256 Markus Weih Sachregister Wie war das noch mal? Lernen, Vergessen und die Alzheimer-Krankheit
1. Datentypen 1 Weih Wie war das noch mal? Verlag Hans Huber Programmbereich Pflege
2 Ergebnisse Bücher aus verwandten Sachgebieten Sachbuch: Demenz Bowlby Sifton Das Demenz-Buch Ein «Wegbegleiter» für Angehörige, Pflegende und Aktivierungstherapeuten 2., überarbeitete Auflage 2011. ISBN 978-3-456-84928-7 Bryden Mein Tanz mit der Demenz 2011. ISBN 978-3-456-84945-4 Davenport «Giftige» Alte Schwierige alte Menschen verstehen und konstruktiv mit ihnen umgehen 2009. ISBN 978-3-456-84706-1 Mace/Rabins Der 36-Stunden-Tag 5., vollst. überarb., erw. u. akt. Auflage 2001. ISBN 978-3-456-83486-3 Marshall/Allan «Ich muss nach Hause» Ruhelos umhergehende Menschen mit einer Demenz verstehen 2011. ISBN 978-3-456-84731-3 Taylor Alzheimer und Ich «Leben mit Dr. Alzheimer im Kopf» 2., durchges. u. erg. Auflage 2010. ISBN 978-3-456-84862-4 Taylor «Im Dunkeln würfeln» Portraits, Bilder und Geschichten einer Demenz 2011. ISBN 978-3-456-84968-3 Taylor Der moralische Imperativ des Pflegens 2011. ISBN 978-3-456-84972-0 Whitehouse/George Mythos Alzheimer Was Sie schon immer über Alzheimer wissen wollten, Ihnen aber nicht gesagt wurde 2009. ISBN 978-3-456-84690-3 Zeisel «Ich bin noch hier!» Der Demenz trotzen mit Musik, Kunst und sozialen Beziehungen 2011. ISBN 978-3-456-84909-6 Snyder Wie sich Alzheimer anfühlt 2011. ISBN 978-3-456-84914-0 Weitere Informationen über unsere Neuerscheinungen finden Sie im Internet unter www.verlag-hanshuber.com.
1. Datentypen 3 Markus Weih Wie war das noch mal? Lernen, Vergessen und die Alzheimer-Krankheit Verlag Hans Huber
4 Ergebnisse Anschrift des Autors: Prof. Dr. Markus Weih Gedächtnisambulanz Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik (Direktor: Prof. Dr. J. Kornhuber) Universitätsklinikum Erlangen Schwabachanlage 6 91054 Erlangen www.psychiatrie.uk-erlangen.de Lektorat: Dr. Klaus Reinhardt Bearbeitung: Ulrike Weidner, Berlin Herstellung: Marina Sokcevic Umschlaggestaltung: Claude Borer, Basel Druckvorstufe: UAA, Ursi Anna Aeschbacher, Biel/Bienne Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Verfasser haben größte Mühe darauf verwandt, dass die therapeutischen Angaben insbesondere von Medikamenten, ihre Dosierungen und Applikationen dem jeweiligen Wissensstand bei der Fertigstellung des Werkes entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist und menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, übernimmt der Verlag für derartige Angaben keine Gewähr. Jeder Anwender ist daher dringend aufgefordert, alle Angaben in eigener Verantwortung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen oder Warenbezeichnungen in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Anregungen und Zuschriften an: Verlag Hans Huber Lektorat Medizin Länggass-Strasse 76 CH-3000 Bern 9 Tel: 0041 (0)31 300 4500 Fax: 0041 (0)31 300 4593 verlag@hanshuber.com www.verlag-hanshuber.com 1. Auflage 2011 (E-Book-ISBN 978-3-456-94951-2) ISBN 978-3-456-84951-5
5 Inhalt Vorwort... 11 1. Die Entdeckung der Alzheimer-Krankheit... 13 1.1 Alois Alzheimer... 13 1.2 Die erste Patientin mit Alzheimer-Demenz... 18 1.3 Der Ursprung des Wortes Demenz... 23 1.4 Wann spricht man von einer Demenz?... 26 1.5 Die leichte kognitive Störung... 29 2. Das Gedächtnis und die Mechanismen seiner Störung... 33 2.1 Das Gedächtnis bei gesunden Menschen... 33 2.2 Die Amyloid-Hypothese... 55 2.3 Die Tau-Protein-Hypothese... 63 2.4 Das Gehirn im Verlauf der Alzheimer-Erkrankung... 67 2.5 Welche Nervenzellen gehen unter?... 69 2.6 Das Konzept des cholinergen Defizits... 70 3. Formen der Demenz... 75 3.1 Übersicht über die Demenzformen... 75 3.2 Gibt es behandelbare Formen der Demenz?... 77 3.3 Die vaskuläre Demenz... 79 3.4 Depression und Demenz... 83 3.5 Die frontotemporale Demenz... 84 3.6 Parkinson-Krankheit und Demenz mit Lewy-Körperchen... 91 3.7 Die Huntington-Chorea... 96
