums Freiheit bedeutet für Luther, sich an Christus zu binden und so frei zu werden vom Gesetz und einem religiösen Leistungsgedanken. Vor einiger Zeit hatte ich ein Gespräch mit einem Iraner. Warum wollen sie

getauft werden?, fragte ich. Er sagte: In Ihrer Kirche finde ich Freiheit, Freiheit von religiösen Zwängen. Ich fragte zurück: Aber wenn sie diese Freiheiten haben wollen, wäre es dann nicht besser, Sie würden die Religionen ganz hinter sich lassen? Warum wollen Sie nicht einfach den Glauben wegwerfen, der Sie so bedrängt hat, sondern die Religion wechseln, von einem Muslimen zu einem Christen werden? Da sagte dieser Mann: Weil ich Gott liebe! Und weil ich einen brauche, der mich durch diesen Erdendschungel führt, mich hält in den vielen Haltlosigkeiten dieses Lebens, mich annimmt und stärkt in Schwachheit, mir die Kraft gibt zum Guten gibt und mir mit seinem Licht leuchtet, damit ich den Weg sehe, den ich gehen kann. Mich hat diese Antwort des Mannes tief beeindruckt: Hier erhofft jemand nicht, durch das Ablegen einer von ihm als bedrückend empfundenen Religion frei und heil werden zu können. Nein, trotz erlebtem religiösem Druck liebt er Gott, sucht er Gott. Und er findet einen liebenden Gott in Christus. Heißt das vielleicht solus Christus allein Jesus Christus? Oft wird diese Formel als Schlaginstrument verwandt. Andersgläubigen wie Zweifelnden wird sie entgegengeschleudert. Aber für mich ist dieses Allein Jesus Christus eine Trostformel und kein Kampfbegriff, eine Lebenshilfe und kein Schwert für Rechthaberei. Für Menschen, die an den Ansprüchen anderer oder auch ihren eigenen Ansprüchen verzweifeln, kann dieses Allein Jesus Christus zur Paradies- Tür werden. Für Menschen die an religiösen oder gesellschaftlichen Überforderungen zerbrechen, kann dieses Allein Jesus Christus eine Himmelspforte sein. Aus tiefer Not schrei ich zu dir. In diesen Worten des Lutherliedes treten die Anfangsgründe der Reformation zutage. Die Reformation steht auf den Füßen des angefochtenen Lebens und angefochtenen Glaubens. Die unstillbare Sehnsucht, von Liebe und Wertschätzung getragen zu werden, ja, einen liebenden Gott zu erlangen, ist der Ausgangspunkt der Reformation. Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen Wer will verdammen?, fragt Paulus auf einem Höhepunkt im Römerbrief. Wir könnten hier vieles anführen, nicht wahr?! Beschuldigt und verdammt werden wir oft von Menschen. Gewogen und für zu leicht befunden! Kennen wir doch. Es haben bestimmt auch einige von uns erlebt, dass ihre Arbeit nicht wertgeschätzt wird oder dass Schüler in der Schule abschätzig behandelt werden. Wer will uns beschuldigen? Ach, es beschuldigen uns so viele: Vielleicht der Ehepartner oder der Nachbar oder der Mitchrist in der Gemeinde. Bei den Mitchristen tut es am meisten weh, nicht wahr? Wenn man noch nicht einmal dort auf Verständnis und Vergebung stößt. Wenn man sogar dort nicht gewünscht wird, vergessen wird in Krankheitszeiten, abgeschrieben wird, wenn man dem christlichen Bild und Leistungsstandart nicht entspricht. Aber es gibt noch etwas Schlimmeres: Man kann sich selbst verdammen. Für mich bete ich nicht mehr!, sagte eine junge Frau zu mir. Schrecklich, wenn man

