Vortragstitel: Selig sind die Frieden stiften Evangelische Friedensethik in turbulenten Zeiten. Es gilt das gesprochene Wort

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Transkript:

Vortrag von Pastor Renke Brahms Schriftführer der Bremischen Ev. Kirche und Friedensbeauftragter des Rates der EKD am 15.10.2018 in der Ev. Akademie Abt Jerusalem in Braunschweig Vortragstitel: Selig sind die Frieden stiften Evangelische Friedensethik in turbulenten Zeiten Es gilt das gesprochene Wort Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Einladung nach Braunschweig in die Evangelische Akademie Abt Jerusalem, um mit Ihnen über Evangelische Friedensethik in turbulenten Zeiten zu diskutieren. Sie haben mich als Friedensbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche eingeladen. Vielleicht so viel zu diesem Amt: Es ist ein Nebenamt, in dem ich einerseits die Aufgabe habe, die Friedensarbeit im Raum der Evangelischen Kirche in Deutschland zu bündeln und zu stärken. Andererseits habe ich die Aufgabe, den Rat der EKD in friedenstheologischen, friedensethischen und friedenspolitischen Fragen zu beraten oder im Namen des Rates zu aktuellen oder grundsätzlichen Friedensfragen Stellung zu nehmen. Ich werde meinen Vortrag heute Abend in vier Punkte gliedern: 1) Aktuelle friedenspolitischen Herausforderungen 2) Das Leitbild des Gerechten Friedens 3) Gewaltfreiheit und zivile Lösungsansätze 4) Aktivitäten im Raum der EKD zur Friedensethik (1.) Aktuelle friedenspolitischen Herausforderungen Zusammenhang von äußerer und innere Sicherheit und Frieden sowie Ohnmacht und Ratlosigkeit bei Komplexität der Themen und Entwicklungen Lassen Sie mich zu Beginn einige aktuelle friedenspolitischen Herausforderungen schlaglichtartig benennen. Im politischen Raum werden viele Themen in Bezugnahme auf äußere und innere Sicherheit diskutiert. Im Hinblick auf eine friedenslogische Perspektive sollten wir uns die Frage stelle, wie wir mit der Vielzahl von Konflikten auf der ganzen Welt verbunden sind. Wenn wir die Not der Geflüchteten sehen, die zu uns kommen, dann sind humanitäre Krisen und Kriege sowie der Klimawandel als Gründe dieser Flucht zu benennen, welche auch Ausdruck einer ungerechten Weltordnung sind. Die internationalen Beziehungen sind im Wandel begriffen, damit verändern sich auch der Kontext und die Bezugsprobleme evangelischer Friedensethik. Das System westlicher Dominanz unter hegemonialer Führung der USA steht erheblich unter Druck. Unter höchst krisenhaften Begleiterscheinungen entsteht eine neue multipolare Weltordnung. 1

In Deutschland hat eine Neubesinnung auf Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik im Gefolge der Rede des damaligen Bundespräsidenten Gauck auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2014 eingesetzt. "Deutschlands Rolle in der Welt", so der Titel der Rede, steht in Frage. Es zeigt sich eine zunehmende Polarisierung sowohl nationaler wie internationaler Politik. Denken wir an einen US-Präsidenten Trump oder die Auseinandersetzungen um Nordkorea. Viele Formen von Polarisierungen finden sich auch in der Debatte um Geflüchtete oder den Rechtsruck in einigen europäischen Ländern. Wir beobachten wie Sprache immer rauer und Gewalt in eigentlich sozialen Netzwerken zunimmt. Eine weitere Gefahr besteht in der Remilitarisierung der Politik bzw. einer zunehmenden Gewöhnung an eine militärische Logik. Im Handeln der Bundesregierung zeigt sich immer wieder der Fokus auf den militärischen Beitrag als das vorrangige Instrument der Sicherheits- und Außenpolitik. Deutlich wird dies beispielsweise in der Diskussion um die Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts. Wenn diese Mittel auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung angehoben würden, bedeute das einen Zuwachs von jetzt 37 Milliarden Euro auf mehr als 60 Milliarden Euro. Das ist eindeutig die falsche Richtung. Und