Berührung als Therapie Heilende Hände



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Transkript:

Berührung als Therapie Heilende Hände Shiatsu, Osteopathie und reflektorische Atemtherapie drei Methoden, bei denen der Therapeut durch gezielte Griffe Blockaden lösen und Schmerzen lindern kann Ob sie Strom in den Händen habe, wollte ich von der Therapeutin wissen. Denn unter ihren Händen spürte ich eine intensive Wärme, erinnert sich Günter Warich (43) aus Uchte an seine erste Erfahrung mit Shiatsu. Macht der überhaupt etwas an mir?, fragte sich Edeltraud Boos (51) aus Bingen irritiert, während der Osteopath mit leichten Schiebebewegungen ihren Rücken berührte. Fremde Hände haben mir geholfen, dass ich freier atmen kann, stellt Ronny Hauser-Dießner (34) fest. Ihr haben Ärzte reflektorische Atemtherapie gegen Asthma verordnet. Von einem Fremden angefasst zu werden ist für viele Menschen ein ungewohntes Erlebnis. Wir haben vergessen, wie wohltuend, heilend und voller Kraft Berührungen sein können. Millionen Sensoren niemand hat sie bisher genau gezählt machen unsere Haut zur fühlenden Hülle. Selbst den flüchtigsten Kontakt meldet sie sofort dem Gehirn, und das setzt Reaktionen im gesamten Körper in Gang. Streichelnde Hände etwa können beruhigen, die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol reduzieren und so das Immunsystem stärken. Massageöle vertiefen diese Wirkung noch. Weil Streicheleinheiten unsere vegetativen Funktionen anregen, werden Herzschlag, Atmung und Blutdruck reguliert, wie Forscher auf Frühchen-Stationen feststellten. Trotzdem reagieren wir erstaunt, wenn geschulte Hände verschiedenen Ursachen von Schmerz auf den Grund gehen und unsere Probleme lindern oder mit speziellen Methoden sogar beheben können. Die Hände sind wie ein medizinisches Gerät, mit dem sich der Therapeut ein Bild von dem Körper macht, der vor ihm liegt, sitzt oder steht. Je nach Verfahren kann er mit gezielten Griffen Gutes tun. Da werden hormonelle Abläufe harmonisiert, Organe und Kreislauf angeregt oder beruhigt. Der Profi spürt Blockaden im Körper auf und versucht sie zu lösen, lockert und stärkt Muskeln und Gewebe, macht Sehnen elastischer. Verklebte Faszien, dünne Häutchen an Muskeln und Organen, kann er ebenfalls mit sicherem Griff lösen. Diese ganzheitlichen Methoden wirken auf den Körper und die Psyche, bringen beide wieder ins Lot. Wir stellen Ihnen drei Verfahren vor, die auch im Klinikalltag praktiziert werden.

Shiatsu: Energie fließen lassen Ein Fall für Sie, Frau Lunkowski, sagt Chefarzt Dr. Detlev Kasprowski von der Brunswiek-Klinik in Bad Pyrmont immer dann, wenn die klassische Schulmedizin allein nicht weiterhilft. Wir setzen Shiatsu mit großem Erfolg bei Schmerzpatienten ein. Ich kenne keine Methode mit einer höheren Erfolgsquote, gibt der Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie neidlos zu. Shiatsu-Therapeutin Ruth Lunkowski arbeitet vor allem mit dem Druck ihrer Finger. Mal gehe ich großflächig vor, mal punktuell. Mal arbeite ich mehr mit den Fingerkuppen, ein anderes Mal stärker mit dem Daumen. Und obwohl das japanische Wort Shiatsu übersetzt nichts anderes heißt als Fingerdruck, benutzen wir auch die Handflächen, Ellenbogen, Unterarme, Knie und sogar manchmal die Füße, erklärt Ruth Lunkowski die Methode. Da sind auch Dehnungen und Drehungen inbegriffen. Die Therapeutin übt stets nur so viel Druck aus, wie dem Patienten gut tut. So auch bei Günter Warich (siehe Foto). Nach einem Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule litt er unter starken Schmerzen, heftigem Kribbeln im rechten Bein und Taubheitsgefühl im Fuß. Acht Wochen lag er im Bett, bevor ihn sein Hausarzt in die Brunswiek-Klinik überwies. Dort überließ er sich gern fremden Händen. Zu Beginn der ersten Shiatsu-Stunde - erklärte mir die Therapeutin, dass durch meinen Körper Bahnen laufen, so genannte -Meridiane. Sie ziehen von Akupunkturpunkt zu Akupunkturpunkt und sind wie ein Netzwerk über den Körper verteilt, weiß Warich heute. Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), in der Shiatsu seine Wurzeln hat, geht davon aus, dass unsere Lebensenergie, Qi genannt, durch die Meridiane fließt. Ist der Energiefluss blockiert, geschwächt oder an bestimmten Stellen im Übermaß vorhanden, kann das zu Unwohlsein, Beschwerden und Krankheiten führen. Während einer Behandlung will die Therapeutin dieses Ungleichgewicht beheben. Fließende Bewegungen lösen die Blockaden Wir besuchten Günter Warichs vierte Stunde: Warm bekleidet hat er es sich auf der blauen Matte bequem gemacht. Im Hintergrund ertönt leise Musik, während die Therapeutin mit einer Berührungsdiagnose anfängt. Dabei legt sie sanft die Hand auf seinen Bauch und tastet, für den Betrachter nicht sichtbar, den Spannungszustand der inneren Organe ab. Heute beginnt die Therapeutin mit dem Gallenblasen-Meridian, der im Zickzack an der Seite des Körpers verläuft. Dazu dreht sich Günter Warich auf die rechte Seite. Diesem Meridian sind Muskeln und Sehnen zugeordnet, und er mag Dehnung, wie Ruth Lunkowski sagt. Schmerzen verspannen jedoch die Muskeln und behindern die Nerven ein Teufelskreis. Mit den Bewegungen, die ich beim Shiatsu mache, zum Beispiel mit den Fingerkuppen unter die Schulterblätter gehen wir nennen das Flügelputzen, bringe ich den Meridian an die Oberfläche und kann ihn gut spüren, sagt Lunkowski. Mit fließenden Bewegungen geht sie weiter den Körper entlang. Dabei erklärt sie dem Patienten, welcher Körperregion sie sich als Nächstes zuwendet.

