INHALT PROJEKTE UND PRODUKTE VERFAHREN UND TECHNIKEN ANHANG. 6 Vorwort 8 Dunkle Materie Betrachtungen eines Planers



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Transkript:

INHALT 6 Vorwort 8 Dunkle Materie Betrachtungen eines Planers PROJEKTE UND PRODUKTE 10 Boden 28 Wand 56 Fassade 86 Raum 100 Produkte 120 Installationen VERFAHREN UND TECHNIKEN 140 Einführung 142 Handwerk, Manufaktur 144 Produktionstechniken 166 Druck 186 Rapid Prototyping 200 Medientechnik ANHANG 202 Individualdesign Ein Buchcover entsteht 204 Hersteller, Gestalter, Produkte 207 Stichwortverzeichnis 208 Bildnachweis, Fußnoten, Autoren, Impressum

VORWORT Im ursprünglichen Handwerk war jedes Möbelstück, jeder Gegenstand ein von Hand hergestelltes Produkt und damit immer ein Unikat. Die frühen Manufakturen gingen die ersten Schritte in Richtung Rationalisierung, allerdings beinhalteten diese Arbeitsprozesse ausreichend Handarbeit, sodass immer noch Unikate entstanden, wenn auch nicht mehr ganz so ausgeprägte. Mit Beginn der Industrialisierung übernahmen immer mehr Maschinen die handwerklichen Arbeiten. Ein damals wie heute starkes Argument für vereinheitlichte Produktionsbedingungen und Abläufe, die mit Maschinen und Produktionsstraßen erzielt werden, ist das der Rationalisierung. So kann günstiger, schneller, exakter produziert werden, zunehmend auch ohne menschliches Zutun. Allerdings führte diese Entwicklung auch zu einer starken Konformität, die das individuelle, einmalige Produkt nahezu verdrängt hat. Damit die unzähligen Massenartikel sich nicht nur über den (günstigsten) Preis verkaufen, werden immense Anstrengungen unternommen, zum Beispiel für die Markenbildung in der Bekleidungsindustrie. In der Automobilindustrie wird darüber hinaus auch mit sogenannten Design-Linien und Konfiguratoren gearbeitet. Der Kunde hat die Möglichkeit, dem vom Band laufenden Massenprodukt eine individuelle Note zu geben und erhält so sein persönliches,»individuelles«fahrzeug. Eine sehr individuelle Angelegenheit war immer das Bauen, da allein schon das Grundstück oder die bestehenden Räume ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen aufweisen. Betrachtet man jedoch Wohnsiedlungen aus den 1960er-Jahren oder auch aktuelle Neubaugebiete, kann der Eindruck entstehen, dass die Häuser vom Band gelaufen sind. Bebauungspläne geben teils so enge Vorgaben, dass kreativ geplante Architektur nahezu unmöglich wird. Auf der anderen Seite stehen die CI-Architektur, bei der die Corporate Identity eines Unternehmens sich im Gebauten widerspiegelt, sowie das Phänomen der Architekturikonen mit dem Wunsch nach einem ganz eigenen Erscheinungsbild. Ein weiterer Schritt hin zur Individualität ist die Erkenntnis, dass industrielle Fertigung nicht automatisch zu hoher Qualität führt. Kleine Manufakturen und Handwerksbetriebe liefern heute wieder diese besondere Qualität. Ein solides, individuelles Massivholzmöbel benötigt die Hände eines guten Schreiners, zudem sind perfekt zugeschnittene Produkte meist länger und öfter im Gebrauch und damit nachhaltiger als Wegwerfartikel. Wie weit der Bogen gespannt werden kann und welch faszinierende Vielfalt die bewusste Individualisierung mit sich bringt, zeigen jüngste Bauprojekte, Design- und Möbelentwürfe sowie aktuelle Produktdesigns und Medieninstallationen. Über 50 der spannendsten Beispiele haben wir für dieses Buch ausgewählt. Dass der Kreativität so gut wie keine Grenzen mehr gesetzt sind, verdanken wir neuesten Technologien, aber auch dem traditionellen Handwerk beispielhafte Techniken werden im zweiten Teil des Buchs vorgestellt. Egal, von welcher Seite Individuelles gewünscht oder betrachtet wird, es gehört eine Menge Mut, Kreativität, Tüftlergeist und Know-How zu einer gelungenen Umsetzung. Und: Am Anfang steht immer eine gute und individuelle Idee! Hannes Bäuerle und Joachim Stumpp Stuttgart, im Sommer 2010 Mit modernen Verfahren und neuen Technologien lässt sich heute wieder sehr individuell produzieren und bauen. Lange Zeit waren ausgefallene Materialien, Technologien oder Planungen nur einer zahlungskräftigen Klientel zugänglich. Das hat sich grundlegend geändert! In manchen Bereichen so stark, dass ursprünglich aufwändige und für die individuelle Anpassung entwickelte Technologien wie der Digitaldruck inzwischen für die Massenfertigung eingesetzt werden. Dieses Vorgehen wird als Mass Customizing (kundenindividuelle Massenproduktion) bezeichnet. Standardisierte Produktionsprozesse entwickeln sich wieder hin zur individuellen Fertigung. Im Bereich der textilen Bodenbeläge wird inzwischen ein beachtlicher Teil als Weißware produziert und erst nach Bestelleingang in der gewünschten Farbe oder Dessinierung bedruckt. 6 7