das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklung auszugeben, hat Deutschland effektiv noch nicht erreicht. Diese Ausgaben sind aber wichtig, um Konflikt- und Fluchtursachen mit zivilen Mitteln zu bekämpfen. Die Versicherheitlichung der internationalen und nationalen Politik zeigt sich in den letzten Jahren zunehmend als allgemeine Handlungsmaxime. Diese zeigt sich auch ganz bildlich in der Werbung der Bundeswehr beispielsweise in ihrer Kampagne auf der Videoplattform YouTube zum Auslandseinsatz in Mali. Darin waren Plakate mit dem Slogan Einsatz sagt mehr als tausend Worte zu sehen. Tatsächlich möchte ich mich lieber an diplomatischen Mitteln, welche sich gerne auch mehr als tausend Worte bedienen, als Grundsatz orientieren. Ein Politikfeld in diesem Zusammenhang, in welchem die schon lange Kirche aktiv ist, stellt die Diskussion um Rüstungsexporte und deren politische Bewertung dar. In der Friedensdenkschrift der EKD von 2007 wird dazu festgestellt: Rüstungsexporte tragen zur Friedensgefährdung bei. In exportierenden Ländern stärken sie eigenständige wirtschaftliche Interessenlagen an Ru stungsproduktion. In den importierenden Ländern können Waffeneinfuhren Konflikte verschärfen. (Denkschrift, Ziffer 158). In der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) arbeiten Brot für die Welt Evangelischer Entwicklungsdienst und die Deutsche Kommission Justitia et Pax zusammen. Die GKKE- Fachgruppe Rüstungsexporte gibt einen jährlichen Rüstungsexportbericht heraus. Das Volumen der globalen Waffentransfers hat sich im Zeitraum zwischen 2012 und 2016 gegenüber dem vorangegangenen Vierjahreszeitraum (2007 bis 2011) um 8,4 Prozent erhöht. Der deutsche Anteil am weltweiten Waffenhandel liegt bei fünf Prozent. Damit steht Deutschland mit einem Anteil von 5,6 Prozent auf Platz fünf, hinter den USA, Russland, China und Frankreich. Das Friedensthema ist aktuell und liegt auf der Hand. Dazu zwei Beobachtungen: Äußere und innere Sicherheit und Frieden hängen zusammen und die Komplexität der Themen und Entwicklungen erzeugt Ohnmacht und Ratlosigkeit. 2

Äußere und innere Sicherheit äußerer und innerer Frieden In den Gesichtern der Geflüchteten kommen uns die Ursachen der Flucht in den Gemeinden und Einrichtungen von Kirche und Diakonie sehr nahe. Zehntausende von Haupt- und Ehrenamtlichen hören ihre Geschichten und sehen das Leid, die Not oder die Vertreibung, welche die Geflüchteten erfahren haben. Sie engagieren sich in der Flüchtlingsarbeit. Wer sich dort einbringt, wer sich auf die Menschen einlässt, spürt die Verbundenheit der Themen. Aber auch die Sorge vor Terrorismus oder vor Anschläge ist Realität. Leider wollen Gruppen wie der Alternative für Deutschland (AfD), daraus ihr eigenes politisches Süppchen kochen. Allerdings ist der innere Frieden weniger durch Herausforderungen durch Geflüchtete in Gefahr (Stichwort Arbeitsplätze) als vielmehr durch diejenigen, die sich antidemokratisch verhalten und gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Es gibt einen Zusammenhang zwischen äußerem und innerem Frieden. Dieses Verhältnis ist keine Einbahnstraße. In der Debatte wird Ursachenbekämpfung oft als Zauberwort verwendet. Es gibt viele Ursachen zu bekämpfen: Krieg, Gewalt, Verfolgung, die Missachtung von Menschenrechten und vor allem Perspektivlosigkeit in Ländern wie Afghanistan. Fluchtursachen sind aber auch unsere Art der westlichen Politik, der Form des Wirtschaftens sowie unseres Lebensstils. Zum Thema Wasser möchte ich dies kurz anhand von Zahlen von Brot für die Welt verdeutlichen. Eine Folge zunehmender Wasserknappheit ist, dass der Wettbewerb um Wasser vielerorts zunimmt. In den Jahren 2000 bis 2010 gab es 66 Wasserkonflikte mit Gewalteinwirkung plus zwei Konflikte in denen nur Eigentum beschädigt wurde. Von 2011 bis heute (Stand August 2017) gab es 113 gewaltsame Konflikte und fünf Eigentumsbeschädigungen. Zudem könnte man sagen, dass wir mehr Wasser essen