100 Objekte aus 100 Jahren



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Transkript:

100 Jahre Seipp

Publiziert anläßlich der Jubiläumsausstellung 100 Jahre Seipp. 100 Objekte. 100 Tage. Von Seipp Wohnen. Waldshut-Tiengen. August 2002. 100 Objekte aus 100 Jahren

1902 2002 100 Jahre Seipp 100 Jahre, ein ganzes Jahrhundert, das ist mehr als ein langer Zeitraum, das ist schon Geschichte. Seit 100 Jahren verkauft die Familie Seipp, inzwischen in der 4. Generation, Möbel und Einrichtungsgegenstände, berät und betreut ihre Kunden. Das ist unser kleines Stück Geschichte in der großen Weltgeschichte. Das ist auch der Anlaß zu diesem kleinen Buch. Es begleitet die Jubliäumsausstellung, die vom 1. August bis zum 30. November 2002 bei Seipp in Tiengen zu sehen ist. Aus unseren 100 Jahren möchten wir erzählen, aus unserem Metier von der Geschichte des Designs. Die große Ausstellung Design, miroir du siécle (Design, Spiegel des Jahrhunderts) im Grand Palais in Paris prägte bereits 1993 den Begriff Jahrhundert des Designs. Unser Buch soll kein Geschichtsbuch sein und will nicht mit wissenschaftlichen Werken in Wettbewerb treten. Impressum Konzept: Doris Gaßmann. Hamburg. Inge Seipp. Rheinheim Text: Ulla Rogalski. Berlin Lektorat: Nina Kuhn. Hamburg Graphic Design: H.J. Fladda. Stuttgart Druck: Grieshaber. Blumberg Unsere Auswahl von 100 Gegenständen dokumentiert unseren ganz persönlichen Blick in die Designgeschichte. Jedes Stück steht für ein bestimmtes Jahr, meist als Entwurfsjahr.

1902 2002 100 Jahre Seipp Nur in Kriegszeiten mußten wir manchmal etwas flexibler mit der Zuordnung umgehen. Oft sind es nicht die bekannten Kinder ihrer Zeit, die aus vielen Publikationen und Schaufenstern bekannt sind. Die Auswahl haben wir auf unsere Art getroffen, so wie wir beraten, planen und einrichten. Es sind Stücke, die wir persönlich schätzen, die wir für bemerkenswert halten. Jedes Stück hat seine Geschichte. Ein paar schöne, überraschende oder auch witzige kannten wir schon, viele mehr haben wir bei unserer Recherche entdeckt, und manche haben unsere Geschäftsfreunde und Partner beigetragen. Ob nun alle wahr sind, können wir nicht genau wissen. Aber eine alte Überlieferung hat ja auch ihren Reiz. In jedem Falle haben wir intensiv und ernsthaft recherchiert und hoffentlich nur aus seriösen Quellen geschöpft. Allen sei Dank für die engagierte Unterstützung. Wir wünschen viel Vergügen beim Lesen.

1902 Die Geburtsstunde des Teddybären: Margarete Steiff näht das erste Plüschtier, einen Bären mit beweglichen Armen und Beinen, später benannt nach Teddy (Theodore) Roosevelt. Der katalanische Architekt Antoni Gaudí, dessen 150ster Geburtstag gerade gefeiert wird, hat einen ganz eigenen Stil entwickelt. Seine berühmtesten Bauten, die drei Appartmenthäuser Casa Calvet, Casa Milà und Casa Batlló, der Parque Güell und die unvollendete Kirche La Sagrada Familia in Barcelona zeugen davon. Sein Formenrepertoire ist weich, fließend, mythologisch inspiriert. In die Oberflächen inkrustiert er oft Keramikfragmente und Fundstücke wie fehlgebrannte Ziegel oder unbehauene Steine. Einige der Möbel für die Casa Calvet werden heute wieder hergestellt. Sie haben über ein Jahrhundert ihren magischen Reiz bewahrt. Spiegel und Stuhl Calvet Entwurf: 1902 Design: Antoni Gaudí (1852 Reus - 1926 Barcelona) Hersteller: b.d. Ediciones (E)

1902 2002 100 Jahre Seipp 1902: Karl Seipp gründete eine Sattlerei und Polsterei im hessischen Lollar.

1903 In Deutschland wird die Kinderarbeit verboten. Quadratl-Hoffmann wurde der Mitbegründer der Wiener Werkstätten zu seiner Zeit genannt. Sein Ideal waren Gesamtkunstwerke, in denen alles komplett durchgestaltet war, von der Fassade über die Türklinke bis hin zu Porzellan und Glas. Der Sessel wurde für das Sanatorium Purkersdorf bei Wien entworfen, das Josef Hoffmann und Koloman Moser, ebenfalls Mitbegründer der Wiener Werkstätten, gemeinsam realisierten. Sessel Purkersdorf Entwurf: 1903 Design: Josef Hoffmann, Architekt (1870 Pirnitz/Mähren - 1956 Wien) Hersteller: Franz Wittmann (A)

1904 Nach London, Paris und Berlin fährt nun auch in New York die U-Bahn, sie ist die größte mit über 400 km Schienennetz. Thonet-Stühle zählen zu den bekanntesten Möbelstücken. Seit Michael Thonet zwischen 1830 und 1836 in Boppard am Rhein die Möbel aus gebogenem Holz erfand, wurden bis heute viele Millionen Thonet-Stühle in alle Welt geliefert. Die damals revolutionären Stühle waren schön, preiswert, leicht und versandfreundlich. Der Sessel Nr. 209 begeisterte große Architekten der Avantgarde. So Le Corbusier, der ihn u. a. 1925 in seinem legendären Pavillon de l'esprit Nouveau in Paris verwandte: Noch nie ist Eleganteres und Besseres in der Konzeption, Exakteres in der Ausführung und Gebrauchstüchtigeres geschaffen worden. Sessel 209/209 P Erstmals im Thonet-Katalog gezeigt: 1904 Design: zugeschrieben August Thonet, Sohn von Michael Thonet (1829 Boppard - 1910 Arco/I) Hersteller: Gebrüder Thonet (D)

1905 Albert Einstein entwickelt während seiner Arbeit im Berner Patentamt ganz nebenbei die Relativitätstheorie. Lehnsessel mit verstellbarem Rücken sind seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Ein Vorbild für Josef Hoffmann war wohl ein seit dem Jahr 1860 von William Morris in England hergestellter, streng anmutender Sessel. Morris und die Art & Crafts -Bewegung, die sich gegen mechanisierte, entmenschlichte Massenherstellung wandten und eine qualitätvolle Einheit von Form, Funktion, Material und Herstellung anstrebten, haben viele Gestalter stark beeinflußt, so auch Hoffmann. Er hat die traditionelle Lehnsesselform in eine Art Maschinenästhetik übersetzt, die die funktionalen Elemente hervorhebt, so den halbkreisförmigen Bogen und die Kugeln, die gleichzeitig als ein vom Entwerfer geliebtes dekoratives Element fungieren. Sessel Nr. 670 Sitzmaschine Entwurf: ca. 1905 Design: Josef Hoffmann, Architekt (1870 Pirnitz/Mähren - 1956 Wien) Hersteller: Franz Wittmann (A)

1906 Marie Curie wird als erste Frau Professorin für Physik an der Universität von Paris. Auch die kleinsten Dinge machten die Stimmigkeit eines Gesamtkunstwerks aus. So schufen die Architekten und Gestalter der Wiener Werkstätten auch Kunstgewerbe und Kleidung. Rosenschale Entwurf: 1906 Design: Josef Hoffmann, Architekt (1870 Pirnitz/Mähren - 1956 Wien) (überarbeitet von Peter Arnell und Ted Bickford) Hersteller: Alessi (I) Während ihrer Recherchen zu Josef Hoffmann stießen zwei junge amerikanische Architekten auf die Fotografie eines 1906 entworfenen Metallkorbes. Der Prototyp dieser Rosenschale war verschollen, niemals in Produktion gegangen, Zeichnungen existierten nicht. Mit großem Aufwand und mittels dreidimensionaler Computerübersetzung wurde die Schale in den USA zunächst rekonstruiert und wird nun in Italien erstmals produziert.

