Wettbewerb um neue Zielgruppen

Ähnliche Dokumente
Förderung der angewandten Forschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses an Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften

Orientierungsrahmen für die Postdoc-Phase und neue akademische Karrierewege Positionen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

Statt verstopfter Karrierewege für den wissenschaftlichen Nachwuchs: Übergänge in Professuren an Fachhochschulen erleichtern

Promotionsbedingungen und Laufbahnziele

Rolle der Fachhochschulen zu Universitäten

Wichtige Herausforderungen für Fachhochschulen (FHs) / Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) in den kommenden Jahren

Das Tenure-Track-Programm:

Stellungnahme. Ausschussdrucksache 18(18)322 g. Prof. Dr. Micha Teuscher, Rektor der Hochschule Neubrandenburg. Öffentliches Fachgespräch.

Stellungnahme. Ausschussdrucksache 18(18)322 b

Hannover Die Zukunft der Fachhochschulen im Hochschul syst em

Duale Hochschule Baden- Württemberg. Simone Schwanitz, Tages des Wissenschaftsmanagements,

Satzung zur Qualitätssicherung für Juniorprofessuren mit Tenure Track. vom Lesefassung vom

Karrieremodelle als Berufungsstrategie

8. Hochschulpolitisches Forum

Empfehlungen zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten. Prof. Dr. Manfred Prenzel Wissenschaftsrat und Technische Universität München

Empfehlung zum Promotionsrecht in einem differenzierten Hochschulsystem. Wien, im Februar 2014

Promotionen in Kooperation mit Unternehmen und Fachhochschulen/Hochschulen für angewandte Wissenschaften

Arbeitsplatz Universität, Rahmenbedingungen, Karrierewege

Rede Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Thomas Rachel, MdB,

Juniorprofessuren mit verlässlichem Tenure Track

Kooperation und Integration Ausbildung an der Hochschule

Wettbewerb exzellente Lehre. Eine gemeinsame Initiative der Kultusministerkonferenz und. des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft

Bachelor welcome! Erklärung führender deutscher Unternehmen zur Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse in Deutschland

Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen

Rede. Klaus Kaiser. Parlamentarischer Staatssekretär für Kultur und Wissenschaft des Landes. Nordrhein-Westfalen. anlässlich der

Perspektiven der Forschung in bayerischen Technologietransferzentren

Hand in Hand für Spitzenleistungen

Akademische Personalentwicklung

Karrierewege von Postdocs im Vergleich Konsequenzen für die Personalentwicklung. Dr. Sigrun Nickel CHE-Forum Kassel, 02.

Prof. Dr.-Ing. Bruno O. Braun Präsident des VDI Verein Deutscher Ingenieure


Hochschuldidaktiker als Personalentwickler?

Transfer.NRW: FH-EXTRA Gesucht: Die besten Ideen für die transferorientierte Forschung an Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen

PRESSEMITTEILUNG 26. Oktober 2015

Personale Qualitätssicherung an Fachhochschulen und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften durch Perspektivprofessuren

Förderung von klugen Köpfen Graduiertenkolleg

Transfer.NRW: FH-EXTRA Gesucht: Die besten Ideen für die transferorientierte Forschung an Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen


Fachbereich Duales Studium Wirtschaft Technik. Informationen für Duale Partner


Projekt Haus für den wissenschaftlichen Nachwuchs

Qualifizierungswege zur Professur im Vergleich. Dr. Sigrun Nickel Tag des wiss. Nachwuchses Osnabrück,

ZePrOs-Angebote für Postdocs

ENET LZE Erlangen-Nürnberg Excellence Track EIN EINZIGARTIGES KARRIEREPROGRAMM

Graduierten-Akademie der Friedrich-Schiller- Universität Jena: Personalentwicklung für Postdocs

DUALER STUDIENGANG SOFTWARE- UND SYSTEMTECHNIK DEN TECHNISCHEN FORTSCHRITT MITGESTALTEN

Chance der Bewerbung, Kompetenzprofil zu zeigen in folgenden Bereichen: 1 Frage Ziel

Entwicklung des dualen Studiums Positionspapier

DHV-Symposium Personalentwicklung und Personalstrukturplanung für den wissenschaftlichen Nachwuchs

Traumjob Wissenschaft 15

Regionale Workshops zum Thema Didaktische Weiterbildungen und Qualifizierung der Lehrenden

Personalentwicklung an der Hochschule ein Einblick

Tenure-Track-Modelle im Vergleich: Was kann das deutsche Wissenschaftssystem übernehmen, was besser nicht?