als wir trinken. Für die Herstellung von 200 Gramm Rindersteak sind 3.000 Liter Wasser notwendig. Für einen Rinderbraten braucht es sogar 27.000 Liter. Mit unsere Lebens- und -essgewohnheiten sind wir mittelbar und unmittelbar beteiligt an den Entwicklungen. Diese Zusammenhänge sind nicht neu, verschärfen sich aber zunehmend und durch die Migrationsbewegungen kommen sie uns unausweichlich nahe. Komplexität und Ratlosigkeit Auf Grund der Vielzahl solcher Zusammenhänge mögen diese Fragen komplex und undurchschaubar sein. Es ist richtig, dass es keine einfachen Antworten mehr gibt. Einfache Parolen können nicht die Lösung sein. Angesichts der vielen Kriege und der Entwicklungen mögen sich Ohnmachtsgefühle einstellen. Verstärkt werden diese durch viele negative Geschichten in den Medien. Was fehlt sind Visionen sowie die positiven Geschichten des Gelingens. Sich der Ohnmacht hinzugeben, gibt allerdings denjenigen, die eine einfache Antwort bieten, Raum. Das dürfen wir nicht zulassen. Ziel unseres Engagements muss Differenzierung sein. Wir müssen die Geschichten des Gelingens erzählen. Sei über die Möglichkeit einer friedlichen Wiedervereinigung von Korea, sei es über die gelingende Integration von Geflüchteten in Arbeitsplätze, sei es vom wachsenden ehrenamtlichen Engagement oder seien es Geschichten der gewaltfreien Konfliktbearbeitung in einem gewaltvollen Kontext wie in Mali. 3

(2.) Das Leitbild des Gerechten Friedens Evangelische Friedensethik wie sie in der EKD-Friedensdenkschrift mit dem Titel Aus Gottes Frieden leben für gerechten Frieden sorgen aus dem Jahr 2007 formuliert ist, geht vom Vorrang für Zivil und gewaltfreie Konfliktlösung als prima ratio aus. Wie kann das heute angesichts der verschiedenen Themen und Entwicklungen gehen? Das Leitbild des Gerechten Friedens, wie es in der Friedensdenkschrift der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) aus dem Jahr 2007 unter dem Titel Aus Gottes Frieden leben für gerechten Frieden sorgen formuliert wurde, ist prominent bereits im Wort der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2000 benannt worden und stellt folglich einen ökumenischen Konsens dar Ökumene zunächst im Sinne der deutschen katholisch-evangelischen Ökumene. Des Weiteren ist der Gerechte Frieden spätestens seit den Versammlungen des Ökumenischen Rates der Kirchen in Kingston/Jamaika im Jahr 2010 und in Busan/Südkorea 2013 ein ökumenischer Leitbegriff im Sinne einer weltweiten christlichen Ökumene. Der Ökumenische Rat vertritt dabei etwa ein Drittel der Weltchristenheit. Das Leitbild des Gerechten Friedens nach der der Friedensdenkschrift der EKD ist ein umfassender friedensethischer Ansatz, der von vier Leitgedanken geprägt wird: 1. Gerechter Friede betont den engen Zusammenhang von Gerechtigkeit und Frieden wie er im Konziliaren Prozess von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung entwickelt wurde. Frieden wird dabei als Prozess zunehmender Gerechtigkeit und abnehmender Gewalt verstanden. Bei Jesaja 32 heißt es: Die Frucht der Gerechtigkeit wird Frieden sein... Ohne Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben. 2. Gerechter Friede beschreibt den engen Zusammenhang von Frieden und Recht. Dabei geht es im Rahmen einer globalen Friedensordnung als Rechtsordnung um ein funktionsfähiges System kollektiver Sicherheit, um die Gewährleistung der universellen und unteilbaren Menschenrechte, um die Gewährleistung von Mindestbedingungen für eine transnationale Gerechtigkeit und um die Ermöglichung kultureller Vielfalt. 