1907 Das erste selbsttätige Waschmittel kommt auf den Markt: Persil. In Paris studierte der gebürtige Andalusier Mariano Fortuny Malerei und wurde in Venedig im Palazzo Orfei ansässig, dem heutigen Fortuny-Museum. Er war Fotograf, Erfinder, Maler, Bildhauer, Innenarchitekt, er entwarf Bühnenbilder, Kostüme und Theaterbeleuchtung. Man nannte ihn den Magier von Venedig. Fortuny experimentierte seit 1907 auch mit Stoffdruckverfahren, seine Seidenstoffe bezaubern heute noch. Im gleichen Jahr entstand die eindrucksvolle Studio-Leuchte. Leuchte Protecteur Entwurf: 1907 Design: Mariano Fortuny, Maler, Fotograf, Designer (1871 Granada - 1949 Venedig) Hersteller: Ecart (F)

1908 Das erste Familien-Freibad Europas wird in Berlin- Wannsee eröffnet. Nach dem Architekturstudium widmete sich Otto Blümel der Malerei. Von 1907 bis 1914 leitete er den Zeichensaal der Vereinigten Wertstätten für Kunst im Handwerk in München. Auch hier hatte man sich dem Aufbruch in eine neue Zeit verschrieben und wollte qualitativ hochwertige Einrichtungsgegenstände entwerfen und herstellen. Mit dem Garderobenständer Nymphenburg ist Blümel ein zeitlos eleganter Entwurf gelungen, der den Jugendstil nur anklingen läßt. Garderobe Nymphenburg Entwurf: 1908 Design: Otto Blümel, Architekt, Innenarchitekt (1881 Augsburg - 1973 Garmisch-Partenkirchen) Hersteller: Classicon (D)

1909 Bakelit, einer der ersten Kunststoffe, wird zum willkommenen Material für Gebrauchsartikel in hohen Stückzahlen, darunter Griffe und Schalter. Die Kugelleuchte ist die schlichteste Art, Licht zu zeigen und zugleich die Lichtquelle, die Glühlampe, zu verstecken. Die erste Abbildung ist in einem Buch über den Wiener Architekten Otto Wagner (1841-1918) zu sehen. Auch Zeitkollegen wie Peter Behrens, Adolf Loos und Josef Hoffmann planten sie ein. In den 20er Jahren kam sie auch bei den Bauhäuslern zum Einsatz. Ihre Erscheinungsform war über die Jahre vielfältig. Qualitätsentscheidend ist immer die Aufhängung, der sogenannte Baldachin. Hängeleuchte Kugel Entwurf: um 1900 Design: anonym, Deutschland Hersteller: Tecnolumen (D)

1910 Der Brite Ernest Rutherford entdeckt den Atomkern. Adolf Loos war ein Wiener Architekt, der das Ornament als Verbrechen anprangerte, und das in einer Epoche, in der üppiges Dekor dominierte. Die Tischleuchte LST 2 wurde nur für ein Haus entworfen, für die von ihm erbaute Villa Steiner. Wolfgang Karolinsky, dem Besitzer der Leuchtenfirma Woka, gelang es, von der Familie Steiner ein Original zu erhalten und andernorts die komplizierten Originalwerkzeuge aufzutreiben. Nach dem Erwerb der Lizenz von den Loos-Erben konnte 1975 eine Re-Edition der höchst aufwendig herzustellenden Leuchte erfolgen. Ihre feinen Details zeigen, daß Loos nicht der gnadenlose Purist war, als der er sich in seinen Streitschriften darstellte. Tischleuchte LST 2 Entwurf: 1910 Design: Adolf Loos, Architekt (1870 Brünn/Mähren - 1933 Kalksburg/Wien) Hersteller: Woka (A)

1911 Der norwegische Polarforscher Roald Amundsen erreicht als erster den Südpol. Der damals 27jährige Architekt Walter Gropius zeichnete für sein erstes großes Bauvorhaben, die Schuhleistenfabrik Fagus in Alfeld bei Hannover, auch das Mobiliar. Sein Gebäude, ein kubischer Stahlskelettbau mit großen Glaswänden, wirkte sensationell modern. Gropius Möbel stehen heute noch im Foyer. Er verwirklichte hier schon, neun Jahre vor der Gründung des Bauhauses unter seiner Leitung, spätere Bauhaus-Prinzipien. Wie schmucklose Strenge, geradlinige, funktionale Form und handwerklich perfekte Verarbeitung. Armlehnstuhl D 51 Entwurf: 1910/11 Design: Walter Gropius, Architekt (1883 Berlin - 1969 Boston/USA) Hersteller: Tecta (D)

1912 Der Passagierdampfer Titanic sinkt vor der Küste Neufundlands nach dem Zusammenstoß mit einem Eisberg. Für das Musikzimmer der Wiener Stadtwohnung von Dr. Hugo Koller in der Alleegasse entwarf Hoffmann 1912 eine Polstergruppe, bestehend aus Sessel und Sitzbank, aufrecht, streng und schwarz/weiß gestreift. Ein Designlexikon beschreibt das Möbel als ein Mittel zur formvollendeten, gesellschaftlich korrekten Konversation, das seinem Benutzer keine Chance gibt, die Contenance zu verlieren. Das sollte man wohl damals auch nicht, schon gar nicht in der voll durchgestalteten Stadtwohnung dieses wohlbetuchten Herrn Doktors. Sessel Alleegasse Entwurf: 1912 Design: Josef Hoffmann, Architekt (1870 Pirnitz/Mähren - 1956 Wien) Hersteller: Wittmann (A)

1913 Albert Schweitzer nimmt seine Tätigkeit als Arzt und Forscher im Kongo auf. Der Entwurf zu diesen sehr künstlerisch und modern wirkenden Flaschen ist sozialem Engagement entsprungen und seinerzeit nicht realisiert worden. Flaschen Casa de Familia Entwurf: 1912 Design: Josep Maria Jujol i Gibert, Architekt, Keramiker, Mitarbeiter von Antoni Gaudi (1879 Tarragona - 1949 Barcelona) Hersteller: b.d. Ediciones (E) Josep Maria Jujol, Gaudís Spezialist für die typischen Mosaikarbeiten, entwarf sie für das Waisenhaus Casa de Familia in Barcelona, das der junge Priester Pedragosa gegründet hatte. In ihnen sollte das Wasser im Speisesaal aufgetischt werden. Sie sind rundherum skulptural gestaltet und belegen die außerordentliche Kunstfertigkeit Jujols.

