Es gilt das gesprochene Wort.



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Transkript:

Rede der Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann Fachimpuls: Lebenswelt Kommune gelingende Bildungsbiografien und die systematische Kooperation zwischen Land - Kommune - Zivilgesellschaft Fachveranstaltung der Transferagentur Kommunales Bildungsmanagement NRW Lebenswelt Kommune Gelingende Bildungsbiographien ermöglichen Freitag, 21. November 2014, Düsseldorf Es gilt das gesprochene Wort. 1

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Rachel, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herzlichen Dank für Ihre Einladung zur ersten Fachveranstaltung der Transferagentur Kommunales Bildungsmanagement. Vor einem Jahr habe ich bei der Veranstaltung des Städtetages NRW Stadt und Land Hand in Hand: Bildung in gemeinsamer Verantwortung gesprochen. Damals stand die Gründung der Transferagentur für Nordrhein-Westfalen in Aussicht. Heute hat sie Gestalt angenommen das verdanken wir vor allem dem außergewöhnlichen Engagement von Frau Ann Truda Smith. wir sprechen heute über eines der wichtigsten Zukunftsthemen, wir sprechen über Bildung. Wir sind uns einig: Bildung ist ein Wert an sich, damit jedes Kind, jeder Jugendliche und jeder Erwachsene seine Begabungen, seine Talente entfalten und ausschöpfen kann. Sich zu bilden heißt, sich weiterzuentwickeln. Und wenn es den Menschen gelingt, sich weiterzuentwickeln, ein Leben lang mit neuen Chancen, aber auch neuen Herausforderungen umgehen zu können, dann denke ich, ist es ein gutes Leben. 2

Ein gutes Leben zu führen, sich gut bilden zu können ist ein Recht für alle Kinder, für alle Jugendlichen und für alle Erwachsenen. Das hat aktuell der Kinderrechtstag zu 25 Jahren UN-Kinderrechtskonvention gezeigt. seit der ersten PISA-Studie haben wir in Deutschland im Bereich der Bildungspolitik deutliche Fortschritte gemacht. Das bestätigt uns sogar die OECD. Aber ein Manko, das aus meiner Sicht nicht hinzunehmen ist, bleibt: Der Aufstieg durch Bildung ist in Deutschland nach wie vor von der sozialen Herkunft der Kinder abhängig. Das kann und darf so nicht bleiben. Bildungsarmut darf nicht vererbt werden. Herkunft darf nicht über Zukunft entscheiden. Es muss uns noch mehr als bisher gelingen, jedes einzelne Kind und jeden einzelnen Jugendlichen zu fördern und soziale und kulturelle Barrieren abzubauen. Unsere Kinder bleiben unter ihren Möglichkeiten; und damit bleibt auch unsere Gesellschaft, unser Land, unter seinen Möglichkeiten. 3

Niemand kann eine Sinfonie flöten. Es braucht ein Orchester, um sie zu spielen." (No one can whistle a symphony. It takes an orchestra to play it.) Dieses Zitat von Halford E. Luccock zeigt, dass wir zwar immer als ein Akteur eine Stimme handeln können, doch nur das große Zusammenspiel wird dafür sorgen, dass wir das gemeinsame Ziel erreichen können. deswegen müssen wir uns gemeinsam dafür engagieren, dass die gesellschaftliche Teilhabe durch Bildung gestärkt und verbessert wird. Bildung ist nicht nur Bildungspolitik. Bildung umfasst heute auch Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik, Integrations- und Gesellschaftspolitik. Das erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen: lokal, kommunal, regional, landesweit und natürlich auch auf Bundesebene! Hier müssen wir eine gemeinschaftliche Antwort geben, wir brauchen eine ganzheitliche Vernetzung. 4

Und ich nehme an dieser Stelle auch den Bund in die Pflicht: Anstelle eines Kooperationsverbotes bedarf es eines differenzierten Kooperationsgebotes ohne den Bildungsföderalismus aufzugeben. in Nordrhein-Westfalen gibt es seit 1995 eine lange Tradition, systematisch die Kooperation von Land und Kommune vor Ort zu suchen. 1997 erprobten zwei Pilotregionen die Empfehlungen der damaligen Denkschrift, seit 2002 wurden in 19 Modellregionen die Entwicklung von Schulen und Schul- bzw. Bildungslandschaften systematisch vernetzt. Inzwischen bietet mein Ministerium allen Kreisen und kreisfreien Städten eine Kooperationsvereinbarung an, die gemeinsam mit den Kommunalen Spitzenverbänden entwickelt wurde. Das Grundprinzip lautet: Bestehende Zuständigkeiten bleiben erhalten, aber die Kooperation zwischen Schulaufsicht und Kommune wird im Konsensprinzip systematisch ausgebaut. Bis heute haben 50 von 53 Kreisen bzw. kreisfreien Städten diesen Kooperationsvertrag geschlossen und ein Regionales Bildungsnetzwerk eingerichtet. 5