3. Die evangelische Friedensethik ist geprägt vom Vorrang für Zivil und Prävention. Gewaltfreie Methoden der Konfliktbearbeitung sollen durch zivile Friedens- und Entwicklungsdienste für die Wiederherstellung, Bewahrung und Förderung eines nachhaltigen Friedens genutzt werden, nach dem Grundsatz: Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten. 4. Die Denkschrift verfolgt keinen pazifistischen Ansatz betont aber die zivile und gewaltfreie Konfliktbearbeitung als eine vorrangige Aufgabe. Die Denkschrift von 2007 beschreibt zur Durchsetzung von Recht die Anwendung von völkerrechtlich legitimierter Gewalt. Der Einsatz dieser Gewalt als ultima ratio ist eine viel diskutierte Frage auch im Kontext der evangelischen Friedensethik. Das christliche Ethos ist grundlegend von der Bereitschaft zum Gewaltverzicht (Matthäus 5,38ff) und vorrangig von der Option für die Gewaltfreiheit bestimmt. In einer nach wie vor friedlosen, unerlösten Welt kann der Dienst am Nächsten aber auch die Notwendigkeit einschließen, den Schutz von Recht und Leben durch den Gebrauch von Gegengewalt zu gewährleisten (Römer 13,1 7). Der Einsatz des Militärs ist nur in schwersten Fällen von Menschenrechtsverletzungen, Genozid und Massenmord als Ausnahmetatbestand denkbar und folgt 4

engen Kriterien. Dabei müssen beispielsweise Fragen nach der Legitimität, der Verhältnismäßigkeit der Mittel oder den Erfolgsaussichten gestellt werden. Die Denkschrift betont aber die zivile und gewaltfreie Konfliktbearbeitung als eine vorrangige Aufgabe. Wir diskutieren immer sehr schnell über die ultima ratio militärischen Eingreifens. Die Denkschrift macht aber die prima ratio zu ihrer Sache: Was heißt das konkret? (3.) Gewaltfreiheit und zivile Lösungsansätze Mit dem Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung aus dem Jahr 2004 und seiner Weiterentwicklung hat die Bundesregierung ein ressortübergreifendes Instrument für Prävention und gewaltfreie Konfliktbearbeitung geschaffen. An dessen Stelle trat am im Juni 2017 ein neues Grundlagendokument: Die Leitlinien Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern der Bundesregierung. Durch die will Deutschland einen Beitrag dazu leisten, zivile Fähigkeiten zur Krisenprävention und Konfliktbearbeitung weiter zu verbessern. Leider erscheinen diese Instrumente viel zu wenig in der Öffentlichkeit und werden finanziell zu gering ausgestattet. Instrumente einer zivilen Konfliktbearbeitung sind zum Beispiel das Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF) oder der Zivile Friedensdienst (ZFD). Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) Vermittlung von zivilen Expertinnen und Experten in Missionen der OSZE, EU oder UN bis hin zu Thesenpapieren für den Bundestag Expertenpool aus ca. 1.500 Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen ca. 150 zivile Experten und 300 Wahlbeobachter im Einsatz. Vom Staatsanwalt in Kabul, der die Staatsanwälte dort in Sachen Bekämpfung der Korruption berät über den Berater für den Strafvollzug in Liberia und die Psychologin in Haiti bis zur Beobachterin der Mission in der Ukraine zur Überprüfung des Minsker Abkommens und dem Wahlbeobachter in Tadschikistan reicht das Spektrum der Einsätze. Ziviler Friedensdienst (ZFD) Der Zivile Friedensdienst (ZFD) ist ein Programm für Gewaltprävention und Friedensförderung in Krisen- und Konfliktregionen. Er setzt sich für eine Welt ein, in welcher Konflikte ohne Gewalt geregelt werden. Neun deutsche Friedens- und Entwicklungsorganisationen führen den ZFD gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen durch. Der ZFD wird von der Bundesregierung gefördert. Fachkräfte des ZFD unterstützen Menschen vor Ort langfristig in ihrem Engagement für Dialog, Menschenrechte und Frieden. Aktuell arbeiten rund 300 internationale ZFD-Fachkräfte in 42 Ländern. Mit einem reichhaltigen Instrumentarium agiert und reagiert der Zivile Friedensdienst in und auf Krisensituationen sowohl präventiv, als auch in eskalierenden Konfliktsituationen und in 5