1914 Der 1. Weltkrieg beginnt. Die meisten werden den großen amerikanischen Architekt Frank Lloyd Wright durch sein bekanntestes Bauwerk kennen, das Guggenheim Museum in New York. Ein halbes Jahrhundert zuvor jedoch baute Wright in Oak Park bei Chicago seine berühmten Prairie Houses, bei denen er Innen- und Außenraum revolutionär miteinander verband. Auch er schuf damals, wie seine europäischen Kollegen Josef Hoffmann oder Charles Rennie Mackintosh, elegante Gesamtkunstwerke. Für die Stadt Chicago entwarf er 1913 die Midway Gardens, einen Open- Air-Treffpunkt zum Essen und Tanzen. Der geniale Mann mit dem aufregenden Lebensstil wollte hier Architektur, Musik, Skulptur und Malerei in Verbindung bringen, ähnlich wie in den Biergärten in Deutschland (Zitat F.L.W.). Midway Gardens Chair (Miniatur) Entwurf: 1914 Design: Frank Lloyd Wright, Architekt (1867 Richland Center Wisc. - 1959 Phoenix Ariz./USA) Hersteller Miniatur: Vitra Design Museum (D)

1915 Deutsche Zeppeline bombardieren Paris. 1913 hatte der Landesverein Sächsischer Heimatschutz einen Wettbewerb für gute Reiseandenken ausgeschrieben. Margarete Wendt aus der Erzgebirgsgemeinde Grünhainichen gewann diesen mit ihrer Figurengruppe der drei Beerenkinder. Über die regionale Tradition hinaus ließen die Figuren einen eigenen künstlerischen Ausdruck erkennen. 1915, im 1. Weltkrieg, gründete Margarete Wendt mit ihrer Studienkollegin Margarete Kühn das Unternehmen Wendt & Kühn, das heute noch in dieser Tradition arbeitet und später oft international ausgezeichnet wurde, z. B. zur Pariser Weltausstellung 1937. Holzfiguren Beerenkinder Entwurf: 1913 (Produktion 1915) Design: Margarete Wendt, Gestalterin, Unternehmerin (1887-1979 Grünhainichen) Hersteller: Wendt & Kühn (D)

1916 Als Rebellion gegen die überholten Konventionen wird im Cabaret Voltaire in Zürich die Kunstbewegung DADA gegründet. Für den Maler des Lichtes und dänischen Dichter Holger Drachmann war die allererste Gartenbank bestimmt. Weiß lackiert stand sie in dem Garten seines Hauses in Skagen. Der Entwurf des dänischen Architekten Ulrik Plesner wurde in seiner Einfachheit und Klarheit zum Inbegriff einer Gartenbank, die sich wunderbar in die Natur einfügte, und gleichzeitig zum Symbol des nordischen Sommers. Heute steht die Drachmann-Bank in vielen kultivierten Parks und Gärten, auf großen Terrassen und in kleinen grünen Oasen in der Großstadt. Geliebt wird sie auch aufgrund ihrer Langlebigkeit: Sie ist in jeder Hinsicht wetterfest, sei es in der unbehandelten Teakholz- oder in ihrer klassisch weißen Lackausführung. Gartenbank Drachmann Entwurf: 1914/16 Design: Ulrik Plesner, Architekt (1861 Vedersö - 1933 Skagen/DK) Hersteller: Trip Trap (DK)

1917 In Deutschland herrscht Hungersnot. Beim Militär sind praktische Eigenschaften gefragt. Für die Bedürfnisse der in den englischen Kolonien stationierten Soldaten entstanden Anfang des Jahrhunderts faltbare oder zerlegbare Holzmöbel. Diese Kolonial-Stil -Möbel wurden in den häuslichen Gebrauch übernommen und haben sich zu Klassikern entwickelt. Moretta, auch Safari-Stuhl genannt, zeichnen die Elemente einer industriellen Serienproduktion aus: ein leicht zerlegbares Gestell aus einer reduzierten Anzahl standardisierter Elemente, die ohne Leim einfach zusammengesteckt werden. Sessel Moretta Entwurf: 1917 Design: Bernard Marstaller Hersteller: Zanotta (I)

1918 Mit dem Ende des 1. Weltkrieges enden auch das deutsche Kaiserreich und die österreichischungarische Monarchie. Dieser Sessel ist eines der Schlüsselwerke des modernen Möbeldesigns. Rietveld ging es darum, die Einzelteile unverstümmelt untereinander zu verbinden, so daß möglichst das eine nicht dominierend von dem anderen bedeckt oder abhängig gemacht wird; es soll das Ganze vor allem frei und hell im Raum stehen und die Form über das Material triumphieren. Der Roodblauwe stoel, damals noch unbemalt, wurde von den Mitgliedern der De-Stijl-Bewegung sofort zum Manifest erhoben, als abstraktrealistische Skulptur in unseren zukünftigen Interieurs, so Mitbegründer Theo van Doesburg. Rietveld schloß sich danach der Künstlergruppe um den Maler Piet Mondrian an, die sich die Beschränkung auf elementare Ausdrucksmittel auferlegt hatte. Sessel Red and Blue (Miniatur) Entwurf: 1918 Design: Gerrit T. Rietveld, Architekt, Möbeldesigner (1888-1964 Utrecht/NL) Hersteller Miniatur: Vitra Design Museum (D), Originalmöbel: Cassina (I)

1919 In Deutschland wird das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Der 1. Weltkrieg verzögerte dieses revolutionäre Gerät. Schon 1908 hatte Herbert Johnston ein Rührgerät zum Teigkneten für den professionellen Einsatz erfunden. 1919 baute man dann in Ohio die erste elektrische Küchenmaschine für den Privathaushalt. Ihr Name wird auf den spontanen Ausspruch einer Chef-Ehefrau zurückgeführt: Mir ist egal, wie sie genannt wird, Hauptsache ist, ich habe eine der besten Küchenhilfen, die ich jemals hatte! Vom Prinzip her, dem Planetenrührwerk, bei dem sich das Rührgerät entgegengesetzt zur Schüssel dreht, ist die KitchenAid unverändert geblieben. Nur hat ihr 1937 Egmont Arens, der Designer der Coca-Cola- Flasche und des Shell-Logos, ihre heutige Form gegeben. Seitdem und bis heute sind alle Zubehörteile mit den alten austauschbar. Küchenmaschine KitchenAid Entwurf: 1919 (äußere Gestaltung 1937) Design 1937: Egmont Arens, Designer (1888-1966) Hersteller: KitchenAid (USA)

1920 Mahatma Gandhi beginnt seinen gewaltlosen Kampf für die Unabhängkeit Indiens. Damals war die Soffittenlampe, eine röhrenförmige Glühlampe mit gewendeltem Draht, eine Neuheit. Gerrit Rietveld ging seine Gestaltungsaufgabe rational und konstruktiv an. Er reduzierte das Thema Leuchte auf den Funktionsteil Glühlampe und hängte die Soffitten in geometrischer Ordnung an ihren Kabeln auf. Die erste Leuchte wurde für den Praxisschreibtisch des niederländischen Arztes Dr. Hartog in Maarssen entworfen. Die spätere Version, für sein Gesamtkunstwerk, das Haus Schröder in Utrecht, bestimmt, besteht aus drei Soffittenlampen. So wird die Leuchte bis heute hergestellt. Allerdings sind die Röhren heute, aus Gründen der Lebensdauer und Funktionstüchtigkeit, aus Acrylglas und die Fassungen anstelle von Holz aus Kunststoff. Leuchte Soffittenlampe L 40 Entwurf: 1920 Design: Gerrit T. Rietveld, Architekt, Designer (1888-1964 Utrecht/NL) Hersteller: Tecta (D)

1921 Modeschöpferin Coco Chanel bringt ihr Parfum Chanel N 5 auf den Markt. Um 1920 sind die ersten Glasschalter, bzw. richtiger: Unterputzdrehschalter mit Glasabdeckung, entstanden. Abbildungen finden sich nicht von ungefähr im Umfeld des Bauhauses, jener neuen Institution, die dem Jahrhundert bald seinen Gestaltungskanon geben wird, mit der sachlichen, funktionalen Form. Im Bauhaus-Buch Nr. 3 von 1924, herausgegeben von Adolf Meyer, sind mehrere dieser Schalter zu sehen. Sie haben einen besonderen Reiz. In ihrer Transparenz und einfachen Form passen sie zu jeder Gestaltung, sie lassen die Wandoberflächen wirken, sind nur ein Nichts. Daß man sie heute noch oder wieder verwendet, mit ergänzten Funktionen, kann man Nostalgie nennen - oder eine zeitlos gute Wahl. Lichtschalter Glas Entwurf: um 1920 Design: anonym Hersteller: Tecnolumen (D)

