Ernte-Dank, der sich ausbreitet Predigt zu Jes 58,5-12 (RB, Erntedank 2017) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn! Liebe Gemeinde, das ist der Refrain für Erntedank. Bei Erntedank steckt die Dankbarkeit schon im Namen des Festes. Jedes Jahr singen wir Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt und hoffet auf ihn! Zurecht, denn Jahr für Jahr dürfen wir sehen, wie Gott uns versorgt. Mit so viel mehr als wir brauchen. Viel Grund zum Danken. Zugleich wissen wir: Nicht überall haben Menschen solchen Überfluss wie wir. Und da wird Erntedank zur Anfrage und Herausforderung: Wirkt ihr daran mit oder wirkt ihr dem entgegen, dass auch andere singen können: Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn? In der Bibel wird an vielen Stellen der Blick auf Menschen in Not gerichtet, verbunden mit der Aufforderung: Schau hin, wo es anderen schlecht geht. Und achte darauf, ob du etwas dagegen tun kannst. 1
Manchmal werden Menschen von dieser Aufforderung überrascht, zum Beispiel beim Propheten Jesaja. Jesaja berichtet, wie Leute in seinem Umfeld mit Gott hadern. Ihr Vorwurf lautet: Wir feiern Gottesdienst und halten uns an die Gebote. Wir fasten regelmäßig und üben Verzicht aber es scheint so, als würde es bei Gott gar nicht ankommen. Wozu fasten wir dann? Im Predigttext folgt die Antwort, die Gott durch den Propheten gibt, Jesaja 58, die Verse 5-12: 5 Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat? 6 Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! 7 Heißt das nicht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! 8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. 9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. 2
Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, 10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. 11 Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. 12 Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen:»der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne«. (Gebet) Liebe Gemeinde, vielleicht sind wir genauso überrascht wie die Menschen damals zur Zeit Jesajas. Sie wollen wissen, warum es mit ihrer Frömmigkeit nicht so recht klappt. Warum Gott ihr Fasten nicht belohnt. Aber von der Frage nach der eigenen Frömmigkeit, vom Kümmern ums eigene Seelenwohl, werden sie direkt hingelenkt zu der Frage nach dem Einsatz für andere, zum Kümmern um Menschen in Not. Wir feiern Erntedank, freuen uns über die bunt geschmückte Kirche, die vollen Erntewagen und Lebensmittelregale. Und es wirkt ein bisschen wie eine Euphoriebremse, wenn wir nun 3
hören: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus. Das Wort Elend bedeutet ursprünglich Ausland. Derjenige, der sich nicht in seiner Heimat, seiner gewohnten sicheren Umgebung befindet und deshalb in Not ist, kein richtiges Dach über dem Kopf hat der soll Unterschlupf finden. Bei wem? Ganz einfach: Bei demjenigen, dem es wichtig ist, mit seinem Leben auf Gottes Wegen zu gehen. Beten, Fasten das ist gut und richtig, aber wenn es darum geht, die Beziehung zu Gott intensiv zu leben, darf der Nächste, der in Not ist, nicht übersehen werden. Das ist nochmal eine andere Form des Fastens: Kein eigener Verzicht, kein Fasten, um ein paar Pfunde abzunehmen, sondern: Fasten als Dienst für andere. Diakonisches Fasten so nennt das ein Bibelausleger. Da wird deutlich: Die eigene Frömmigkeit ist unmittelbar verbunden mit dem Einsatz für Menschen in Not. Und was bedeutet nun solches Diakonische Fasten? Jesaja zählt auf: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast. Bei uns gibt es weder Sklaven noch Leibeigene. Trotzdem gibt es 4