Postkonfliktsituationen, in Differenzen zwischen Personen und Personengruppen, in strukturellen Konflikten und internationalen Krisen. Indem ich vorhin die Grundlinien der Denkschrift hier in aller Kürze darstelle, will ich deutlich machen, dass der Vorrang des Zivilen Schwerpunkt und Stoßrichtung der Denkschrift ist. Sie denkt vom gerechten Frieden her und zeigt Wege zu diesem Engagement auf. Sie will sowohl kirchliche als auch nicht-kirchliche Akteure ermutigen, sich für einen gerechten Frieden einzusetzen. Eine konkrete Organisation, welche sich der zivilen Konfliktbearbeitung verschrieben hat, ist EIRENE. Den Grundsätzen Gewaltfreiheit, Internationalität und Friedensspiritualität verpflichtet, ist der christliche Friedens- und Entwicklungsdienst seit 1957 tätig. EIRENE fördert Friedensbildung in Mali, vor allem in der Stadt Gao. Ansatz dabei ist die Förderung des Dialogs, der Versöhnung und des friedlichen Zusammenlebens zwischen den unterschiedlichen ethnischen und sozialen Gruppen. In Flüchtlingsunterkünften im Landkreis Neuwied und Altenkirchen in Deutschland ermittelt eine Friedensfachkraft bestehende Konflikte und bietet direkte Mediation an. In Lateinamerika, Afrika, den USA und Europa engagieren sich Freiwillige und Fachkräfte immer gemeinsam mit Partnerorganisationen weltweit für eine Kultur der Gewaltfreiheit, für soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Der Vorrang der zivilen Konfliktbearbeitung, wie er in der Denkschrift formuliert ist, ist keine Illusion, die der Wirklichkeit nicht standhalten können. Dieser Vorrang ist erreichbar. Die diesjährige Preisträgerin des Friedrich Siegmund-Schultze Förderpreis für gewaltfreies Handeln der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden (EAK) ist das beste Beispiel dafür. Die Menschen, welche das Engagement von EIRENE tragen, sind für mich Friedensstifter*innen. Selig sind die Frieden stiften. Durch ihr erfolgreiches und langjähriges gewaltfreies Handeln und ihren Einsatz für Zivile Konfliktbearbeitung zeigen sie, dass Gewaltfreiheit möglich ist auch in Kontexten in denen Gewalt den Alltag der Menschen bestimmt. (4.) Aktivitäten im Raum der EKD zur Friedensethik Im Raum der EKD lassen sich vier Ebenen ausmachen auf denen Aktivitäten zu friedensethischen Fragen behandelt werden: In der Wissenschaft, policy-orientiert im politischen Raum, im ökumenischen Kontext und in landeskirchlichen Prozessen. Wissenschaft An der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg hat im November 2016 ein Konsultationsprozess mit dem Titel Orientierungswissen zum gerechten Frieden Im Spannungsfeld zwischen ziviler gewaltfreier Konfliktprävention und rechtserhaltender Gewalt begonnen. Bis zum Sommer 2019 soll eine Bestandsaufnahme des friedenethischen Forschungsfeldes vorgenommen werden, die einer Rekonstruktion und ggf. Revision der Grundlagen evangelischer Friedensethik dienen soll. 6

Die Konsultationen sind auf folgende Arbeitsgruppen verteilt: 1. Ethische Grundsatzfragen; 2. Gerechter Friede und Gewalt; 3. Gerechter Friede durch Recht; 4.Gerechter Friede und politische Friedensaufgaben. Die Mitglieder der Arbeitsgruppen kommen aus der Evangelische und Katholischen Theologie, Philosophie, dem Völkerrecht, der Politikwissenschaft bzw. Soziologie sowie aus der Naturwissenschaft. Auch ist in jeder Gruppe eine Person vertreten, welche die Perspektive der Praxis mit einbringt. Die interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppen sollen im Rahmen des Konsultationsprozesses mit insgesamt 23 Konsultationen das in der Denkschrift entwickelte Leitbild des gerechten Friedens prüfen und weiterdenken. Ziel ist es, zentrale ethische, friedensethische sowie theologische Grundlagen zu klären, aktuelle Friedensgefährdungen und neue Problemlagen zu bestimmen sowie diese friedensethisch zu reflektieren. Die Ergebnisse des Konsultationsprozesses Orientierungswissen zum gerechten Frieden werden in einer 25-bändigen Reihe Gerechter Frieden veröffentlicht. policy-orientiert im politischen Raum Die Evangelischen Akademien in Deutschland (EAD) führen seit dem Jahr 2012 das Diskursprojekt Dem Frieden in der Welt zu dienen durch. Ziele der in den verschiedenen Evangelischen Akademien