Gemeinsames Gedenkläuten und Friedensgebet am 70. Jahrestag des Luftangriffs auf Berlin vom 22. November 1943



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Transkript:

22. 11. 2013, 19.30, Gedenkhalle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Gemeinsames Gedenkläuten und Friedensgebet am 70. Jahrestag des Luftangriffs auf Berlin vom 22. November 1943 Entwurf: Pfarrer Martin Germer, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, z.t. nach Vorlagen aus der Dresdener Frauenkirche Mitwirkende: Pfarrer Martin Germer, Pfarrerin Dr. Cornelia Kulawik; Bischof Dr. Christopher Cocksworth (Coventry); er (z.t. Teilnehmende einer Gemeindereise nach Coventry), Gäste aus der anglikanischen und aus der amerikanischen Gemeinde in Berlin Renate Germer, Bratsche 19.00 Uhr Öffnung der Gedenkhalle. Kerzen vor der Christusfigur sind entzündet. Gedämpftes Licht. Teilnehmende erhalten ein Textblatt und werden eingeladen, still Platz zu nehmen. Wer möchte, kann eine Kerze entzünden und auf den Leuchter stellen. 19.30 19.45 Gedenk- und Trauerläuten mit der tiefsten Glocke Nach dem Verklingen der Glocken: Eröffnung Germer In dieser Stunde vor 70 Jahren erlebte Berlin den bis dahin schwersten Luftangriff des Zweiten Weltkriegs. Von Charlottenburg über Moabit und über Schöneberg bis nach Berlin-Mitte und Wedding standen ganze Straßenzüge und Wohnviertel in Flammen; Häuser stürzten ein, öffentliche Gebäude wurden zerstört, darunter die Kaiser- Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und etliche weitere Kirchen und auch die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße. Mehr als 150 weitere Angriffe auf immer wieder andere Teile der Stadt sollten folgen, darunter 70 schwere und Großangriffe. In alldem erlebte Berlin, was in den Jahren zuvor durch deutsche Bomben in Warschau und Rotterdam, in London, Coventry, Belgrad und an vielen anderen Orten angerichtet war und was mit der Bombardierung und Zerstörung der kleinen polnischen Stadt Wielun am 1. September 1939 durch einen deutschen Luftangriff begonnen hatte 1. An vielen Orten wurden durch Bomben unzählige Menschen getötet, verkrüppelt und ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Noch immer trauern viele um ihre Angehörigen und Freunde. 1

Kulawik Wir sind hier, um der Opfer zu gedenken: der Opfer des Krieges hier in dieser Stadt und der Opfer auf allen Seiten. Wir sind hier, weil das nicht in Vergessenheit geraten soll, auch nicht nach 70 Jahren: das Grauen des Krieges, der damals von diesem Land ausging. Das Grauen eines jeden Krieges. Wir sind hier im Geist des Friedens. Bischof Christopher: Wiederholung in englischer Sprache. Und dann weiter: In the name of the Father and the Son and the Holy Spirit. The peace of the Lord be with you all! Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Sein Friede sei mit uns allen! G.Ph. Telemann, 7. Fantasie für Violine solo, Largo Gedenk - Kyrie So lasst uns der Opfer gedenken, der vielen Menschen, die damals hier oder in anderen Städten und Ländern getötet oder die verwundet und tief traumatisiert wurden. In der Stille ist Raum für persönliches Erinnern an Menschen, deren Tod oder deren damaliges Schicksal dem eigenen Herzen besonders nahe ist: --- Lasst uns der furchtbaren Angst gedenken, die viele damals Tag und Nacht auszustehen hatten und die manche im Innersten und fürs Leben gezeichnet hat. Lasst uns der Trauer gedenken um Angehörige, für die so oft gar kein rechter Raum blieb in der täglichen Not und Sorge ums Überleben. Lasst uns des Schmerzes der Menschen gedenken, denen damals alles entrissen wurde, was ihr Leben ausmachte und worin sie zuhause waren. 2

