Fragenkatalog für die Sachverständigen

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Transkript:

17 STELLUNGNAHME 17/1146 A14 Fragenkatalog für die Sachverständigen 1. Welche Forderungen ziehen Sie aus dem Abschlussbericht der rechtstatsächlichen Untersuchung zur Qualität in der rechtlichen Betreuung und welche wesentlichen Qualitätsmängel und deren Ursachen wurden nach Ihrer Auffassung aufgezeigt? Das System der rechtlichen Betreuung hat sich grundsätzlich bewährt und steht nicht im Widerspruch zur UN-BRK. Die 54 Handlungsempfehlungen des Abschlussberichtes beinhalten daher auch keine Fundamentalkritik. Vielmehr werden einzelne Defizite aufgezeigt, die jedoch nur zum Teil durch den Gesetzgeber behoben werden können (vgl. zur UN-BRK: Handlungsempfehlungen 33 / 34). Für den Bundesverband freier Berufsbetreuer ist die Forderung nach einer Berufsausbildung für rechtliche Betreuer und die Regelung der Zulassung zum Beruf eine zentrale Forderung (Handlungsempfehlung 11). Der BVfB sieht außerdem keinen Widerspruch zwischen der Unterstützung des Betreuten im Innenverhältnis und der rechtlichen Vertretung im Außenverhältnis. Wenn man die Forderung nach mehr Selbstbestimmung des Betreuten ernst nimmt, benötigen rechtliche Betreuer mehr Zeit, um in Gesprächen den Willen der betreuten Menschen in Erfahrung zu bringen und im Außenverhältnis umzusetzen. Eine weitere wichtige Forderung ist die Regelung der Vertretung rechtlicher Betreuer bei krankheitsoder urlaubsbedingter Verhinderung (Handlungsempfehlungen 6 / 10). Als eine wesentliche Ursache für die aufgezeigten Mängel sehen wir eine Überforderung von rechtlichen Betreuern, Rechtspflegern, Behördenmitarbeitern und Betreuungsrichtern, die sich in erster Linie aus der Anzahl der übernommenen Betreuungen bzw. der übertragenen Betreuungsverfahren ergibt. Unser Verband beobachtet mit Sorge, dass rechtliche Betreuer in zunehmendem Maße mit dem Hinweis auf eine psychische Erkrankung (Burn-Out) ihren Beruf aufgeben. 2. Worin besteht für Sie aktueller Handlungsbedarf in der Betreuung mit Blick auf die Vergütung? Gut ausgebildete rechtliche Betreuer werden dem Beruf den Rücken kehren, wenn er nicht finanziell lukrativer wird. Über 80 % der Berufsbetreuer arbeiten selbständig und müssen von der Vergütung ihre Krankenversicherung, Personalkosten und Gewerbemieten bezahlen. Hinzu kommt der Aufbau der Altersvorsorge. Stundensätze zwischen 27,00 und 44,00 sind ungeeignet, um diese Kosten abzudecken und einen angemessenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Außerdem hat der Abschlussbericht nachgewiesen, dass rechtliche Betreuer pro Betreuung monatlich fast 50 Minuten mehr arbeiten als sie bezahlt bekommen. Bei durchschnittlich 38 geführten Betreuungen sind das über 30 nicht vergütete Stunden im Monat. Seite 1 von 6

3. Ist Ihrer Meinung nach der zeitliche Aufwand für eine Betreuung seit Einführung der pauschalierten Vergütung gestiegen? Der Großteil rechtlich betreuter Menschen ist mittellos und auf Sozialleistungen angewiesen. Das Soziallrecht ist in 12 Gesetzbüchern - nicht gerade übersichtlich - geregelt und ständig Gegenstand politischer Reformbemühungen. Die Einstellung auf diese permanenten Gesetzesänderungen ist für rechtliche Betreuer mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Die ständigen Änderungen unterliegenden Regelungen werden immer komplexer und unübersichtlicher. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen der Flüchtlingskrise, des Bundesteilhabegesetzes und der EU-Datenschutzgrundverordnung in der ISG-Studie noch gar nicht berücksichtigt werden konnten. Der BVfB ist überzeugt davon, dass diese Faktoren zu einem weiteren Anstieg des Zeitaufwandes ab 2015 geführt haben. Die Ausstattung der Verwaltung und der Krankenhäuser ist in einigen Bundesländern mangelhaft. Diese Mängel bekommen rechtliche Betreuer unmittelbar zu spüren. Der Druck und die Wartezeiten steigen. Die Kommunikation ist erheblich erschwert. Telefonate mit Behördenmitarbeitern sind jedenfalls in den Ballungsgebieten die Ausnahme, weil man entweder in der Warteschleife landet oder Niemanden erreicht. 4. Welche Rolle spielen Ausnahmefälle (also Fälle mit besonderer zeitlicher Intensität) bei der Vergütung für Betreuer/innen? Ausnahmefälle wurden bei der Berechnung der Pauschalvergütung bisher nicht berücksichtigt. Dadurch war bereits eine Unterfinanzierung bei Einführung der Pauschalvergütung absehbar. Unabhängig von den unterschiedlichen Auffassungen, die in der Wissenschaft zu diesem Thema vertreten werden, führt die Berücksichtigung von Ausnahmefällen bei der Festlegung von Pauschalen zu einer höheren Akzeptanz des pauschalen Vergütungssystems bei Berufsbetreuern. Denn jeder Berufsbetreuer dürfte mehrere rechtliche Betreuungen führen bei denen der tatsächlich zu leistende Zeitaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu den pauschal vergüteten Stundenansätzen steht. 5. Halten Sie das derzeitige Pauschalvergütungssystem im Grundsatz - unabhängig von der derzeitigen Vergütungshöhe und der derzeitigen Stundenansätze - für erhaltenswert, oder wie könnte ein alternatives Vergütungssystem ausgestaltet werden? Die Erfahrungen mit einer minutengenauen Abrechnung haben gezeigt, dass diese zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führt, der vor allem zulasten der rechtlich betreuten Menschen geht. Rechtliche Betreuer und Rechtspfleger benötigen ihre knapp bemessene Arbeitszeit für wichtigere Tätigkeiten. Dass dies im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen kann, sollte akzeptiert werden. Das Pauschalvergütungssystem sollte unbedingt erhalten bleiben. Seite 2 von 6

6. Mit dem vom Deutschen Bundestag am 18. Mai 2017 beschlossenen Gesetz zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und zur Anpassung der betreuer- und Vormündervergütung (Drucksache 18/12427) ist eine Erhöhung der Stundensätze um 15 Prozent vorgesehen. Halten Sie diese Anpassung für sachgerecht? Eine Erhöhung der Stundensätze um 15 % spiegelt nicht ansatzweise die Ergebnisse der ISG-Studie wieder. Diese hat hinsichtlich der vergüteten Stundenansätze verglichen mit der tatsächlich aufgewendeten Zeit Abweichungen zwischen mindestens 10 % und höchsten 83 % ergeben. Durchschnittlich wären nach der ISG-Studie die Stundenansätze um 24 % anzuheben. Darüber hinaus wird eine Anpassung der Stundensätze im Hinblick auf vergleichbare Berufe im Öffentlichen Dienst um weitere 25 % empfohlen. Die Auswertung der vorliegenden Zahlen zur Einnahme- Ausgabesituation von selbständig tätigen Berufsbetreuern hat außerdem ergeben, dass diese durchschnittlich über ein Nettoeinkommen von nicht einmal 1.500,00 verfügen. 