BODEN

BODEN Technik: Chemisches Verfahren ORNAMENT AUF BETONFLIESE Durch Wasser aktiviert Solid Poetry, so nennt sich diese Bodenfliese aus Beton, die ihr Aussehen durch Wassereinwirkung verändert. Sie entwickelte sich aus einem Studienprojekt von Frederik Molenschot und Susanne Happle an der Design Academy Eindhoven. Die Idee entstand bei einem Herbstspaziergang: Am Boden liegendes Laub schützte den Betonboden vor dem Regen. Fegte der Wind die Blätter weg, kam das vom Regen gezeichnete Bild die Umrisse des Laubs für kurze Zeit zum Vorschein, da nasser Beton dunkler ist als trockener. Mittels einer speziellen Oberflächenbehandlung entwickelten die Designer eine Fliese, auf der bei Kontakt mit Wasser ein florales, dunkles Ornament zum Vorschein kommt, das im trockenen Zustand nicht zu erkennen ist. Trocknet die Betonoberfläche, verschwindet auch das Muster. Je nach Wunsch kann die Oberflächenbehandlung so eingestellt werden, dass nicht nur ganz individuelle Muster und Grafiken möglich sind, sondern auch vorgegeben werden kann, ab welcher Wassermenge das versteckte Bild erscheinen soll. Die Veredelung der Oberfläche basiert auf einer besonderen Technik, die die Wasseraufnahme des Betons regelt; das genaue Verfahren ist Betriebsgeheimnis. Die Fliesen mit dem»versteckten Design«bedecken im hier gezeigten Beispiel (Abb. links oben) einen Platz der Hochschule ROC Eindhoven. Das Gestaltungskonzept des Innenhofs steht unter dem Motto rug, lamp, chair Teppich, Leuchte, Stuhl. Leuchten geknickte Stelen aus Cortenstahl und orangefarbene Stühle in wulstigen Formen sind hier in Szene gesetzt und beleben die Bodenfliesen wie einen ornamentalen Außenteppich. Projekt: Solid Poetry Ort: Eindhoven, Niederlande Entwurf: Susanne Happle und Frederik Molenschot Hersteller: Solid Poetry 12 13

BODEN Technik: Sensorik SENSORTECHNOLOGIE LED-Modul mit berührungsloser Steuerung Eine innovative Technologie für ein interaktives Display ermöglicht es, jede Oberfläche in eine»näherungsempfindliche Schnittstelle«zu verwandeln: Einzelne LED-Module, die auf jeden Körper reagieren, der in ihre Nähe kommt auch berührungslos. Durch die besondere Sensortechnologie namens Sensacell entsteht eine dreidimensionale Abtastzone, die 75 bis 150 Millimeter in den davorliegenden Raum greift, sogar durch Feststoffe hindurch. Körper werden mithilfe einer»kapazitiven Abfragungstechnologie«erkannt, indem sie Änderungen in der elektrischen Kapazität dem elektrischen Feld erzeugen. Dank dieser Technologie lassen sich die Module mit Glas- oder Acrylplatten abdecken und behalten dennoch ihre Funktion. Große leitende Gegenstände wie der menschliche Körper werden problemlos»erfühlt«, aber auch nichtleitende Materialien werden erkannt, weil sie die Gesamtkapazität beeinflussen. Ein Modul beinhaltet auf einer Fläche von etwa 15 x 15 Zentimetern vier Sensoren und 36 integrierte LEDs. Jede LED ist einzeln kontrollierbar und stellt einen hellen Pixel dar. Die LEDs können unterschiedlich konfiguriert und gruppiert werden: 36 Pixel mit unabhängigen LEDs, vier Pixel à 9 LEDs oder ein Pixel à 36 LEDs. Die Module können zusammengeschaltet werden und interaktive»sensor-oberflächen«jeder Größe und Gestalt bilden, vom einzelnen Modul bis hin zu mehreren hundert Quadratmetern Fläche. Dabei reicht die Vielfalt der Möglichkeiten von autarken, reagiblen Lichtinstallationen, die lediglich einen Stromanschluss benötigen, um bei Auslösung LEDs in bestimmten Bereichen zu erleuchten, bis hin zu hochkomplexen interaktiven Systemen, die über mehrere Computer Videos und Grafiken abspielen und dabei in Echtzeit auf die Bewegungen verschiedener Objekte davor reagieren. Projekt: Pavillon auf der Expo 2008 Ort: Zaragoza, Spanien Hersteller: Sensacell 14 15