1922 Nahe Luxor wird im Tal der Könige das Grab von Tutenchamun entdeckt, das erste versiegelte Grab eines ägyptischen Pharaos. Weder Rattan noch Weide, doch beiden überlegen, so hieß 1922 die Werbung für Möbel aus einem neuen Material. Auf den ersten Blick sahen sie aus wie diese Naturmaterialien, sie fühlten sich aber viel weicher an, knarrten nicht und wurden zudem als feuchtigkeits- und schmutzabweisend angepriesen, als hygienisch, hitze- und formbeständig. Ihr Geheimnis war ein neues Naturmaterial, das Marshall Burns Lloyd sich 1917 in den USA patentieren ließ, die Loom -Faser, fest gezwirntes Garn aus Packpapier. Es eroberte dank seiner einmaligen Gebrauchseigenschaften die Decks der luxuriösen Oceanliner ebenso wie die Terrassen und Innenräume von Hotels und Privathäusern. Loom Chairs gehören zu den erfolgreichsten Möbelstücken des 20. Jahrhunderts. Sessel Palais, Loom Chair Entwurf: 1922 Design: Marshall Burns Lloyd (1858 St. Paul Min. - 1927 Menominee/USA) Hersteller: Accente (D)

1923 Höhepunkt der Inflation in Deutschland. 1 Dollar = 4,2 Billionen Mark. Man kennt ihren Beistelltisch mit der verstellbaren Platte. Eileen Gray, die aparte Irin, war lange Zeit unbekannt. In Paris lernte sie japanische Lackkunst und trat mit wenigen exklusiven Stücken an die Öffentlichkeit. 1921 eröffnete sie eine Galerie unter einem Männernamen, das sollte den Kunden mehr Vertrauen einflößen. Am besten verkauften sich dort ihre Teppiche. Gray war Autodidaktin, und ihr Meisterwerk, das in die Designgeschichte einging, war ihr eigenes Haus in Roquebrune an der Côte d'azur. Jedes Teil dort war von ihr von Grund auf neu überlegt und durchgeplant. Um so schlimmer empfand sie es, als Le Corbusier dort nach ihrem Auszug frech die Wände bemalte. Gray lebte zurückgezogen. Ihr Werk wurde erst in den 70er Jahren neu entdeckt. Teppich Black Board Entwurf: 1923-1930 Design: Eileen Gray, Designerin, Architektin (1878 Enniscorthy/Irland - 1976 Paris) Hersteller: Ecart (F)

1924 Der Bubikopf wird zur vorherrschenden weiblichen Frisur. Das von dem Architekten Walter Gropius 1919 in Weimar gegründete Bauhaus wollte Kunst und Handwerk miteinander verbinden, um bessere Produkte für die neue Zeit zu schaffen. Unakademisch stellte man die Handwerksmeister in den Bauhaus- Werkstätten den Meistern der theoretischen Lehre gleich. In den Weimarer Werkstätten entstand dieses Schachspiel, entworfen vom Werkmeister Josef Hartwig. Alle Schachfiguren sind nach der Art ihrer Spielzüge gestaltet. Es zeigt auch die Zusammenarbeit der Werkstätten: Die Tischlerei baute den Tisch, und Studierende entwarfen das Werbeblatt dazu, denn dieses Schachspiel wurde auch verkauft. 1925 zog das Bauhaus nach Dessau um, in den spektakulären Neubau von Gropius. Man wandte sich vom Kunsthandwerklichen ab und weiter der Moderne zu: Kunst und Technik sollten sich vereinen. Schachspiel Bauhaus Entwurf: 1924 Design: Josef Hartwig, Steinmetz, Bildhauer (1880 München - 1956 Frankfurt a. M.) Hersteller: Naef (CH)

1925 Der Charleston wird zum beliebten Gesellschaftstanz. Auf der Pariser Ausstellung L'Art Décoratif d'aujourd'hui baute Le Corbusier 1925 einen Pavillon, der in seiner Moderne als so schockierend empfunden wurde, daß man ihn mit einem Zaun vom Gelände abtrennte: Le Pavillon de l'esprit Nouveau. Le Corbusier entwarf neben dem kühnen Bau eine Treppe aus gebogenem Stahlrohr sowie einige Einrichtungsgegenstände, darunter Schrankmöbel, Tische, ein Bett und einen Globus. Dieser ist nur durch zeitgenössische Fotografien überliefert und durch das noch existente zweite Exemplar, das Le Corbusier für seinen Freund Marcel Levaillant entwarf. Er setzte die Erdachse senkrecht, um das Gestell zu vereinfachen. Aus dem seit dem Mittelalter bekannten Gestell wurde somit eine moderne Metallkonstruktion und aus dem umstrittenen Architekt einer der ganz Großen. Globus La Mappemonde Entwurf: 1925 Design: Le Corbusier (Charles-Edouard Jeanneret), Architekt (1887 La Chaux-de- Fonds/CH - 1965 Roquebrune/F), Rekonstruktion Alfred Rüegg, 1988 Hersteller: Anthologie Quartett (D)

1926 Margarete Schütte-Lihotzky entwirft die Frankfurter Küche, die zum Prototyp aller modernen Einbauküchen wird. Der Freischwinger eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte. Er prägt die Zeit bis heute, in allen Varianten. Damit fing es Mitte der 20er Jahre schon an, Stahlrohrmöbel lagen in der Luft, ebenso hinterbeinlose Stühle. Etliche Architekten arbeiteten parallel am gleichen Thema, u.a. Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und Mart Stam. Nach langen Prozessen wurde dem Niederländer Stam die Urheberschaft am ersten Freischwinger zuerkannt und der Status als Werk der Kunst. In der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, der bahnbrechenden Bauausstellung von 1927, hatte Stam, der holländische De-Stijl-Architekt, sein Haus mit einem Vorgänger dieses Stuhls möbliert. Nebenan hatte Mies van der Rohe seinen Entwurf gezeigt. Kragstuhl S 33 Entwurf: 1926 Design: Mart Stam, Architekt (1899 Purmerend/NL - 1986 Goldbach/CH) Hersteller: Thonet (D)

1927 Charles Lindbergh überfliegt als erster Mensch, alleine und nonstop, in 33 Stunden und 29 Minuten den Atlantik. Chareau hatte seit 1919 ein eigenes Innenarchitekturstudio in Paris und beteiligte sich dort an vielen Ausstellungen. Auch ihn beschäftigte die neue Ordnung der Konstruktion. Sein Hocker T verwies auf das Zeitthema Freischwinger. Mit dem Material Stahl ging er dabei weniger radikal um als die Deutschen und Holländer. Er kombinierte es statt dessen mit einem schön geschweiften Massivholz-Sitz. Diese Form der Art Decoratif, erstmals präsentiert auf der berühmten Pariser Ausstellung von 1925, L Art Decoratif d aujourd hui, spiegelte die elegante, luxuriöse Moderne in Frankreich und den USA zu Beginn der 30er Jahre wieder. Beistelltisch Tabouret T Entwurf: 1927 Design: Pierre Chareau, Innenarchitekt, Architekt, Möbeldesigner (1883 Bordeaux/F - 1950 Easthampton N.Y./USA) Hersteller: Ecart (F)