6 Inhalt 3.8 Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK)... 97 3.9 Das Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom... 99 3.10 Weitere Formen der Demenz... 100 4. Risikofaktoren: Alter und familiäre Belastung... 103 4.1 Gentest für Demenzen... 103 4.2 Das ApoE4-Lipoprotein... 105 4.3 Erblichkeit der Demenz... 108 4.4 Demenz und Alter... 110 5. Was fördert Demenz?... 115 5.1 Schlechte Schulbildung... 115 5.2 Einsamkeit... 116 5.3 Rauchen... 117 5.4 Diabetes... 117 5.5 Alkohol... 118 5.6 Übergewicht... 121 5.7 Schädelprellungen... 121 5.8 Umwelteinflüsse... 122 5.9 Stress... 125 6. Schutz gegen die Alzheimer-Demenz... 127 6.1 Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte... 128 6.2 Bleiben Sie geistig aktiv... 128 6.3 Bewegen Sie sich... 128 6.4 Ernähren Sie sich gesund... 129 6.5 Senken Sie Ihren Blutdruck... 132 6.6 Entzündungshemmende Mittel... 132 6.7 Einfluss des Homozysteinspiegels... 136 6.8 Einfluss des Cholesterinspiegels... 137 6.9 Einfluss von Gedächtnistraining... 138
Inhalt 7 7. Wann sind Gedächtnisstörungen nicht mehr normal?... 141 7.1 Früh- oder Warnzeichen... 141 7.2 Ursachen der Gedächtnisstörungen bei Demenz... 144 7.3 Das Langzeitgedächtnis... 146 7.4 Weitere Probleme neben Gedächtnisstörungen bei Demenzen... 146 7.5 Selbstwahrnehmung und Persönlichkeitsveränderungen der Patienten... 147 8. Medizinische Untersuchungen... 149 8.1 Die wichtigsten Tests... 150 8.2 Computertomografie oder Magnetresonanztomografie... 163 8.3 Nuklearmedizinische Untersuchungen... 163 8.4 Untersuchung des Nervenwassers... 164 8.5 Bluttests... 167 8.6 Verlässlichkeit der Diagnose... 167 9. Verlauf... 169 9.1 Krankheitsverlauf... 169 9.2 Krankheitsdauer... 172 9.3 Einweisung in ein Pflegeheim... 173 10. Umgang mit einem Menschen ohne Gedächtnis... 175 10.1 Aufklärung des Patienten... 175 10.2 Umgang mit Demenz-Kranken... 177 10.3 Angehörigenschulung... 181 10.4 Auto fahren mit Demenz... 186 10.5 Geld... 189 10.6 Gesetzliche Betreuung... 190 10.7 Pflege von Demenzkranken... 193 10.8 Urlaub... 193 10.9 Pflegeversicherung... 193 10.10 Sozialleistungen... 198
8 Inhalt 11. Medizinische Behandlung... 201 11.1 Der Hausarzt... 201 11.2 Demenz-Leitlinien... 203 11.3 Antidementiva... 204 11.4 Behandlung der Verhaltensstörungen... 219 11.5 Nichtmedikamentöse Behandlung... 225 11.6 Heilung der Alzheimer-Demenz?... 228 11.7 Immuntherapien gegen Alzheimer... 235 11.8 Technische Hilfen für Demenzkranke... 238 11.9 Hilfen für pflegende Angehörige... 239 12. Rechtliche und ethische Aspekte... 241 12.1 Warum eine Patientenverfügung?... 241 12.2 Die Vorsorgevollmacht... 242 12.3 Die Ernährungssonde... 243 13. Missverständnisse über die Alzheimer-Krankheit... 245 Literatur... 247 Sachregister... 251
9 Man muss erst beginnen, sein Gedächtnis zu verlieren, und sei es nur stückweise, um sich darüber klar zu werden, dass das Gedächtnis unser ganzes Leben ist. Unser Gedächtnis ist unser Zusammenhalt unser Grund, unser Handeln, unser Gefühl. Luis Buñuel: Mein letzter Seufzer, 1984
10 Vorwort
