Stellungnahme Nr. 30/2012 Juni 2012

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Transkript:

Stellungnahme Nr. 30/2012 Juni 2012 Vorschläge der Bundesrechtsanwaltskammer zum Vorschlag einer Verordnung zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grund-Verordnung) Mitglieder des Ausschusses Datenschutzrecht RA Klaus Brisch, LL.M. RA Michael Dreßler RAin Christel Hahne RA Prof. Dr. Armin Herb RA Dr. Hans Klees RA Stephan Kopp RA Jörg Martin Mathis RA Dr Hendrik Schöttle RA Dr. Ralph Wagner, LL.M. RAin Friederike Lummel, BRAK Verteiler: Europäische Kommission Bundesministerium der Justiz Bundesministerium des Inneren Landesjustizminister/Justizsenatoren der Länder Innenausschuss des Deutschen Bundestages (BT) Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages (BT) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (BT) Ausschuss für Arbeit und Soziales (BT) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BT) Ausschuss für Kultur und Medien (BT) Bundesnotarkammer Bundessteuerberaterkammer Wirtschaftsprüferkammer Deutscher Notarverein Deutscher Anwaltverein Deutscher Steuerberaterverband Deutscher Richterbund Bundesverband der Freien Berufe Deutscher Industrie- und Handelskammertag Redaktion der Neuen Juristischen Wochenschrift/NJW Bundesrechtsanwaltskammer Büro Berlin Hans Litten Haus Büro Brüssel The German Federal Bar Littenstraße 9 Tel. +49.30.28 49 39-0 Avenue des Nerviens 85/9 Tel. +32.2.743 86 46 Barreau Fédéral Allemand 10179 Berlin Fax +49.30.28 49 39-11 1040 Brüssel Fax +32.2.743 86 56 www.brak.de Deutschland Mail zentrale@brak.de Belgien Mail brak.bxl@brak.eu

Stellungnahme Seite 2 Die Bundesrechtsanwaltskammer ist die Dachorganisation der anwaltlichen Selbstverwaltung. Sie vertritt die Interessen der 28 Rechtsanwaltskammern und damit der gesamten Anwaltschaft der Bundesrepublik Deutschland mit zurzeit rund 159.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gegenüber Behörden, Gerichten und Organisationen - auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. I. Die Bundesrechtsanwaltskammer begrüßt grundsätzlich den Ansatz, mit dem Vorschlag einer Verordnung zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grund-Verordnung) in Europa ein einheitliches Datenschutzrecht zu schaffen. Die europaweite Regelung darf jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten führen. Rechtsanwälte unterliegen der Pflicht, alle im Rahmen eines Mandats gewonnen Erkenntnisse geheim zu halten. Die Verschwiegenheitsverpflichtung dient dabei nicht dem Interesse des Rechtsanwaltes, sondern schützt den Mandanten. Eine Aufweichung oder Durchbrechung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht würde dazu führen, dass Mandanten sich ihren anwaltlichen Vertretern nicht mehr uneingeschränkt anvertrauen könnten. Rechtsanwälte könnten dann die Interessen ihrer Mandanten gegenüber Dritten und gegenüber Behörden, Gerichten und dem Staat nicht mehr sachgerecht vertreten. Das zwischen Rechtsanwalt und Mandant bestehende Vertrauensverhältnis bedarf des besonderen staatlichen Schutzes, um den verfassungsrechtlich geforderten staatsfreien Bereich anwaltlicher Beratungstätigkeit gewährleisten zu können. Diese Aufgabe kann sich kein Staat, der sich einer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung, verpflichtet sieht, entziehen. Deshalb ist das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant nicht nur strafrechtlich geschützt (z. B. 203 StGB), sondern sogar als ein justizielles Grundrecht durch die EU-Charta der Grundrechte garantiert. Denn nach Art. 47 Satz 3 EU-Charta gilt: Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen. Damit müssen gerade originär anwaltliche Tätigkeiten zwingend von der Überwachung durch staatliche Aufsichtsbehörden ausgenommen werden. Bei der Anwendung datenschutzrechtlicher Regelungen auf Rechtsanwälte muss berücksichtigt werden, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts in vielfacher Weise die Verarbeitung personenbezogener Daten notwendig macht. Dabei berührt sie nicht allein das Datenschutzinteresse des eigenen Mandanten, sondern auch Interessen der Gegenseite sowie möglicherweise Dritter, z. B. von Zeugen. Es besteht deshalb ein Spannungsverhältnis zwischen dem Datenschutzinteresse eines Betroffenen und der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht muss als tragende Säule seines Berufsbildes aus den vorstehend genannten Gründen gegenüber jeder datenschutzrechtlichen Regelung vorrangig sein. Der Rechtsanwalt kann als einseitiger Interessenvertreter seines Mandanten nicht verpflichtet sein, die datenschutzrechtlichen Interessen eines Dritten, z.b. eines Zeugen oder eines Gegners, zu berücksichtigen. Die Verschwiegenheitspflicht gebietet es ihm, Daten, die ihm im Rahmen seines Auftrages bekannt werden, ohne Einwilligung seines Mandanten nicht weiterzugeben. Sie dient zum einen dem Individualinteresse des Mandanten an der Geheimhaltung und schafft so die unerlässliche Basis für ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Rechtsanwalt. Daneben hat die Verschwiegenheitspflicht aber auch eine zentrale allgemein gesellschaftliche Funktion. Geschützt ist das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe, damit diese ihre im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben erfüllen können.