Stellenausschreibung. Professorin / Professor für Soziale Arbeit (Hilfen zur Erziehung) [Vergütung: TV-L E 14]

Eine Uni für Alle? 12. Mai 2010

Warum Unternehmen in die akademische Bildung investieren

Förderung der Karrierechancen wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Konzept des Rektorats

Qualifizierung von Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs für den Übergang in die Wirtschaft

Fachberatung als Qualitätserfordernis Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven

Metropolregion Rhein-Neckar GmbH und Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim

Bund-Länder-Wettbewerb Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen Zweite Wettbewerbsrunde. Informationsveranstaltung, , Urania, Berlin

Rahmenbedingungen für gute Lehre schaffen Qualität von Leitungshandeln am Beispiel der Fachhochschule Münster

CAMPUS LEVERKUSEN der Fachhochschule Köln DREI PARTNER - EINE VISION. Fachhochschule Köln Stadt Leverkusen Industrie und Handelskammer zu Köln

Wie können Universitäten und Forschungseinrichtungen Doppelkarrierepaare unterstützen?

10 Jahre competitive tenure track an der Universität Bremen und eine Bekehrung

Allgemeine Hinweise und Empfehlungen des Auswahlgremiums des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

02/14_SRH/HS_PB_S_KommuTeamtrainer_www.Buerob.de. Fotos: SRH. Dieser QR-Code verbindet Ihr Mobiltelefon direkt mit unserer Internetseite.

FORSCHUNGSCAMPUS MITTELHESSEN MITEINANDER EINZIGARTIG

Genderaspekte und Qualität bei Berufungsverfahren

Wege in die Wissenschaft. Frühe Eigenständigkeit, Verlässliche Perspektive, Gute Rahmenbedingungen.

Workshop 3 Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Job-Trauma oder Traumjob?

AMTLICHE MITTEILUNGEN

Nina Schwarz Umweltwissenschaftler in der außeruniversitären Forschung. Promotion und Beruf: Karrierekongress 09

Im laufenden Haushaltsjahr investieren wir fast fünf Milliarden Euro in unsere Hochschulen.

Vortrag im Rahmen der 12. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung (GfHf) 2017

Masterstudiengang Elektrotechnik

Raumwissenschaftliche Forschung und wissenschaftliche

Clinician Scientist, wo stehen wir und wo wollen wir hin?

Die AiF im Überblick.

Geschlechterunterschiede bei Karrierewegen von Fachhochschul-Professor(inn)en

Kooperation mit außerhochschulischen Partnern

Fachhochschule wird immer mehr Uni

Deutsche Gesellschaft. Juniorprofessur. Laufbahnplanung in der Wissenschaft. Stefan Stieglitz DGJ. Juniorprofessur

DUALER STUDIENGANG INDUSTRIELLES SERVICEMANAGEMENT WERTE STEIGERN ZUKUNFT SICHERN

ƒ Strukturierte Promotionsprogramme der DFG: Graduiertenkollegs, Internationale Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen

Doppelt erfolgreich: Duales Studium in Bayern. Landesausschuss für Berufsbildung 22. Februar 2017

Entwicklung und Durchführung von Programmen für frauentypische Berufsbilder

Empfehlung zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung in Österreich. Hintergrund. Aktuelle Einschätzung der Forschungsquotenziele. vom

Neue Berufsbilder im Gesundheitsbereich. aus der Sicht der Hochschulen

Bericht zum Frauenförderplan 2005 der Fakultät für Maschinenbau der Universität Paderborn

Programmausschreibung Forschungsprofessuren (FH!) Forschungsprofessuren (FH!): Das Konzept

vielseitig und flexibel

Bildung & Erziehung plus (B.A.) Praktisch akademisch. Beitrag zur DGWF Tagung am in Wien Dr. Julian Löhe & Dr.