Die Regionalen Bildungsnetzwerke werden überparteilich und über alle Verbände hinweg als wichtige und nützliche Einrichtung anerkannt. Das zeigen auch die Empfehlungen der Bildungskonferenz des Landes NRW: In ihnen wird empfohlen, die Kooperation vor Ort in der Breite und in der Tiefe auszubauen. die Regionalen Bildungsnetzwerke konkretisieren die zu recht eingeforderte staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft wirkungsvoll und praxistauglich. Das bestätigen auch die Evaluationen aus den Jahren 2013 und 2014, die die Entwicklung in den 34 Regionen unter die Lupe nahmen, die auf eine mindestens fünfjährige Erfahrung zurückblicken können. Zentrales Ergebnis war, dass die Regionen die Netzwerkstruktur für die angemessene Organisationsform der staatlichkommunalen Verantwortungsgemeinschaft erachten. Zum anderen belegen die Rückmeldungen, dass das Zusammenspiel der Akteure vor Ort zu einer erhöhten Bildungsgerechtigkeit vor Ort geführt hat. 6

das Ganze ist stets mehr als die Summe seiner Einzelteile das gilt insbesondere für die Bildungspolitik. Wir wissen aus der internationalen Bildungsforschung, dass es darauf ankommt, alle Beteiligten im Bereich der Bildung miteinander zu vernetzen und zwar quer zu den tradierten Abgrenzungen zwischen den unterschiedlichen Bildungseinrichtungen. Wir wissen heute, dass das Zusammenspiel aller Akteure vor Ort einen wesentlichen Beitrag zu gelingenden Bildungsbiografien von Kindern und Jugendlichen leistet. Auf den Punkt gebracht: Die Regionalen Bildungsnetzwerke bündeln die Kräfte und legen die Grundlage für die Zusammenarbeit von Schulträgern, Schulen, Schulaufsicht, Wirtschaftsunternehmen, Sozialpartnern, Vereinen, Jugendhilfe, Stiftungen, Kammern und Wohlfahrtsverbänden. Wie wichtig Kooperation ist, zeigen die Kirchen gerade heute in Fragen der Flüchtlingshilfe. Mit dieser Praxis der Regionalen Bildungsnetzwerke nimmt Nordrhein-Westfalen eine bundesweite Vorreiterrolle an. 7

Für Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit müssen also die Bildungsakteure Hand in Hand arbeiten denn auch dadurch werden die Bildungssysteme durchlässiger. Das gilt natürlich auch für das Verhältnis von Regionalem Bildungsnetzwerk und den kommunalen bzw. staatlichen Verwaltungsstrukturen. Hier geht es um Verknüpfung und Konsens zwischen den regionalen Netzwerkerinnen und Netzwerkern einerseits und den kommunalen bzw. staatlichen Strukturen wie den Schulausschüssen und der Schulaufsicht andererseits. Aber auch hier belegen die Evaluationen von 2013 und 2014 den Fortschritt: Weit über 80 % der Befragten konstatieren eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen schulischen und außerschulischen Akteuren. Und eine große Mehrheit sieht auch dadurch einen erhöhten Stellenwert der Bildung in der kommunalen Politik und Verwaltung. Das ist erfreulich, zeigt aber auch, dass noch viel zu tun ist. So ist offensichtlich, dass zur Stärkung der Regionalen Bildungsnetzwerke die Einbringung der kreisangehörigen Kommunen von ebenso hoher Bedeutung ist wie der Ausbau der Kooperationen mit anderen Bildungsträgern entlang der Bildungsbiografie. 8

wenn wir gemeinsame für gelingende Bildungsbiografien eintreten wollen, benötigen wir ein gemeinsames, ein verändertes bzw. sich ständig erweiterndes Bildungsverständnis. Denn Bildung formale und informelle findet heute an vielen Orten statt und kennt viele Akteure nicht nur Schule. Bildung beginnt schon in den Kitas und Familienzentren und setzt sich in Jugend- und Kultureinrichtungen und vielen außerschulischen Lernorten fort. Die Zeiten, als Schule ein eher geschlossenes System war, in dem die Lehrer/-innen ihr Bestes gaben und ab und zu mal die Eltern vorkamen, sind schon lange vorbei. Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern wie zum Beispiel die Kooperationen mit Museen, Musikschulen, Stiftungen, Vereinen und/oder Unternehmen sind nichts Außergewöhnliches mehr. Die ersten Schritte sind überall gemacht. Und ist es wichtig, dass die Schulen sich weiter öffnen. 9