BODEN Technik: Verdrängung INTERAKTIVE FLIESE Flüssigkeitsverdrängung zwischen Folien Die Herstellerfirma dieser interaktiven Bodenfliese wurde 1998 mit der Idee gegründet, experimentelle Materialien zu entwickeln, die sich aus dem statischen Umfeld einer klassischen Innenarchitektur hervorheben. In der Natur sind alle Dinge in Bewegung, die Evolution unterliegt einer ständigen Transformation. Warum also muss alles Gebaute statisch sein? Das Ziel der Entwickler war es, einem Bodenbelag dynamische Qualitäten zu verleihen. Ein Strandspaziergang diente als Inspiration. Wie Fußspuren im Sand, die durch die Brandung wieder vergehen so sollte der neue Bodenbelag erscheinen. Ergebnis ist eine Bodenfliese aus zwei Kunststoff-Folien, die mit einer nach Wunsch eingefärbten Flüssigkeit gefüllt sind. Tritt man auf die Fliese, weicht die Flüssigkeit infolge des erhöhten Drucks aus, und die Farbe der Unterlage wird sichtbar. Lässt der Druck an der Stelle des Fußabdrucks wieder nach, gleicht sich die Flüssig keit von selbst aus und verteilt sich wieder gleichmäßig über die Fliese. Die Folge ist ein allmähliches Verblassen der»erfahrenen Eindrücke«. So kommt dieser interaktive Boden belag ohne Elektrizität aus und funktioniert wie die Elemente in der Natur rein mechanisch. Produkt: B-surfaces Entwurf: Gianfranco Barban Hersteller: B.lab Italia 16 17

BODEN Technik: Druck BODENTAPETE Harzversiegelter Individualdruck Bei der Red Lounge in Mailand, einer Eventlocation des Aperitif- Herstellers Campari, wird die klassische Tapete neu interpretiert. Als Wandbekleidung bietet die Tapete traditionell eine große Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Vielfalt auch am Boden fortzuführen, ist der Grundgedanke dieser Entwicklung, entworfen vom Designer Markus Benesch in Zusammenarbeit mit der Tapetenfabrik Rasch. Eine Tapete, die vom Boden über die Wand läuft, löst die architektonischen Grenzen auf, indem sie Raumachsen miteinander verbindet und den Räumen eine besondere Qualität verleiht. Zum Schutz vor Abrieb der Tapete wurde ein glasklarer, hochglänzender, strapazierfähiger Beschichtungsaufbau entwickelt. Die Aufbringung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird der Unterboden grundiert, Unebenheiten verspachtelt und wie bei der Wand ein Haftgrund aufgebracht. Anschließend wird der Boden tapeziert und die Tapetenoberfläche mit einem Primer verschlossen. Dieser Haftvermittler ist eine glasklare, wasserverdünnte PU-Zwischenbeschichtung, die für die notwendige Benetzung der Deckschicht sorgt. Diese besteht aus einem mittelviskosen, hellen Epoxydharz und einem hochwertigen Polyaminhärter. Nach sorgfältiger Mischung der Komponenten härtet das Harz zu einem farblosen, strapazier- und widerstandsfähigen Kunststoff mit hochglänzender Oberfläche durch. Die Motive der Bodentapete können aus dem umfangreichen Standardsortiment gewählt oder mit dem Tapeten-Digitaldruck kombiniert werden, sodass der Kreativität und den Einsatzmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt sind. Produkt: Rapoxy Entwurf: MARKUS BENESCH CREATES Hersteller: Tapetenfabrik Gebr. Rasch 18 19

