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Wir beginnen nochmal kurz mit der Anatomie: Beim Hund befindet sich jeweils zwischen 2 Wirbelkörpern eine Bandscheibe. Diese hat die Funktion eines Stoßdämpfers und kann sowohl Druck als auch Zugkräften entgegenwirken. Bei einem Bandscheibenvorfall wölbt sich je nach Art des Bandscheibenvorfalls die Bandscheibe nach oben und engt den Rückenmarkskanal ein, oder aber der innere Teil der Bandscheibe fällt komplett in den Rückenmarkskanal vor. 2
Häufig kommt natürlich die Frage auf: was kann ich präventiv machen?! Wir sind der Meinung, dass leider kein Medikament das Auftreten eines Bandscheibenvorfalls verhindern kann. Natürlich gibt es Medikamente, wie z.b. das Futterzusatzmittel Cosequin, die den Knorpelaufbau fördern und die Blasenfunktion unterstützen sollen. Diese verringern das Risiko eines Bandscheibenvorfalls, können ihn jedoch nicht zu 100% verhindern. Oft wird auch davon gesprochen, dass das völlige Vermeiden von Treppen einen Bandscheibenvorfall zuverlässig verhindern könnte. Hierfür gibt es jedoch keinen medizinischen Nachweis und uns wurden in der Klinik durchaus auch schon Tiere vorgestellt, die trotzdem einen Bandscheibenvorfall erlitten haben. 3
Viel wichtiger erscheinen uns dahingehend zwei andere Aspekte: zum einen das Gewichtsmanagement! Ein erhöhtes Körpergewicht wirkt sich negativ auf alle Gelenke aus, diese verschleißen schneller und führen so früher zu Problemen. Das gilt natürlich auch für die Wirbelsäule und die Bandscheiben. Zum anderen fördert auch eine gestärkte Rückenmuskulatur die Wirbelsäulengesundheit, da durch eine gut ausgebildete Rückenmuskulatur die Bandscheiben in ihrer Stoßdämpferfunktion entlastet werden. Das heißt: Ganz normale Bewegungsabläufe, Muskelaufbau (durch Training, Agility, jagdliche Nutzung.) und Gewichtsmanagement helfen am ehesten dabei, einen Bandscheibenvorfall zu verhindern! 4
Woran erkennen sie nun bzw bekommen sie einen Hinweis darauf, dass mit dem Rücken ihres Hundes etwas nicht stimmt? Es kann damit beginnen, dass ihr Hund nicht mehr so gerne Gassi gehen will, nicht mehr so bewegungsfreudig ist, schwerfälliger aufsteht und dabei evtl auch Schmerzäußerungen zeigt. Der Rücken kann beim Stehen und Gehen aufgekrümmt erscheinen; Evtl. KEIN Urin und Kotabsatz mehr, bzw. unkontrollierter Urin und Kotabsatz (Inkontinenz). Es kann auch sein, dass ihr Hund die Hinterbeine nur noch sehr eingeschränkt bzw gar nicht mehr bewegen will, also sogenannte Lähmungserscheinungen zeigt. Was können sie zusätzlich noch testen? Den sogenannten Stellreflex und das Schmerzempfinden Sollte ihnen eine dieser Symptomatiken auffallen, was tun? Bei rein schmerzhaften Geschehen kann die nächste Möglichkeit eines Sprechstundenbesuchs abgewartet werden. Wenn Lähmungserscheinungen oder genannte Veränderungen im Urinabsatz auftreten, SOFORT Tierarzt/Klinik einen Besuch abstatten. 5
Hier werden dann weitere neurolog. Untersuchungen durchgeführt, die Wirbelsäule abgetastet und Röntgenbilder von der betroffenen Stelle angefertigt; Das Röntgenbild gibt dann schon erste Hinweise, ob ein Bandscheibenvorfall vorliegt; kleinere Vorfälle, die nicht zur kompletten Lähmung, sondern nur zu Schmerzen oder ggr. Einschränkungen des Bewegungsablaufes führen, werden in der Regel konservativ, sprich mit viel Ruhe und Schmerzmedikamenten behandelt; in diesem Fall kann eine Operation vermieden werden. Sollte es mit der konservativen Therapie nicht besser werden bzw die Tiere komplett gelähmt sein, werden in der Klinik weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt, hier z.b. eine MRT, an dem schön der Bandscheibenvorfall im Halsbereich zu erkennen ist; daraufhin wird das Tier operiert und das Bandscheibenmaterial entfernt. Hierbei gilt: je früher desto besser; Je länger Material im Rückenmarkskanal verbleibt, desto stärker kann das Rückenmark geschädigt werden; altes Bandscheibenmaterial lässt sich zudem schwerer entfernen 6
Nach der OP ist oft ein Problem, dass die Tiere noch nicht wieder normal Urin und Kot absetzen können; Dies liegt daran, dass die Nerven, die den Urinabsatz steuern, durch den Bandscheibenvorfall auch in Mitleidenschaft gezogen worden sind und sich erst wieder erholen müssen; zu diesem Zweck gibt es sogenannte Harnkatheter, die den Tieren in den ersten Tagen nach der OP das Urin absetzen erleichtern, ebenso können die Nerven mit Medikamenten unterstützt werden; nach wenigen Tagen hat sich der Urinabsatz dann meist schon normalisiert, teilweise dauert es etwas länger, selten bleiben Absatzstörungen zurück 7