Schneller oder langsamer streicht sie über die Meridiane, versucht Blockaden aufzuspüren und mit unterschiedlichem Druck zu lösen. Mit sanfter Dehnung streckt die Expertin Warichs linke Rumpfseite. Meine Wirbelsäule fühlt sich unendlich lang an. Unbeschreiblich. Man muss das selbst erleben, findet er. Jetzt konzentriert sie sich auf den Nieren-Meridian, er ist der Lebensenergie und dem Nervensystem zugeordnet. Schmerzen erschöpfen das Qi, und es muss wieder angeregt werden. Bei kopflastigen Menschen leitet Ruth Lunkowski zuerst überschüssige Energie über den Magen-Meridian ab, der zum Erdelement im Shiatsu gehört. Diese Menschen haben oft die Bodenhaftung verloren. Seitenwechsel: Für den Betrachter sehen beide Körperseiten gleich aus. Nicht so für die Therapeutin, und auch Günter Warich fühlt sich in dieser Lage anders. Das linke Schulterblatt ist deutlich unbeweglicher als das rechte, erkennt Ruth Lunkowski sofort. Am Ende der Stunde schiebt sie eine Hand in den Bereich der Wirbelsäule, wo die Schmerzen ausgelöst werden. Die andere Hand liegt knapp unterhalb des Bauchnabels. Und wieder sind es für die Augen kaum wahrnehmbare Impulse, die ihre Hände geben. Unsere Patienten haben einen langen Leidensweg hinter sich. Beim Shiatsu erfahren sie, dass Bewegung und Berührung nicht wehtun müssen, erklärt Lunkowski die Wirkung der Therapie. Im Klinikalltag lindert Shiatsu deutlich stunden- bis tagelang die Schmerzen. Die Dosis der Schmerzmittel kann herabgesetzt werden. Auch die Mobilität verbessert sich messbar (etwa Beugewinkel, Kniegelenk), so dass eine physiotherapeutische Behandlung früher einsetzen kann. Daneben erleichtert Shiatsu die Atmung, erhöht das Selbstvertrauen und verringert die Angst. In der Klinik übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Moderne Osteopathie Mein gesamter Körper funktioniert ähnlich wie ein Spinnennetz. Ziehe ich oben an, schwingt es unten mit. Alles ist miteinander verbunden. So richtig begriffen habe ich das aber erst in einem Gespräch mit meinem Osteopathen, sagt Edeltraud Boos. Sie litt unter heftigen Verspannungen und Kreuzschmerzen. Eines Tages hatte sie Schwierigkeiten, den Mund weit zu öffnen. Das rechte Kiefergelenk sperrte. Anstatt den Kiefer zu behandeln, griff der Osteopath Dr. Hans-Christian Hogrefe vom Klinikum Bad Bergzabern mit starkem Druck unter den linken Rippenbogen und löste das Problem. Der Schmerz kommt nicht immer von dort, wo der Patient ihn spürt. So können Wirbelsäulenbeschwerden durch eine eingeschränkte Beweglichkeit der Niere oder durch das Umknicken des Fußknöchels verursacht werden. Die Aufgabe des Osteopathen ist es also, wie ein Detektiv die Puzzleteile zusammenzutragen und Beschwerden auf ihren Ursprung zurückzuverfolgen, um sie mit bestimmten Techniken zu lindern oder zu beheben, erklärt der Chefarzt und Orthopäde Hogrefe. Seine Hände arbeiten wie Sensoren, die sogar die Eigenbewegungen der inneren Organe beim Patienten erspüren. Alles andere auch, was dazugehört: Haut, Knochen, Muskeln, Sehnen, Bänder,