BODEN Technik: Laserschneiden PARKETTSCHNITT Lasergeschnittenes Sucupira-Holz Ein ornamentaler, individueller Echtholzboden zeichnet diese Privatwohnung bei Darmstadt aus, entstanden in einem neuen Herstellungsprozess durch die Kombination moderner Lasertechnologie mit handwerklicher Intarsienarbeit. Parkettböden gibt es in verschiedensten Verlegearten, wobei die Form der Stab oder die Diele immer rechteckig ist. Beim hessischen Hersteller Penrose hingegen besteht die Standardkollektion aus Kreissegmenten und fließenden Formen mit besonderer Tiefenwirkung. Dank CNC-gesteuertem Laserschnitt ist es möglich, einzelne 4 bis 10 Millimeter starke Massivholzplättchen in jeder beliebigen Form zu schneiden. Diese maschinell gefertigten Einzelteile werden dann handverlesen und je nach Wunsch oder Maserung auf ein reißfestes Glasfaservlies oder eine mehrlagige Trägerplatte geklebt. Ebenso wie bei einem Keramik-Mosaik, das auf einem Netz aufgebracht ist, erhält der Verleger auch hier ein Parkett in»vorverlegter Form«und Transportgröße. Da der Laser nach 2D-Daten sämtliche Formen individuell schneiden kann, lassen sich nicht nur Plättchengrößen an Raumgrößen anpassen also kleine Plättchen für kleine Räume, große Plättchen für große Räume, sondern auch freie Muster oder ganze Holz-Intarsienarbeiten am Boden realisieren. Projekt: Wohnhaus Ort: Pfungstadt bei Darmstadt Entwurf: Richard Sand Hersteller: penrose wooden flooring 20 21

BODEN Technik: Wasserstrahl schneiden INTARSIENARBEIT IN KUNSTSTOFF Wasserstrahlgeschnittener Bodenbelag Gäste aus aller Welt können sich im Frankfurter Flughafen mit Spezialitäten und Souvenirs aus Deutschland eindecken: in einem besonders gelungenen Shop, der ganz unter dem Motto»Germany«steht und vom Architekturbüro Graft entworfen wurde. Zwischen Parfüm, Kosmetik und Spirituosen erhebt sich ein Ladenbauelement, das wie aus gestapelten Baumscheiben zusammengesetzt in die Höhe wächst und Assoziationen zu Deutschland hervorruft: zum Schwarzwald oder Odenwald, zu Grimms Märchen oder auch zur»deutschen Eiche«. Besonders ins Auge fällt der aufwändige, passend zum Entwurfsgedanken individuell gestaltete Bodenbelag. Rund 120 Quadratmeter Kunststoffbelag aus Planken im Format 1219 x 183 Millimeter unterstützt mit seiner authentisch wirkenden Holznachbildung den naturnahen Charakter und stellt mit seinen günstigen Eigenschaften hinsichtlich Abnutzung die richtige Materialwahl für diese Anwendung dar. Für den effektvollen Übergang zwischen zwei unterschiedlichen Dekoren haben die Designer das Motiv von Laub gewählt, das, wie zufällig verstreut, rund um die zentrale Präsentationsfläche als Intarsienarbeit verlegt ist. Diese traditionelle Handwerkskunst wurde hier mit einem modernen Material und einer fortschrittlichen Technologie in Einklang gebracht: Nach detaillierten Planungs zeichnungen wurden die Planken mit einem digital gesteuerten Wasserstrahl exakt zugeschnitten und vor Ort auf dem Unterboden passgenau verklebt. Die Verlegung war allerdings keine leichte Aufgabe angesichts der strengen Bestimmungen des Flughafens. Lediglich 24 Stunden blieben dafür Zeit, da sich Mitarbeiter ohne festen Flughafenausweis nur einen Tag pro Monat im Sicherheitsbereich aufhalten dürfen. Projekt: Duty Free Shop Ort: Flughafen Frankfurt Entwurf: GRAFT Hersteller: PROJECT FLOORS 22 23

BODEN Technik: Schmelzschweißen PIXELTEPPICH AUS FLASCHENDECKELN 100 000 verschweißte PET-Deckel Jeden Tag hat man sie in der Hand unbeachtet. Sie sind klein und unscheinbar. Hunderttausend»Pixel unserer Alltagskultur«bekamen eine zweite Chance als Hauptdarsteller des Messestands der Hochschule für Technik (HfT) Stuttgart auf der Kölner Möbelmesse im Januar 2010. Unter dem Motto»No Budget«gab Karsten Weigel, Professor für Möbelbau an der Hochschule, im Oktober 2009 den Startschuss für die Konzeption des Messestands. Die Idee, einen Stand aus PET-Deckeln zu fertigen, war schnell geboren. Um in den kommenden Monaten die notwendige Deckelmenge zusammenzutragen, mussten 30 Studenten PET-Deckel im Supermarkt und bei Freunden sammeln oder in stundenlanger Arbeit abschrauben. Als Vorbereitung für die weiteren Schritte wurden die Deckel in der eigens eingerichteten»deckelmanufaktur«gewaschen. Badewanne, Spülmaschine, Waschmaschine und Waschbecken mussten herhalten, um die Deckel im siedend heißen Schaumbad zu reinigen. Plastikringe wurden abgeschnitten und selbst die Dichtungen mussten in Handarbeit entfernt werden. So vorbereitet, wurden die einzelnen Deckel ausgelegt und von hinten mit einer Furnierpresse unter hohem Druck und extremer Hitze zu einem Ganzen verschmolzen. Die Auslage musste dabei wohl bedacht erfolgen, um eine gleichmäßige Farbverteilung zu gewährleisten und um einen individuellen Schriftzug einzulegen. Die so entstandenen Platten bilden einen bunten Pixelteppich, der Wand und Boden des Messestands formte. Die Zielvorgabe»kein Budget«konnte in monetärer Hinsicht er - zielt werden. Berechnet man jedoch die insgesamt 18 000 Stunden studentischen Arbeitseinsatzes, ist der Teppich fast unbezahlbar. Projekt: Messestand No Budget / imm 2010 Ort: Köln Entwurf & Ausführung: Hochschule für Technik Stuttgart Studiengang Innenarchitektur 24 25