7. Wie sollte zukünftig die Bestellung/Zulassung und Aufsicht von Berufsbetreuer/innen erfolgen und welcher Ausbildungs-/Qualifikationsgrundlage bedarf es dazu? Nach Auffassung des BVfB sollte die Zulassung zum Beruf an eine abgeschlossene Ausbildung - der BVfB hält ein Betreuerstudium mit Bachelorabschluss für erforderlich - geknüpft werden. Die derzeitige Praxis, die die Zulassung faktisch vom Bestehen einer gesetzlich nicht vorgesehenen Prüfung bei den Betreuungsbehörden abhängig macht, halten wir im Hinblick auf Art. 12 GG für verfassungswidrig. Wir halten solche Prüfungen auch generell nicht für ausreichend, um die Zulassung zum Beruf dauerhaft zu regeln. Der BVfB hat daher einen Gesetzgebungsvorschlag zur Berufszulassung ausgearbeitet. Von der Zulassung zum Beruf ist die Bestellung eines rechtlichen Betreuers im Einzelfall zu unterscheiden. Insoweit sind in erster Linie die Wünsche des Betreuten und die Anforderungen an die Führung der Betreuung zu beachten. Jedoch darf auch in diesem Zusammenhang die Berufsausübungsfreiheit von Berufsbetreuern nicht unberücksichtigt bleiben. Die Ausbildungsinhalte sollten länderübergreifend festgelegt werden. Die Gesetzgebungskompetenz liegt insoweit nicht beim Bund. Der BVfB sieht jedoch keinerlei Anzeichen dafür, dass die Länder ein Interesse an einer Regelung von Ausbildungsinhalten für Berufsbetreuer haben. Ausgangspunkt für entsprechende Regelungen wären die Studienpläne derjenigen Universitäten, die für Quereinsteiger entsprechende Studiengänge anbieten. Die Aufsicht von Berufsbetreuern sollte (noch) durch die Justiz ausgeübt werden. Jedoch strebt der BVfB langfristig eine Selbstverwaltung des Berufs und die Errichtung einer Betreuerkammer an. Da die Aufsicht rechtlicher Betreuer einerseits den betreuten Menschen nicht unmittelbar zugutekommt und andererseits mit erheblichem Zeitaufwand verbunden ist, sollte darüber nachgedacht werden, Seite 3 von 6

die Regelungen über die Aufsicht der Tätigkeit von rechtlichen Betreuern zu entbürokratisieren und weiterhin auf die Rechtsaufsicht zu beschränken. Eine klare Abgrenzung zwischen Rechtsaufsicht und Fachaufsicht ist jedoch bislang in im Betreuungsrecht nicht gelungen und wird in der Praxis auch nicht durchgeführt. 8. Welche Rolle spielt das Ehrenamt hinsichtlich der beruflich tätigen Betreuer/innen? Ohne ehrenamtliche Betreuer würde das gesamte System nicht funktionieren. Um die zumeist auf dem Gebiet des Betreuungs- und Sozialrechts unerfahrenen ehrenamtlichen Betreuer zu unterstützen, ist die Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine und die Beratung durch die Betreuungsbehörden hilfreich und wichtig. 9. Was ist Ihr Verständnis von Qualität in der rechtlichen Betreuung und wie kann diese gesichert werden? Die ISG-Studie hat sich überwiegend mit der Struktur- und Prozessqualität befasst. Um diese zu verbessern, ist eine Regelung der Berufszulassung, die die fachlichen Anforderungen an die Berufsausübung auch inhaltlich benennt, von besonders großer Bedeutung. Weitere Forderungen beinhalten die Handlungsempfehlungen der ISG-Studie. Abgesehen davon hängt das Gelingen einer Betreuung (Ergebnisqualität) nach Auffassung des BVfB von Faktoren ab, die der Gesetzgeber kaum beeinflussen kann. Erforderlich ist zum einen ein geschützter Kernbereich im Verhältnis zwischen dem betreuten Menschen und dem rechtlichen Betreuer, der frei von staatlicher Aufsicht sein muss. Denn anderenfalls kann kein Vertrauen zwischen dem Betreuten und dem rechtlichen Betreuer aufgebaut werden. Zum anderen hängt der Erfolg einer Betreuung von dem persönlichen Engagement der beteiligten Personen (Leistungsträger / Leistungserbringer / Betreuer / Betreuter, Ärzte etc.) und deren Fähigkeit im Team zusammenzuarbeiten ab. Diese Zusammenarbeit kann der Gesetzgeber am besten dadurch positiv beeinflussen, dass er den handelnden Akteuren mehr Zeit für die Ausübung ihrer Tätigkeit zugesteht und ihre Arbeit fair bezahlt. 