Je mehr Außenwelt in die Schule hineinkommt, und je mehr die Kinder und Jugendlichen hinausgehen in die Welt, umso anschaulicher, ganzheitlicher und nachhaltiger werden Bildungsprozesse. Schule muss sich immer mehr als Teil eines sozialen Netzwerks verstehen. Es reicht nicht, in einer einzelnen Schule gute Unterrichtsentwicklung zu machen. Die intensive Zusammenarbeit mit Jugend- und Sozialbehörden, freien Trägern aus Jugendhilfe und Sport gehört zur Schulentwicklung genauso dazu. Und auch die Bereitschaft, mit außerschulischen Fachkräften arbeitsteilig und gemeinsam für eine möglichst bruchlose Bildungsbiografie von Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. bruchlose Bildungsbiografie hinter diesen beiden Wörtern steckt eine große Herausforderung. Denn wenn wir von einer kontinuierlichen Begleitung über Kindheit, Jugend bis zur Ausbildung reden, dann reden wir über eine Vielzahl von Übergängen. In diesen schwierigen Phasen für Kinder und ihre Eltern müssen Präventionsleistungen und Bildungsleistungen besonders gut ineinander greifen. 10

Und dazu muss ein Umdenken stattfinden: Vom Zuständigkeitsdenken zu dem Erkennen, Bejahen und Umsetzen einer gemeinsamen Verantwortung. Das sagt sich leicht, ist aber in der Praxis herausfordernd. Ich denke z.b. an Ganztagsschulen, an die Kooperation zwischen Schule, Jugendhilfe und Gesundheit. Bei jeder neu komponierten Verantwortungsgemeinschaft für die Gestaltung gelungener Übergänge von der Familie bis in die Ausbildung, bei der Integration und Inklusion immer gilt es die anderen professionellen Anliegen und Selbstverständnisse zu verstehen und neue, verbindliche Formen der systematischen und wirkungsvollen Kooperation zu finden. Das ist nicht einfach, rührt an bisherigen professionellen und institutionellen Identitäten und erfordert von jedem und jeder, die eigene Komfortzone zu verlassen und neue Wege zu gehen. Deswegen brauchen wir ein gemeinsames Ziel: Wir müssen miteinander wollen und vereinbaren, gelingende Bildungsbiografien als das gemeinsame Anliegen vor Ort, im Sozialraum, in der Kommune, im Kreis zu ermöglichen. 11

Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit fallen nicht vom Himmel. Nur wenn die handelnden Menschen vor Ort zusammenarbeiten, haben diese Ziele eine Chance, haben die Kinder und Jugendlichen eine Chance! wer heute Bildung nur im Bereich der Schule verortet, greift zu kurz. Der individuelle Lebensentwurf unserer Kinder und Jugendlichen bedarf einer intensiven Begleitung. Gelingende Bildungsbiografien lassen sich nicht von oben verordnen. Jede Schülerin und jeder Schüler ist anders. Unsere Aufgabe ist es, die notwendigen Unterstützungsinstrumente bereit zu halten und auch anzubieten. Die Landesregierung hat deswegen verschiedene Programme aufgelegt, die alle zwei strategische Zielsetzungen verfolgen: Erstens gelingende Bildungsbiografien zu ermöglichen und zweitens systematische Kooperation der handelnden Akteure vor Ort zu unterstützen. Kein Kind zurücklassen ist das Leitbild der Landesregierung. 12

Wir setzen auf gezielte, vorbeugende Politik, die die Chancengerechtigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten jedes einzelnen Kindes verbessert und gleichzeitig zur Entlastung der öffentlichen Haushalte von sozialen Folgekosten führt. So wollen wir etwa mit dem Projekt Kein Kind zurücklassen Kommunen in NRW beugen vor dazu beitragen, dass die Schule Teil einer eng miteinander verbundenen Präventionskette vor Ort wird. Es geht darum, alle Kinder und Jugendlichen in ihren verschiedenen Lebensphasen im Blick zu behalten und ihnen rechtzeitig die notwendige Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Nur so lassen sich Brüche in ihren Lebensläufen rechtzeitig verhindern und Übergänge erfolgreich gestalten. Das Projekt der Landesregierung in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung wird zurzeit in 18 Kommunen durchgeführt, soll aber mittelfristig landesweit ausgeweitet werden. Es wird von einer Koordinierungsstelle beim Institut für soziale Arbeit unterstützt, an der sich auch das Schulministerium beteiligt. 13