Nach der Operation können manche Tiere anfangs weder gehen noch stehen, andere stehen, aber gehen noch nicht und wieder andere sind schon zu einigen Schritten fähig. Es wird für jedes Tier individuell ein Therapieplan erstellt, um eine optimale Genesung gewährleisten zu können. Wir haben hierbei verschiedene Möglichkeiten: Tiere, die bereits langsam wieder beginnen zu laufen, werden von unserer Physiotherapeutin gerne aufs Unterwasserlaufband gestellt. Der große Vorteil hierbei ist, dass das Wasser das Körpergewicht der Tiere trägt und so die Bewegungsabläufe viel einfacher und koordinierter von statten gehen können. Des weiteren gibt es besondere Gestelle, die die Tiere in der Bewegung unterstützen. 8
Die Physiotherapie ist auch ein wichtiger Aspekt in der Genesungszeit; hierbei werden je nach neurologischer Situation versch. Übungen mit den Tieren durchgeführt; Die Muskulatur wird wenn verhärtet/verspannt sanft massiert, die Gelenke gebeugt und gestreckt, um ihre Beweglichkeit zu erhalten; Mit einem Igelball kann die Sensibilität der Pfoten verbessert werden; kleine Gehübungen werden durchgeführt, um die Bewegungsabläufe zu optimieren. und wenn alles gut geht, kann das Tier bald schon aus der Klinik entlassen werden. Bis es dann wieder komplett uneingeschränkt herumtoben darf, dauert es allerdings noch seine Zeit. Auch nach Ende des Klinikaufenthaltes ist unser Rat, weiterhin zur Physiotherapie zu gehen/sie selbst durchzuführen. 6 Wochen post OP werden die Tiere nochmals in der Klinik vorgestellt, der Fortschritt wird dokumentiert und je nach Fall die Therapie nochmals angeglichen. In diesen 6 Wochen darf das Tier nur an der Leine geführt werden, Treppen steigen, hochspringen muss vermieden werden. Danach erfolgt eine langsame Steigerung der Aktivität, kurze Spaziergänge ohne Leine und einige Wochen später dann wieder nahezu uneingeschränkte Bewegung 9
Natürlich kommt immer die Frage nach der Prognose bei einem Bandscheibenvorfall auf. Grundsätzlich ein sehr wichtiger Faktor ist das Schmerzempfinden: Ist es zum Zeitpunkt der Operation noch vorhanden? Ist es nach der Operation noch/wieder vorhanden? Sollte das Schmerzempfinden vor der Operation bereits seit mehr als 12h nicht mehr vorhanden sein, ist die Prognose für das vollständige Wiedererlangen der physiolog. Funktion der Gliedmaßen sehr vorsichtig. Ein ebenso wichtiger Faktor ist die Zeit: wie lange besteht der Bandscheibenvorfall (und wie massiv ist er?), bevor operativ eingegriffen wird? Je länger und stärker das Bandscheibenmaterial auf das Rückenmark drückt, desto schwerer werden die Nerven geschädigt und desto länger dauert ihre Regeneration. Es gibt also keine Pauschalaussage, wie die Regenerationsphase nach einem Vorfall auszusehen hat, sondern diese ist für jedes Tier individuell unterschiedlich 10
Die Studie von Fr. Dr. Layer untersuchte verschiedene Aspekte der Rückenbewegung bei Hunden am Beispiel der Rassen Dackel und Labrador. Es gab immer wieder die Meinung, der Rücken der Dackel seit bezogen auf die Körpergröße zu lang und deshalb unter starker Schwingbelastung. In Fr. Dr. Layers Studie konnte nun aber nachgewiesen werden, dass Dackel ihre Wirbelsäule genauso stabil und im Trab sogar stabiler halten als der Labrador, was diese Annahme hinfällig macht. Man geht heute von der These aus, dass gewisse Rassen bereits im frühen Alter einen Elastizitätsverlust der Bandscheiben haben. Hierzu laufen momentan viele histologische Studien, sprich man untersucht das Gewebe der Bandscheibe auf Veränderungen in ihrer Zusammensetzung. Von diesen frühen Veränderungen sind die sogenannten chondrodystrophen Rassen (sprich kurzknochige Hundrassen wie Malteser, Shi Tzu, Franz. Bulldoggen, Dackel) betroffen. Außerdem gibt es weitere genetische Veränderungen z.b. Keilwirbel oder Blockwirbel (siehe Bild) v.a. bei Franz. Bulldoggen, zusätzlicher Lendenwirbel beim Labrador die zu einem lokal erhöhten Risiko von Bandscheibenvorfällen führen. Hiervon ist der Dackel nicht betroffen. 11
Meine Studie baut auf die Studie von Fr. Layer auf. Ich untersuche Hunde chondrodystropher Rassen, die einen Bandscheibenvorfall hatten auf dem Laufband. Mein Ziel ist es, herauszufinden, ob sich an den Bewegungsabläufen des Rückens dieser Tiere nach einem operativen Eingriff dieser Art etwas ändert. Dazu vergleiche ich meine erhobenen Daten mit denen von Fr. Layer. Momentan erwarten wir uns eine erhöhte Beweglichkeit zu einem frühen Zeitpunkt nach der OP, später hingegen erwarten wir uns eher eine verminderte Beweglichkeit und eine anderweitige Kompensation, z.b. über eine Veränderung der Bewegungsabläufe. 12
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