GABRIELE VANA-KOWARZIK



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GABRIELE VANA-KOWARZIK DAS ZWEITE GEWALTSCHUTZGESETZ ÄNDERUNGEN IM ZIVILVER- FAHREN, AUSSERSTREITVERFAHREN, STRAFGESETZBUCH UND IM VERBRECHENSOPFERGESETZ Ich berichte über die Änderungen im Zivilverfahren, weil diese Änderungen sehr unbefriedigend sind. Manches, was eigentlich im Gesetzesentwurf vorgesehen war, fehlt im Gesetz. WAS IST NEU IM ZWEITEN GEWALTSCHUTZGESETZ? Einerseits wurde die psychosoziale Prozessbegleitung nun auch einsam und alleine im Zivilverfahren implementiert, d. h. Opfer, die Opfer im Sinn der StPO sind, haben jetzt auch das Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung im Zivilverfahren. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Geheimhaltung der Wohnanschrift der Partei und von ZeugInnen, wenn ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht. Im Zivilverfahren gibt es die Möglichkeit der kontradiktorischen Einvernahme, d. h. die Einvernahme des Opfers erfolgt nicht in Anwesenheit des Beklagten/Antragsgegners oder Klägers/Antragstellers, je nachdem welche Rolle im Zivilprozess das Opfer hat. Unmündig Minderjährige sind durch Sachverständige zu vernehmen, und es gibt die Möglichkeit der Einvernahme von Minderjährigen in Abwesenheit der Parteien. Ich möchte dazu sagen, das war auch jetzt schon möglich, wenn die Parteien damit einverstanden waren, was oftmals der Fall war. Weiters wurden auch wichtige Änderungen im Strafrecht umgesetzt, vor allem wurde der Straftatbestand der fortgesetzten Gewaltausübung im StGB aufgenommen. Meine Erfahrung und ich mache sehr viel juristische Prozessbegleitung - ist, dass nie die erste Gewalthandlung zur Anzeige gelangt, auch wenn bei der ersten Einvernahme vor allem der Anschein erweckt wird, es war nur eine Gewalthandlung vorhanden, weil nach den vorigen oft nicht gefragt wird. Ferner wurde bei Gewalthandlungen gegen Minderjährige die Hemmung der Verjährung ausgedehnt. Die Verjährung beginnt in diesen Fällen erst ab dem 28. Lebensjahr zu laufen, gekoppelt mit einer Menge von Maßnahmen zur Rückfallsprävention von Sexualstraftätern. Bei Sexualstraftätern findet sich im Gesetz auch eine teilweise die Anhebung der Strafgrenzen, also sie können jetzt höher bestraft werden. PSYCHOSOZIALE PROZESSBEGLEITUNG IN ZIVILVERFAHREN Da der Zivilprozess in erster Linie vom strafrechtlichen Opferbegriff ausgeht, möchte ich diesen noch einmal in Erinnerung rufen: Opfer im Sinne der Strafprozessordnung nach 65 Abs 1 lit a StPO ist jede Person, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat, Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnte. Wir haben 1

im Strafprozess jedoch eine Aufgabenteilung. Einerseits die psychosoziale Prozessbegleitung, das ist die psychische Unterstützung des Opfers, die das Opfer auf einen Prozess und die damit verbundenen Belastungen vorbereitet. Sie müssen sich vorstellen, ich erleide Gewalt, soll dort jemandem begegnen, wie bereite ich mich da vor, wenn die Begegnung nicht ausgeschlossen werden kann. Die psychosoziale Prozessbegleiterin kann das Opfer zu allen Vernehmungen bei Gericht begleiten, hat aber halt sonst keine rechtliche Handhabe, während die juristische Prozessbegleiterin die rechtliche Beratung übernimmt. Als juristische Prozessbegleiterin