Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Bielefeld

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Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Bielefeld Reformation Bild und Bibel. Predigtreihe in der Passionszeit 2015 in Kooperation mit der Kunsthalle Bielefeld Pfarrer Bertold Becker Georginen in Vase (1912) - Karl Schmidt-Rottluff - Kunsthalle Bielefeld Predigt zu Markus 14,1-11: Der Tötungsplan, die Salbung und der Verrat und zu Georginen in Vase (1912), Karl Schmidt-Rottluff; Predigttext: Markus 14,1-11 Der Plan der Hohenpriester und Schriftgelehrten 1 Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. 2 Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit 1

es nicht einen Aufruhr im Volk gebe. Die Salbung in Betanien 3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. 4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? 5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. 6 Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. 8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. 9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat. Der Verrat des Judas 10 Und Judas Iskariot, einer von den Zwölfen, ging hin zu den Hohenpriestern, dass er ihn an sie verriete. 11 Als die das hörten, wurden sie froh und versprachen, ihm Geld zu geben. Und er suchte, wie er ihn bei guter Gelegenheit verraten könnte. Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da sein wird. Amen. 21 Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.... 28 Schaut die Blumen auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.... 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. (Matthäus 6) Liebe Schwestern und Brüder, der Künstler Karl Schmidt-Rottluff wählt einen schwarzen, düsteren Hintergrund für seine rot-gelb leuchtenden Georginen in Vase. 2

Einen düsteren Hintergrund zeichnet auch der Evangelist Markus zu Beginn seiner Passionserzählung: Die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn (Jesus) mit List ergreifen und töten könnten. 2 Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe. Ein Grund für den Tötungsbeschluss wird nicht benannt, aber der Evangelist deutet im Folgenden an, was es mit diesem Jesus auf sich hat. Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch... Jesus ist Gast bei einem Aussätzigen. Hören wir genau hin: Der Evangelist erzählt wirklich, dass Jesus mit einem Aussätzigen zusammen ist, mit jemandem, der von einer Krankheit gezeichnet war, die als anrüchig und abstoßend galt und der so keinen Platz hatte in der ehrenwerten Gesellschaft, Dieser Jemand wird mit Namen genannt: Simon! Offensichtlich gewinnen diejenigen, die sonst am Rande stehen, in der Begegnung mit Jesus eine neue Identität. Mehr noch, sie werden zu Gastgebern eines neuen Lebenszusammenhangs, in dem Brot und Wein miteinander geteilt werden. Jesus lebte, so erzählt es der Evangelist Markus, offensichtlich eine neue Freiheit im Denken und Glauben. Er sprach die Nähe Gottes Menschen zu, die in den Augen der Rechtgläubigen unmöglich die Nähe Gottes verdient hatten. Was mich an Jesus dabei so begeistert ist, dass er Gott verkündet als Zusammengehörigkeit von Getrenntem, als die Aufhebung der Gegensätze, von rein und unrein, dazugehörig und außen vor, arm und reich, Freund und Feind. Jesus behauptet Gott als voraussetzungslose Liebe zu allen Menschen! Die alten Grenzen sind aufgehoben. Hier wird Gottes Güte erlebt als etwas, das den Kontext sprengt, neue Beziehungen eröffnet und andere Zusammenhänge schafft. Ein Neuer Bund in der Gottesbegegnung des Menschen. Diese Art der neuen Freiheit, des neuen Denkens und Glaubens ist es, die das Volk neugierig macht und die gewohnten Kreise stört... In dem Bild Schmidt-Rottluffs durchbrechen die Farben der Blumen den schwarzen, düsteren Hintergrund. Die grüne Vase drängt sich nach vorne in den Mittelpunkt des Bildes hinein, radikal, wie aus dem Nichts, als wäre sie ein Stiefel, der den Grund aufbricht und einen neuen Zusammenhang schafft. Die Blumen, sie explodieren förmlich wie leuchtende Sterne und sprengen den Rahmen. Das Bild verschiebt den Horizont. Da, wo wir den Himmel vermuten, ist es eher dunkel und unklar. 3

