Der niedergelassene Facharzt für Psychiatrie unsere Erwartungen seine Möglichkeiten



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Mitgliederkonferenz am 15. Juni 2013 Vereinsgaststätte Verein für Rasensport, Hannover Arbeitsgemeinschaft der Angehörigen psychisch Kranker in Niedersachsen und Bremen (AANB) e. V. Wedekindplatz 3 30161 Hannover Telefon: 05 11 / 62 26 76 Telefax: 05 11 / 62 49 77 Telefax: 0 51 05 / 6 46 28 E-Mail: aanb@aanb.de Internet: www.aanb.de Der niedergelassene Facharzt für Psychiatrie unsere Erwartungen seine Möglichkeiten Viele von uns Angehörigen haben einen weiten Weg mit ihrem psychisch kranken Familienmitglied zurückgelegt, bis es zur Behandlung durch den niedergelassenen Facharzt kam. Die Erwartungen sind groß. Wie wird die Behandlung aussehen? Welche Medikamente können helfen heilen? Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten, und wie lange wird es dauern, bis der Kranke wieder gesund ist? Diese Fragen kennen wir nur zu gut aus unseren Gesprächskreisen. Herr Dr. med. Norbert Mayer-Amberg, niedergelassener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, nahm sich am 15. Juni Zeit, uns zu berichten, wie eine psychiatrische Behandlung in seiner Praxis aussieht. Gibt es nach der Diagnose eine Behandlungsplanung und genügen die Arztgespräche, um sicherzustellen, dass sich der Patient an die getroffenen Vereinbarungen hält? Einige Krankenkassen bieten den Ärzten und ihren Patienten eine besonders intensive Form der Behandlung, Integrierte Versorgung (IV) genannt, an. Was hat es damit auf sich und welche Patienten können von dieser Behandlungsform profitieren? Auf diese Fragen gab es Antworten. Programm 11.00 Uhr Begrüßung und Einführung in das Konferenzthema Rose-Marie Seelhorst, Vorsitzende 11.15 Der niedergelassene Facharzt für Psychiatrie Unsere Erwartungen seine Möglichkeiten Dr. med. N. Mayer-Amberg, Hannover 13.00 Wie sieht die ärztliche Behandlung unseres psychisch kranken Familienmitgliedes aus und was sollte sich unbedingt ändern? Wir wollen gemeinsam eine Liste unserer Wünsche erstellen. D O K U M E N T A T I O N Moderation: Brigitte Harnau, Caritasverband Hannover Protokoll: Sigrid Kloss, AANB Hannover

Protokoll der Mitgliederkonferenz der AANB e. V. am 15. Juni 2013 in Hannover, Zeit: 11.00 bis 14.30 Uhr Der niedergelassene Facharzt für Psychiatrie, unsere Erwartungen seine Möglichkeiten Frau Seelhorst, die Vorsitzende der AANB, begrüßte die Konferenzteilnehmer und stellte den Referenten, Herrn Dr. Norbert Mayer-Amberg sowie die Moderatorin, Frau Brigitte Harnau, vor. Herr Dr. Mayer-Amberg ist niedergelassener Psychiater in Hannover und wurde am 5. Juni 2013 zum Vorsitzenden des Psychiatrieausschusses gewählt. Frau Harnau, Mitglied des Landesfachbeirats Psychiatrie Niedersachsen, würde die Konferenz am Nachmittag leiten mit dem Ziel, eine Liste mit Wünschen der Konferenzteilnehmer zu erstellen. Formuliert werden sollten Wünsche und Forderungen an die behandelnden Ärzte der psychisch Erkrankten. Zu Beginn seines Vortrages stellte Herr Dr. Mayer-Amberg einige Berufe vor, die sich mit psychischen Krankheiten befassen. Berufe, die sich mit psychischen Krankheiten befassen Während der Neurologe die Menschen versorgt, deren Krankheit organisch bedingt ist (Beispiele: Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Lähmungserscheinungen), ist der Psychiater der Facharzt für die Behandlung seelischer Erkrankungen. Dabei prüft er ebenfalls, ob psychische Erkrankungen auf körperliche Störungen zurückgeführt werden können. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und er verschreibt Medikamente. In Gebieten mit geringer Facharztdichte übernehmen Neurologen auch die Aufgaben eines Psychiaters. Psychologen wie auch Psychotherapeuten arbeiten nach bestimmten Richtlinien und setzen keine Medikamente ein. Ärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie arbeiten ähnlich wie psychologische Psychotherapeuten, sie haben die Möglichkeit, Medikamente einzusetzen. Der Psychiater Die Ausbildung zum Psychiater sieht folgendermaßen aus: nach einem normalen 7-jährigen Medizinstudium erfolgt die Facharztausbildung. Verpflichtend ist hierbei das Studium eines weiteren Faches wie zum Beispiel Neurologie sowie die Arbeit in Kliniken (stationäre Patientenversorgung). Frühestens nach 5 oder 6 Jahren besteht dann die Möglichkeit, die Weiterbildung mit einer Prüfung abzuschließen und Facharzt für Psychiatrie zu werden. Will man eine eigene Praxis eröffnen, wendet man sich an die Kassenärztliche Vereinigung. Diese setzt einen bestimmten Zahlenschlüssel fest, nach dem Praxen eröffnet werden dürfen. Man kann auch eine schon bestehende Praxis übernehmen. Mit der Übernahme dieser Praxis ist ein Versorgungsauftrag verbunden, das heißt, der Arzt muss sich verpflichten, den alten Patientenstamm zu übernehmen und zu behandeln. Wird eine Praxis aufgegeben, kann sie von einem Psychiater oder einem Neurologen übernommen werden. Möglich ist auch, dass sich beide eine Praxis teilen. Herr Dr. Mayer-Amberg ist dankbar für die vielen Möglichkeiten, die der Beruf bietet und dafür, dass er als Psychiater viel für die Menschen tun kann. Er räumte aber auch ein, dass junge Kollegen oft nicht bereit sind, so zu arbeiten wie die älteren, denn der Beruf ist mit viel Arbeit und wenig Freizeit verbunden. Ein Psychiater ist zuständig für alle Krankheitsbilder des Gehirns, die mit psychischen Veränderungen einhergehen, für Auffälligkeiten im Verhalten, Denken, Wahrnehmen,

Fühlen. Einige Beispiele: - Demenz Im Rahmen der Ausbildung arbeitet der angehende Psychiater auch in einer gerontopsychiatrischen Abteilung einer Klinik. Dabei gilt es auch herauszufinden, welche Wirkungen Medikamente auf das Gehirn haben. Zum Teil sind Verwirrtheitszustände auch auf eine falsche Medikation oder einen Medikamentencocktail zurückzuführen. - ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) - Autistische Störungen - Affektive Störungen, zu denen zum Beispiel die Depression zählt Hier muss der Psychiater prüfen, inwieweit eine Krankheit organisch beziehungsweise psychisch bedingt ist. - Psychosen, zu denen auch die schizophrene Psychose gehört Jede Psychose ist ein sehr individuelles Geschehen, man kann sie sehen als 'fehlgeleitete Informationen'. So ist zum Beispiel ein gewisses Maß an Angst normal. Bei einer Psychose jedoch ist ein anderer Teil des Gehirns betroffen. Ein Psychose-Patient nimmt die Angst nicht als Angst wahr, sondern hört zum Beispiel Stimmen. Psychose-Patienten können unter Wahnvorstellungen leiden (Beispiele: ich werde verfolgt, ich werde abgehört). Angst, Wut und Aggression liegen dicht beieinander. Ein normales Alltagsleben ist sehr anstrengend in dieser Situation. Während jemand bei einer manischen Psychose große Pläne hat und nicht schlafen kann, hat jemand, der unter einer depressiven Psychose leidet, das Gefühl, an allem schuld zu sein. - Angststörungen Sie nehmen immer mehr zu. Werden sie nicht behandelt, muss der Betroffene nach 5 bis 10 Jahren mit genauso großen Einschränkungen leben wie bei einer Psychose. - Sucht Auch die Sucht gehört zum Arbeitsgebiet des Psychiaters. Medikamente können die Aktivität des Gehirns wieder ein wenig herunterfahren. Die Aufgabe eines Psychiaters besteht nun darin, zu entscheiden, welche Medikamente er gibt und wie er diese dosiert. Es muss auch bedacht werden, dass Medikamente selbst, zum Beispiel bestimmte Antibiotika, Psychosen auslösen können. Im Großen und Ganzen weiß man, welche Wirkungen Medikamente