BODEN Technik: Druck TEXTILES BODENBILD Teppichdruck im Spritzdruckverfahren Im Rahmen des Umzugs eines Teppichherstellers in neue Verwaltungsräume war vor allem die Gestaltung des Showrooms eine besondere Herausforderung für die Planer. Ein Showroom soll nicht nur die Kompetenzen eines Unternehmens widerspiegeln, sondern hat auch die Aufgabe, die Produkte zu präsentieren und Raum für Bemusterungen zu bieten. Man entschied sich daher für einen Bodenbelag in neutraler, grauer Farbgebung, die mit der Architektur harmoniert und eine unbefangene Basis für Bemusterungen bietet. Der Teppichboden als prägendes Element repräsentiert die Kernkompetenz des Unternehmens den Individualdruck. Das Motiv ein alter Stich der Stadt Köln aus dem Jahre 1571 unterstreicht den Ortsbezug des Kölner Firmensitzes. Das Bild ist zwar»muster«, aber durch das Ausmaß der Darstellung so stark abstrahiert, dass der Raum seine Neutralität behält. Die grobe Schlingenstruktur des Grundmaterials erinnert an den Charakter von altem Papier oder Pergament und gibt dem historischen Motiv eine zusätzliche Dimension. Zunächst wurde die Vorlage von etwa 120 x 75 Zentimetern auf eine Gesamtfläche von 400 Quadratmetern gezoomt und in einem Spritzdruckverfahren auf acht Bahnen Rohware von je 4 Metern Breite ohne Rapport gedruckt, die vor Ort zum Gesamtbild zusammengesetzt wurden. Ähnlich wie ein überdimensionaler Tintenstrahldrucker bringen bei diesem Verfahren feinste Spritzdüsen bis zu zwölf Farben auf das je nach Wunsch unterschiedliche Grundmaterial. Dabei fährt jedoch nicht der Druckkopf über das Material, sondern die Rohware wird in einem Abstand von 2 Zentimetern an insgesamt 40 000 individuell steuerbaren Düsen vorbeigeführt. Durch eine anschließende Fixierung erfüllt das»gemälde am Boden«alle Anforderungen, die an einen Objektbelag im Hinblick auf Sicherheit, Strapazierfähigkeit und Nachhaltigkeit gestellt werden. Projekt: Firmensitz des Teppichherstellers ege Ort: Köln Entwurf: Elisabeth Sommerfeld Hersteller: ege 26 27

WAND

WAND Technik: Aufrastern IN DIE WAND GEDRÜCKT Wandbild aus Reißzwecken Das Projekt Pinnwand wurde für den Gartenpavillon des Ministeriums für Bildung und Forschung in der Hannoverschen Straße in Berlin-Mitte kreiert. Dort befand sich bis 1990 die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR, deren Gelände immer wieder Ziel flüchtender DDR-Bürger war. Die zentrale, weiß gestrichene Wand im Ausstellungsbereich des Pavillons wird dominiert von einem überdimensionalen Bild, zusammengesetzt aus circa 40 000 Reißzwecken mit spiegelndem Kopf. Das Kunstwerk wurde zunächst per Beamerprojektion auf eine Hilfskonstruktion übertragen und darauf die Reißzwecken eingesetzt. Mittels einer von den Planern eigens entwickelten Übertragungstechnik wurden sie dann vor Ort in die Gipskartonwand geschlagen. Am historischen Ort zeigt es vier unbekannte Gesichter von Teilnehmern einer Montagsdemonstration in Leipzig, einem der Ereignisse, die unter dem Druck der Masse zur Wende führten. Das Rasterbild ist eine Erinnerung an den unbekannten Demonstranten, die unbekannte Demonstrantin. Aus der Entfernung erkennt man Gesichtszüge, tritt man näher an das Bild heran, verschwinden sie und man nimmt nur noch eine Wand war, die über und über mit Reißzwecken gespickt ist. Steht man unmittelbar vor dem Bild, sieht man sich selbst hundertfach gespiegelt, in jedem Rasterpunkt, in jedem Reißzweckenkopf. Projekt: Piwa Pinnwand Ort: Berlin Entwurf & Ausführung: ATELIER NAGEL THEISSEN 30 31