11 Vorwort Warum kann ein Mensch Gelerntes behalten, und ein anderer entwickelt eine Demenz? Warum kann Johannes Heesters mit über 100 Jahren immer noch geistig und körperlich aktiv auf der Bühne stehen? Warum kennt jeder die Alzheimer- Krankheit, aber nur noch wenige den deutschen Hirnforscher Alois Alzheimer? Diese Geschichte beginnt vor über 100 Jahren in Frankfurt in einem «Irrenschloss» mit einer eifersüchtigen, verwirrten Frau. Die Akte wurde erst vor einigen Jahren wiedergefunden. Die Fallbeschreibung ist bis heute aktuell. Die Fallbeschreibung und die Krankheit galten früher als exotisch. Mit der Überalterung unserer Gesellschaft wird die Alzheimer-Demenz aber zu einem Massenphänomen. Im Folgenden möchte ich Sie mit auf die Reise nehmen zu Alois Alzheimer und seiner Patientin Auguste D.; auf dem Weg werden wir wichtige Punkte aus der Hirnforschung streifen. Spätestens seit der «Dekade des Gehirns» 1 und dem Nobelpreis im Jahr 2000 für den Neurowissenschaftler Eric Kandel gibt es zahlreiche Bücher über Hirnforschung, über das Gedächtnis und Demenz. In der Regel sind diese Bücher von Wissenschaftlern geschrieben und damit nicht allgemein verständlich. Denn Experten gelingt es nur selten, Fachwissen mit einfachen Worten auszudrücken. Daher wurde bei dem vorliegenden Text besonders auf gute Lesbarkeit geachtet. Sie können das Buch auf verschiedene Arten lesen: Patienten und Angehörige finden ausführliche Informationen, um die Krankheit zu verstehen. Diejenigen, die eher die normale Funktionsweise des Gehirns interessiert, entdecken aktuelles Fachwissen und -informationen. So wird hoffentlich der Kreis derer größer, 1 Die «Dekade des Gehirns» war eine von der amerikanischen Regierung ausgerufene und finanziell unterstützte Initiative zur Intensivierung der Neurowissenschaft in den USA von 1990 1999. Die hierdurch angestoßenen Forschungsanstrengungen gaben der Hirnforschung ein neues Profil und erbrachten relevante Ergebnisse. In Deutschland wurde im April 2000 für die Zeit von 2000 2010 eine vergleichbare Initiative ins Leben gerufen. Sie steht unter der Leitung namhafter Wissenschaftler mit Prof. Dr. Christian E. Elger, Direktor der Universitätsklinik für Epileptologie Bonn, als Sprecher und dem damaligen Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement als Schirmherr der Initiative.
12 Vorwort und Danksagung die von der Hirnforschung fasziniert sind, um letztlich jene Menschen besser zu verstehen, die Funktionen verlieren, welche für uns Gesunde selbstverständlich sind. Danksagung Dieses Buch konnte ich nicht alleine schreiben, sondern möchte besonders meiner Frau Andrea danken, da sie die größte Kritikerin und schärfste Sprachpflegerin ist. Von Prof. Dr. J. Kornhuber; Direktor der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik, Universitätsklinikum Erlangen habe ich die Psychiatrie und Demenzforschung lernen können und Einblick sowohl in die Grundlagenwissenschaften als auch in die aktuellen klinischen Studien erhalten. PD Dr. med. Piotr Lewczuk; Laborleiter der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik, Universitätsklinikum Erlangen hat mir gezeigt, wie wichtig gute Biomarker der Alzheimer-Demenz sein können. Familie Bleilevens aus Aschaffenburg möchte ich für den Bericht einer betroffenen Familie danken. Frau K. Mieskes möchte ich für ihre aufopfernde Pflege ihrer Mutter Frau Katharina Mächel danken, von der das Glücksschweinchen kam. Frau Susanne Schmitt, Medizinstudentin aus Erlangen, möchte ich für das Buñuel-Zitat und ihre schöne Hausarbeit im Juni 2008 danken.