haben, weiß jedoch nicht genau, weshalb. Es gibt zwei Gruppen von Patienten: Manche leiden nur zeitweise unter einer Psychose. Andere dagegen kommen immer wieder in die Praxis und müssen über Jahre behandelt werden. Jedes Mal muss der Psychiater neu prüfen, wo er ansetzt und welche Medikamente in welcher Dosierung er verordnet. Man kann nicht sagen, dass eine bestimmte Diagnose eine bestimmte Behandlung nach sich zieht. Jeder Fall muss individuell geprüft werden. Zusätzlich sollte ein Psychiater versuchen, noch andere wie zum Beispiel Angehörige und Arbeitgeber mit einzubinden. Die Behandlung Es ist nicht möglich, für jeden Patienten einen maßgeschneiderten Behandlungsplan aufzustellen, da Budget und Zeit begrenzt sind. Es gibt politische und ökonomische Zwänge, aber dennoch wird man sich bemühen, dem Patienten gerecht zu werden, so Herr Dr. Mayer-Amberg. Seiner Meinung nach könnte ein Psychiater 500 bis 800 Patien-

ten pro Quartal versorgen. Die Behandlung durch einen Psychiater Ehe ein Psychiater eine Therapie mit Psychopharmaka beginnt, muss er entscheiden, welche Medikamente und welche Dosierung er wählt. Er muss hier nach dem Prinzip Versuch und Irrtum vorgehen, muss Wirkung und Nebenwirkungen eines Medikamentes beachten. Es gibt Studien darüber, dass die Wirkung eines Medikamentes auch davon abhängt, wer dieses in welcher Weise verordnet. Ein Arzt kann also die Wirkung eines Medikamentes beeinflussen, indem er den Patienten über Nutzen und Nebenwirkungen des Medikamentes aufklärt. Neben der dauerhaften Medikamenteneinnahme ist für einen Patienten auch eine Begleitung und Beratung hilfreich. So sollte ein Arzt über zusätzliche Hilfsangebote (Tagesstätte, Ergotherapie und anderes) informieren, eventuell ist auch mal eine (teil)stationäre Behandlung anzuraten. APP ambulante psychiatrische Pflege Die ambulante psychiatrische Pflege (APP) ist ein Versorgungsangebot für psychisch kranke Menschen. Diese werden zu Hause besucht und betreut. Wenn jemand nicht suizidal ist und ein gewisses Maß an Realitätsbezug hat, kann APP helfen. Seit 7 oder 8 Jahren gibt es APP, in Niedersachsen inzwischen flächendeckend. Integrierte Versorgung (IV) Unter integrierter Versorgung (IV) versteht man die fachübergreifende Versorgung von Patienten, für die Leistungsanbieter aus verschiedenen Sektoren abgestimmt zusammenarbeiten. Ärzte, Fachärzte, Krankenhäuser, Vorsorge- und Reha-Kliniken und andere zur Versorgung der Versicherten berechtigte Leistungserbringer können kooperieren. Hierzu schließen Krankenkassen mit Leistungserbringern entsprechende Verträge. Folgende Krankenkassen haben Verträge abgeschlossen: - AOK (Allgemeine Ortskrankenkasse) - nur für Psychosen, - TK (Techniker Krankenkasse), KKH (Kaufmännische Krankenkasse) - für mehrere Krankheitsbilder, - Betriebskrankenkassen. Die BARMER GEK und die DAK (Deutsche Angestellten-Krankenkasse) haben solche Verträge (noch) nicht abgeschlossen. Psychotherapie und psychotherapeutische Intervention Während einer Psychotherapie werden Gespräche geführt. Eine psychotherapeutische Intervention dagegen umfasst nicht viele Stunden, sondern nur kurze Zeitabschnitte, vielleicht einmal 20 Minuten. Ein Teil der Arbeit besteht auch darin, bei der Behandlung eines Patienten andere Beteiligte mit hinzuzuziehen. So ist zum Beispiel oft die Zusammenarbeit mit den Jobcentern oder den Versorgungsämtern erforderlich. Hier endet Herr Dr. Mayer-Ambergs Vortrag. Im Folgenden beantwortet er Fragen aus dem Publikum. - Frage: Was ist der Unterschied zwischen einem Neurologen und einem Nervenarzt? Antwort: Während der Neurologe nach der organischen Ursache einer Krankheit sucht und die Krankheit dann behandelt, berücksichtigt der Nervenarzt sowohl organische Ursachen als auch die Psyche.