WAND Technik: Kunsthandwerk / Malerei WANDMALEREI IN ACRYL 877 Grüntöne Die neue Kindertagesstätte Griechische Allee in Berlin ist Ergebnis des Um- und Neubaus einer Anlage aus den frühen 1950er- Jahren. Ausgehend von der Idee, dass einerseits durch die vom Nutzer eingebrachte Möblierung und Ausstattung, andererseits durch die Kinder selbst viel Buntheit in Haus und Garten gelangen würde, wurden die Wände außen in der Farbe des Sichtbetons, die im Inneren neutral weiß gestrichen. Nur zwei weitere Hauptfarben sah das Farbkonzept vor: das auch in Schultafeln vorkommende Grün und ein dazu komplementäres, blasses Magenta. Bereits im Wettbewerb entwickelten die Architekten zusammen mit dem Künstler Ekrem Yalcindag aus Frankfurt am Main ein Konzept für die Integration einer künstlerischen Arbeit. Daraus entstand auf der durch markante Oberlichtgauben belichteten Stirnwand der Eingangshalle das fast 50 Quadratmeter große Wandbild 877 mal Grün aus Acrylfarbe. Es besteht aus ähnlichen, einander ergänzenden, jedoch geometrisch nicht bestimmbaren Formen. Jede dieser»blüten«, die viele Assoziationen hervorrufen, erhielt vom Künstler einen anderen Grünton. Man hat den Eindruck, dass sich das Grün des Gartens durch die Gruppenräume ins Innere zieht, und die Kunst am Bau lässt die markante Wand der Eingangshalle zum»berankten Marktplatz«werden. Projekt: 877 mal Grün / Kita Griechische Allee Ort: Berlin Entwurf Gebäude: BEHLES & JOCHIMSEN Wandbild: Ekrem Yalcindag 32 33

WAND Technik: Druck GEDRUCKTE LANDSCHAFTEN Solvent-Druck auf Vlies Das auch auf S. 58 vorgestellte Gebäude»Frog Queen«, der Firmensitz eines Maschinen- und Motorentechnikunternehmens in Graz, hat auch im Inneren spannende Materialkombinationen und individuell gefertigte Oberflächen zu bieten. Über einen Aufzug betritt der Besucher den Empfangsbereich im ersten Obergeschoss. Das dreigeschossige, geschlossene Atrium ist von oben durch wenige Einzelglasflächen natürlich belichtet. Sämtliche Oberflächen des Atriums Wände, Böden, Decken und die Theke, mit Ausnahme der Außenwände sind mit einer homogenen Silberbeschichtung versehen, bestehend aus in Epoxidharz eingeblasenen Silberchips und einer abschließenden PUR-Versiegelung. Trotz energiekonzeptbedingter Minimierung der Belichtungsflächen erscheint das Atrium durch die Lichtreflexionen der silbernen Oberflächen taghell. Die einzelnen vom Atrium aus erschlossenen Funktionsräume und Büros sind in Bezug auf ihre Nutz- und Belichtungsflächen aufs Äußerste minimiert. Die gesetzlich geforderte Belichtungsfläche wurde in allen Räumen auf mehrere Einzelfenster verteilt, um möglichst viele unterschiedliche Blickrichtungen, sowohl im Sitzen als auch im Stehen, zu gewährleisten. Die reale Umgebung des Gebäudes erscheint dabei wie auf einem Computerbildschirm. Verstärkt wird diese Wirkung noch durch die den jeweiligen Räumen zugeordneten, unterschiedlichen Landschaftsmotive aus der Oststeiermark großflächige Bildinstallationen, im Solventverfahren auf Vlies gedruckt. Diese bedecken die nach außen gerichteten Wandflächen und bieten als Kunstwerke Einblicke in die archaische Heimatlandschaft des Firmengründers. Die gedruckten Landschaften verschmelzen so mit den realen Ausblicken, die selbst wieder fragmentiert sind und zu virtuellen Bildausschnitten werden. Zusätzlich zu dieser Blickdynamik entstehen abhängig von der Entfernung zu den Bildinstallationen»performative Erlebnisse«, die, je nach Betrachterstandpunkt, mehr als Bildmotiv oder als Ornament wahrgenommen werden, da die Bildmotive selbst in einer Art grobem»ornamentraster«gedruckt sind. Projekt: Frog Queen / Bürogebäude mit Prüfhalle / Interior Ort: Graz, Österreich Entwurf: SPLITTERWERK Druck: varistyle 34 35