Forschung und Ausbildung an der Fachhochschule

Eucor - Europäische Konföderation der Oberrheinischen Universitäten

Die Geister, die ich rief Berufliche Chancen und Möglichkeiten für promovierte GeisteswissenschaftlerInnen

Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin / Der Präsident April 2015

Transkript:

HAW-Professorinnen- und Professorennachwuchs durch eigene neue und innovative Karrierewege Ein Positionspapier der Hochschulallianz für den Mittelstand Die Universitäten erhalten mit dem neuen Programm Wissenschaftlicher Nachwuchs eine Förderung über 1 Mrd. Euro für 1.000 zusätzliche Tenure Track Stellen. Mit dieser Förderung soll den Nachwuchsproblemen an den Universitäten entgegengetreten werden. Leider blendet dieses Programm gänzlich aus, dass auch Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) vor ähnlichen Problemen stehen und ein nicht minder bedrückendes Problem mit ihrem Professorinnen- und Professorennachwuchs haben. Aufgrund der besonderen Berufungsvoraussetzung für HAWs ist mit der zusätzlichen berufspraktischen Qualifikation eine Doppelqualifikation gefordert finden diese in vielen Lehrgebieten erst gar nicht ausreichend qualifizierte bzw. ausreichend viele Kandidatinnen und Kandidaten, um ausgeschriebene Professuren adäquat besetzen zu können. Damit ist eine erhebliche strategische Barriere für die Weiterentwicklung der HAWs entstanden, die dringend abgebaut werden muss. Dies bestätigt auch der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zur Personalgewinnung und entwicklung an Fachhochschulen vom Oktober 2016. Er stellt fest, dass sowohl die Zahl der Professuren wie auch der wissenschaftlichen Mitarbeiter hinter den wachsenden Studierendenzahlen deutlich zurückgeblieben ist: Während der Bedarf an zusätzlichem wissenschaftlichen Personal und Professoren wächst, gestaltet sich die Personalgewinnung zunehmend schwieriger. 1 Die HAWs benötigen daher im Bereich der Professorinnen- und Professorengewinnung völlig neue Gestaltungsfreiräume, erst recht, wenn sie wie vielfach gefordert zur Regelhochschule avancieren sollen. Wie die Universitäten müssen die HAWs zukünftig maßgeblichen Einfluss auf die Ausbildung und Qualifizierung Ihres professoralen Nachwuchses nehmen können. Außerdem muss es ihnen ermöglicht werden, den bisher fehlenden akademischen Mittelbau aufzubauen und weiter zu qualifizieren. Dies kann aber nur über neue, strukturierte Karriere- und Qualifizierungswege im Rahmen eines kombinierten HAW doc-post-doc-verfahrens (HAW 3+3) und eines HAW-Tenure Track-Verfahrens erreicht werden. Beide Nachwuchsprogramme müssen zusätzlich zu den derzeitigen Bestandsregelungen etabliert werden. Mittelfristig sollen diese Verfahren in der Lage sein, bis zu 25% der Neuberufungen an HAWs zu bedienen. Insbesondere in kritischen Lehr- und Forschungsbereichen sollen auf diese Weise Nachwuchsengpässe behoben werden. Um dies umzusetzen, empfiehlt der Wissenschaftsrat dem Bund und den Ländern die Unterstützung solcher Nachwuchsprogramme durch eine umfassende Anschubfinanzierung. 2 Die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) haben in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen und auf dem Weg zur Regelhochschule ein beindruckendes Wachstumsszenario präsentiert. Von den 2,7 Mio. Studierenden sind heute 65% an Universitäten und 35% an ca. 250 deutschen HAWs 217 hiervon sind staatliche Hochschulen in über 5.900 Studiengängen eingeschrieben. 3 4 Seit 1993 hat sich die Anzahl der HAW-Studierenden somit mehr als verdoppelt. Auch der Wissenschaftsrat stellt in diesem Zusammenhang fest, dass der Fachhochschulsektor im Zuge der Expansion des Hochschulsystems überproportional gewachsen ist. 5 Aufgrund des hochdifferenzierten Studienangebots reicht der Einzugsbereich ihrer Studierenden inzwischen weit über die direkte Standortregion hinaus und ist mehr oder weniger landes-, bundesweit und international ausgestaltet. Nach Auffassung des Wissenschaftsrats machen die anwendungsorientierte Lehre sowie die Transferleistungen und Kooperationen in angewandter Forschung und Entwicklung die Fachhochschulen zu regionalen Innovationsmotoren und Vernetzungsinstanzen ersten Ranges. 6 Allerdings sind die Strukturvorgaben für HAWs nur begrenzt auf diese Entwicklung eingegangen. Die bestehenden Strukturvorgaben für Berufungsprozesse, Berufungsregularien, für Lehr-, Transfer- und Forschungsleistungsvorgaben und deren Finanzierung verursachen mittlerweile vielfache Probleme. Dies betrifft insbesondere auch die Nachwuchsgewinnung und Nachwuchsentwicklung. Die heutigen Strukturvorgaben erweisen sich zunehmend als Barriere für die strategische Weiterentwicklung der HAWs. Sie müssen deshalb dringend zeitgemäßer und auf den Bedarf hin ausgestaltet werden. Dafür sind nach Meinung vieler HAWs und auch des Wissenschaftsrats neue Instrumente und strukturelle Reformen notwendig. 7 1 6