In Kooperation mit der Landesweiten Koordinierungsstelle Kommunale Integrationszentren (LaKI) und der Serviceagentur Ganztägig lernen (SAG) entwickelt das MSW derzeit ein Konzept zur Weiterentwicklung der Elternarbeit hin zu einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus zu intensivieren und die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken. Es geht auch darum, Eltern zu vermitteln, dass professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen von Stärke zeugt und nicht von Schwäche. Die Landeskoordinierungsstelle Kommunale Integrationszentren (LaKI) erarbeitet zurzeit Module zur Umsetzung der bestehenden landesweiten Fortbildungsmaßnahme zur durchgängigen Sprachbildung und zur interkulturellen Schulund Unterrichtsentwicklung. Dazu gehören auch Maßnahmen im Rahmen des Bund-Länder- Programms Bildung in Sprache und Schrift und des Projekts Sprachsensible Schulentwicklung. Es gibt eine Fortbildungsreihe zur aktuellen Zuwanderung aus Südosteuropa und anderen Ländern zum Thema Deutsch als Zweitsprache (DAZ). 14

NRW hat als erstes Land DAZ als Pflichtteil der Lehrerausbildung verankert. In NRW erfolgt eine regionale Schwerpunktsetzung auf örtliche Problembezirke, um die Förderung tatsächlich prioritär den Orten des wirklichen Bedarfes zukommen zu lassen. Ziel ist die arbeitsmarktliche und gesellschaftliche Integration durch Bildung sowie Abbau der Folgen wirtschaftlicher Armut, insbesondere von Bildungsarmut und sozialer Exklusion. die Berufswahl wird in einer komplexen Welt immer schwieriger. Jugendliche stehen vor einer riesigen Auswahl und sind gefordert lebensprägende Fragen zu beantworten: Womit will ich einen großen Teil meines Lebens verbringen? Wie will ich mein Arbeitsleben erfolgreich und gut gestalten? Was muss und kann ich dafür tun? Hier brauchen Jugendliche systematische Unterstützung und auch der Fachkräftemangel erfordert genau dies. 15

Deshalb haben Landesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften, Arbeitsverwaltung und Kommunen im Rahmen des Ausbildungskonsenses seit 2012 damit begonnen, ein verbindliches, standardisiertes, flächendeckendes und geschlechtersensibles Angebot der Berufs- und Studienorientierung umzusetzen für alle Schülerinnen und Schüler aller allgemeinbildender Schulen. Allen Jugendlichen soll damit ein nahtloser Übergang in Ausbildung bzw. Studium ermöglicht werden möglichst ohne Warteschleifen. Dieses Programm Kein Abschluss ohne Anschluss haben alle 53 Kreise und kreisfreien Städten angenommen und setzen es um. Bereits in der Sekundarstufe I findet eine Potenzialanalyse statt. Darauf baut eine konkrete Berufs- oder Studienorientierung in verschiedenen Berufsfeldern oder Studiengängen auf. In mehreren Praktika können die Jugendlichen die betriebliche Wirklichkeit kennenlernen. Und Jugendliche, die vielleicht noch einen Zwischenschritt benötigen, werden eine besondere Unterstützung erhalten. 16

Nordrhein-Westfalen befindet sich auf dem Weg zur inklusiven Schule. Seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im März 2009 haben Menschen mit Behinderung ein verbrieftes Recht auf Teilhabe. Inklusion ist für alle ein Gewinn. Das wissen wir, weil wir nicht bei null anfangen. Nordrhein-Westfalen verfügt über eine lange Tradition des Gemeinsamen Lernens von Kindern mit und ohne Behinderung. An vielen Schulen unseres Landes ist der Gemeinsame Unterricht bereits gelebte Praxis. Aber seit der Landtag im Oktober 2013 das Erste Gesetz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet hat, arbeiten wir auf einer gesetzlichen Grundlage. Das haben noch längst nicht alle Bundesländer geschafft. Der Inklusionsanteil ist von 24,6 Prozent im Schuljahr 2012/13 auf 29,6 Prozent im Schuljahr 2013/14 an den öffentlichen und privaten Schulen gestiegen und das auf der alten gesetzlichen Grundlage. 17