- Frage: Kann man inzwischen vorhersagen, wie welches Antidepressivum bei dem einzelnen Patienten wirken wird? Es gibt ja neuere Untersuchungen dazu. Antwort: Die Kosten für eine entsprechende Untersuchung des Patienten werden noch nicht von den Krankenkassen übernommen. Es dauert einige Jahre, bis die Forschungsergebnisse in die Praxis übergehen, "der letzte Schliff fehlt noch". - Frage: Kann man die Aussage verallgemeinern, dass ein Arzt mit Angehörigen nicht zusammenarbeiten will, wenn der Patient sich in einer akuten Psychose-Krise befindet? Antwort: Diese Frage kann man nicht allgemeingültig beantworten. Es gibt Ärzte, die offen sind, andere sind zurückhaltender, manchmal will der Betroffene nicht, dass Auskunft gegeben wird. Da für einen Arzt die Situation oft schwer einzuschätzen ist, hält er sich lieber zurück. - Frage: Gibt es eine genetische Disposition für den Ausbruch einer psychischen Krankheit? Antwort: Ja, es gibt genetische Faktoren, die den Ausbruch einer psychischen Krankheit begünstigen. Man kann aber nicht sagen, ob solch eine Disposition zum Tragen kommt, zwingend ausbrechen muss die Krankheit also nicht. - Frage: Der Sohn hat die Medikamente abgesetzt und leidet jetzt wieder unter einer Psychose. Was kann man tun? Antwort: Es gibt viele verschiedene Strategien und es hängt vom Zustand des Patienten ab, welche man anwendet. Manchen Patienten gelingt es, Medikamente zeitweise zu reduzieren oder abzusetzen und wieder mit der Einnahme zu beginnen, wenn sich eine Krise ankündigt. Unterscheiden muss man zwischen der Medikation in einer akuten Phase und der zur Stabilisierung. Die Einnahme von Medikamenten ist immer ein Kompromiss, Nebenwirkungen muss man in Kauf nehmen. - Frage: Warum bemerken es nur wenige, wenn sich ein psychotischer Schub ankündigt, ein Großteil aber nicht? Antwort: Viele merken, dass sich ein Schub ankündigt, wollen es jedoch nicht wahrhaben. Das psychotische Erleben ist auch nicht immer bedrohlich für den Betroffenen, sondern manchmal auch beglückend (der Betroffene hat gute Ideen oder hat den Eindruck, dass Gott mit ihm spricht). - Frage: Wie ist der Stand der Entwicklung der Neuroleptika? Antwort: Die Bilanz ist ernüchternd, es gibt kaum Neuheiten. Zum Teil wurden Medikamente wieder vom Markt genommen, zum Teil wurden mit neuen Medikamenten nur Nischen besetzt, zum Teil haben Neuentwicklungen neue Nebenwirkungen, zum Teil haben sie weniger Nebenwirkungen, dafür aber auch eine schwächere Wirkung. - Frage: Was kann man tun bei starken Nebenwirkungen der Medikamente? Antwort: Ein Medikamentenmix hat oft Müdigkeit, Emotionslosigkeit und andere negative Symptome zur Folge. In diesem Fall sollte man mit dem Psychiater besprechen, wie die Medikamente individuell anzupassen sind. - Frage: Was kann man tun, wenn der Psychiater nicht über die Diagnose spricht? Antwort: Wenn jemand neu in die Praxis kommt, sollte eine Diagnose selbstverständlich sein, und wenn man eine konkrete Frage stellt, sollte man eine Antwort bekommen.

- Frage: Kann man sich die Klinik aussuchen? Antwort: Eine Psychiatrische Klinik oder Akutklinik kann man sich nicht aussuchen; die Klinik, die für die Region zuständig ist, muss einen Patienten aufnehmen. Hat die Behandlung jedoch noch Zeit, kann man die Klinik selbst wählen. Frau Seelhorst dankte Herrn Dr. Mayer-Amberg, der nachmittags wegen einer privaten Verpflichtung nicht mehr teilnehmen konnte, für diesen ausführlichen und informativen Vortrag. - - - - - Nach einer halbstündigen Mittagspause moderierte Frau Harnau die Diskussion am Nachmittag. Unter der Leitfrage "Wie sieht die Behandlung von psychiatrischen Krankheiten zurzeit aus, was sollte sich ändern?" sollte eine Liste erarbeitet werden mit Wünschen an die behandelnden Ärzte. Vorab wies Frau Harnau noch auf die Liste der ambulanten psychiatrischen Fachpflegedienste hin, die sich sowohl in der den Teilnehmern vorliegenden Tischvorlage befand als auch im Internet unter folgendem Link zu finden ist: www.caritasforumdemenz.de, Informationsmaterial, Ambulante Psychiatrische