10. Welche Reformvorschläge gibt es, das Betreuungsrecht konsequenter i.s. der UN-Behindertenrechtskonvention zu verändern? Die Vorschläge des BVfB zu diesem Thema sind bekannt. Wir vertreten - wie auch die Bundesregierung - die Auffassung, dass das Betreuungsrecht der UN-Behinderten-rechtskonvention entspricht. Darüber hinaus beinhaltet das Betreuungsrecht nur einen sehr begrenzten und kleinen Ausschnitt des Behindertenrechts und lässt sich der in der UN-BRK viel beschworene Paradigmenwechsel im Betreuungsrecht nicht vollständig umsetzen. Eine rechtliche Betreuung setzt nicht zwangsläufig eine Behinderung voraus und die mit Abstand größte Zahl behinderter Menschen kommt gut ohne eine rechtliche Betreuung aus. Das soll und wird auch so bleiben. Wenn aber eine Erkrankung oder Behinderung zur Folge hat, dass ein Mensch seine Seite 4 von 6

rechtlichen Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann und auch tatsächlich etwas zu regeln ist, ist eine rechtliche Betreuung mit der Befugnis zur Stellvertretung zum Schutz des Betroffenen verfassungsrechtlich geboten. Dass dabei das Selbstbestimmungsrecht der betreuten Person zu wahren ist, stellt für den BVfB eine Selbstverständlichkeit dar. Insoweit wird zu diskutieren sein, ob und ggf. in welchem Umfang an dem Begriff des (objektiven) Wohls festgehalten werden kann ( 1901 BGB). Ein Handeln gegen den Willen des Betreuten wird jedoch in Ausnahmefällen (Gefahr einer erheblichen Selbstschädigung) unumgänglich sein. Das weiß (leider) jeder, der einmal selbst eine rechtliche Betreuung geführt hat, bei der ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet oder eine Unterbringung erforderlich war. Die Alternative bestünde darin, die Betroffenen ihrem Schicksal zu überlassen. 11. Mit welcher anderen selbständigen Tätigkeit ist die beruflich geführte rechtliche Betreuung Ihrer Ansicht nach vergleichbar? Rechtliche Betreuer sind Interessenvertreter der betreuten Menschen in rechtlichen Angelegenheiten. Folglich ergibt sich eine Nähe des Berufs zur Anwaltschaft. Die statusbildenden Pflichten der Anwaltschaft, nämlich das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und die Verpflichtung zur Verschwiegenheit, gelten zwar nicht für rechtliche Betreuer, jedoch sind bereits nach geltendem Recht Interessenkollisionen zu vermeiden bzw. rechtlich unzulässig (vgl. z.b. 1897 Abs. 3 BGB). Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Berufsgruppen ist die Zuständigkeit des rechtlichen Betreuers für Aufgabenkreise. Im Gegensatz dazu ist der dem Rechtsanwalt erteilte Auftrag in der Regel auf einen konkreten Fall beschränkt. 12. Übernehmen Ihrer Ansicht nach rechtliche Betreuer Aufgaben, die eigentlich von Sozialleistungsträgern zu erfüllen sind? Wenn ja, welche sind das? Nein, wenn sie sich hierzu im Einzelfall auf Grund fehlender Beratung oder fehlender aufsuchender Hilfe genötigt sehen, führt dies jedenfalls nicht zu einer im Rahmen der ISG-Studie bezifferbaren Erhöhung des Arbeitsaufwandes. 