kann ich, wenn notwendig, eine kontradiktorische Einvernahme in der Hauptverhandlung beantragen und erkläre dem Opfer, welche prozessrechtlichen Möglichkeiten es sonst noch gibt, wie beispielsweise den Privatbeteiligtenanschluss. Ursprünglich war im allerersten Entwurf vorgesehen, dass es auch juristische Prozessbegleitung im Zivilverfahren geben soll. Im allerersten Entwurf hat es geheißen: Jedes Opfer hat das Recht auf juristische Prozessbegleitung im Rahmen von VerfahrenshilfeanwältInnen. Die AnwältInnenschaft, und auch ich, haben hier jedoch aufgeschrien. Wir haben eine Kanzlei zu halten, das geht ganz einfach nicht, insbesondere in Hinblick darauf, dass bei Verfahrenshilfe die Kosten, die der Staat an die Anwaltskammer zahlt, in deren Pensionsfonds kommt; jedoch die AnwältInnen, die Verfahren in Verfahrenshilfe übernehmen, Kosten lediglich bei einem Obsiegen erhalten, jedoch nicht bei außerstreitigen Verfahren das sind die Pflegschaftsverfahren und auch dann nur, wenn die Kosten vom Gegner einbringlich sind. Außerdem kann vom Opfer die Verfahrenshilfe zurückverlangt werden, wenn sie zu Vermögen oder Einkommen gelangen. Dann gab es einen zweiten Entwurf, da hieß es, juristische Prozessbegleitung wird genauso bezahlt wie die psychosoziale Prozessbegleitung, aber AnwältInnen haben keinen Anspruch auf Kostenersatz und der Staat holt sich dann die Kosten, wenn obsiegt wird in einem Zivilprozess vom/von der Beklagten bzw. KlägerIn, je nachdem, welche Stellung ich im Zivilverfahren habe. Es gab dann kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes einen Initiativantrag der Opferschutzeinrichtungen. Da Opfer keine Bankenlobby haben, ist ganz einfach die juristische Prozessbegleitung dem Sparstift zum Opfer gefallen. D. h. wir haben jetzt im Zivilverfahren nur die psychosoziale Prozessbegleitung. Dadurch steht die Prozessbegleitung im Zivilverfahren nur auf einem Bein. Eine psychosoziale Prozessbegleitung ist dann zu gewähren, wenn das Zivilverfahren in einem sogenannten inhaltlichen Konnex mit dem Strafverfahren steht, also auch bei ZeugInnenaussagen, wenn ein/e ZeugIn vernommen werden soll über den Gegenstand des Strafverfahrens, ist psychosoziale Prozessbegleitung möglich. Ein inhaltlicher Konnex kann bei vielen Verfahren bestehen: bei Scheidungsverfahren, natürlich auch bei Schmerzensgeldverfahren, ebenso im Obsorgeverfahren - also auch in Außerstreitverfahren ist die Prozessbegleitung möglich. 2

Die Prozessbegleitung erfordert höchstmögliche Bedachtnahme auf die Persönlichkeit und Betroffenheit des Opfers. Ob diese Betroffenheit vorhanden ist, hat im Endeffekt die Opferschutzeinrichtung zu beurteilen. Das ist schon sehr viel, was da beim Strafverfahren zu beurteilen ist, weil ich da genau schauen muss: wann gewähre ich jetzt Prozessbegleitung, bei schwerer Körperverletzung oder bei leichter? Oder bei leichter Körperverletzung, wie ist die psychische Verfassung der Frau bzw. des Kindes, oder wem soll ich sonst noch eine Begleitung gewähren. Die Beurteilung ist schwierig. Zu sagen, wir haben jetzt nicht mehr so viel Geld, deshalb können wir jetzt einer Frau, die beispielsweise gerade einen Mordversuch überlebt hat, eventuell keine Prozessbegleitung mehr gewähren, könnte eine Folge davon sein. Denn Opferschutzeinrichtungen