Die HAWs benötigen neue und eigene Modelle, die sowohl die Nachwuchsgewinnung als auch die Transferleistung der HAW adressieren und auf einen zeitgemäßen Stand heben. Nur so kann dem wachsenden Problem, qualifiziertes professorales Personal zu gewinnen und zu entwickeln, entgegengewirkt werden, denn die Besetzung von HAW-Professuren ist laut Wissenschaftsrat von zentraler wirtschaftlicher sowie gesellschaftlicher Bedeutung. 8 HAWs benötigen eigenständige und unverwechselbare Wege zur Gewinnung und Qualifizierung von Nachwuchsprofessorinnen und -professoren, die von ihnen selbst gesteuert und qualitätsgesichert werden. Zentrale Elemente von Nachwuchsprogrammen müssen HAW spezifische Entwicklungswege sein, die nach den bewährten dualen Prinzipien die transferorientierte berufspraktische Qualifizierung in der Praxis mit hochschulischer Lehre und Forschung verknüpfen. Die Nachwuchsprogramme müssen darüber hinaus die Weiterqualifizierung der angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Lehre, Forschung und Transfer ermöglichen und zur Erteilung einer formalen Lehrberechtigung für die Lehre an einer HAW führen. Beides kann gegenüber der heutigen Situation an Fachhochschulen nur über zusätzliche strukturierte und flexible Karriere- und Qualifizierungswege für den professoralen Nachwuchs an HAWs erreicht werden. Diesen Forderungen folgt auch der Wissenschaftsrat in seinen aktuellen Empfehlungen zur Personalentwicklung an Fachhochschulen und empfiehlt eigene HAW-spezifische Programmformate. 9 Er empfiehlt die Verknüpfung von transferorientierter berufspraktischer Qualifizierung in der Praxis mit hochschulischer Lehre und Forschung zur Erreichung der Doppelqualifikation für eine HAW-Professur in sogenannten Tandem-Programmen zwischen Hochschulen und Praxispartnern. 10 Entsprechend sind, zusätzlich zu den bisherigen Regelberufungsverfahren, die Einführung von (1) HAW spezifischen Aufstiegsprogrammen und (2) HAW Tenure-Tracks mit flexiblen Einstiegen und strukturierten Karrierewegen an HAWs zwingend notwendig. Solche Wege müssen das heute praktizierte Berufungssystem ergänzen und mittelfristig bis zu 25% der Berufungen ermöglichen. Dies gilt besonders für die Engpassbereiche der Nachwuchsgewinnung in den Ingenieur-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften. Aufstiegsprogramme (HAW 3+3), als erster Weg, sehen eine kombinierte hochschulische und berufspraktische Qualifikation vor und fassen die kooperative Promotion der HAWs mit einer berufspraktischen HAW-post-doc- Phase zusammen. Ein solches System setzt bereits nach dem Masterabschluss an und kann qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten frühzeitig für eine HAW-Karriere binden. Im Erfolgsfall endet es mit der formalen Erteilung der Lehrberechtigung für eine HAW. Auf diese Weise gelingt auch der Aufbau des bisher fehlenden und dringend erforderlichen akademischen Mittelbaus an HAWs. Aufstiegsprogramme verbessern darüber hinaus durch ein breiteres Ansprachespektrum von potentiellen Nachwuchskandidaten und Kandidatinnen die Bewerberlage für HAWs und kommen so einer zentralen Forderung des Wissenschaftsrates nach. 11 Ein HAW spezifischer Tenure-Track bildet den zweiten Weg für potentielle Nachwuchsprofessoren und - professorinnen. Er adressiert promovierte Akademiker, die die für HAW-Berufungen notwendige berufspraktische Erfahrung bei einem mit der Hochschule kooperierenden Praxispartner erlangen. Hierbei steht die mehrjährige berufspraktische zielgerichtete Nutzengenerierung aus dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, also die Transferleistung unter den Marktbedingungen der Praxis und deren Verknüpfung mit Lehre und Forschung im Mittelpunkt des Nachwuchsprogramms. Wettbewerb um neue Zielgruppen Alle HAW Nachwuchsprogramme müssen zusätzlich neue und jüngere Zielgruppen adressieren als bisher. Dies hat mehrere Gründe. Die bisherige Berufungspraxis zielt auf qualifizierte Umsteiger/-innen aus dem berufspraktischen Umfeld. Das durchschnittliche Berufungsalter liegt hier bei über 40 Jahren. Die HAWs benötigen aber für die Zukunft junge karriereorientierte Aufsteiger/-innen, Anfang 30, die fächerspezifisch und hochschulindividuell so qualifiziert werden, dass das angestrebte Lehrgebiet vollumfänglich und eigenständig abgedeckt und in Lehre, Forschung und berufspraktischem Transfer vertreten werden kann. 2 6