WAND Technik: Laminieren TEXTILE WANDBESPANNUNG Spitzenstoff auf Wand verklebt Wie bei Renovierungen üblich, wurden auch bei diesem Designbüro in Tokyo zunächst sämtliche bestehenden Wandverkleidungen und Oberflächen rückgebaut. Die freigelegte Betonkonstruktion inspirierte das Tokyoter Büro Kochi Architect s Studio zu einem ungewöhnlichem Umgang mit dem Bestand. Die rohe Betonoberfläche hat einen besonderen Charakter und genügt doch minimalen funktionellen Anforderungen. Statt die Wand zu überstreichen, suchten die Architekten nach einer Möglichkeit, den Raum neu zu gestalten, ohne das Bestehende zu entfernen. Denn bei der Freilegung wurden Spuren handwerklicher Arbeit gefunden wie Achsanrisse, die Bauarbeiter vor Jahrzehnten während der Errichtung des Gebäudes gezogen hatten. Die Lösung: ein Spitzenstoff, der zunächst auf der Wand fixiert und dann mit transparentem Polyurethan-Harz per Malerrolle auf die Wand geklebt wurde. Die Geschichte des Gebäudes scheint so durch die homogene Struktur des Stoffes hindurch und der rohe Beton erhält ein»feines Kleid«. Interessant ist auch die Vorgehensweise der Architekten. Statt die Oberflächen vollständig vorab zu definieren, legten sie lediglich Materialien und Technik fest. Die Entscheidung, welches Bauelement welche Oberfläche erhalten sollte freigelegter Beton, Spitzenstoff oder weiße Farbe wurde erst auf der Baustelle getroffen. Die Wandgestaltung entstand also allmählich vor Ort. Projekt: Designbüro Hu-la Creative Japan Ort: Tokyo, Japan Entwurf: KOCHI ARCHITECT S STUDIO 36 37

WAND Technik: Laminieren SANDWICHPLATTEN Gras im PETG-Laminat Als erste Filiale einer Snackbar-Kette wurde dieses Bistro am Mannheimer Hauptbahnhof realisiert. Das ursprünglich für Bahnhöfe entwickelte Gastronomie-Konzept soll zukünftig auch auf innerstädtische Lagen übertragen werden. Wie im Namen der Kette, picnic, spiegeln sich die Themen Picknick, Freizeit und Natur daher die Farbe Grün auch im Design wieder. Henecka Niestroj Architekten entwickelten von der Inneneinrichtung bis zur Speisekarte das komplette Gestaltungskonzept, wozu auch die prägnante hinterleuchtete Rückwand der Snackbar gehört. Um die Assoziation eines Picknicks in der Natur zu wecken, wurde in einem speziellen Walzverfahren echtes Gras zwischen zwei transparenten und einer transluzenten PETG-Kunststoff-Platte eingebettet. So entstehen zwei Materialebenen, die für die gewünschte Tiefenwirkung sorgen, die durch die Beleuchtung zusätzlich verstärkt wird. Zwar gibt es bereits eine große Standardpalette an Paneelen mit einfach einlaminierten Gräsern, Textilien, Federn oder Blättern, doch bietet die hier angewandte Verwalztechnik den Vorteil, dass eine Einlage nach Wunsch möglich ist. Aus dem vielseitigen Werkstoff PETG (Polyethylenterephthalat) wird durch Wärme, Vakuum und dekorative Materialien ein individuelles Kunststoffpaneel. Ein großer Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass keine Lufteinschlüsse entstehen. Je nach eingebettetem Material lässt sich das Paneel sogar dreidimensional thermoverformen, ist nahrungsmittelverträglich und in der UV-beständigen Ausführung auch für den Außeneinsatz geeignet. Projekt: Snackbar Café Picnic Ort: Mannheim Entwurf: Henecka Niestroj Architekten Hersteller: Designpanel 38 39

WAND Technik: Laserschneiden FLORALER SCHERENSCHNITT Lasergeschnittenes Stahlblech Die Architekten erhielten die Aufgabe, einen kleinen privaten Speisesaal in einem auf Hochzeiten spezialisierten Veranstaltungsort in Nagano, Japan, umzugestalten. Der Entwurf thematisiert zwei Sinnbilder der Hochzeit und Ehe die Unendlichkeit, dargestellt durch die Farbe Weiß und durch Licht sowie die Blume. Weiße Blüten stehen für Ehrlichkeit und Unschuld, daher der Name des Projekts»Blossom«Blüte. Zwölftausend dreidimensional gewölbte und abstrahierte Blüten aus dünner Stahlfolie wurden weiß lackiert und auf die weiße Wand geklebt. Die Intention der Planer war es, das Licht spürbar zu machen, aufzunehmen und zu verstärken. Der flache Teil jeder Blüte verschmilzt mit der Wand, und der nach oben gewölbte Bereich wirft einen Schatten. Dadurch entsteht eine dreidimensionale Tapete, die ein sich mit der Zeit wandelndes Schattenspiel erzeugt und je nach Betrachtungswinkel unterschiedlich wirkt. Die Blüten selbst wurden aus dünner Stahlfolie mit einem CNCgesteuerten Laser geschnitten. Dabei kam die Wölbung der Blüten produktionstechnisch automatisch zustande, da der Laser so viel Hitze erzeugt, dass sich die dünne Folie von selbst aufstellt. Die Stärke des Materials wurde dabei dem gewünschten Maß an Wölbung entsprechend gewählt. Projekt: Blossom Speisesaal / Les Halles de Saison Sage Ort: Nagano, Japan Entwurf: ryuji nakamura architects 40 41