für sich selbst die Hoffnung verloren hat, an Liebe, Vergebung, einen neuen Anfang nicht mehr glauben kann. Wenn man nur noch die äußere christliche Haltung bewahrt, noch ethische Prinzipien vertritt, vielleicht auch noch äußerlich sich zur Gemeinde hält, aber in Wirklichkeit sich nicht als wirklich geliebt, von Gott von Herzen gewollt, erachtet. Wie viele von uns können nicht mehr an wirkliche Liebe glauben? Pfarrer Friedrich Schorlemmer wurde gefragt, was für ihn das Wichtigste an Luthers Reformation war: Er antwortete: Dass jeder Mensch sich seines Wertes und seiner Würde bewusst wird. Dass der einzelne Mensch vor der Menschheit kommt, der Zuspruch vor dem Anspruch, das Danken vor dem Bitten. Wie viele verdammen sich in der Tiefe selbst und glauben nicht mehr an die Liebe? Wer will beschuldigen, wer verdammen? Aber, -es ist fast zu schrecklich, um es überhaupt zu nennen-, beschuldigt nicht auch Gott, Ihr Lieben? Ist er nicht der große Beschuldiger im Himmel? Haben die modernen Atheisten nicht recht, dass sie ihn verbannen aus ihrem Leben, aus dieser Welt? Diese Busaktion der Atheisten 2009 hat mich sehr berührt: Viele 1000 Euro haben sie für diese Aktion ausgegeben und auf den durch Deutschland tourenden Bus geschrieben: Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Hört, auf euch Sorgen zu machen und genießt euer Leben." Ich höre aus diesen Worten nicht nur Ignoranz, sondern auch ganz, ganz viele Verletzungen und Ängste. Der große Beschuldiger im Himmel. Den darf man doch nicht an sich heranlassen, den muss man wegstoßen, manchmal ganz offiziell, manchmal ganz heimlich. Aber nun sagt der Apostel Paulus ja gerade nicht, dass Gott der Beschuldiger und Verdammer ist. Er sagt vielmehr: Gott ist für uns. Und seine Fragen Wer will beschuldigen, wer will verdammen? verlangen letztlich nur nach einer Antwort: Niemand und nichts. Denn so schreibt es Paulus: Wenn Gott für uns ist, was kann dann gegen uns sein? Nichts und niemand. Aber die Menschen, die uns beschuldigen? Ihr Urteil zählt nicht, auch wenn es noch so sehr schmerzt! Und das eigene Gewissen, das uns vorrechnet, was wir alles versäumen, verbocken, wo wir uns verrennen, vergreifen, verlieren? Das Urteil unseres Gewissens zählt nicht, auch wenn es noch so sehr uns Mut und Hoffnung auf Besserung nehmen will. Denn Gott ist für uns, und nicht einmal unser Gewissen kann dann gegen uns sein. Wir dürfen gegen die Stimme des eigenen Gewissens anglauben, uns von diesen Worten aus Gewissensnöten herausreißen lassen: Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist Und noch tiefer: Wer will uns beschuldigen? Ist es nicht das Wort Gottes selbst, das uns beschuldigt? Wer ist noch nicht über Bibelstellen gestolpert, die einen total abgeurteilt haben? Wenn Gott für uns ist, was kann dann gegen uns sein? Heißt das nicht sogar: Die biblischen Worte, ja die Worte Gottes können uns nicht mehr verdammen? Ja, so sehr sie auch an uns zerren und uns der Wahrheit überführen: Sie können uns nicht verdammen. Aber warum? Warum kann mich nichts mehr verurteilen? Ist das nicht schi-

zophren? Gottes Wort gegen Gottes Wort? Das eine Wort Gottes spricht mich schuldig, deckt auf, was ich im Tiefsten bin, unfähig zur Liebe, verstrickt in einer peinlichen Selbstliebe, und das andere Wort Gottes spricht mich frei! Was zählt? Welchem Wort darf ich glauben? Paulus sagt an dieser entscheidenden Stelle seines Römerbriefs: Gott ist für Dich. Nichts und niemand kann dich verdammen. Da fängt selbst ein Martin Luther an zu wanken. So sagte er in seinen Tischreden: Es ist schwer, dass ein Mensch glauben soll, dass ihm Gott gnädig ist. Des