13 Die Entdeckung der Alzheimer-Krankheit 1.1 Alois Alzheimer Jeder kennt heutzutage den Namen «Alzheimer». Jeder hat schon einmal etwas vergessen und der Alzheimer ist vielen gleichbedeutend mit Gedächtnisproblemen. Es gibt zahllose Witze über die Alzheimer-Krankheit. Aber wer war eigentlich Alois Alzheimer? Alois Alzheimer wurde als ältester Sohn des Notars Eduard Alzheimer am 14. Juni 1864 in Marktbreit bei Würzburg in Unterfranken geboren. Heute erinnert ein Schild am Geburtshaus an Alois Alzheimer (s. Abb. 1-1), das als Gedenk- und Tagungsstätte dient. Später lebte die Familie in Aschaffenburg. In seinen Zeugnissen wird dem jungen Alzheimer eine soziale Grundhaltung bestätigt, er erhält eine humanistische Erziehung. Sein ehrgeiziger Vater schickte ihn zum Medizinstudium nach Berlin, das damals als das Mekka der Medizin weltweit galt. Zu der Zeit arbeiteten dort Robert Koch und Rudolf Virchow. Es gab ein bahnbrechendes Forschungsergebnis nach dem anderen. Vor allem an der damals noch verbreiteten Syphilis wurde intensiv geforscht. Das ist in diesem Zusammenhang wichtig, da die Syphilis im Spätstadium wie eine Demenz aussehen kann. Alzheimer wird also mit den Problemen von Syphilis-Kranken vertraut gewesen sein. Dennoch zieht es ihn nach einem Semester in Berlin wieder zurück in die Heimat nach Würzburg, wo er blieb. Würzburg war nicht die schlechteste Universität für Alzheimer. Dort wurde der erste deutsche Lehrstuhl für Psychiatrie eingerichtet. Wilhelm Conrad Röntgen forschte zu dieser Zeit an den nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Im Jahr 1884 lernte Alzheimer ein Mikroskop zu bedienen. Während seiner Doktorarbeit sammelte er erste Erfahrungen mit feingeweblichen (histologischen)
14 1. Die Entdeckung der Alzheimer-Krankheit Untersuchungen. 1888 schließt er in Würzburg sein Medizinstudium mit «sehr gut» ab. Seine Doktorarbeit schrieb er «Über die Ohrenschmalzdrüsen». Das mag Ihnen heute vielleicht für einen Hirnforscher merkwürdig vorkommen. Aber: zu dieser Zeit dachte man noch, dass Ohrenschmalz ein Abfallprodukt der Hirntätigkeit sei. Gegen Ende seines Studiums betätigte sich Alzheimer als Privatarzt und Reisebegleiter einer geisteskranken Dame. Danach bewarb er sich als Assistenzarzt an der «Städtischen Anstalt für Irre und Epileptische» 2 in Frankfurt am Main. Er bekam die Stelle vermutlich, weil er schon etwas Erfahrung mit Geisteskrankheiten hatte. Sein Jahreslohn betrug 1200 Mark; Kost und Logis waren frei. Alzheimer blieb für die nächsten 13 Jahre an der Klinik, die von dem Reformpsychiater und Autor des «Struwwelpeters» Heinrich Hoffmann gegründet worden war. Er wohnte in der Liebigstraße 53; noch heute erinnert ein Schild an ihn. Zu Alzheimers Zeit war Emil Sioli der Direktor, für den eine menschliche Behandlung der psychisch Kranken ein wichtiger Teil der Therapie war. Abbildung 1-1: Gedenken an Alois Alzheimers Geburtshaus in Martkbreit Alois Alzheimer beschäftigte sich als junger Arzt und Forscher auch mit anderen Themen wie Gerichtsmedizin, Epilepsie und Schizophrenie. Obwohl es in der damaligen Zeit im ganzen Krankenhaus nur zwei bis drei Ärzte gab, führte Alzheimer menschlichere Behandlungsmethoden für Geisteskranke ein. Solch moderne Methoden waren damals ganz neu in der Psychiatrie. Die Bewegung ging von Frankreich aus, wo Pinel, wie die Legende berichtet, psychisch Kranke 2 Das Krankenhaus war in Frankfurt wegen seiner neogotischen Bauweise als «Irrenschloss» bekannt. Es galt vor 100 Jahren als moderne psychiatrische Anstalt und wurde im damals noch unbebauten Frankfurter Westend errichtet. Im Zuge der menschlicheren Behandlung von psychisch Kranken baute man damals große Wachsäle mit Betten und großen Badeabteilungen sowie Abteilungen für «Unruhige». Die Kliniken hatten damals meist Kapazitäten für 100 200 Patienten, die von nur ein bis zwei Ärzten versorgt wurden. Das alte Gebäude wurde 1928 abgerissen. Die Einrichtungen wurden in die Universitätsklinik verlegt, die heute in dem ehemaligen Gelände der IG-Farben untergebracht ist. Eine Gedenkscheibe vor der Universität erinnert an Alois Alzheimer.