sind natürlich davon abhängig, dass die Kosten auch bezahlt werden. Welche Stellung hat eine psychosoziale Prozessbegleiterin in Zivilverfahren? Sie hat die Stellung einer sogenannten Vertrauensperson. Sie begleitet das Opfer zu Verhandlungen und Vernehmungen, muss aber auch über Termine vom Gericht verständigt werden. Sie kann bei Gericht anwesend sein, kann aber nicht aktiv unterstützen. Man muss sehen, dass ein Strafverfahren anders als ein Zivilverfahren ist. Bei Strafverfahren habe ich den/die StaatsanwältIn, auf der anderen Seite den Beschuldigten bzw. die Verteidigung und dann habe ich als juristische Prozessbegleiterin ja auch Einfluss ich kann eventuell Beweisanträge stellen, Fragen stellen etc. Wenn ich mir jetzt aber ein Zivilverfahren vorstelle: Da habe ich eine Klägerin. Die Frau bringt z. B. auf Grund der Gewalttätigkeiten eine Scheidungsklage ein, das Strafverfahren ist eventuell noch im Laufen. Jetzt muss aber die Partei zur Verhandlung gehen, zur Strafverhandlung muss ich eventuell nicht gehen, aber zu einer Zivilverhandlung muss ich mich, wenn ich nicht selber vertreten bin, hinbewegen, ich muss anwesend sein. Bin ich bei der Verhandlung nicht anwesend, gilt meine Klage eventuell als zurückgezogen. Wenn ich mir solche Szenarien vorstelle, kann ich gar nicht anders als der Meinung zu sein, dass Frauen vor allem dann, wenn ein Strafverfahren noch im Laufen ist, oder Opfern ganz allgemein, auf alle Fälle Verfahrenshilfe wenn irgend möglich - zu gewähren wäre. Das Problem ist: Verfahrenshilfe bekomme ich natürlich nur dann, wenn ich kein entsprechendes Einkommen habe; was bedeutet, dass sich Frauen, die ein höheres Einkommen haben, das gibt es ja auch, einen Anwalt/eine Anwältin nehmen müssen. Ansonsten ist der ganze Opferschutz im Zivilverfahren völlig absurd, weil es juristische Prozessbegleitung nicht gibt. Die Kosten an und für sich sind dann vom Gericht zu bestimmen. Ich habe Kostenersatzregelungen im Zivilprozessrecht, und je nachdem, wie jemand obsiegt, sind dann wieder Gesamtkosten vom Gegner zu bezahlen oder ein Teilkostenersatz zu leisten. Das nächste Absurde in diesem Gesetz ist, dass Opfer, die Verfahrenshilfe bekommen, psychosoziale Prozessbegleitung bis zur Höhe von 1200 Euro erhalten können. Bei Opfern, die keine Verfahrenshilfe haben, wird ein 3

Pauschalbetrag bis zu 800 Euro bezahlt. Der Gesetzgeber tut so, als ob es hier die Möglichkeit gäbe, dass ich frei wähle, ob ich jetzt Opferbegleitung habe oder nicht, Opferbegleitung wird mir jedoch zur Verfügung gestellt. Also es ist sachlich in keiner Weise gerechtfertigt, dass ich verschiedene Pauschalbeiträge habe. Mir ist das völlig unverständlich. Dies muss ein Relikt aus dem ursprünglichen Gesetz sein, das schließlich nicht beschlossen wurde. SCHUTZWÜRDIGE GEHEIMHALTUNGSINTERESSEN Es ist schön, dass schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen jetzt im Gesetz verankert sind. Ich hatte sehr wohl auch vorher schon Fälle, wo wir mithilfe von Zustellungsbevollmächtigungen mit RichterInnen in Wien vereinbarten, dass eine Adresse nicht bekanntgegeben wird. Das kann man auch bei Frauen in Frauenhäusern in Wien sagen, da wird die Geschäftsstelle angegeben, denn die Adresse vom Frauenhaus ist ganz einfach nicht zu nennen. Jetzt steht