durchgeführten Veranstaltungen sind Evaluation, ethische Reflexion und Unterstützung der Policy-Entwicklung. Die Policy-Orientierung dieses Projekts bedeutet, dass evangelische Friedensethik und das Leitbild des Gerechten Friedens in politische, militärische und wirtschaftliche Kontexte hinein anschlussfähig formuliert werden. Wichtiger Bestandteil des EAD-Projekts sind die sog. Kamingespräche, die als politische Hintergrundgespräche etwa zwei bis drei Mal im Jahr kleinen Rahmen mit den im Bundestag vertretenen Parteien stattfinden. Es geht dort um Themen wie Rüstungsexporte, zivile Konfliktbearbeitung, Kohärenz verschiedener Papiere der Bundesregierung (Weißbuch, Leitlinien AA). Regelmäßig nehmen daran der Evangelische Militärbischof und der Friedensbeauftragte des Rates der EKD teil. Nach einer ersten erfolgreichen Projektphase (2012-2015), in der sowohl die friedensethischen Diskurse innerhalb der Kirchen als auch die außen- und sicherheitspolitischen Debatten systematisch angegangen und auf einander bezogen werden konnten, setzen die Evangelischen Akademien in Deutschland (EAD) die begonnenen Diskurse fort. Die politische wie gesellschaftliche Bereitschaft zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Strategieentwicklung scheint gewachsen zu sein. Der Anspruch, konkurrierende Politikziele zu einem kohärenten friedenspolitischen Leitbild zusammenzuführen, bedarf des fortgesetzten politischen, fachlichen und öffentlichen Diskurses. Dabei gilt es, zukünftig verstärkt den Fokus auch auf die Einbeziehung der internationalen Diskurse vor allem in transatlantischer Perspektive zu richten. Die Evangelischen Akademien in Deutschland haben mit über 40 Veranstaltungen Akteure aus Wissenschaft, Politik, Militär, Kirchen, Zivilgesellschaft und Medien miteinander ins Gespräch gebracht. Damit konnten sie Akzente evangelischer Friedensethik setzen und die Meinungsbildung in Kirche und Öffentlichkeit voranbringen. 7

Ökumenischer Kontext Ich verstehe alle die Prozesse zur Friedensethik im Raum der EKD als einen Beitrag auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens, wie er von der Vollversammlung des ÖRK in Busan/Südkorea im Jahr 2013 ausgerufen worden ist. Das Leitbild des Gerechten Friedens verdankte sich seit den großen ökumenischen Versammlungen 1988/98 sehr wesentlich ökumenischen Impulsen. So legt sich eine enge Verzahnung mit dem ÖRK und anderen Kirchen sehr nahe unter dem Leitbild des Gerechten Friedens als Konsens unter den Kirchen. Einen bedeutsamen Schritt auf dem Pilgerweg im Raum der EKD stellte die Internationale Friedenskonsultation How to become a just Peace Church im Jahr 2016 in Berlin dar. Wie können Kirchen zu Kirchen des gerechten Friedens werden? Und das in gesellschaftlichem Wandel und zur Erneuerung der Kirchen aus dem Geist des Gerechten Friedens? Mit dieser Frage beschäftigte sich die viertägige ökumenische Konsultation im. Es waren 20 internationale Gäste aus 16 Ländern, die an dieser Konsultation teilnahmen. Länder wie Korea, Sri Lanka, Südafrika, die USA und die Ukraine prägten mit ihren Kontexten die Konsultation. Und auch Vertreter*innen verschiedener Konfessionen aus Deutschland waren dabei, so die Mennoniten, die Methodisten, andere Freikirchen, aber auch Vertreter der römisch-katholischen Kirche. Alle Teilnehmenden haben sich auf einen Prozess eingelassen, der ein Schritt auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens darstellt. Eine Einsicht dabei war, dass es ein langer Weg ist zum Frieden, der nur in der ökumenischen Gemeinschaft gelingen kann. Die Konsultation hat zur Ermutigung auf diesem Weg beigetragen. Zum einen stand dabei die Frage nach der sozialen Praxis des Friedens im Fokus. Wie kann Kirche sich einbringen in massive Transformationsprozesse unserer Gesellschaften? Wie können Gemeinden in ihrem jeweiligen Kontext konkret und praktisch Friedensstifterinnen sein und welche Formen