Lasst uns aber ebenso der Menschen gedenken, die schon Jahre zuvor in Deutschland diskriminiert, verfolgt und ermordet wurden wegen ihrer Herkunft oder wegen ihrer politischen Überzeugungen. Lasst uns besonders der Menschen gedenken, denen es im Krieg nicht einmal erlaubt war, Schutzräume und Bunker aufzusuchen; weil sie Juden waren oder Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter. Lasst uns der Toten unter ihnen gedenken und auch der Überlebenden und der Angst und Not, in der sie alle die Jahre hindurch Tag für Tag leben mussten. Lasst uns auch der Soldaten in den Flugzeugen gedenken. Viele von ihnen kamen ebenfalls zu Tode oder blieben von den Schrecken des Krieges für ihr Leben gezeichnet. Lasst uns schließlich der Täter gedenken. Lasst uns der Schuld der Machthaber in Deutschland gedenken, die in chauvinistischem Größenwahn die Welt mit Krieg und mit Mord überzogen und darüber auch das eigene Land zugrunde gerichtet haben. Lasst uns der Mitschuld der vielen gedenken, die ihnen gefolgt sind mit Begeisterung oder in politischer Verirrung oder die aus Angst immer weiter mitgemacht haben während nur wenige es wagten, Verfolgten zu helfen und der Barbarei zu widerstehen. Lasst uns auch der militärisch und politisch Verantwortlichen bei den Alliierten gedenken, die ebenfalls meinten, mit dem Bombenkrieg gegen die Menschen in Innenstädten und Wohngebieten ein schnelles Ende des Krieges herbeiführen zu können. Bischof Christopher: Für sie alle lasst uns zu Gott rufen: Herr, erbarme dich! Alle: (gesungen) Herr, erbarme dich. Christus, erbarme dich. Herr, erbarme dich. 2 3

Trost und Verheißung aus dem Evangelium Auch in heutiger Zeit sterben Menschen in Kriegen und Bürgerkriegen, in Afghanistan, in Syrien, in Somalia und im Sudan, in Gaza und an vielen anderen Orten. Sinnloses Leiden und Sterben prägt unsere Welt und schreit zum Himmel heute wie damals. In Erinnerung an die Opfer und als Mahnung, in unserer Gegenwart dafür einzutreten, dass Krieg, Rassismus und Gewalt überwunden werden, hören wir auf Worte aus der Bergpredigt Jesu nach Matthäus, Kapitel 5: Lektorin: 4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. 5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. 6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. 8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. 9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. 10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. (Matthäus 5, 4 10 i.a.) Vergebungsbitte In der Ruine der Kathedrale von Coventry, die im November 1940 von deutschen Bomben zerstört wurde, wurde kurz darauf, dem Hass und dem Vergeltungsdenken entgegen, eine Inschrift angebracht. Zwei Wörter nur: Father forgive. Die Fürbitte von Jesus am Kreuz für die, die ihm dies angetan haben - Vater, vergib! diese Worte als Bitte des Glaubens für alle Menschen. Und dies, während weiterhin die deutschen Luftangriffe über England gingen. Vater vergib! Um diese Worte herum entstand später die Versöhnungslitanei von Coventry 3, die heute an vielen Orten der Welt allwöchentlich gebetet wird. Mit ihren Worten lasst auch uns in dieser Stunde des Gedenkens gemeinsam beten. Die Gemeinde stimmt jeweils ein in die Bitte Vater, vergib! 4

Bischof Christopher: ALLE HABEN GESÜNDIGT UND ERMANGELN DES RUHMES, DEN SIE BEI GOTT HABEN SOLLTEN. Darum beten wir: Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist Amerikanischer Gast Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge Britischer Gast Die Entwürdigung von Frauen, Männern und Kindern durch sexuellen Missbrauch Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott Bischof Christopher: SEID UNTEREINANDER FREUNDLICH, HERZLICH, UND VERGEBT EINER DEM ANDEREN, WIE GOTT EUCH VERGEBEN HAT IN JESUS CHRISTUS. (Eph. 4,32) 5

G.Ph. Telemann, 7. Fantasie für Violine solo, Dolce Unsere Verantwortung heute Hier in Berlin und in Deutschland durfte vor 68 Jahren mit dem Ende des Krieges und der Befreiung vom Nationalsozialismus neues Leben beginnen. Seither können wir hier in unserem Land und in Europa im Frieden leben und seit vielen Jahrzehnten in einer äußeren Sicherheit, wie sie keine Generation zuvor jemals erlebt hat. Aus den Trümmern des Krieges wurde unsere Stadt neu aufgebaut, und sie entwickelt sich ständig weiter. Lange schon trägt fast nichts mehr sichtbare Spuren einstiger Zerstörung. Rings um die als Mahnmal erhaltene Turmruine der zerstörten alten Kaiser-Wilhelm- Gedächtnis-Kirche konnten die Gebäude der neuen Kirche errichtet und am 17. Dezember 1961 eingeweiht werden; zusammen bilden sie die geistliche Mitte der neu entstandenen westlichen City Berlins. Wir wollen dies alles nicht für selbstverständlich nehmen. Wir halten es dankbar im Bewusstsein und wollen diese Gnade des schon lang andauernden Friedens in unserem Land auch anderen, auch jungen Menschen vermitteln, die glücklicherweise weder selbst noch durch direkte Erfahrung ihrer Eltern das Leid und die Grausamkeit eines Krieges kennen lernen mussten. Worte aus dem fünften Buch Mose mögen uns darin bestärken: Lektor: Gedenke des ganzen Weges, den dich der Herr, dein Gott, geleitet hat diese vierzig Jahre in der Wüste. [ ] Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst, [ ] dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den Herrn, deinen Gott, vergisst [ ]. (5. Mose 8, 2. 12. 14) 6