Das Konkurrieren zwischen berufspraktischer und hochschulischer Perspektivlage, wie auch der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen feststellt, ist ein weiterer Grund für die Einführung der neuen HAWspezifischen Professoren-Nachwuchsprogramme. 12 Die Zielgruppe für den HAW-Professorinnen- und Professorennachwuchs wird, im Gegensatz zu den Universitäten, durch qualifizierte Praktiker/-innen gebildet und nicht durch Nachwuchswissenschaftler/-innen. Die gewünschten erfolgreichen Berufspraktiker/-innen sind allerdings heute, anders als vor 30 Jahren, mit hochschulischen Perspektiven nur noch schwer vom Umstieg zu überzeugen und für eine HAW-Professur zu gewinnen. Jüngeren Nachwuchszielgruppen können jedoch nach erfolgreicher Teilnahme an den HAW-Nachwuchsprogrammen attraktive finanzielle und Karriere-Perspektiven geboten werden. Zentrale Qualifizierungsschwerpunkte der Nachwuchsprogramme Im Zentrum der HAW-Professoren-Nachwuchsprogramme steht grundsätzlich nicht der Erkenntnisgewinn aus der Wissenschaft, wie an den Universitäten. Vielmehr folgt die Struktur eines HAW-Nachwuchsprogramms den etablierten dualen Prinzipien der fachhochschulischen Ausbildung. Die wissenschaftliche Qualifikation bildet die Grundlage. Kernelement des HAW-Nachwuchsprogramms ist danach die berufspraktische zielgerichtete Nutzengenerierung aus dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, also die Transferleistung unter den Marktbedingungen der Praxis und deren Verknüpfung mit Lehre und Forschung. Wissenschaft muss somit von den Nachwuchskandidatinnen und -kandidaten im praxisorientierten Kontext und unter den herrschenden berufspraktischen und markterforderlichen Bedingungen im HAW 3+3 und im Tenure Track bei einem Praxispartner real angewendet werden. Zur Umsetzung empfiehlt der Wissenschaftsrat die Einführung und den Ausbau von Kooperationsplattformen und den Aufbau von Tandem-Programmen. Er folgt damit seinen bereits 2010 formulierten Empfehlungen. 13 Die hochschulische Qualifikation wird ihm Rahmen der HAW-Nachwuchsprogramme zusätzlich im operativen Hochschulalltag erworben. Letzteres umfasst die hochschuldidaktische Ausbildung, den Kompetenzerwerb für die wettbewerbliche F&E- und Drittmittelakquisition, die fachliche Lehre, den Aufbau einer eigenen fachspezifischen Orientierung mit entsprechenden Forschungsansätzen und die Verortung in der wissenschaftlichen Community. Das Zusammenspiel von wissenschaftlicher, hochschulischer und berufspraktischer Qualifikation in den Nachwuchsprogrammen erfüllt somit zentrale Punkte in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats. 14 HAW 3+3 Durch die Kombination der kooperativen Promotion an der HAW mit einer berufspraktischen HAW-post-doc- Phase wird ein neues und innovatives Qualifizierungssystem für den Professorinnen- und Professorennachwuchs gebildet (HAW 3+3), das bereits in einer noch früheren Phase eines akademischen Karrierewegs beginnen kann. Hierzu müssen, wie auch der Wissenschaftsrat in seinen aktuellen Empfehlung fordert, Programme zur Förderung kooperativer Promotionskollegs verstärkt ausgebaut bzw. neu aufgelegt und länderübergreifend gestaltet werden. 15 Dieses Vorgehen unterstützt die Karriereplanung der Teilnehmer/-innen bereits direkt nach dem Masterabschluss und erlaubt den Aufbau eines dringend erforderlichen akademischen Mittelbaus an HAWs. Es ist als HAW-Nachwuchsverfahren mit dem Ziel zu führen, erfolgreichen Teilnehmern/-innen eine umfängliche und formal festgestellte HAW Lehrberechtigung zu ermöglichen und sich damit auf eine Vollprofessur zu bewerben. Qualifizierte Masterabsolventinnen und -absolventen werden hierzu im Rahmen wettbewerblicher Auswahlverfahren fachgruppenspezifisch in ein HAW-typisches kooperatives Promotionsprogramm eingebunden. Besondere Bedeutung kommt hier, nach Meinung des Wissenschaftsrats, der verstärkten Etablierung der Kooperationsplattformen als institutionalisierte Vernetzungsstrukturen der kooperativen Promotionsprogramme zur Ausbildung, Nachwuchsförderung, Karrierebegleitung, Praxisorientierung und Hochschulbindung des wissenschaftlichen HAW-Nachwuchses zu. 16 Innerhalb des Promotionszeitraums erhalten die Teilnehmer/-innen bereits zusätzlich eine hochschuldidaktische und hochschulische Basisqualifizierung und werden danach für Lehraufgaben im Umfang bis max. 4 SWS eingesetzt. Die wissenschaftliche Basisqualifizierung wird im Rahmen der Promotion erreicht. 3 6