gemeinschaftlichen Lebens (Kommunitäten etc.) bieten eine Praxis des Friedens? Dieses in der Verbindung von Friedensspiritualität, Friedenstheologie, Friedensethik und Friedenspraxis exemplarisch einzuüben, war auch der Anspruch der Konsultation selbst und hat sich in einer geistvollen Atmosphäre auch tatsächlich ereignet, wie einige Rückmeldungen deutlich gemacht haben. Zum anderen war es das Ziel als Evangelische Kirche in Deutschland, auf die Erfahrungen der Christ*innen und Kirchen in der Ökumene zu hören, sich von ihnen befragen zu lassen und von ihnen zu lernen. Wir wollen als ökumenische Lerngemeinschaft miteinander lernen. Die deutsche Diskussion zu friedensethischen Fragen wird oft sehr innerdeutsch geführt und verengt sich auf die Frage der ultima ratio, der Auslandseinsätze oder eines grundsätzlichen Pazifismus. Aus der Ökumene zu lernen, heißt, andere Kontexte und Perspektiven einzunehmen und von anderen Kirchen zu lernen, welche Wege sie auf dem Weg der Gerechtigkeit und Friedens zu gehen. Ein wichtiger Impuls kam dabei aus der United Church of Christ (UCC) aus den USA, die sich schon seit Jahren als just peace church bezeichnet und es in Programmen bis auf die Gemeindeebene durchbuchstabieren will. Kirche orientiert sich an einem umfassenden Friedensbegriff: Frieden in der Gemeinschaft, Frieden mit der Erde, Frieden in der Wirtschaft und Frieden zwischen den Völkern. Dies bildet die Mitte des Evangeliums. Diese Konsultation diente dem Austausch darüber, was das für die Botschaft, die Gestalt und die Arbeit der Kirche bedeute. Und dies in ökumenischer Gemeinschaft. An der Spitze der 8

Kirchen, aber auch in den Gruppen, Gemeinschaften, Netzwerken, Gemeinden an der Basis. Frieden fängt im Kleinen an zu wachsen. Landeskirchliche Prozesse Inspiriert von den intensiven und vertieften Auseinandersetzungen mit friedensethischen Fragen in der badischen Landeskirche haben sich in mittlerweile vielen weiteren Landeskirchen die jeweiligen Synoden in den letzten Jahren auch vor dem Hintergrund der Friedensdenkschrift von 2007 und aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit Fragen von Frieden und Gerechtigkeit befasst. Ein näherer Blick darauf zeigt, dass dabei verschiedene Akteure und unterschiedliche Themenzugänge festzustellen sind. Einige Landessynoden haben bereits konkrete Beschlüsse zu Kirche des gerechten Friedens werden gefasst. Andere wiederum sind bereits auf dem Weg bzw. haben konkrete Prozesse in diesem Sinne angestoßen. Des Weiteren bilden sich Initiativen im Raum der Landeskirchen, welche die Auseinandersetzung mit friedensethischen Themen einfordern und an ihre Kirchenleitungen oder Synoden herantragen. Außerdem befassen Synoden sich auch immer wieder mit friedenspolitischen Einzelthemen wie konkrete internationale Konflikte (z.b. Syrien) oder die Rolle von deutschen Rüstungsexporten und die Frage der Rüstungskonversion. Schlüsselfragen sind, inwieweit die Friedenstheologie auch eine der Gewaltfreiheit ist und wie die Maxime si vis pacem para pacem als prima ratio gegenüber der ultima ratio von Gewalt befolgt wird. Bei einer gesamten Würdigung der verschiedenen Prozesse Kirche des gerechten Friedens werden in den Landeskirchen wird Heterogenität sichtbar. Es gib nicht den einen Weg, aber es gibt das eine Ziel: Das Leitbild des gerechten Friedens für die Arbeit in den Landeskirchen greifbar zu machen! EKD-Synode 2019 Schritte auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens Für das Jahr 2019 plant die EKD eine Friedenssynode. Die 6. Tagung der 12. Synode der EKD soll unter dem Schwerpunktthema Schritte auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens stehen. Der Komplexität des Themas angemessen wurde ein zweijähriger Prozess begonnen, um eine intensive Vorbereitung einen breiten Beteiligungsprozess zu ermöglichen. Ein Zwischenschritt war im September 2018 eine Friedenskonsultation, an der EKD-Synodale und landeskirchliche Synode sowie Fachleute und Akteure der Friedensarbeit aus den eben genannten unterschiedlichen Feldern beteiligt sind. Aktuell vertiefen Arbeitsgruppen bereits identifizierte Kernthemen und sollen diese zu knappen Stellungnahmen zusammenfassen, die im Frühjahr 2019 dem Präsidium der Synode als Grundlage für die Vorlagen der Dresdener Synodaltagung dienen werden. 9