im Gesetz, dass in Schriftsätzen der Wohnort nicht bekanntgegeben werden muss, aber ich muss das mit gesonderter Mitteilung an das Gericht machen und dann auch einen/eine sogenannten Zustellungsbevollmächtigte/n angeben. Das kann ein Verein sein, das kann aber auch jemand anderer sein. Urkunden mit Angaben über den Wohnort können anonymisiert vorgelegt werden, also ich kann den Wohnort ausstreichen; es sind eventuell auch andere Akten vom Gericht zu anonymisieren. Hier ist vor allem daran gedacht, dass in Stalkingfällen oder bei Gewaltbedrohungsprozessen die Adressen nicht bekanntgegeben werden. Lediglich dann, wenn der Gegner sagt, ich habe ein berechtigtes Interesse daran, dass ich die Adresse erfahre, weil er Kosten von der Frau zu erhalten hat und diese exekutieren will, dann ist die Adresse zu nennen. ABGESONDERTE VERNEHMUNG Der nächste Punkt ist die abgesonderte Vernehmung. Auch hier muss natürlich ein Zusammenhang mit dem Strafverfahren vorhanden sein. Hier wird ausdrücklich genannt, dass das nur Opfer im Sinn des 65 Abs.1 StPO sein dürfen, also alle Personen, die direkt von Gewalt betroffen sind. In diesen Fällen gibt es auch im Zivilprozess das Recht auf schonende Vernehmung durch Video. Ich finde es sehr wichtig, dass es das gibt; nur mache ich noch einmal darauf aufmerksam: In diesen Fällen muss das Opfer eine Vertretung haben, sei es durch Verfahrenshilfe oder sei es, dass es selbst eine Vertretung wählt. Denn sonst entzieht es sich selbst mancher Rechte. Stellen wir uns vor, wir bringen eine Scheidungsklage ein, das Strafverfahren dauert lang, vor allem wenn ein Täter jetzt nicht in U-Haft sitzt, weil die Gerichte vor allem in Wien sehr überfordert sind. Mittlerweile ist schon die erste Scheidungsverhandlung. Jetzt muss das Opfer dort hingehen. Während es sich im Strafprozess nicht mit dem Täter konfrontieren muss, muss es sich aber bei der Scheidungsverhandlung mit ihm konfrontieren, wenn es nicht anwaltlich vertreten ist. Auch die Körpersprache ist eine Sprache, ich brauche keine Äußerungen des Gegners, um wieder eine starke Beunruhigung herbeizuführen. Da muss ganz einfach wirklich darauf geachtet werden, dass für eine Vertretung des Opfers 4

gesorgt wird - und auch dass das Opfer nicht unbedingt zur ersten Zivilverhandlung kommen muss. Es muss in der ersten Verhandlung ja nicht immer ein Vergleich geschlossen werden. Es gibt auch klare Verantwortungen im Scheidungsverfahren, nicht jede Scheidung muss einvernehmlich sein. Um das Recht auf schonende Vernehmung wahrnehmen zu können, muss das Opfer einen Antrag auf schonende Einvernahme stellen und das Gericht hat diesem Antrag stattzugeben. Dabei handelt es sich um einen Beschluss, der nicht mit gesonderten Rechtsmitteln anzufechten ist. Ob dieser prozessleitende Beschluss dann in irgendeiner Form in einer Berufung relativiert werden kann, müssen sich die AnwältInnen extra noch überlegen. Wenn ich jetzt kein Opfer im Sinne des 65 Abs.1 StPO bin, kann das Gericht auch einem solchen Antrag auf schonende Einvernahme stattgeben, wenn für die zu vernehmende Person eine Aussage in Anwesenheit der Parteien des Verfahrens oder deren VertreterInnen unzumutbar ist, natürlich auch, wenn die betroffene Person selbst Partei ist. Aber was können das für Fälle sein kein Opfer im