Menschen, die von anderen abhängig sind oder gemacht werden. Z.B. wenn Kinder ständig mit dem überzogenen Anspruch ihrer Eltern konfrontiert werden: Du solltest ordentlicher sein. Du solltest fleißiger sein. Du solltest bessere Noten haben. Du solltest dies schöner machen und auf jenes besser achten. Wir verfehlen das Ziel einer guten Erziehung, wenn wir unseren Kindern das Gefühl vermitteln, sie würden unseren Erwartungen nicht gerecht werden. Überzogene Erwartungen, die unter Druck setzen, gibt es in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen: in der Arbeitswelt, im Verein, in der Kirchengemeinde und es gibt sie zwischen Ehepaaren. Wie eine Erlösung klingt es da: Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Das nächste in Vers 9: Wenn du nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest Wo fängt üble Nachrede an? Manchmal kleidet sie sich ins Gewand der besorgten Mitteilung und hat doch vor allem das Ziel, jemand anderen schlecht zu machen. Wenn wir über andere reden welche Absicht haben wir dann? Verständnis für sie zu wecken? Oder uns über sie zu erheben? Ganz offen oder indirekt. 5
Wir sollen uns nicht zum Richter über andere aufspielen. Dazu fehlt uns das Recht und die Position. Der einzige, der den Überblick hat und den Einblick in die Herzen von Menschen ist Gott selbst. Deshalb: Auch wenn wir das Verhalten anderer falsch finden. Auch wenn wir über sie enttäuscht sind: Unser Reden soll sie nicht abwerten. Unser Finger soll nicht auf sie zeigen. Das beste Mittel dagegen ist die ehrliche Einsicht in unsere eigene Unvollkommenheit. Auch für uns ist Jesus am Kreuz gestorben, auch wir leben aus seiner Gnade. Das soll uns dazu verleiten, gnädig mit anderen umzugehen. Und schließlich noch einmal die Aufforderung in Vers 10: Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst. Was für eine tolle Formulierung: Da darf einer mein Herz finden. Nicht nur meinen Verstand, nicht nur meine äußere Fassade und ein oberflächliches Lächeln. Nein, er darf mein Herz finden mit seinem Hunger: - Seinem Hunger nach Brot - Oder seinem Hunger nach einem freundlichen Blick - Oder seinem Hunger nach einem offenen Ohr, dem es seine Geschichte erzählen kann - Oder seinem Hunger nach Anerkennung 6
- Oder seinem Hunger nach einem Wort, das Hoffnung weckt. Was ist denn das Brot, das wir dem Hungrigen brechen können? Sicher, dort wo jemand nichts zu essen hat, sollen wir teilen. Und wenn Menschen in einer reichen Gesellschaft wie unserer ihre Lebensmittel im Tafelladen einkaufen müssen, ist es gut, dass wir auch in diesem Jahr wieder mit der Aktion Jedem so viel er braucht den Mosbacher Tafelladen unterstützen. Vor fünf Jahren haben wir hier bei uns damit angefangen. Und dieses Jahr sind nun 33 Gemeinden, Kindergärten und Schulen mit dabei. Und wenn Menschen im Elend sind auch ganz wörtlich: im Ausland, z.b. als Flüchtlinge dann brauchen sie Unterstützung, ganz konkret. Aber es gibt ja nicht nur das Brot, das den Magen füllt. Sondern auch das Lebensbrot, das die Seele satt macht. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sagt Jesus, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht. Wer selbst von diesem Lebensbrot schon gekostet hat, wer schonmal gesehen und geschmeckt hat, wie freundlich der Herr, unser Gott, ist, der hat alles, was er braucht, um von diesem Lebensbrot zu teilen: 7
- die Hoffnung, dass unser Leben nicht vergeblich ist - die Gewissheit, dass Gottes Liebe jedem gilt - die Freude, dass Gottes Geist uns täglich neu mit seiner Gegenwart erfrischt Jesajas Ermahnung beginnt streng, aber sie endet mit einer wunderbaren Verheißung. Nach einer Reaktion von Gott haben sich die Menschen gesehnt. Und sie haben gehofft, dass ihr Fasten dazu beiträgt. Das diakonische Fasten hat die Verheißung: Dann wirst du rufen und der Herr wird dir antworten. Diakonisches Fasten macht die Beziehung zu Gott lebendig. Und wenn die lebendig ist, haben auch andere etwas davon: Du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. An Erntedank geht es um die Dankbarkeit für Gottes Versorgung. Diese Dankbarkeit ist dann vollkommen, wenn der Ernte-Dank sich ausbreitet, wenn wir daran mitwirken, dass auch der Arme singen kann: Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. G: Amen. 8