Die bisher benannten neun Kernthemen sind: Frieden im Alltag, soziale Praktiken des Friedens und der Versöhnung, Zusammenleben in Verschiedenheit Friedensbildung, Friedenspädagogik, Erinnerungskultur Friedensspiritualität und Friedenstheologie Gewalt, Gewaltfreiheit, Pazifismus Interreligiosität und Interkulturalität Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Entwicklung, Klima Rüstung / Abrüstung, Waffentechnologie (Atomwaffen, autonome Waffensysteme, Cyberwar) Europa als Friedensprojekt Kirche als Akteur Selbstreflexion/Handeln/Prozess Aufgabe der EKD-Synode wird es sein, die Friedensbotschaft des Evangeliums neu in die gegenwärtigen Herausforderungen und Aufgaben hineinzusprechen. Die Friedensdenkschrift von 2007 ist dafür ein guter Rahmen, aber längst nicht mehr ausreichend. Es geht darum, das Leitbild des gerechten Friedens in der Vielfalt der Bezüge zu entfalten: als geistliche Praxis und theologische Rechenschaft, als ethische Orientierung, in seiner politischen Relevanz, in ökumenischer Weite und ausgerichtet auf kirchliche Erneuerung. Neben der Aufgabe, evangelische Friedensethik weiterzudenken, soll so etwas wie eine Selbstverpflichtung der evangelischen Kirche stehen, ihre eigene Botschaft und Gestalt zu prüfen und konkrete Schritte auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens zu gehen. Friede als Kern der christlichen Botschaft Ich denke in meinen Ausführungen wurde sehr deutlich, dass der Frieden zum Kern der christlichen Botschaft gehört und keine Randerscheinung ist. In der Weihnachtsgeschichte sagen die Engel: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden. Dem, dessen Geburt in dieser Geschichte erzählt wird, folgen wir als Christenmenschen und als Kirche. Deshalb können wir gar nicht anders als uns für den Frieden einzusetzen. Der Frieden ist ein zentrales Thema der Bibel und des christlichen Glaubens. Wenn wir uns als Kirche einmischen in die friedenspolitische und friedensethische Debatte, dann folgen wir der Botschaft Jesu, dem Geist des biblischen Schaloms (hebräisch für Frieden) eines umfassend gemeinten Friedens, der wie es der Psalm sagt, die Gerechtigkeit küsst und das Recht aufrichtet. Die biblische Rede über den Frieden ist wegweisend und gibt realistische Orientierung auch wenn sie eine über die Realität hinausschießende Vision entwickelt. Frieden ist im biblischen Sinne des Schalom ein Zusammenspiel verschiedener Aspekte und beschreibt das umfassende Wohlergehen, ein intaktes Verhältnis der Menschen untereinander, zur Gemeinschaft, zur Mitwelt und zu Gott. Die Rolle der Kirche ist es dabei nicht nur, eine friedensethische Debatte zu führen oder anzumahnen, sich in die gesellschaftlichen und politischen Prozesse einzumischen und sich konkret in Kirche und Diakonie, in Friedensgruppen und Entwicklungsarbeit zu engagieren sondern auch von der Hoffnung zu erzählen, die uns trägt. Es ist auch eine geistliche, spirituelle Frage, wie wir dem Frieden dienen können. 10

In jedem Gottesdienst wird uns der Friede Gottes in der Regel zweimal zugesprochen. Im sogenannten Kanzelgruß am Ende der Predigt heißt es oft: Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Und im Segen am Ende des Gottesdienstes heißt es in der Regel: Der Herr segne und behüte dich, er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; er erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir seinen Frieden! Dem Frieden gehört also das letzte Wort. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich nun auf das Gespräch und den Abend mit Ihnen! 11