WAND Technik: Handwerk / Mosaik MODERNES MOSAIK Handgeknipst und -gelegt Abgesehen von der Malerei ist das Mosaiklegen wohl eine der ältesten Techniken zur individuellen Gestaltung von Oberflächen, ob mit Einzelmotiven oder ganzen Bilderserien. Die moderne Form dieser Bildergeschichten ist der Comic, der bei diesem Beispiel in der traditionellen Handwerkskunst des Mosaiklegens umgesetzt ist. Man unterscheidet zwischen industriell gefertigten, meist quadratischen Mosaiken, die auf ein Netz oder Papier gelegt geliefert werden, und dem handwerklichen Zusammenlegen von verschiedenfarbigen flachen Plättchen meist aus Keramik oder Glas zu einem Motiv, der althergebrachten sogenannten musivischen Technik. Der deutlich erkennbare Unterschied zwischen beiden Techniken liegt in der Form und Größe der Plättchen sowie des Fugenbilds. Beim künstlerisch von Hand gelegten Mosaik sind die einzelnen Mosaiksteine unterschiedlich groß und liegen meist in der Richtung des Bildmotivs. Dadurch wird eine feinere»pixelung«erreicht, und eine das Motiv nachzeichnende Linienführung macht den besonderen Reiz aus. Vor über 2000 Jahren wurden diese Mosaike vor Ort gelegt. Heute wird, wie im vorgestellten Beispiel, ein Motiv im Werk digitalisiert, in die gewünschte Größe skaliert und ausgedruckt. Dieser Druck dient dem Mosaikleger als Vorlage. Plättchen für Plättchen wird das Motiv in groben Umrissen ausgelegt und auf ein Trägermaterial geklebt. Die Zwischenräume werden dann mit immer kleineren Plättchen, die von Hand kleiner»geknipst«werden, gefüllt. Das so entstandene Kunstwerk wird dann am Stück an Wand, Boden oder wie im Beispiel auch auf einem Möbelstück verklebt. Produkt: Collection fumetto Mosaic Hersteller: SICIS The Art Mosaic Factory 42 43

WAND Technik: Fräsen HOLZGRAVUR Digitale Schnitzerei im Holztragwerk Auf 2883 Metern Höhe entstand die»neue Monte Rosa-Hütte«, eine Berghütte des Schweizer Alpen-Clubs. Geplant von der ETH Zürich als interdisziplinäres Projekt des Departments Architektur, von Professoren, Studierenden und Firmen aus der Bauindustrie, kamen bei diesem Holzbau neueste Bautechnologien exemplarisch zum Einsatz. Im Essbereich der Hütte werden die traditionellen, zur Verzierung eingesetzten Holzschnitzereien mithilfe digitaler Entwurfs- und Fabrikationsmethoden durch die Planer Gramazio & Kohler neu interpretiert. In der Holzindustrie gehört der Einsatz computergesteuerter Abbundmaschinen heute zum Standard. Diese Maschinen längen die einzelnen Balken im richtigen Winkel ab und bringen die für die Verbindung notwendigen Schlitze und Bohrungen ein. Über»digitale Schnitzereien«wird dieser Arbeitsschritt hier auf der Oberfläche der Holzstützen und -balken fortgeführt, und die digitale Fabrikation direkt am Tragwerk sichtbar. Aus aufwendiger, traditioneller Handwerkskunst wird durch einen CNC-gesteuerten Fräser eine»holzgravur«. Die Schnitzereien zeichnen die offenen Fachwerkträger des Essbereichs nach und ziehen sich zugleich als Gestaltungsmotiv durch das gesamte Geschoss. Die Ornamentierung der Balken verbindet Innovation mit Tradition in einem sinnlich erfahrbaren Erlebnis. Projekt: Superwood / Neue Monte Rosa-Hütte Ort: Monte Rosa bei Zermatt, Schweiz Entwurf & Ausführung: Gramazio & Kohler, Architektur und Digitale Fabrikation, ETH Zürich 44 45