Nach der Promotion und der hierdurch erworbenen fachlichen und wissenschaftlichen Qualifikation absolvieren die Teilnehmer/-innen eine mindestens 3-jährige transferorientierte berufspraktische Phase bei einem Praxispartner oder alternativ im hochschulischen Transferbereich. Die berufspraktische Phase als zentraler Qualifizierungsschwerpunkt bei einem Praxispartner bzw. die alternative hochschulische Transfertätigkeit mit Praxispartnern ist genau so ausgestaltet wie beim HAW-TT und hat das identische Anforderungs- und Zielprofil. Teilnehmer/-innen dieses Programms werden als akademische/r Assistent/in (AKA) 17 geführt. Ziel des HAW-3+3 Programms ist das Erreichen der Lehrbefähigung 18 und die Erteilung der Lehrberechtigung 19 im angestrebten Lehrgebiet. Dieses muss nach Absolvierung des HAW-3+3-Programms somit vollumfänglich und eigenständig in Lehre, Forschung und berufspraktischem Transfer vertreten und abgedeckt werden können und wird formal durch die Hochschule festgestellt. Die Lehrberechtigung wird mit einer noch zu wählenden Bezeichnung erteilt. Hiermit haben die Teilnehmer/-innen ihre Berufungsfähigkeit auf eine HAW- Vollprofessur nachgewiesen und können sich auf entsprechende Ausschreibungen bewerben. HAW Tenure Track Der HAW Tenure Track (HAW TT) soll zukünftig neben dem HAW 3+3 einen weiteren Weg der Qualifizierung des professoralen Nachwuchses bilden. Auch der HAW TT muss neue und jüngere Zielgruppen adressieren als die bisher praktizierten HAW-Berufungsverfahren. Als Zugangsvoraussetzung zur Teilnahme am HAW Tenure Track gilt die abgeschlossene Promotion oder die Promotion in der Endphase. Der Wissenschaftsrat empfiehlt hierzu, dass Doktorandinnen und Doktoranden über die neuen Möglichkeiten und Karrierewege zur HAW- Professur im Promotionszeitraum umfassend informiert werden müssen. 20 In dieser Phase lassen sich auch mehr Frauen erreichen und für diesen Weg zur HAW-Professur gewinnen, als dies in einer späteren beruflichen Tätigkeit der Fall ist. HAW Tenure Track Stellen werden in einem wettbewerblichen Verfahren ausgeschrieben und über ein hochschulindividuelles Berufungsverfahren vergeben. Teilnehmer/-innen am HAW-TT werden für die Dauer ihres Tenure Tracks zur/zum Assistent Professor/-in berufen. Sie erhalten mit der Berufung die Zusage auf eine Vollprofessur, wenn sie den HAW-TT erfolgreich absolviert haben und die Vollberufungsfähigkeit durch die Hochschule formal festgestellt wurde. Damit endet die Assistent-Professur. Die formale Feststellung der Vollberufungsfähigkeit wird durch ein Verfahren an der jeweiligen Hochschule sichergestellt. Berufspraktische Tätigkeit beim Praxispartner Der berufspraktische Qualifikationserwerb hin zur Vollberufungsfähigkeit wird im Rahmen des HAW TT und des HAW 3+3 sowohl durch die Hochschule wie auch durch Praxispartner gewährleistet. Ablauf und Verfahren werden durch die jeweilige Hochschule festgelegt, qualitätsgesichert und im Tandem mit einem Praxispartner abgestimmt. 21 Als Praxispartner kommen Unternehmen, Institutionen und Organisationen in Frage, die eine berufspraktische Tätigkeit für die Programm-Teilnehmer/-innen bieten und gleichzeitig auf die Kompetenzen und die Leistungen einer Hochschule zurückgreifen möchten. Abgestimmte Konzepte von HAWs und Unternehmen bzw. Einrichtungen gestalten solche Tandem- Programme aus und legen den Mehrwert für die beteiligten Partner, die Finanzierung des jeweiligen Einzelprogramms und die Auswahl, Begleitung und Aufgabenbereiche der Kandidatinnen und Kandidaten fest. 22 Die berufspraktische Tätigkeit des Professorennachwuchses muss in beiden Fällen (HAW 3+3, HAW TT) einer zielgerichteten Nutzengenerierung aus dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn unter Marktbedingungen entsprechen. Nachwuchskräfte müssen dann auch in der Lage sein, Inhalte ihrer berufspraktischen Tätigkeit zum Gegenstand von Lehre und Forschung zu machen und Ressourcen der Hochschule für ihre Tätigkeit zu nutzen. 4 6