Nach unseren Prognosen erwarten wir für das Schuljahr 2014/15 in der Primar- und Sekundarstufe I einen Inklusionsanteil von über 35,4 Prozent. Das wären rund sechs Prozentpunkte mehr als im vergangenen Schuljahr. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung in der Primarund Sekundarstufe I wird voraussichtlich 121.200 betragen, davon werden 42.900 eine allgemeine Schule besuchen. Das sind 7.400 Schülerinnen und Schüler mehr als im Vorjahr. Diese Zahlen zeigen: Der Ausbau des Gemeinsamen Lernens vollzieht sich Schritt für Schritt in maßvollen Zuwachsraten. Das stimmt mich zuversichtlich für die weitere Entwicklung und lässt erwarten, dass die Schulen den Ausbau des Gemeinsamen Lernens auch im kommenden Schuljahr meistern werden. Ich habe immer betont, dass es sich beim 9. Schulrechtsänderungsgesetz um das erste Gesetz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention handelt. Wir werden den Prozess der Umsetzung eng begleiten und bei Bedarf nachsteuern. Die Landesregierung investiert für die Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention bis 2017 insgesamt rund eine Milliarde Euro. 18

Und ich bin froh, dass es uns noch vor der Sommerpause gelungen ist, eine einvernehmliche Lösung mit den Kommunalen Spitzenverbänden zu erzielen. In den kommenden Jahren wird das Land die Kommunen bei der Umsetzung der Inklusion mit 175 Millionen Euro unterstützen. Das ist eine faire Lösung. wir unterstützen die Schulen auf ihrem Weg zur inklusiven Schule außerdem mit bedarfsgerechten Fortbildungsangeboten. 15.000 Lehrerinnen und Lehrer haben allein im vergangenen Schuljahr an der einen oder anderen Fortbildungsmaßnahme zur Inklusion teilgenommen. Jede vierte Fortbildungsveranstaltung befasste sich mit dem Thema Inklusion. Das zeigt nicht nur den Fortbildungsbedarf der Schulen, sondern auch die große Bereitschaft, sich auf das Gemeinsame Lernen einzulassen. in Zukunft geht es darum, künftige Lehrergenerationen von Anfang an auf die Erfordernisse der Inklusion vorzubereiten. 19

In Nordrhein-Westfalen werden wir im Zuge der Novellierung des Lehrerausbildungsgesetzes das bereits jetzt verpflichtende Basismodul Diagnose und Förderung um eine Basisqualifizierung zu speziellen Fragen von Inklusion und wachsender Heterogenität erweitern. Dabei kommt es auch darauf an, Lehrerinnen und Lehrer auf die Arbeit in multiprofessionellen Teams mit anderen Berufsgruppen aus der Sozialpädagogik, der Psychologie oder auch der Jugendhilfe vorzubereiten. mit den Regionalen Bildungsnetzwerken, den Kommunalen Integrationszentren, dem neuen Übergangssystem Kein Abschluss ohne Anschluss, mit den Kompetenzteams, den Unterstützungsmaßnahmen auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem, mit dem Projekt der kommunalen Präventionsketten haben wir hier in Nordrhein-Westfalen vielfältige Angebote, um unseren Kindern und Jugendlichen den Weg zu einer gelingenden Bildungsbiographie zu ebnen. Und ich wünsche mir, dass wir vor Ort diese Angebote eng miteinander vernetzen und so zu mehr Synergien und damit auch zu einer größeren Effizienz gelangen. Aber das muss vor Ort entschieden werden. 20

die Zusammenarbeit mit Akteuren der Zivilgesellschaft ist in den dargestellten Programmen deutlich geworden. Heute möchte ich die Gelegenheit nutzen, um auf die Zusammenarbeit mit Stiftungen einzugehen. Ohne das Engagement von Stiftungen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteure wären manche Impulse in den zurückliegenden Jahren nicht in der Bildungspolitik zu Gehör gekommen. Die Entwicklung der Stiftungslandschaft hat in Deutschland in den zurückliegenden Jahren eine kaum zu erwartende Dynamik entwickelt. Nicht nur als Mäzen, sondern auch als Impulsgeber, Treiber und Unterstützer von gesellschaftlichen Entwicklungen. Auch in Nordrhein-Westfalen profitieren wir von der Staatlich-kommunalen-zivilgesellschaftlichen Verantwortungsgemeinschaft. Einige der Programme habe ich Ihnen eben vorgestellt. Und es gibt noch weitere Projekte. Um nur eine kleine Auswahl zu nennen: Ruhr Futur, Ein Quadratkilometer Bildung, Vielfalt fördern oder Schulen im Team. 21