Gelenke, Blutgefäße, innere Organe sowie die Eingeweide nebst Blutgefäßen, Lymphbahnen und Nerven. Einen besonderen Platz nimmt der kraniosakrale Bereich ein, bei der ein Behandler etwa den Eigenrhythmus von Gehirn und Rückenmark ertastet, der an Schädelknochen (cranion) und Kreuzbein (sacrum) übertragen wird. Unregelmäßigkeiten in dieser Bewegung liefern Hinweise über Störungen im Organismus. Mit speziellen kraniosakralen Techniken kann der -Osteo-path Schädelknochen, Kreuzbein und andere Strukturen sanft unterstützen, ihre natürliche Beweglichkeit wiederzugewinnen, und so zum Beispiel Fehlhaltungen oder Kopfschmerzen auflösen. Diese feinen, sanften Korrekturen tun besonders chronischen Schmerzpatienten gut, erfährt Dr. Hogrefe immer wieder. Weil auch in der Osteopathie der ganze Mensch im Mittelpunkt steht, interessiert sich der Arzt gleichfalls für das soziale Umfeld seiner Patienten, für dessen Familie, den Beruf und das Freizeitverhalten. Ein Osteopath kann Fehlhaltungen, verspannte Muskeln, Verkrampfungen und Verklebungen im Gewebe, Rückenschmerzen oder die Folgen von Unfällen lindern und beheben. Das gilt auch für chronische Probleme des Bewegungsapparates sowie bei Schwindel, Kopfschmerzen und stressbedingten Beschwerden. Akute Entzündungen, Krebs- oder Stoffwechselerkrankungen gehören jedoch nicht in seine Hände. Reflektorische Atemtherapie Der Atem kommt von alleine. Mit meinen Händen setze ich Reize und locke ihn damit, sagt Carola Eigner. Sie arbeitet nicht nur mit unterschiedlichem Druck ihrer Fingerkuppen und Knöchel. Im Krankenhaus für Naturheilweisen im Münchner Stadtteil Harlaching klopft die staatlich geprüfte Masseurin und Therapeutin mit lockerer Faust, wechselt zwischen festen Abziehgriffen, bei denen sie tief in die Muskeln fasst, und leicht vibrierenden Berührungen. Zum Ausgleich für diese zuweilen schmerzhafte Prozedur streicht sie mit den Händen sanft den Körper des Patienten entlang und dehnt ihn dabei behutsam. Das Ziel: Die Atmung soll sich durch solche reflektorischen Reize, also Impulse von außen, vertiefen. Daher auch der Name reflektorische Atemtherapie. Zu Beginn der Stunde regen heiße Kompressen die Durchblutung an. So komme ich während der folgenden Behandlung tiefer in das Gewebe, sagt Eigner. Bevor sie mit der eigentlichen Behandlung beginnt, reibt sie den warmen Rücken mit Massageöl ein und beobachtet die Atemwelle ihres Patienten. Wie tief geht der Atem? In den Brustkorb oder bis hinunter zu den Lenden? Die Körperregionen, die die Therapeutin gerade nicht behandelt, bleiben warm in Handtücher gehüllt. Einleitenden Griffen entlang der Rückenstrecker und der Arme folgen Scheuergriffe gegen die Wirbelsäule. Die sind für Asthmatiker sehr schmerzhaft, betont die Therapeutin. Auch für Ronny Hauser-Dießner. Dennoch ist sie dankbar dafür. Als mich die Therapeutin

dazu brachte, tiefer ein- und auszuatmen, hat es anfangs richtig gepfiffen. Auf positive Weise hat sie meinen Körper gezwungen, in einen tieferen und ruhigeren Atemrhythmus zu gleiten. Damit das gelingt, widmet sich Carola Eigner auch den Übergängen von Muskeln zu Sehnen, löst mit gezieltem Handanlegen Verspannungen und bindegewebige Verklebungen am ganzen Körper, einschließlich der häufig verkrampften Kaumuskeln. Je nachdem, wie krank ein Patient ist, beginnt sie mit der Rückenpartie, um sich anschließend Bauch und Beinen und zuletzt dem Kopf zuzuwenden. Bei schwerem Asthma beginne ich an der Fußsohle oder versuche die Achillessehne zu lösen, da Berührungen am Brustkorb für den Patienten unangenehm sind, erklärt Eigner. Die Behandlung beeinflusst nicht nur den Organismus, sondern auch die Psyche und regt die natürlichen Heilkräfte an. Besonders hilfreich ist die Methode bei Asthma und Bronchitis. Bei orthopädischen Problemen wie dem Lenden- oder Halswirbelsyndrom hat sie sich ebenfalls bewährt. Die Methode sollte nicht bei akuten Bandscheibenvorfällen und Schleudertraumen angewandt werden. Das Gleiche gilt für Entzündungen, bei Osteoporose, Fieber, Tuberkulose und starken Psychosen. Quelle: Apotheken Umschau 11/2004 / Wort & Bild Verlag