Dies wird im Rahmen eines zu vereinbarenden Projekts zwischen Hochschule, Praxispartner und Nachwuchsprogramm-Teilnehmern/-innen für die Dauer von mindestens 3-4 Jahren festgeschrieben. Programm- Teilnehmer/-innen bleiben dabei Angestellte der Hochschule. Nach Empfehlungen des Wissenschaftsrats sollen multifunktionale Kooperationsplattformen die Strukturen zur ständigen Zusammenarbeit zwischen HAWs und Praxispartnern institutionalisieren. 23 Praxispartner Durch die berufspraktische Leistung der HAW 3+3 und der Tenure Track Teilnehmer/-innen beim Praxispartner und durch die integrative Nutzung von Hochschul- und Unternehmensressourcen wird ein erheblicher Mehrwert für den Praxispartner erzeugt. Die Praxispartner beteiligen sich deshalb aufwandsbezogen an der Finanzierung der Kosten der Teilnehmer. Als Praxispartner werden vorzugsweise Mittelstandsunternehmen, Transfer- und außeruniversitäre anwendungsorientierte Forschungsorganisationen (z. B. Fraunhofer-Gesellschaft) gewählt, die entsprechend anspruchsvolle Praxis- und Projektpositionen anbieten. Für die industrielle Mittelstandkoordination bei reinen Industriepositionen in der berufspraktischen Periode der HAW Qualifizierungsprogramme bietet sich der AiF in seiner Funktion als Projektträger an. 24 Die Teilnehmer/-innen der HAW-Nachwuchsprogamme verbringen bis zu 80% ihrer berufspraktischen Tätigkeit in der beruflichen Praxis beim Unternehmen oder im hochschulischen Transferbereich. Die verbleibende Zeit dient der hochschulischen Qualifikation im operativen Hochschulalltag. Forderungen Die HAWs benötigen nunmehr kurzfristig zwei Dinge: Die Erweiterung der hochschulrechtlichen Rahmenbedingungen für HAW-Berufungsverfahren auf einen HAW 3+3 und einen HAW Tenure Track durch entsprechende Modellparagraphen sowie eine Finanzierung der Programme. Forderungen, die auch der Wissenschaftsrat in seinen aktuellen Empfehlungen unterstützt. 25 Die HAWs brauchen, wie die Universitäten, für die Qualifizierungsprogramme des professoralen Nachwuchses eine finanzielle Ausstattung von Bund und Ländern, um diese eigenständigen Wege zu pilotieren und zu etablieren. Eine HAW-3+3 Stelle wird auf der Basis der gewählten Besoldungsgruppen 26 über 6 Jahre finanziert. Eine Vollkostenkalkulation veranschlagt ca. 500.000 Euro/Stelle über diesen Zeitraum. Geht man hier ebenfalls von einem Bedarf von ca. 200 Stellen bis 2024 aus, so entsteht ein Finanzierungsbedarf von ca. 100 Mio. Euro bis 2024. Eine Tenure Track-Stelle wird hierbei über 3-4 Jahre finanziert. Auf Vollkostenbasis kalkuliert, wird sie mit ca. 400.000 Euro/Stelle veranschlagt. Bei dem derzeitigen Neubesetzungsbedarf von ca. 1.000 HAW-Professuren p.a. sind bis zu 200 zusätzliche HAW Tenure Track-Stellen notwendig. Diese haben einen Finanzierungsbedarf von ebenfalls ca. 100 Mio. Euro bis 2021. Partielle Refinanzierungen der berufspraktischen Phasen durch Praxispartner werden durch die Hochschulen individuell ausgehandelt. Als Richtgröße sollte die Übernahme der tatsächlich entstandenen Kosten der berufspraktischen Phase durch den Praxispartner angestrebt werden. 5 6