1.1 Alois Alzheimer 15 aus Ihren Ketten befreit hatte. 3 Zwangsjacken und Zwangsfütterungen wurden abgeschafft. In großen Krankensälen wurden die Patienten behandelt, wie in anderen Krankenhäusern auch. Wem es besser ging, der durfte im Park der Klinik spazieren gehen oder Ausflüge unternehmen. Die Behandlungsmöglichkeiten damals waren sehr eingeschränkt. Alzheimer verstand sich denn auch weniger als heilender Arzt sondern eher als Forscher und Pathologe, der die Gehirne seiner Patienten unter dem Mikroskop untersuchte. Alzheimer sagte einmal: «Ich möchte der Psychiatrie mit dem Mikroskop weiterhelfen.» Da er als Arzt die Probleme seiner Patienten kannte, versuchte er, einen Zusammenhang zwischen den Beschwerden und Hirnveränderungen unter dem Mikroskop herzustellen. Zu seiner Zeit war Alois Alzheimer den Wissenschaftlern seiner Generation als Experte für die Syphilis (progressive Paralyse) bekannt, die ein der Demenz ähnliches Bild hervorruft. Die Syphilis stellte vor 100 Jahren noch ein großes medizinisches und psychiatrisches Problem im Gesundheitswesen dar. Natürlich wusste man, dass es sich um eine Geschlechtskrankheit handelte. Der Erreger war aber erst kurz zuvor nach einigen Schwierigkeiten identifiziert worden. Eine Therapie in Form von Antibiotika gab es noch nicht, die Spätfolgen der Krankheit im Nervensystem waren verheerend. Im Endstadium sieht die Syphilis wie eine Demenz aus. Damals hatte jeder dritte bis vierte Patient in der Psychiatrie Syphilis. Während seiner Frankfurter Zeit untersuchte Alzheimer 320 Fälle mit Syphilis, eine erstaunliche Anzahl. Er war also gut bewandert in schweren und der Demenz ähnlichen Krankheitsbildern. Im Jahr 1889 bekam er in Frankfurt einen neuen Kollegen namens Franz Nissl. Nissl kam aus München, nachdem sein Chef Bernhard von Gudden zusammen mit König Ludwig II. von Bayern im Starnberger See ertrunken war. Bis heute wird spekuliert, dass es ein erweiterter Suizid gewesen war, also Selbsttötung. Von Nissl und Gudden lernte Alzheimer die neuesten Schnitt- und Färbetechniken am Gehirn. Nissl wurde sein Freund und Trauzeuge. Alzheimer war bis dahin vor allem behandelnder Arzt und hatte die humanistischen Therapiemethoden von Sioli und Hoffmann schätzen gelernt. Nun lernte er von Nissl das Mikroskop als wissenschaftliches Instrument kennen. Von da an verschrieb er sich der exakten klinischen und histologischen Beschreibung von Nervenkrankheiten. 3 Damals herrschten in vielen psychiatrischen Kliniken noch teils unmenschliche Bedingungen, die sich erst langsam besserten. Vorbild für menschlichere Behandlungsmethoden in der Psychiatrie waren Philippe Pinel (1745 1826) in Frankreich und Conolly (1794 1866) in England. Ein berühmtes Buch von Conolly aus dem Jahr 1856 hat den Titel «The treatment of the insane without mechanical restraint».