Aus der Dankbarkeit für den Frieden, in dem wir leben dürfen, erwächst unsere Verantwortung für die Gegenwart. Hören wir hierzu, als Anstoß zur Gewissensschärfung, Worte von Dietrich Bonhoeffer. In klarer Erkenntnis der von der nationalsozialistischen Machtübernahme ausgehenden Kriegsgefahr und zugleich im Bedenken der Gefahr, die immer wieder vom Wettrüsten der Nationen ausgeht, hat er sich im August 1934 auf der Ökumenischen Jugendkonferenz des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen für ein weltweites ökumenisches Konzil der Kirchen eingesetzt. Dieses sollte die Welt unüberhörbar zum Frieden rufen. Gegen das Bestreben, sich allein durch immer mehr Rüstung gegeneinander zu sichern, gab er im Sinne Jesu zu bedenken: Lektorin: Wie wird Friede? Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis und lässt sich nie und nimmer sichern. Friede ist das Gegenteil von Sicherung. Sicherheiten fordern, heißt Misstrauen haben, und dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg. Sicherheiten suchen heißt, sich selber schützen wollen. Friede heißt, sich gänzlich ausliefern dem Gebot Gottes, keine Sicherheit wollen, sondern im Glauben und Gehorsam dem allmächtigen Gott die Geschichte der Völker in die Hand legen und nicht selbstsüchtig über sie verfügen wollen. 4 J. S. Bach, Suite Nr. 5 c-moll für Violoncello, Sarabande Gebet und Segen Kulawik Lasst uns beten: Barmherziger Gott, Ursprung des Friedens, du hast die Welt geschaffen und gesegnet. Du hast uns Menschen den Auftrag gegeben, deine Schöpfung zu bewahren. 7

Doch überall und zu allen Zeiten gab es Krieg, mussten Menschen und Tiere gewaltsam sterben. Noch in unseren Zeiten, nur Flugstunden entfernt, tobt der Krieg und fordert schreckliche Opfer. Auch Soldaten aus unserem Land sind inzwischen wieder darin einbezogen. Sie sollen und wollen zum Frieden helfen. Und doch ist es ganz unklar, ob dies in den zurückliegenden Jahren gelungen ist und ob es jetzt und in Zukunft gelingen wird. Ebenso unklar ist, was nach ihrem Abzug kommen wird. Wie kann es sein, dass deine Welt, die du so gut geschaffen hast, sich immer wieder in Krieg, Mord und Gewalt verliert? Es kann doch nicht dein Wille sein, dass Millionen Menschen fliehen müssen, Kinder ihre Väter und Mütter verlieren, Dörfer und Städte vernichtet werden. So bitten wir dich erneut und wollen nicht aufhören um Frieden zu bitten für deine Welt - überall, wo Menschen wohnen. Frieden, den du uns doch versprochen hast und für den einzutreten du uns berufen hast. Wehre allen, die meinen, Hass und Gewalt schüren zu müssen. Stärke alle, die sich für Frieden einsetzen und für Versöhnung. Lass sie da, wo sie uneins sind über die Wege zum Frieden, hörbereit sein füreinander und offen, um voneinander zu lernen gemeinsame Wege zu suchen und zu finden und zu gehen. Lass deine Menschheit in den Spannungen und Konflikten dieser Welt Strukturen und Ordnungen entwickeln und bewahren, die ein Miteinander ohne Krieg und ohne schlimme Gewalt ermöglichen. 8

Und fang damit bei uns an: Richte unsre Füße und unsere Herzen und unsere Gedanken immer wieder neu aus auf den Weg zum Frieden. Wir beten gemeinsam: Vater unser gesungen: Verleih uns Frieden gnädiglich 5 Gott, der Herr segne dich und behüte dich. Er schenke dir Liebe, wo Hass ist, Kraft, wo Schwachheit lähmt, Toleranz, wo Ungeduld herrscht, Offenheit, wo alles festgefahren scheint. So sei Gottes Segen mit Euch allen, beflügle eure Hoffnung und begleite euch. Bischof Christopher: Schlusssegen Bratsche: Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und schuld, doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. 1 Vgl. http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/4821/stukas_ueber_wielun.html 2 EG 178.10 3 Vgl. http://www.nagelkreuzgemeinschaft.de/download/faltblatt.pdf; etwas andere und ältere Fassung: EG 828 4 D. Bonhoeffer, Predigten, Auslegungen, Meditationen 1 1925 1935, S. 462; zit. nach O. Dudzus (Hg.), Dietrich Bonhoeffer Lesebuch, 1985, S. 37f. 5 EG 421 9