Sinn des 65 Abs.1 StPO? Es muss nicht jeder Stalkingfall gleich eine beharrliche Verfolgung im Sinne des 107a StPO sein. Es kann auch beispielsweise eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sein, d. h. ich kann jetzt auch in arbeitsrechtlichen Verfahren eine abgesonderte Vernehmung beantragen. Ausschlaggebend ist immer die Situation der vernehmenden Partei, also nur darauf hat das Gericht zu schauen, auf sonst nichts. Auch hier gibt es wieder kein abgesondertes Rechtsmittel. Für Minderjährige existiert eine neue Schutzbestimmung: Bei ihnen kann überhaupt von einer Vernehmung abgesehen werden, wenn das Wohl der minderjährigen Person in irgendeiner Weise betroffen ist. Ist das Kindeswohl gefährdet, muss nicht vernommen werden. Kindeswohl bedeutet hier immer geistige Reife, bezieht sich auf den Gegenstand der Vernehmung und das Naheverhältnis zu den Prozessparteien. Kinder müssen nicht mehr unbedingt im Prozess aussagen. Allerdings bin ich der Meinung, dass dies nicht gilt, wenn das Kind noch nie ausgesagt hat. Wenn das Kind z. B. betroffen ist in einem Strafverfahren und ich hab dort seine Aussage, kann diese natürlich im Zivilprozess verwertet werden. Wenn ich jetzt aber eine einstweilige Verfügung habe und das Kind war ZeugIn der Gewalt, dann kann es eventuell durch Sachverständige vernommen werden. Es gibt auch eine schonende Vernehmung, wenn es aufgrund des Verhältnisses des Kindes zu den Parteien schwierig ist, in Abwesenheit der Prozessparteien jedoch möglich. Eine kontradiktorische Einvernahme heißt: Die Eltern sind Prozessparteien und das Kind bzw. die/der Minderjährige soll aussagen. Das Kind bzw. der/die Minderjährige hat das Recht, eine Vertrauensperson beizuziehen, wobei ich auch erinnern will, dass es jetzt auch den Kinderbeistand gibt, der als Vertrauensperson begleiten darf, wenn es keine andere Vertrauensperson gibt. VERBRECHENSOPFERGESETZ Die Änderungen im Verbrechensopfergesetz sind teilweise erfreulich. Bei schwerer Körperverletzung ist eine einmalige Geldleistung von 1000 Euro, bei 5

schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen eine Einmalzahlung über 5000 Euro möglich. In der Schweiz wird zum Unterschied von Österreich - das Schmerzensgeld vom Staat vorgestreckt und dann von dem/der TäterIn geholt. Es wäre natürlich noch erfreulicher, wenn es das in Österreich auch gäbe, aber so viel Geld ist anscheinend nicht da. Und ich möchte auch anführen: Ein Nasenbeinbruch ohne Verschiebung ist eine leichte Körperverletzung, da bekommt man/frau nichts. Die meisten Körperverletzungen in Zusammenhang mit gefährlicher Drohung sind sehr oft leichte Körperverletzungen, für schwere Köperverletzungen brauche ich schon ein bisschen mehr, und sehr oft kommt es dabei auch auf die Beurteilung der Spitäler oder des/der AmtsärztIn an. Ich erinnere mich an einen Vorfall, als ein Mordversuch als leichte Körperverletzung beurteilt wurde. Eine Frau war so lange gewürgt worden, bis sie ohnmächtig zusammenbrach, wäre niemand dazwischen getreten und hätte den Täter von ihr weggerissen. Sowohl der Amtsarzt als auch das Spital haben die Verletzung der Frau als leichte Körperverletzung bewertet. Erst die medizinische Sachverständige hat gesagt, dass ein Mordversuch vorgelegen ist, weil der Täter nicht freiwillig von