Rückbau von Kernkraftwerken in Deutschland Vortrag bei der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, im Haus der Technik, Essen, 25.10.2018 Dipl.-Phys. Matthias Holl Strahlenschutzschulung, Andernach
Radioaktive Abfälle: Vom Rohabfall zum Endlagergebinde
Inhalt: Projekte Rechtlicher Rahmen Stilllegungsvarianten Rückbaumassen Rückbauablauf Risikoprofil Ressourcen Stilllegungstechnik Strahlenschutz, Arbeitssicherheit Entfernen von Stoffen Radioaktive Abfälle Stoffe zur Schadlosen Verwertung ( Freigabe ) Nichtradioaktive Stoffe ( Herausgabe )
Stillgelegte Kernkraftwerke in Deutschland: Anlagen des Bundes und der Länder Anlagenname el. Leistung MW Betriebszeit Status 2018 MZFR Karlsruhe 58 1965-1984 im Rückbau AVR Jülich 15 1966-1988 im Rückbau THTR Hamm-Uentrop 308 1988-1988 sicherer Einschluss Rheinsberg 70 1966-1990 im Rückbau HDR Karlstein 25 1969-1971 beseitigt Niederaichbach 106 1972-1974 beseitigt Greifswald 1 440 1973-1990 im Rückbau Greifswald 2 440 1974-1990 im Rückbau Greifswald 3 440 1978-1990 im Rückbau Greifswald 4 440 1979-1990 im Rückbau Greifswald 5 440 1990 Probebetr. im Rückbau KNK II Karlsruhe 20 1977-1991 im Rückbau div. Forschungsreaktoren
Stillgelegte Kernkraftwerke in Deutschland: Betreiberanlagen bis 2011 Anlagenname el. Leistung MW Betriebszeit Status 10/2018 VAK Kahl 16 1960-1985 "grüne Wiese" KRB A Gundremmingen 250 1966-1977 im Rückbau KWL Lingen 254 1968-1977 im Rückbau, nach S.E. KWO Obrigheim 357 1968-2005 im Rückbau KWW Würgassen 670 1971-1995 im Rückbau KKS Stade 672 1972-2003 im Rückbau KMK Mülheim-Kärlich 1302 1986-1988 im Rückbau KWB Biblis A 1225 1974-2011 im Rückbau 30.03.2017 KWB Biblis B 1300 1975-2011 im Rückbau 30.03.2017 KBB Brunsbüttel 806 1976-2011 Gen. beantragt GKN Neckarwestheim 1 840 1976-2011 im Rückbau 03.02.2017 KKI Isar 1 912 1977-2011 im Rückbau 24.01.2017 KKP Philippsburg 1 926 1979-2011 im Rückbau 11.04.2017 KKU Unterweser 1410 1979-2011 im Rückbau 06.02.2018 KKK Krümmel 1402 1983-2011 Gen. beantragt
Stillgelegte Kernkraftwerke in Deutschland: Betreiberanlagen nach 2011 Anlagenname el. Leistung MW Betriebszeit Status 10/2018 KKG Grafenrheinfeld 1345 1982-2016 Gen. beantragt KGG Gundremmingen B 1344 1984-2017 Gen. beantragt
Rechtlicher Rahmen 7 Abs. 3 AtG: Die Stilllegung einer Anlage sowie der sichere Einschluss oder der Abbau bedürfen der Genehmigung NEU: AtG-Änderung: Wegfall des S.E., bed. Ausnahmen f. Anlagenteile AtVfV, 2 und 3 regelt Form und Inhalt des Genehmigungsantrags sowie Art und Umfang der Unterlagen, inkl. UVP-Unterlagen. Leitfaden des BMUB zur Stilllegung konkretisiert die Antragsunterlagen und trifft auch inhaltliche Festlegungen. Die Anforderungen werden am Regelwerk (Richtlinien und KTA-Regeln) für in Betrieb befindliche KKW gespiegelt und in 3 Kategorien gegliedert: - Kat. 1: Die Regel ist allgemeingültig und zu berücksichtigen - Kat. 2: Die Regel ist nicht relevant. - Kat. 3: Die Regel ist unter Berücksichtigung des veränderten Gefährdungspotentials und der im Vergleich zu Errichtung und Betrieb veränderten und in vieler Hinsicht verringerten Anforderungen schutzzielorientiert angepasst bzw. teilweise anwendbar. Schutzziel: Aktivitätseinschluss