Stellungnahme Seite 3 Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat vielfach entschieden, dass das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant gegen Störungen abzusichern ist. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts im Zweifel stets dem Datenschutzinteresse eines Betroffenen vorgehen muss. Staatliche Kontrolle der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant hätte abschreckende und prohibitive Wirkung. II. Um das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten zu schützen, ist es notwendig, Ergänzungen im Regelungswerk des Verordnungsentwurfs vorzunehmen. Die Bundesrechtsanwaltskammer schlägt sie für die Art. 14, 15, 49 und 51 des Entwurfs der Datenschutzgrundverordnung vor: Ergänzungsvorschläge für Art 14 (Information der betroffenen Person) und Art. 15 (Auskunftsrecht der betroffenen Person): In Art. 14 und 15 des Entwurfs sind folgende Bestimmungen aufzunehmen: Nach Art. 14 Abs. 5 ist nach Buchstabe d) folgender Buchstabe d) einzufügen: e) die Daten werden einer Person, die einem staatlich reglementierten Berufsgeheimnis oder einer gesetzlichen Geheimhaltungspflicht unterliegt, in Ausübung ihres Berufes verarbeitet, ihr anvertraut oder bekannt oder, In Art. 15 ist nach Absatz 2 ein neuer Absatz 3 einzufügen der lautet: 3. Ein Auskunftsrecht nach den Absätzen 1 und 2 besteht nicht, soweit Daten im Sinne des Art. 14 Abs. 5 Buchstabe d) betroffen sind. Nach Art. 14 besteht der Grundsatz, dass ein Betroffener informiert werden muss, wenn über ihn Daten erhoben werden. Dazu gibt es Ausnahmen z.b. für den Fall, dass der Betroffene davon Kenntnis hat (Art. 14 Abs. 5 Buchstabe a). Bei diesen Ausnahmen fehlt aber die spezifische Situation von Berufsgeheimnisträgern. Hat z. B. ein Rechtsanwalt Daten über den Gegner seines Mandanten gespeichert, die ihm vom Mandanten mitgeteilt worden sind, müsste er darüber den Gegner informieren und Auskunft erteilen. Damit würde er das Vertrauen seines Mandanten zerstören und sich regelmäßig auch strafbar machen. Im deutschen Datenschutzgesetz findet sich deshalb eine Regelung in 33 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Danach besteht keine Benachrichtigungspflicht, wenn die Daten wegen eines überwiegenden rechtlichen Interesses eines Dritten (also des Mandanten) geheim gehalten werden müssen. Eine solche Regelung soll entsprechend in Art. 14 des Entwurfs eingefügt werden. Eine solche Bestimmung im Interesse des Mandanten beeinträchtigt aber auch nicht die Interessen des betroffenen Gegners. Denn spätestens im Verfahren erfährt er, welche Daten über ihn vorhanden sind (weil diese z. B. im Gerichtschriftsatz vorgetragen werden). Zum Schutz des Mandanten eines Anwaltes (entsprechendes gilt für andere staatlich reglementierte Berufsgeheimnisträger) sind deshalb die obigen Ergänzungen der Art. 14 und 15 vorzunehmen. Die vorgeschlagenen Normen schützen des Weiteren auch das Recht des Berufsgeheimnisträgers selbst, da er damit nicht gezwungen wird, ent-