1928 Aufnahme des drahtlosen Telefonverkehrs zwischen Deutschland und den USA. Von 1920 bis 1924 studierte Marcel Breuer am Bauhaus Weimar, später wurde er Meister der Holzwerkstatt in Dessau. 1925 entstand sein erster Stahlrohr-Sessel: diese metallmöbel sollen nichts weiter als notwendige apparate heutigen lebens sein. Innovativ war bei Wassily vor allem die Übersetzung eines schweren Polstersessels in ein leichtes Gerüst. Inspiriert von seinem Adler-Fahrrad träumte Breuer davon, auf einer Luftsäule zu sitzen. Den Namen erhielt der Sessel erst 1962, als die italienische Firma Gavina ihn wiederherstellte. Denn Bauhaus-Meister Wassily Kandinsky hatte früh die revolutionäre Ästhetik des Sessels gepriesen. Aber die Menschen liebten die Maschinenmöbel lange nicht. Sessel Wassily Entwurf: 1925 vierbeinig (1928 Produktion in der heutigen Form) Design: Marcel Breuer, Möbeldesigner (1902 Pécs/Ungarn - 1981 New York) Hersteller: Knoll International (D)

1929 Mit dem Schwarzen Freitag an der New Yorker Börse beginnt die Weltwirtschaftskrise. Für die Weltausstellung 1929 in Barcelona entwarf Ludwig Mies van der Rohe den deutschen Pavillon. Seine Architektur war avantgardistisch: Er stellte Wandscheiben frei in den Raum, der Grundriß wirkte wie ein abstraktes Bild. Der Pavillon war langgestreckt, flach und von großen Fensterflächen und Wandscheiben bestimmt. Er wirkte neben den verschnörkelten Palästen klar, elegant und luxuriös. Heute gilt Mies Meisterwerk als eines der wichtigsten Bauwerke des 20. Jahrhunderts. Sessel Barcelona Entwurf: 1929 Design: Ludwig Mies van der Rohe, Architekt, Möbeldesigner (1886 Aachen - 1969 Chicago) Hersteller: Knoll International (D) Der Barcelona-Sessel griff, anders als die Architektur, auf antike Vorbilder zurück, auf Scheren- und Faltstühle. Die Großzügigkeit, mit der der Sessel gestaltet wurde, trug unverkennbar Mies Handschrift. 1930, kurz vor der Schließung durch das Hitler- Regime, wurde er letzter Bauhaus- Direktor.

1930 Der blaue Engel mit Marlene Dietrich läuft in den Kinos an. Prouvé war der Technik verhaftet: Für mich sind Möbel vergleichbar mit stark beanspruchten Maschinenrahmen. Also arbeitet er an ihnen mit der gleichen Sorgfalt, den gleichen Statikgesetzen und den gleichen Materialien. Gerne verwendete er Stahlblech, das Stahlrohr der Bauhaus-Kollegen interessierte ihn nicht. Was er daraus machte, waren, wie dieser Sessel, ästhetische und funktionale Meisterwerke. Das Sitzelement ist auf Kugellagern im Rahmeninneren von der Sitz- zur Liegeposition verstellbar, zwei Zugfedern erleichtern den Vorgang. Prouvé entwarf im Laufe der Zeit auch ungewöhnlich viele Tische, die jetzt wieder bzw. erstmals in Serienproduktion gehen. Sessel D 80 Entwurf: 1930 Design: Jean Prouvé, Architekt, Metallkonstrukteur (1901 Paris - 1984 Nancy) Hersteller: Tecta (D)

1902 2002 100 Jahre Seipp 1930: In Singen eröffnet das Möbelhaus Karl Seipp. Karl Seipp nutzte eine günstige Gelegenheit in Singen eine Schreinerei zu übernehmen. Aus der Schreinerei entwickelte sich das Möbelhaus Karl Seipp.

1931 Mit 381 Metern wird das Empire-State-Building in New York höchstes Gebäude der Welt. Die Bauten und die vielen Gegenstände, die Gio Ponti während seines schaffensreichen Lebens entwarf, sind klar gestaltet, verströmen aber immer auch ein gewisses Flair von Luxus und Wohlhabenheit. Die späten Arbeiten der Wiener Werkstätten sollen ihn beeinflußt haben. Bei dieser Hängeleuchte formte der Mailänder mit elf kreisrunden Glasscheiben eine Kugel und streute mit ihnen gleichzeitig das Licht. Sein berühmtestes Bauwerk ist das Pirelli-Hochhaus in Mailand. Man erzählt, daß er als Perfektionist das Haus nie ohne einen Zollstock verlassen habe, um alles gleich nachmessen zu können. Hängeleuchte 0024 Entwurf: 1931 Design: Gio (Giovanni) Ponti, Architekt, Designer (1891-1979 Mailand) Hersteller: Fontana Arte (I)

1932 In Deutschland herrscht Massenarbeitslosigkeit. kleinbar schrieb Roth im August 1932 auf seine Entwurfsskizze. Seine Arbeit bei Le Corbusier in Paris sowie an der zukunftsweisenden Weißenhofsiedlung in Stuttgart und die Begegnung mit Piet Mondrian haben ihn geprägt. Zusammen mit dem Bauhaus- Absolventen und -Lehrer Marcel Breuer realisierte er 1936 mit den Doldertalhäusern bei Zürich ein mustergültiges Wohnbauprojekt. Die zeitgemäße Technik der Assemblage, mit der Roth verschiedene Teile aus unterschiedlichen Materialien zusammenfügte, macht den Charme der kleinbar aus. Barwagen AR 1 Entwurf: 1932 Design: Alfred Roth, Architekt, Pubilizist (1903 Wangen a. A. - 1998 Zürich) Hersteller: Atelier (I)

1933 Adolf Hitler ist am Ziel. Reichspräsident Paul von Hindenburg beruft ihn zum Reichskanzler und erteilt ihm den Auftrag zur Regierungsbildung. Der englische Kraftfahrzeug-Ingenieur George Carwardine hatte die Idee für eine praktische, verstellbare Arbeitsleuchte, die man auch an Werkbänken befestigen konnte. Er trug sie zur Maschinenfabrik Herbert Terry & Sons. Mister Terry war angetan, und beide tauften die Lampe Anglepoise (Winkelgewicht). 1934 wurde sie patentiert, große Aufträge folgten. Über die Jahrzehnte wurde die Lampe immer weiter modernisiert, was sie nicht schöner machte. 1993 entdeckte Ray Terry, ein Nachfahre, das Original. Er fand das dem menschlichen Arm nachempfundene Stück von Carwardine, die erste Balance-Leuchte überhaupt, wunderschön. Das aus 98 Einzelteilen konstruierte Meisterstück kam durch ihn wieder zu Ehren und auf den Markt. Tischleuchte Anglepoise Entwurf: 1932-1934 Design: George Carwardine, Kraftfahrzeug-Ingenieur (1887-1947 Bath/GB) Hersteller: Tecta (D)

1902 2002 100 Jahre Seipp 1933: Karl Seipp übergibt das Möbelhaus in Singen an seinen Sohn Erich. Das Geschäft ist mit Wirkung vom 1. August 1933 mit Aktiven und Passiven und ohne Firmenänderung auf Erich Seipp übergegangen.