NEU Standortauswahlgesetz StandAG vom 23.07.13, geä. 27.01.17 Organisationsvorschriften und Zuständigkeiten, neu: BfE Gesetz zu Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung vom 27.01.2017, Artikelgesetz, mit: Artikel 1: Entsorgungsfondsgesetz EntsorgFondsG Organisationsvorschriften für die Errichtung des Fonds für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle, mit Festlegung der Einzahlungsbeiträge der einzelnen kerntechnischen Anlagen Artikel 2: Entsorgungsübergangsgesetz Regelung der Entsorgungspflichten der Betreiber, insb. Vorgehen bei der Zwischenlagerung von Abfällen aus dem Betrieb und Rückbau der KKW im Fonds durch einen Dritten Artikel 3: Änderung des Atomgesetzes, insb. Zu 7 Abs. 3 Entfall des S.E., mit bed. Ausnahmen (Strahlenschutz) für Anlagenteile Und weitere Artikel
Stilllegungsvarianten Optionen in der Hand der Betreiber(?) Direkter Abbau Unmittelbar beginnend mit der Stilllegungsgenehmigung Maßnahmen zum Rückbau mit dem Ziel Grüne Wiese. Dauer (typisch): ca. 10-15 a Sicherer Einschluss Beginnend mit der Stilllegungsgenehmigung Rückbau kontaminierter Teile außerhalb des Einschlussbereichs. Herstellung des Einschlusses. Fortführung der Rückbaumaßnahmen nach Wartezeit. Dauer (typisch): ca. 3-8 a Herstellung Einschluss; 25-30 a Einschluss; 8-12 a Rückbau Mischformen z.b. Ausbau und Zwischenlagerung von Großkomponenten Frei optimierbar? Einflüsse: Politische Wünsche, Betriebswirtschaft im Unternehmen, Arbeitnehmervertretung, Zwischenlager, Endlager,,, Technik,
Rückbaumassen (Kontrollbereich, Referenz-DWR)
Phasen von Stilllegung und Rückbau
Ressourcen Geld Rückstellungen für die Entsorgung der Brennelemente, den Rückbau, die Endlagerung sind gebildet. Methoden, Knowhow Für verschiedene Rückbauvarianten liegen für das Genehmigungsverfahren und für die Durchführung Erfahrungen vor. Im Werkzeugkasten für die Zerlegung sind erprobte Verfahren. Personal Aufgabe ist, neben der Reduzierung des Eigenpersonals, die richtigen Personen (Qualifikation, Motivation) in allen Phasen an Bord zu haben. Unterstützung durch Fremdfirmen ist grundsätzlich gegeben; Problem: Phasengleiche Anforderung in 8 Anlagen. Lager für radioaktive Abfälle Die am Standort benötigten Lager sind vorhanden. Sie werden durch externe Zwischenlager ergänzt; Problem: Entfall Zwischenlager Gorleben (hochaktiv). Problem: Endlager KONRAD nicht vor 2022. Endlager hochaktiv um Jahrzehnte verschoben (StandAG).