Stellungnahme Seite 4 gegen seinen Verschwiegenheitspflichten Daten an den Gegner zu liefern. Schließlich dient der Vorschlag auch der Verwirklichung von Art. 47 Satz 3 EU-Charta, wonach sich jede Person durch eine Person beraten, verteidigen oder vertreten lassen kann. Denn wenn ein Berufsgeheimnisträger verpflichtet wäre, den Gegner zu informieren, würden die Mandanten nicht mehr Anwälte beauftragen, sondern selbst die Daten erheben. Für diese eigene Datenverwendung der Mandanten gilt die Verordnung nicht (Art. 2 Abs. 2 Nr. d). Wenn er aber selbst für seine Datenverwendung für persönliche Zwecke keine Informations- oder Auskunftspflichten hat, dürfen diese nicht dadurch entstehen, dass er einen Anwalt beauftragt. Zumal dann auch die Beratungs- und Filterfunktion der Anwälte wegfiele. Ergänzungsvorschläge für Art. 49 (Errichtung der Aufsichtsbehörde) In Art. 49 des Entwurfs werden die bisherigen Bestimmungen zu Absatz 1 und sodann ist folgender neuer Absatz 2 anzugliedern: 2. Soweit für die Berufsaufsicht von Berufsgeheimnisträgern zum Zeitpunkt des In-Kraft- Tretens dieser Verordnung zuständige Stellen bestehen, können diese die Aufsichtsbehörde errichten. Art. 49 regelt die Errichtung der Aufsichtsbehörden durch die Mitgliedsstaaten. Dabei sieht der Entwurf in Art. 46 Abs. 2 die Möglichkeit mehrerer Aufsichtsbehörden vor. Um den besonderen europarechtlichen Anforderungen bei den Berufsgeheimnisträgern insbesondere bei den Rechtsanwälten (vgl. z. B. Art. 47 Satz 3 EU-Charta) gerecht zu werden (und auch der verfassungsrechtlichen Lage in Deutschland), sollten sektorale statt territoriale Datenschutzkontrollstellen möglich sein. Im Bereich reglementierter Berufe mit entsprechenden berufsrechtlichen Vorschriften sollte die Möglichkeit bestehen, entsprechend spezialisierte, sektorale Aufsichtsbehörden zu errichten. Mit der vorgeschlagenen Änderung können für die Berufsaufsicht zuständige Kammern (z. B. eine Rechtsanwaltskammer) eine weitere Aufgabe erhalten, nämlich die datenschutzrechtliche Aufsicht. Es gibt mehrere Vorteile bei einer Übertragung der Aufsicht auf eine Kammerorganisation: Zunächst sind staatliche Einflüsse oder Eingriffe weitgehend ausgeschaltet. Denn keine staatliche Aufsichtsbehörde kann unter der Prämisse des Datenschutzes z. B. die Akten oder den Schriftverkehr eines Strafverteidigers mit seinem Mandanten kontrollieren. Eine kammerspezifische Datenschutzaufsicht hat neben dem Instrumentarium der EU-Datenschutzverordnung auch zusätzlich berufsspezifische Möglichkeiten zur Durchsetzung datenschutzrechtlicher Vorschriften. Diese gehen im Regelfall weit über die Datenschutzbefugnisse hinaus. Für die Mandanten bleiben ihre anvertrauten Daten im sektoralen Bereich ihrer Vertrauensperson (z. B. Arztdaten im ärztlichen Bereich und nicht in der Beurteilung einer staatlichen Behörde), womit die fachspezifische Interpretation der Daten gewährleistet wird. Berufsgeheimnisse und die Verschwiegenheitspflichten bleiben erhalten, weil nur entsprechende Berufsgeheimnisträger tätig sind. Ergänzungsvorschläge für Art. 51 (Zuständigkeit) Art. 51 Abs. 3 des Entwurfs der EU-Datenschutzgrund-Verordnung in der gegenwärtigen Fassung lautet:

Stellungnahme Seite 5 Die Aufsichtsbehörde ist nicht zuständig für die Überwachung der von Gerichten im Rahmen ihrer gerichtlichen Tätigkeit vorgenommenen Verarbeitungen. Es wird vorgeschlagen, Art. 51 Abs. 3 um folgenden Satz zu ergänzen: Dasselbe gilt für anwaltliche Tätigkeiten. Die Ausnahmebestimmungen für gerichtliche Tätigkeiten müssen auch auf entsprechende anwaltliche Tätigkeiten ausgedehnt werden. Gerichte sollen nach Art. 51 Abs. 3 des Entwurfs in ihrer originären gerichtlichen Tätigkeiten (darunter fallen z. B. keine Verwaltungstätigkeiten) nicht von den Aufsichtsbehörden überwacht werden (vgl. auch Erwägungsgrund 99). So wie keine Kontrolle der richterlichen Tätigkeit erfolgt, darf auch die entsprechende anwaltliche Tätigkeit nicht von staatlichen Organen beaufsichtigt und überwacht werden. Es kann nicht sein, dass z. B. die Akten und der Schriftverkehr eines Strafverteidigers von Datenschutzaufsichtsbehörden kontrolliert werden können. Zwischen Rechtsanwalt und Mandant besteht das eingangs beschriebene besondere Vertrauensverhältnis, das zum einen strafrechtlich geschützt (z. B. 203 StGB) und zum anderen auch als ein justizielles Grundrecht durch die EU-Charta der Grundrechte (Art. 47 Satz 3 EU-Charta) garantiert ist. Zur Gewährleistung des besonderen persönlichen Vertrauensverhältnisse und dieses Grundrechts sind damit auch originär anwaltliche Tätigkeiten von der Überwachung durch staatliche Aufsichtsbehörden auszunehmen. Die Bereichsausnahme in Art. 51 Abs. 3 zugunsten staatlicher Gerichte ist (nur) legitim und nachvollziehbar, wenn sie die besondere Situation gerichtlicher Verfahren (insbesondere den dort erfolgenden Ausgleich zwischen staatlichen und individuellen Interessen) abbilden soll. Dann ergibt sich zwingend, dass auch für den Rechtsanwalt als Berater und Vertreter des Bürgers vor Gericht Gleiches gelten muss. Die Interessenwahrnehmung des betroffenen Bürgers vor Gericht darf rechtstaatlich nicht von vornherein schwächer ausgestattet/privilegiert sein, als die staatliche Rechtsprechung (Gedanke des fair trial). * * *