wenn ich auf die Bildungslandschaft in Nordrhein-Westfalen schaue, bestehen viele Programme und Projekte, die durch eine regionale Vernetzung kohärente Strategien für gesellschaftliche Veränderungsprozesse unterstützen wollen. Darum ist es wichtig, dass die Regionalen Bildungsnetzwerke aktiv genutzt werden, um das dort vorhandene Know-how mit in die Arbeit einzubinden und die zur Verfügung gestellten Ressourcen zu bündeln. Die Frage bleibt: WIE? Das ist eine Führungsfrage, die Sie, die verantwortlichen Entscheider in den Kommunen, beantworten müssen. Aber Sie sind nicht alleine! Denn dies ist eine Frage, die sich nicht nur in Ihrer Kommune, sondern in vielen Kommunen stellen. Und das ist die Chance der Gründung der Transferagentur. 22

die Transferagentur Kommunales Bildungsmanagement NRW hat sich zum Ziel gesetzt, mit bereits bestehenden Strukturen in NRW zusammen zu arbeiten und den Aufbau von parallelen Strukturen zu vermeiden oder auch zu verringern. Sie kann Sie bei der Gestaltung und Koordination von Schnittstellen, die durch bestehende Vielfalt komplexer Bildungsprogramme bestehen, unterstützen. Es besteht das Anliegen, die im Rahmen des Programms Lernen vor Ort gewonnenen Erfahrungen im kommunalen Raum zu teilen. Darüber hinaus ist es aber ein Anliegen der Transferagentur bereits gewonnene Erfahrungen aus allen Bildungsprogrammen im kommunalen Raum in den Austausch zu bringen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Die Erkenntniswünsche von Ihnen, meine Damen und Herren, bestimmen die Agenda für den Erfahrungsaustausch. In den Regionalen Bildungsnetzwerken haben durch die Evaluationen ehrliche Bestandsaufnahmen stattgefunden, die zeigen, was gut läuft und wo noch Optimierungs- und Handlungsbedarf besteht. 23

Die Evaluationsberichte und ihre Auswertung durch Herrn Professor Rolff zeigen, dass regionenübergreifend gemeinsame Weiterentwicklungsinteressen bestehen. Es gibt Themen, zu denen es heute noch nicht ausreichende Lernplattformen und Unterstützungsbedarfe bestehen. Das betrifft die Zusammenarbeit von Akteuren in manchen Abschnitten entlang der Bildungsbiografie, zum Beispiel in der Bildungsberatung. Das betrifft Fragen der Beteiligung und Verankerung in den Kommunen und die Einbeziehung von Zivilgesellschaft. Das betrifft spezifische Fragestellungen für die Arbeit der Netzwerkerinnen und Netzwerker, zum Beispiel Strategiebildung und Evaluation. Ich kann Sie deshalb nur ermutigen, sich aktiv mit Ihren Interessen in die Arbeit der Transferagentur einzubringen und die dadurch entstehenden Chancen für unser Land zu nutzen. in der Lebenswelt Kommune lernen Kinder und Jugendliche ihr Leben und unsere Gesellschaft mit zu gestalten. Sie kennen keine Zuständigkeiten, sondern Menschen, die sie unterstützen. 24

Ich freue mich, dass für die wichtige Frage der Zusammenarbeit von Akteuren aus den Kommunen, von Landeseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen durch die Transferagentur eine Chance eröffnet wird, vorhandene Erfahrungen auszutauschen und zu verstetigen. Aristoteles hat es einmal treffend formuliert: Der Mensch ist von Natur ein Gemeinschaft bildendes Wesen. - Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen. Und wo Gemeinschaft gelebt wird, gibt es auch eine gemeinsame Verantwortung. Ein Verantwortung, die alle Lebensbereiche umfasst. Im Bildungsbereich legen wir gemeinsam die Grundlagen für die Zukunft unseres Landes und unserer Gesellschaft. Wenn uns die Zusammenarbeit gelingt, werden wir mehr gelingende Bildungsbiografien ermöglichen. Hier muss und ich bin sicher hier wird jede und jeder seinen und ihren Beitrag leisten. 25