1934 Der Volksempfänger, das Kleinradio, erreicht in nur sechs Monaten eine Gesamtauflage von 600.000 Exemplaren. Der unaussprechliche Name dieser schlichten Stehleuchte ist die Abkürzung einer Architektenvereinigung, die Torres i Clavé 1930 gemeinsam mit dem später zu internationalem Ruhm gekommenen Josep Lluís Sert gründete. Sie hieß Grupo de Arquitectos y Técnicos Catalanes para el Progreso de la Arquitectura Contemporánea (Katalanische Architekten und Techniker für den Fortschritt der zeitgenössischen Architektur). Stehleuchte GATCPAC Entwurf: 1934 Design: Josep Torres i Clavé, Architekt (1906 Barcelona - 1939 Mombrió de la Marca/E) Hersteller: Santa & Cole (E) Die Beleuchtungsmaschine mit dem schwenkbaren Schirm gibt indirektes Licht. Sie war das Kennzeichen dieser Gruppe und wurde von allen Mitgliedern eingesetzt.

1935 Mit den Nürnberger Gesetzen wird die Entrechtung der jüdischen Bevölkerung beschlossen. Warum dieser Stuhl Frankfurter heißt, kann nur vermutet werden, vielleicht in Anlehnung an die Frankfurter Reformküche von 1925, die Urmutter aller modernen Küchen. Den Stuhl (und etliche Verwandte) kennen wir alle, ob aus dem Gasthaus, von der Polizeiwache oder aus Großmutters Wohnküche. Generationen sind darauf groß geworden. Solide, standhaft und deutsch, so paßte er in die damalige Zeit. Als schlicht, vertraut und archetypisch schätzt man ihn heute wieder. Der Frankfurter Entwurf: ca. 1930-35 Design: anonym, wohl deutsch Hersteller: Details (D)

1936 In Berlin finden die XI. Olympischen Sommerspiele statt. Der finnische Architekt Alvar Aalto ist einerseits als Entwerfer von öffentlichen Gebäuden bekannt geworden. Andererseits hat er wegweisende Forschungen zur Verformung von Schichtholz in der Architektur und im Möbelbau durchgeführt. Begonnen haben der Architekt und seine Frau damit Ende der 20er Jahre, als für einen Sanatoriumsbau auch die Inneneinrichtung zu entwerfen war. Die beiden zogen Bauhaus- Möbel aus Stahlrohr in Betracht, entschieden sich aber dann für den heimischen Werkstoff Holz, um, von diesem mehr warmen und schmiegsamen Material ausgehend, durch zweckmäßige Konstruktionen die Basis für einen Möbelstil für Kranke zu schaffen. Die Möbel wurden schnell bekannt, und die Aaltos gründeten 1935 die eigene Vertriebsfirma Artek (Art-Technik). Sessel 400 Entwurf: 1936 Design: Hugo Alvar Henrik Aalto, Architekt (1898 Kuortane/Finnland - 1976 Helsinki) Hersteller: Artek (FIN)

1937 Die Ausstellung Entartete Kunst zeigt in München 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen. Es ist kaum zu glauben, dieser Tisch entstand 1932. Ihm folgten später jede Menge Nachfahren in Acryl. Sie haben nicht den typischen Grünschimmer des Originals, sind nicht so strapazierfähig und altern unschön. Pietro Chiesa hatte sich in das Material Glas verliebt und 1921 ein Atelier in Mailand eröffnet. Er formte Glas, als sei es ein besonders edles Material. 1927 gründete er u. a. zusammen mit dem Architekten Gio Ponti und Paolo Venini, dem Glashüttenbesitzer aus Murano, den Verband Il Labirinto zur Förderung hochwertiger Möbel. Mit Luigi Fontana zusammen startete er 1933 ein Unternehmen zur Herstellung von Leuchten, Möbeln, Objekten und Kunstwerken aus Glas: Fontana Arte. Seine Meisterwerke wurden weltweit gezeigt und ausgezeichnet. Glastisch 2633 Entwurf: 1932 (Produktion 1937) Design: Pietro Chiesa, Möbeldesigner (1892 Mailand - 1948 Paris) Hersteller: Fontana Arte (I)

1938 Die Reichskristallnacht : Am 9. November brennen jüdische Geschäfte, Häuser und Synagogen. Pogrome führen zur organisierten Judenverfolgung. Das Vorbild dieses Möbels ist vermutlich ein 1877 in England patentierter Faltsessel aus Holz mit Stoffüberzug. Als praktisches Reise- oder Freizeitmöbel und durch seine berühmten Besitzer Thomas Alva Edison und Theodore Roosevelt kam er ins Rampenlicht. Er wird heute noch hergestellt. Das argentinische Architektentrio entwarf 1938 eine starre, aber sehr grazile Variante. Zwei aus Stahlstäben geformte Schlaufen werden miteinander verschweißt, darübergestülpt wird ein Bezug aus Stoff oder Leder. Der 1940 preisgekrönte Sessel paßte perfekt in den Chic der 50er Jahre und wurde zu einem der erfolgreichsten Sitzmöbel des letzten Jahrhunderts. Sessel Hardoy Entwurf: 1938 Design: Grupo Austral, Architekten, Buenos Aires/Argentinien Antoni Bonet, Jorge Ferrari-Hardoy, Juan Kurchan Hersteller: Stöhr (D)

1939 Der Beginn des 2. Weltkrieges. Für die Schweizerische Landesausstellung von 1939 wurde ein Freiluftstuhl gesucht. Das Schweizermetall Aluminium sollte verwendet werden. Den Wettbewerb, zu dessen Juroren auch die Architekten Le Corbusier und Gropius gehörten, gewann der Romanist und Autodidakt Dr. Hans Coray mit einem kleinen aufsehenerregenden Modell: zwei Bügel und eine Aluminium-Schale. Damit hatte er spätere Schalenstühle, wie von Eames und Saarinen, vorweggenommen. Den Stuhl mit den 91 Löchern konnten die Besucher am Ende der Landi für Sfr. 5 mitnehmen. Später waren es nur noch 60 kreisrunde Öffnungen, inzwischen wird der Stuhl wieder original hergestellt. Landi-Stuhl Entwurf: 1938/39 Design: Hans Coray, Romanist, Designer, Künstler (1906 Wald b. Zürich - 1991 Zürich) Hersteller: Freemobil (CH)

1940 Charlie Chaplin gibt im Film The Great Dictator Hitler der Lächerlichkeit preis. Der Name Castiglioni trat früher immer im Plural auf: die Brüder Livio, Pier Giacomo und Achille waren ein Team. 1939 entwarfen sie schon ein Kombi-Radio, das einen formalen Vorgeschmack auf die 50er Jahre gab, zierlich, rundlich und pastellfarben. Achille, der jüngste, zeichnete 1940, vier Jahre vor seiner Promotion am Mailänder Polytechnikum, diesen schlichten und handfesten Holztisch. In Produktion ging er dann erst 1970. Nach dem Tod seiner Brüder hat Achille dem Namen Castiglioni weiterhin alle Ehre gemacht und langlebige Designobjekte von besonderer Qualität geschaffen, besonders im Leuchtenbereich. Was er bis heute tut witzig und heiter. Tisch Leonardo Entwurf: 1940 Design: Achille Castiglioni, Architekt, Designer (* 1918 Mailand) Hersteller: Zanotta (I)

1941 Konrad Zuse entwickelt Z3, den ersten Computer. Durch den Kriegseintritt konnten die Architekten Charles Eames und Eero Saarinen ihre am Organic Design - Wettbewerb des Museum of Modern Art New York preisgekrönten Möbel nicht produzieren lassen. Eames arbeitete mit seiner frischangetrauten Ehefrau Ray an Experimenten der Schichtholzverformung weiter. Ein Arzt sah dies und schlug die Arbeit an einer Beinschiene vor, die die US-Navy später in Auftrag gab. Mit der Beinschiene gelang die dreidimensionale Verformung von Schichtholz. In einer neugegründeten Entwicklungswerkstatt wurden die Schienen später hergestellt, auch Krankentragen und Flugzeugteile. Die Experimente dieser Zeit sollten das internationale Möbeldesign der folgenden Jahrzehnte nachhaltig prägen. Beinschiene Entwurf: 1941/42 Design: Charles Eames, Architekt, Designer (1907-1978 Saint Louis, Miss.), Ray Eames, Malerin, Designerin (1912 Sacramento, Cal. - 1988 Saint Louis, Miss.) Hersteller: Vitra (D)