ihr abgelassen hat, sie bereits bewusstlos war und, ohne Einschreiten der dritten Person, dieser sie erwürgt hätte. FORTGESETZTE GEWALTAUSÜBUNG Das Letzte, das ich noch anführen will, ist der neue Straftatbestand der fortgesetzten Gewaltausübung. Wir haben bei jedem Straftatbestand ein sogenanntes geschütztes Rechtsgut; und hier ist das geschützte Rechtsgut die Freiheit der einzelnen Person, ein Leben ohne Gewalt zu führen. Sprich, ein Leben zu führen, in dem ich selbst über mich bestimmen kann, wo ich als Kind oder erwachsene Person nicht mit Gewalt bestraft werde, wenn ich etwas nicht so tue, wie es der andere will. Voraussetzung ist die Ausübung von Gewalt während längerer Zeit, also ich habe ein sogenanntes Dauerdelikt, und zwar entweder durch körperliche Misshandlung und Straftaten gegen Leib und Leben oder die Freiheit. Nicht dazu zählen der Hausfriedensbruch, die Täuschung und Stalking. Der Straftatbestand beinhaltet Deliktsqualifikationen bei umfassender Kontrolle der betroffenen Person oder bei erheblichen Einschränkungen der autonomen Lebensführung durch dieses Verhalten. Ich habe schon am Beginn gesagt, in der Regel wird nicht die erste Tat angezeigt, sondern immer eine Tat, die sich schon des Öfteren wiederholt hat. Ich habe bis jetzt die Erfahrung gemacht, dass sehr oft bei der ersten Einvernahme und diese erfolgt eben durch die Kriminalpolizei - das Interesse nicht sehr groß war, die vorhergehenden Taten zu erfahren. Üblicherweise war das Interesse in der Regel sehr groß, so kurz wie möglich die zur Anzeige zu bringende Tatumschreibung zu erfahren. Meist versucht eine Person, die gerade von Gewalt betroffen ist/war, sehr langatmig zu beschreiben dafür fehlt bei der Polizei oftmals die Zeit. 6

Ich würde es überaus wichtig finden, auch im Hinblick auf den neuen Straftatbestand, dass Opfern, die vernommen werden, sehr viel Zeit gegeben wird zu erzählen und dass nachgefragt wird. Denn ich habe bei den Gerichtsverhandlungen - sei es bei einer einstweiligen Verfügung, sei es bei Strafverhandlungen - immer wieder das Problem, dass Opfer zu diesem Zeitpunkt schon mehr Abstand zu dem Gewaltgeschehenen, das Anlass für die Anzeige war, haben, vielleicht auch vom vermutlichen Täter und dann kaum viel erzählen. Aber immer wieder taucht die Frage auf: Ja, warum haben Sie das nicht bei der Polizei erzählt? Und sehr oft ist es leider so, dass bei der Polizei nicht die Zeit dafür vorhanden war. Ich hoffe, dass wir doch noch die juristische Prozessbegleitung im Zivilverfahren implementieren können, weil so, wie die Rechtslage derzeit ist, kann ich nicht von Prozessbegleitung sprechen. Für Prozessbegleitung gibt es Standards. Sie wurden von einem interdisziplinären Arbeitskreis ausgearbeitet, an dem das Innenministerium beteiligt sein sollte, das aber leider schon des Öfteren nicht war, und an dem das Justizministerium, das Familienministerium und NGOs teilnehmen. Dort wird versucht, die Standards für Prozessbegleitung in allen Bereichen sowie die Unterstützung der Opfer in allen Bereichen zu heben. So wie jetzt der Zivilprozess ausgestaltet ist, vor allem im Hinblick auf die Prozessbegleitung trotz aller anderen positiven Regelungen, der kontradiktorischen Einvernahme usw. -, kann der Standard ganz einfach nicht gehalten werden. 7