13. Falls einheitliche Standards, beispielsweise eine leistungsorientierte Pauschalvergütung, bei der Ausübung der Betreuungsmaßnahmen nach einem festen Kriterienkatalog gesetzt werden sollen, welche konkreten Kriterien würden Sie hierfür heranziehen? Die Kriterien für die Pauschalvergütung sollten sich am voraussichtlichen Aufwand für die rechtliche Betreuung orientieren. Insoweit hat sich die Differenzierung nach der Wohnsituation des betreuten Menschen - Heim oder eigene Wohnung - grundsätzlich bewährt. Schwer einzuschätzen sind derzeit die Änderungen, die sich ab 2020 (Bundesteilhabegesetz) ergeben werden. Zwar sind ab 2020 auch ambulante Wohnformen vorstellbar, die mit weniger Arbeitsaufwand für den rechtlichen Betreuer einhergehen, jedoch sind die in den Bundesländern vorhandenen Wohnformen für Sozialleistungsempfänger sehr unterschiedlich ausgestaltet, so dass der Gesetzgeber für das Kriterium der Wohnform eine Formulierung finden sollte, die es der Rechtsprechung wie bisher ermöglicht, den voraus- Seite 5 von 6

sichtlichen Aufwand für eine rechtliche Betreuung als maßgebliches Differenzierungskriterium bei der Auslegung des Gesetzes zu berücksichtigen. Die Vermögensverhältnisse des Betreuten (mittellos - vermögend) sind nach Auffassung des BVfB als Kriterium für die Höhe der Pauschalvergütung nur insoweit geeignet, als dass mit der Verwaltung hoher Vermögen eine höhere Verantwortung verbunden ist. Der BVfB hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die in dem Betreuungsgutachten diagnostizierte Erkrankung ein sinnvolles Differenzierungskriterium darstellen könnte. Nach den Erfahrungen des BVfB ist insbesondere die rechtliche Betreuung junger Menschen, die an schweren psychischen Erkrankungen leiden, besonders arbeits- und zeitintensiv. Schließlich sollte es dabei bleiben, dass die Anfangsphase einer rechtlichen Betreuung (ca. 2 Jahre) höher vergütet wird als die Tätigkeit danach, da erfahrungsgemäß der Aufwand für eine rechtliche Betreuung mit zunehmender Dauer in der Regel abnimmt. Auf keinen Fall sollte das Pauschalvergütungssystem durch die Einführung zahlreicher weiterer Kriterien verkompliziert werden. 14. Ist eine Reform der Aufteilung der Betreuung in ehrenamtliche und hauptberufliche Betreuer bzw. selbständige Betreuer, behördliche Betreuer sowie angestellte (Vereins-) Betreuer notwendig und welche vergütungs- und versicherungstechnischen Änderungen wären hierfür sinnvoll? Der BVfB hält eine Reform nicht für erforderlich, da sich das System bewährt hat. Der Gesetzgeber sollte jedoch akzeptieren, dass über 80 % der Berufsbetreuer selbständig tätig sind und den selbständigen rechtlichen Betreuer als eine Form der Berufsausübung in den Gesetzestext aufnehmen. Der BVfB hat hierzu eine Änderung des 1897 Abs. 2 BGB vorgeschlagen. 15. Sehen Sie eine allgemein verpflichtende Haftpflichtversicherung für Berufsbetreuer als notwendig an oder ist die derzeitige Regelung, eine Prüfung durch die Betreuungsbehörde als Standardvoraussetzung nach 1897 Abs. 7 BGB ausreichend? Nach den Erfahrungen des BVfB haben die meisten Berufsbetreuer eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Im Rahmen einer insgesamt zufriedenstellenden Regelung der Berufszulassung hat der BVfB vorgeschlagen, dass einem Berufsbetreuer die Zulassung entzogen werden kann, wenn er keine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Seite 6 von 6