1942 Die Wannsee-Konferenz beschließt die Endlösung der Judenfrage. Kurz bevor der dänischstämmige Designer in den Krieg zog, soll er diesen Sessel für die Knoll Furniture Company in New York entworfen haben. Als Polsterung nutzte er ein Geflecht aus überschüssigen Militärgurten. Während des 2. Weltkrieges soll es das einzig erhältliche moderne Möbel in den USA gewesen sein. Als nach Kriegsende das väterliche Unternehmen Walter Knoll in Herrenberg seine Arbeit wiederaufnahm, machte Hans Knoll seinem Vater den Vostra -Sessel zum Geschenk. Der moderne, ergonomisch geformte Sessel wurde mit seinem beschwingten Auftritt ein Erfolg der 50er Jahre. In gepolsterter Form wurde er erstmals 1951 vorgestellt. Sessel Vostra Entwurf: 1941/42 Design: Jens Risom, Innenarchitekt, Designer (* 1916 Kopenhagen) Hersteller: Walter Knoll (D)

1943 Die Weiße Rose: Die Geschwister Scholl und Gleichgesinnte verbreiten an der Münchener Universität antifaschistische Flugblätter. Aus den einzelnen Kriegsjahren Designstücke auszuwählen, die bis heute überlebt haben, ist gar nicht so einfach. Irgendwann um 1940 soll diese U-Boot-Leuchte für die US- Navy entstanden sein. Hier ist einmal trotz des Krieges die Ästhetik nicht auf der Strecke geblieben und schon gar nicht die Funktionalität. Weil sie in diesen Jahren wohl so manches traurige Schicksal beleuchtet hat, wurde die U-Boot- Leuchte in das gestalterisch leere Jahr 1943 plaziert. U-Boot Leuchte Entwurf: Um 1940 Design: unbekannt, im Auftrag der US-Navy Hersteller: Tecnolumen (D)

1944 Der Versuch deutscher Offiziere und Politiker, Hitler durch ein Attentat zu beseitigen und seine Diktatur zu stürzen, mißlingt. Der amerikanisch-japanische Künstler und Gestalter Isamu Noguchi arbeitete ausgesprochen vielseitig. Neben Skulpturen entwarf er u.a. auch Bühnenbilder, Möbel, Leuchten, Gärten und Spielplätze. Er wollte den Alltag der Menschen durch die Kunst bereichern. Dabei verband er östliche und westliche Kultur. Er erlernte traditionelle chinesische Malerei und japanische Töpferkunst und assistierte 1927 in Paris dem Bildhauer Constantin Brancusi. Als Noguchi 1944 den Artikel How to make a table des Designers und Publizisten George Nelson illustrieren sollte, überarbeitete er seinen eigenen Tischentwurf von 1939 zu diesem Coffee Table. Er wurde ein großer Erfolg. Holz-Glastisch Entwurf: 1944 Design: Isamu Noguchi, Bildhauer, Designer (1904 Los Angeles - 1988 New York) Hersteller: Vitra Design Museum (D)

1945 Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht. 1921 gründete der Metalldreher Giovanni Alessi am oberitalienischen Orta-See einen kleinen Betrieb für die Herstellung von Tisch- und Haushaltsgegenständen. Der Beruf hatte in der Familie Tradition. Die Teile wurden sorgfältig aus Kupfer, Messing oder Alpaka hergestellt und anschließend vernickelt, verchromt oder versilbert. Zahlreiche dieser Gegenstände wurden in italienischen Haushalten von Generation zu Generation weitergereicht. Giovannis ältester Sohn Carlo machte eine Ausbildung zum Industriedesigner und entwarf ab Mitte der 30er Jahre die meisten neuen Alessi- Produkte, darunter das Tee- und Kaffeeservice Bombé. In den 50er Jahren begann Carlo als Generaldirektor mit freien Designern zusammenzuarbeiten, was das Unternehmen später zu internationalem Ruhm führte. Tee- und Kaffeeservice Bombé Entwurf: 1945 Design: Carlo Alessi, Industriedesigner, damaliger Inhaber von Alessi (* 1916 Gravellona Toce/I) Hersteller: Alessi (I)

1946 Demokratischer Neubeginn in Deutschland. Während des Krieges setzten Charles und Ray Eames ihre Versuche der Schichtholzverformung weiter fort. Eames und seine Mitarbeiter sammelten wichtige Erfahrungen im eigenen Versuchslabor und in der Molded Plywood Division der Evans Company, in der Flugzeugteile hergestellt wurden. Nach dem Krieg konzentrierte man sich wieder auf zivile Projekte: preiswerte, zeitgemäße Möbel, die die knappen Materialen gut ausnutzen. Eine durchgehende Sitzschale mit ihren Kurvenradien in Schichtholz herzustellen erwies sich als schwierig. Charles und Ray lösen die Funktionen der Schale in ihre Teilbereiche auf. Die Untergestelle aus Schichtholz oder Metall wurden erstmals mittels shock mounts, elastischen Gummischeiben, die mit den Holzteilen verschweißt wurden, befestigt. Sessel DCW Entwurf: 1945 (Produktion 1946) Design: Charles Eames, Architekt, Designer (1907-1978 Saint Louis, Miss.), Ray Eames, Malerin, Designerin (1912 Sacramento, Cal. - 1988 Saint Louis, Miss.) Hersteller: Vitra (D)

1947 Der Marshall-Plan: Ankündigung eines wirtschaftlichen Wiederaufbauprogramms für Europa. Ray und Charles Eames hatten sich gefunden, die Malerin, eine warmherzige Person, und der gutaussehende, strukturiert denkende Architekt. Ihre Fähigkeiten ergänzen sich aufs beste, wie in ihrem gemeinsamen Werk sichtbar wird. Hierzu gehören nicht nur Einrichtungsgegenstände: Das Paar konzipierte große Ausstellungen wie die Mathematica -Ausstellung für IBM und sorgte damit weltweit für Furore. Auch später gedrehte Filme zeugen von großer ästhetischer und menschlicher Qualität. Im Jahr 1947 entstanden einige Stoffdesigns, z. T. für die Competition for Printed Fabrics des Museum of Modern Art New York. Seit 2001 werden vier dieser Dessins wiederhergestellt. Stoff Small Dot Entwurf: 1947 Design: Charles Eames, Architekt, Designer (1907-1978 Saint Louis, Miss.), Ray Eames, Malerin, Designerin (1912 Sacramento, Cal. - 1988 Saint Louis, Miss.) Hersteller: Kvadrat (DK)

1948 Der Klettverschluß, die Langspielplatte, der Transistor und die Holografie werden erfunden. Durch den Zweiten Weltkrieg, in dem die Rüstung Vorrang hatte und viele Immigranten und Flüchtlinge ins Land zogen, herrschte in den USA große Wohnungsnot. Gleichzeitig fehlten preiswerte, platzsparende Möbel. 1948 schrieben deshalb das Museum of Modern Art New York und ein Möbelverband den Wettbewerb Low-Cost Furniture Design aus. Das Ehepaar Eames errang mit dem Schalensitz DAX den zweiten Preis. La Chaise wurde nur für die Ausstellung gefertigt, sie wurde zur großen Attraktion. 1987/88 konnte Rolf Fehlbaum von Vitra im MoMA dieses Exemplar vermessen lassen und ging in Abstimmung mit Ray Eames an den Prototypenbau. Im Dezember 1988 sollte Ray das spektakuläre Stück, jetzt erstmals Serienprodukt, vorstellen. Dazu kam es nicht, Ray verstarb wenige Monate zuvor. La Chaise Entwurf: 1948 Design: Charles Eames, Architekt, Designer (1907-1978 Saint Louis, Miss.), Ray Eames, Malerin, Designerin (1912 Sacramento, Cal. - 1988 Saint Louis, Miss.) Hersteller: Vitra (D)