Stilllegungstechnik Beispiel: AVR
Stilllegungstechnik: Beispiel Schneidtechnologie Mechanische Verfahren Thermische Verfahren Sägen Trennschleifen Fräsen Trennscheren Nibbeln Schneidladungen Wasserstrahlschneiden Autogenes Brennschneiden Plasmaschneiden Hot-Wire-Plasmaschneiden Laserstrahlschneiden Contact-Arc-Metal- Cutting/Grinding Lichtbogen-Wasserstrahl- Schneiden Lichtbogen-Sauerstoff- Schneiden Das Verfahren muss entsprechend den technischen und den Strahlenschutzanforderungen ausgewählt werden. Quelle: H. Jakob Uni Hannover
Strahlenschutz und Arbeitssicherheit Alles anders als beim Betrieb? Ja und Nein! Alle beim Rückbau anfallenden Aufgaben gibt es auch beim KKW- Betrieb. Einige betriebliche Aufgaben entfallen. Viele Aufgaben haben beim Rückbau eine quantitativ größere Bedeutung. Fast alle Situationen sind neu. Die Anlage ist für den Betrieb optimiert, nicht für den Rückbau. Entfall von Aufgaben: - Kritikalität - Kurzlebige Nuklide (J 131, Edelgase) - Notfallschutz Reduzierung von Aufgaben: Umgebungsüberwachung Meteorologie
Strahlenschutz und Arbeitssicherheit Alles anders als beim Betrieb? Ja und Nein! Fortbestehende oder quantitativ erweiterte Aufgaben: Sicherheitskultur Einstellen auf immer neue Situationen, Anpassung der Anlage Die Gewerke werden grober Es ist viel Papier zu erstellen (Genehmigung, Arbeitsanweisungen, ) Kontinuierlicher Umgang mit hoher Kontamination, regelmäßig auch offene radioaktive Stoffe mit der Konsequenz der Intensivierung bei: - Arbeitsplatzüberwachung - Dekontamination - Inkorporationskontrolle Radioaktive Abfälle: Behandlung in der Anlage, Logistik, Zwischenlagerung Freigabe:Probenahme,Analytik,Messtechnik, Abwicklung, Dokumentation Herausgabe: Nachweisführung der Abgrenzung zur Freigabe Gefährdungsbeurteilung für neue Tätigkeiten. Anpassung an das immer geringer werdende Gefährdungspotential
Entfernen von Stoffen aus atomrechtlichem Umgang 1. Herausbringen von beweglichen Gegenständen aus Kontrollbereichen gemäß 44 Abs. 3 StrlSchV 2. Ableitung radioaktiver Stoffe gemäß 47 StrlSchV 3. Abgabe radioaktiver Stoffe gemäß 69 StrlSchV 4. Ablieferung radioaktiver Abfälle gemäß 76 StrlSchV 5. Freigabe kontaminierter oder aktivierter Stoffe oder Gegenstände gemäß 29 StrlSchV 6. Herausgabe als Regelung für NICHT-radioaktive Stoffe (außerhalb StrlSchV), je nach Genehmigungszustand mit oder ohne Behörden- Beteiligung
Radioaktive Abfälle: Vom Rohabfall zum Endlagergebinde
Freigabe Begriff: Freigabe ist ein Verwaltungsakt, der die Entlassung radioaktiver Stoffe etc., die aus Tätigkeiten nach 2 Abs. 1 Nr. 1a, c oder d StrlSchV stammen, aus dem Regelungsbereich atomrechtlicher Vorschriften zur Verwendung etc. als nicht radioaktive Stoffe bewirkt. Freigabeoptionen gemäß Anlage III StrlSchV Zusatzoptionen: Individueller Nachweis der Unterschreitung von 10 µsv/a Freigabebescheid: Verwaltungsakt bezogen auf: Einzelchargen, oder materialspezifisch, freigabeoptionsspezifisch, oder allgemeine Regelung, z. B. in SSO des BHB, mit Festlegung von Anforderungen Abarbeitungsmodell: Freigabeablaufplan Feststellung der Übereinstimmung des Produkts mit den Anforderungen durch den Inhaber des Bescheids (SSB)
Paletten-Freimessanlage Hand-Messgerät
Herausgabe von nichtradioaktiven Stoffen Stoffe oder Gegenstände, die nicht kontaminiert und nicht aktiviert sind, unterliegen nicht der Regelung des 29 StrlSchV. Interpretation des AtG und der StrlSchV durch a priori-nachweis der Nichtradioaktivität (Nutzung, Betriebshistorie, Verfahrenstechnik zur Abgrenzung) Anwendung eines radiologischen Kriteriums, z.b. < 10 % der Freigabewerte; dies sind die erforderlichen Nachweisgrenzen. Abgrenzung genehmigt/nicht genehmigungsbedürftig ist zu treffen, unabhängig von der Frage der Radioaktivität.
Herausgabe von nichtradioaktiven Stoffen
Kühlturm Mülheim-Kärlich 2018
Schaltanlagengebäude Mülheim-Kärlich 2018
Rückbau ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst. Ein Rückbau-Kenner Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Karl Valentin