Pflege.. Was sollte sich ändern Wünsche hinsichtlich der ärztlichen Behandlung des psychisch kranken Familienmitgliedes: - Der Arzt sollte über die Krankheit aufklären. - Der Arzt sollte mit den Angehörigen zusammenarbeiten. - Angehörige wünschen sich eine ausreichende Beratung vom Facharzt. Hierzu Frau Harnau: Angehörige können ihr Recht einfordern, wenn die Beratung nicht als ausreichend empfunden wird. Der Arzt muss jedoch auch Vertrauen zum Patienten aufbauen. Dies ist ein Balanceakt, man sollte sich deshalb nicht in jedem Fall auf sein Recht berufen. Wenn Eltern Betreuer ihres psychisch kranken Kindes sind, muss ein Arzt Auskunft geben. - Der Psychiater sollte den Patienten davon überzeugen, dass ein Austausch zwischen behandelndem Arzt und Angehörigen gut wäre, dass also der Arzt den Angehörigen Auskunft geben darf. Der Arzt sollte auch für Gespräche mit den Angehörigen bezahlt werden. Hierzu Frau Harnau: Die ambulante psychiatrische Pflege (APP) könnte eine Hilfe sein, die dort beschäftigten Menschen haben Zeit für Gespräche. - Der Arzt sollte über alle Hilfsmöglichkeiten auch für Angehörige informieren (Beispiele: Pflege, Pflegestufe, Angehörigengruppen). - Die verschiedenen behandelnden Ärzte sollten die Patientengeschichte kennen, das heißt, die Krankenakten sollten weitergegeben werden. Oft existieren mehrere Patientenakten nebeneinander und die Kommunikation unter den behandelnden Ärzten funktioniert nicht. Hierzu Frau Harnau: Man sollte den Arzt daran erinnern, die Patientenakte an einen mitbehandelnden Arzt zu schicken. Wenn die Krankenakte auf Anforderung nicht übersandt wird, sollte man nachfassen. - Der Arzt sollte die Krankengeschichte eines Patienten auch lesen. - Die Angehörigen möchten als Betreuer ernst genommen werden. Hierzu Frau Harnau: Gespräche auf Augenhöhe sollten von Anfang an möglich sein, man sollte nicht aufgeben, sondern kämpfen. - Angehörige wünschen sich die Zusammenarbeit der zuständigen finanziellen Träger zum Wohle der Patienten. So sehen zum Beispiel ambulante psychiatrische Pflege und ambulantes betreutes Wohnen einander oft als Konkurrenten.

Hierzu Frau Harnau: Das soziale System tariert sich neu aus. Bisher überwiegt noch das Konkurrenzdenken und nicht der Gedanke daran, was für den Patienten am besten ist. Es wird aber daran gearbeitet, eine bessere Kooperation zu erreichen. - Der Patient sollte von einer Person seines Vertrauens zum Arzt begleitet werden dürfen und dies sollte auch in der Krankenakte vermerkt werden. Hierzu eine Gegenmeinung. Man sollte differenzieren: es ist Sache des Kranken, ob er eine Begleitperson an seiner Seite haben will. Die Möglichkeit sollte allerdings gegeben sein. - Der Psychiater sollte den Patienten auch zu Hause besuchen. Noch einige Informationen und Hinweise im Zusammenhang mit Fragen aus dem Publikum: Zur Qualität der ambulanten psychiatrischen Pflege (APP): Welche Möglichkeiten hat man, wenn ein psychisch erkrankter Mensch nicht mit dem Betreuer des entsprechenden Pflegedienstes auskommt? Man kann den Anbieter wechseln, es könnte aber auch sein, dass ein Klinikaufenthalt unvermeidlich ist. Zur Qualitätssicherung der APP sollte eine Supervision erfolgen, es sollte eine dritte Instanz eingeschaltet werden, denn Arzt und Angehörige können nicht objektiv sein. APP gibt es seit 1994 1994 wurde der erste APP-Vertrag zwischen der AOK Friesland und dem Freien Sozialen Dienst Friesland abgeschlossen -, der bisher letzte Fachpflegedienst etablierte sich 2012. Die Kenntnis der Diagnose ist wichtig, weil man dann weiß, was man tun kann. Des Weiteren kann man dem Arzt gezielte Fragen stellen. Psychoedukation gibt es bisher nur für Patienten, es ist jedoch geplant, diese Schulungen auch für Angehörige anzubieten. Frau Seelhorst dankte Frau Harnau sowie allen Mitwirkenden und beschloss die Konferenz mit dem Hinweis, dass in diesem Jahr im Oktober noch eine Tagesveranstaltung in Oldenburg stattfinden würde. Die ursprünglich für heute geplante Tagung fällt aus. Hannover, 29. Juli 2013 Protokollantin: Sigrid Kloss