1949 Konrad Adenauer wird zum ersten deutschen Bundeskanzler gewählt. Egon Eiermann war die dominierende Figur in den ersten 25 Jahren deutscher Nachkriegsarchitektur. Sein populärstes Bauwerk ist der Wiederaufbau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin (1957-63). Mit seiner Lehrtätigkeit in Karlsruhe prägte er eine ganze Architektengeneration. Zur aufmunternden und anregenden Nachkriegsausstellung Wie wohnen? in Stuttgart und Karlsruhe trug er diesen Korbsessel bei. Mit einem Korbflechter zusammen entwickelte er das damalige Weidenmodell. Der Sessel kostete gerade einmal 110 Mark. In den Fünfzigern inspirierte er reihenweise Billigprodukte. Seit 1996 wird das aufwendige Stück in über 25 Arbeitsstunden wieder handgefertigt. Korbsessel E 10 Entwurf: 1949 Design: Egon Eiermann, Architekt (1904 Neuendorf bei Berlin - 1970 Baden-Baden) Hersteller: Lampert + Sudrow (D)

1950 Die Lebensmittelrationierung in Deutschland wird aufgehoben. 1948 hatte der gelernte Kunsttischler und zeitweilige Mitarbeiter im Architekturbüro von Arne Jacobsen auch am Wettbewerb Low-Cost Furniture Design teilgenommen, als einer von 3000 Einsendern. Wegners eigentliche Spezialität waren allerdings exklusive, perfekt verarbeitete Stühle, die auf traditionelle Vorbilder zurückgreifen, wie der Ypsilon -Stuhl von 1950, ein Stuhl wie ein Handschmeichler. Wegner gilt heute als bedeutender Erneuerer des traditionellen Möbelbaus und als Initiator der dänischen Moderne. Ihm ist es gelungen, dänisches Design bekannt zu machen und die Brücke zwischen handwerklicher und industrieller Möbelproduktion zu schlagen. Stuhl Ypsilon Entwurf: 1950 Design: Hans J. Wegner, Möbeldesigner (* 1914 Tonder/DK) Hersteller: Carl Hansen (DK)

1902 2002 100 Jahre Seipp 1950: Der Wiederbeginn. Die erste Möbelhalle in Horheim. Kriegsbedingt zog die Familie Seipp 1945 in die Heimat der Ehefrau Rosemarie. 1948 war die Familie wieder komplett, Erich Seipp kehrte als Spätheimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft zurück.

1951 In den USA startet CBS die erste Farbfernseh-Sendung. Langsam soll das Programm auf 20 Stunden pro Woche steigen. Mit dem Entwurf dieser Leuchte, die ihren Namen den sechs Bewegungsachsen verdankt, begann eine Schweizer Designerund Unternehmenskarriere. Das Ehepaar Baltensweiler baute eine Produktion auf, die bis heute arbeitet. Etwa die Hälfte der späteren Entwürfe wird nach wie vor hergestellt. Der Urtyp der 600 wurde mehrmals überarbeitet. Ab 1956 setzte Le Corbusier sie in seinen Einrichtungen ein, z. B. in einer Villa in Ahmedabad/Indien. Auch im Tati- Film Mon Oncle durfte die Leuchte mit dem Chinesenhut mitspielen. Leuchte 600 Entwurf: 1950/51 Design: Rico Baltensweiler, Elektroingenieur, Designer (1920 Arbon - 1987 Luzern), Rosmarie Baltensweiler, Innenarchitektin, Designerin (* 1927 Bremgarten/CH) Hersteller: Baltensweiler (CH)

1952 Die amerikanischen GIs bescheren den Deutschen nicht nur Kaugummi und Coca Cola. Mit dem American Way of Life kommen auch die Blue Jeans. Harry Bertoia kannte Charles und Ray Eames aus der gemeinsamen Zeit an der Cranbrook Academy of Art in Michigan, ebenso Eliel und Eero Saarinen sowie Florence Schuster. 1943 zog er nach Kalifornien, um an den Eamesschen Sperrholzexperimenten mitzuarbeiten, nebenher entwarf er Klangskulpturen aus Draht. 1950 meldete sich Florence, inzwischen Frau Knoll von Knoll International, bei ihm: Arbeite, an was du willst. Sollte dabei ein Möbel entstehen um so besser. Bertoia zieht nach Pennsylvania, in die Nähe von Knoll, und entwirft die Diamond Chairs. Wenn Sie diese Stühle betrachten, werden Sie feststellen, daß sie hauptsächlich aus Luft bestehen, wie eine Skulptur. Raum durchdringt sie. Danach widmete sich der gebürtige Italiener nur noch der Kunst, den Großskulpturen für Gebäude bekannter Architekten. Stuhl 420 Entwurf: 1952/53 Design: Harry Bertoia, Metallgestalter, Bildhauer (1915 San Lorenzo/Italien - 1978 Bally Penns./USA) Hersteller: Knoll International (D)

1953 James Watson und Francis Crick entschlüsseln den DNA-Code, die Genstruktur des menschlichen Körpers. Die bunten Holzkugeln dieser Wandgarderobe sollten Kinder ermuntern, alle ihre Sachen daran aufzuhängen, Jacken, Spielzeug, Rollschuhe, Puppen, Rucksäcke... Das dekorative Stück fand und findet nicht nur in Kinderzimmern Verwendung. Charles Eames ermöglichte durch den gleichmäßigen Abstand zwischen den Kugeln auch eine Reihung, wie sie im Objektbereich oder in Arztpraxen notwendig ist. Um die Grafik für die Werbung, um Etiketten und Verpackung der Garderobe kümmerte sich seinerzeit Ray Eames zusammen mit den Mitarbeiterinnen des Eames-Studios. Zur aktuellen Re-Edition dieser Garderobe gehört ein Reprint der Originalverpackung. Garderobe Hang it all Entwurf: 1953 Design: Charles Eames, Architekt, Designer (1907-1978 Saint Louis, Miss.), Ray Eames, Malerin, Designerin (1912 Sacramento, Cal. - 1988 Saint Louis, Miss.) Hersteller: Vitra Design Museum (D)

1954 Deutschland wird in Bern Fussball-Weltmeister: Es darf wieder gejubelt werden. Florence Schuster hat an den renommiertesten Architekturschulen der Welt studiert. 1946 heiratete sie Hans Knoll, den Sohn deutscher Möbelfabrikanten, der sich 1938 in New York selbständig gemacht hatte. Beide gewannen Eero Saarinen und Harry Bertoia als Designer. Nach dem Unfalltod von Hans Knoll im Jahr 1955 führte Florence das Unternehmen bis 1959 weiter. Aus ihrer eigenen Feder stammte das elegante kubistische Polstermöbelprogramm. Mit seiner Gradlinigkeit, den stimmigen Proportionen und der aufwendigen Polsterverarbeitung ist es bis heute ein repräsentatives Beispiel des International Style, den die in die USA emigrierten Bauhausarchitekten geprägt haben. Sofa 1205 Entwurf: 1954 Design: Florence Knoll, Architektin, Designerin (* 1917 Saginaw/USA) Hersteller: Knoll International (D)