Literatur 1 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Personalgewinnung und entwicklung an Fachhochschulen, Drs. 5 63 7 16, p 7, Weimar 21.10.2016 2 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 13, Weimar 21.10.2016 3 Statista, Anzahl der Hochschulen in Deutschland im Wintersemester 2015/16 nach Hochschulart, Juli 2016 4 HRK, Hochschulrektorenkonferenz, Hochschulkompass, www.hochschulkompass.de, Stand Mai 2016 5 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Personalgewinnung und entwicklung an Fachhochschulen, Drs. 5 63 7 16, Weimar 21.10.2016 6 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 6, Weimar 21.10.2016 7 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 6, Weimar 21.10.2016 8 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 8, Weimar 21.10.2016 9 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 11, Weimar 21.10.2016 10 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 13, Weimar 21.10.2016 11 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 10, Weimar 21.10.2016 12 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 7, Weimar 21.10.2016 13 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 13, Weimar 21.10.2016 14 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 6-14, Weimar 21.10.2016 15 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 56f, Weimar 21.10.20 16 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 57f, Weimar 21.10.20 17 AKA akademischer Assistent*in, Amtsbezeichung 18 facultas docendi 19 venia legendi 20 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 63f, Weimar 21.10.2016 21 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 60f, Weimar 21.10.2016 22 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 60f, Weimar 21.10.2016 23 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 75-77, Weimar 21.10.2016 24 AIF: Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Otto von Guericke e.v., Köln 25 Wissenschaftsrat: dto., Drs. 5 63 7 16, p. 6-14, Weimar 21.10.2016 26 TVL E13/E14, Besoldungsgruppe A 6 6