Menschen Herz kann s nicht fassen So ging es mir einmal in meiner Jugend daheim, als wir sangen, um Würste zu sammeln. Einer der Bürger, bei denen wir gesungen hatten, schrie uns an im Scherz: Was macht ihr da, ihr Buben? Ich will Euch eins geben! Im selben Moment aber kam er mit zwei Würsten uns entgegengelaufen, hielt sie uns hin und wollte sie uns schenken. Ich aber machte mich auf und davon und floh vor dem, der uns doch nur seine Gaben anbieten wollte. Genau dasselbe widerfährt uns mit Gott. Er hat uns Christus mit all seinen Gaben gegeben, und doch fliehen wir vor ihm und glauben, er sei unser Richter. (Epistelauslegung Römerbrief 162f) Das ist der Grund, Ihr Lieben, warum Paulus sagt: Gott ist für uns. Und niemand kann uns mehr beschuldigen oder verdammen. Allein Jesus Christus. Durch ihn allein macht Gott uns gerecht. Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken. Durch die Hingabe seines Sohnes schenkt Gott uns alles, ALLES. Darum, weil Gott seinen eigenen Sohn uns geschenkt hat, weil er in ihm unser Kreuz, unsere Last getragen hat, kann uns kein Mensch mehr herabwürdigen, kein Gewissen mehr verdammen, und nicht einmal das Wort Gottes uns beschuldigen. Und wir laufen davon wie Luther vor dem Mann mit den Würsten, nicht wahr? Wie können wir selbst dieser Worte des Apostels gewiss werden: Gott für uns? Oder wie kannst Du das Wichtigste aus Luthers Reformation im Herzen tragen: Dass Du wirklich über alle Maßen geliebt, im Innersten gewollt und wertgeschätzt bist, und dass Dir einer etwas zutraut, woran Du schon lange nicht mehr glaubst, nämlich wirklich ein Segen sein zu können für Deine Welt, Deine Familie, Deine Gemeinde, Deine Schule, Deinen Chef, Deinen Feind. Wie kannst Du das wirklich, wirklich glauben? So ganz wird diese Wahrheit wohl nie unser Herz erreichen. Aber wenn Du damit anfängst, wirklich mit diesem Jesus unterwegs zu sein, ihn Dich in Deinem Alltag begleiten lässt, sein Wort hörst, sein Kreuz schaust, dem Auferstandenen begegnest, seine Hilfe, Vergebung und Wegweisung suchst, dann wird seine Liebe Dich heraustragen aus Deiner Angst, Gott und Menschen nicht zu genügen und kein Segen sein zu können. Dann wird seine Liebe Dich in Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert tragen. Dann wird Christus Dich zum Überwinder Deiner Ängste und Anfechtungen, Verkrampfungen und Lähmungen machen.

Nein, Ihr Lieben, die Reformation damals war nicht in erster Linie eine Gegenbewegung, sondern eine Glaubensbewegung. Sie entsprang der Not: Aus tiefer Not schrei ich zu Dir. Und dann heißt es weiter in dem Lied: Es ist doch unser Tun umsonst, auch in dem besten Leben. Darum hat sich Luther aufgemacht, nach Gottes Hilfe, Liebe und Vergebung gesucht, gefragt, gebohrt. Und er hat gefunden, Christus gefunden, in ihm die Liebe Gottes gefunden, Vergebung, Freiheit, Heil. So sagte er in seinen Tischreden: Ich hab in meiner höchsten Schwachheit, im Schrecken und Fühlen der Sündenlast, in Furcht und Zagen vor dem Tod oft erfahren und gefühlt die göttliche Kraft, die der Name Jesus an mir, der ich sonst von allen Kreaturen verlassen war, bewiesen hat, mich mitten aus dem Tode gerissen, wieder lebendig gemacht, in der größten Verzweiflung getröstet, dass ich, so Gott will, bei dem Namen bleiben, leben und sterben will. (aus Haug, Nr.400) ALLEIN JESUS CHRISTUS. Ich kenne keinen anderen, der uns so helfen und befreien kann. Lasst uns ihn suchen! Amen.