Dafür begegnet uns blau am Grund des Bildes. Das Bild sprengt in mehrfacher Hinsicht den gewohnten Rahmen. Den Rahmen sprengt in der Tat jemand, die jetzt auf die Bühne des Geschehens tritt. Eine Frau kommt herein sie bringt keinen Blumenstrauß mit für den, dessen Todesurteil bereits gefällt ist. Sie hat ein Fläschchen mit Salböl dabei. Es muss sehr reines kostbares Nardenöl sein. Sie bricht das Fläschchen auf und träufelt Jesus das Salböl auf den Kopf. Es muss sich ein unglaublich himmlischer Duft ausgebreitet haben Einige merken sofort, was hier ausgeschüttet wurde. Sie murren: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte das Öl für mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können! Wenn es stimmt, was einige (wohl auch der Jünger) sagen, dann haben sie Recht: dreihundert Denare waren damals ein Vermögen. Ein Denar galt als Tageslohn, um Familien satt zu machen. Dreihundert Denare, das war der komplette Jahresverdienst einer Familie und wir denken die Familie hier mit vielen Kindern, Eltern, Großeltern, möglicherweise mit Verwandten, die auch schon mal zum Essen kamen, wenn es zu Hause nicht reichte Dreihundert Denare, das ist ein ganzes Jahr lang ohne Sorgen leben. Nicht mehr die Frage: Wer stellt mich ein, finde ich genug Arbeit, werde ich den ganzen Tag beschäftigt sein, ist der Lohn am Ende ausreichend, meine Familie zu sättigen? Wie werden wir satt? Die Ausgrabungen in Pompeji, der von dem Vesuv 79 n. Chr. über Nacht verschütteten Stadt, geben Aufschluss darüber, wie viel Geld seinerzeit in den einzelnen Haushalten in Umlauf war. Bei reichen, wohlhabenden Pompejanern fand man zuweilen zwischen 250 bis 750 Denare, selten mehr. Die zahlreichen Funde aber zeigen, dass der durchschnittliche Bewohner Pompejis kaum mehr als den Wert von 7 Denaren an Barvermögen besaß. Die Fragenden haben Recht sie stellen eine Jesus-Frage: Wie werden die Armen satt? Wie gelingt eine Gesellschaft, in der alle auskömmliches Leben haben? Was können wir für und mit den Armen tun? Wie können wir die Mittel, die wir haben, so einsetzen, dass sie allen und vor allem den Bedürftigen zuteil werden? 4

Wie können wir zu einer Gesellschaft beitragen, die von Solidarität lebt, einer Gesellschaft, in der nicht der Jahreslohn einer ganzen Familie in einem Bad mit Öl oder Champagner oder Kaviar zerrinnt. Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte das Öl für mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können! In der Frage schwingt viel mit: `Jesus was ist mit deinen Idealen? Wohin wird deine Nachfolge führen, wenn die Kirche sich mit Salböl pudert und auch in ihr luxuriöser Lebensstil zu einem erstrebenswerten Ziel wird? Die Fragenden erinnern Jesus an seine Lebenseinstellung: `Hast du, Jesus, nicht etwas von dem Reich Gottes erzählt in dem Brot und Wein geteilt werden und es so für alle reicht? Die Frage ist berechtigt. Sie zielt auf die ökonomische Effizienz des Tuns. Ist das Geld richtig angelegt? Bringt es Zinsen für die Armen? Wie können wir unser Handeln für eine gerechtere Welt optimieren? Die Frau wirkt, als wäre sie in der Hinsicht von einem anderen Stern, denn sie ist in diesem Sinne nicht effizient. Sie vergeudet. Was sie hier tut, passt nicht in den Rahmen der zweckrationalen Ökonomie. Auch die Blumen in unserem Bild sprengen den Rahmen. Als wären sie Sterne, wachsen sie über das Bild hinaus, als wollten sie uns den Horizont erweitern.... Schaut die Blumen auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 21 Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Was ist der Schatz der Frau bei ihrem Tun? Und wo ist das Herz der Jünger bei ihrer Frage? Unterwerfen die Jünger in der Szenerie die eine menschliche Begegnung zwischen der Frau und Jesus den ökonomischen Kriterien von Kosten und Nutzen, von Gewinn und Verlust? Kann aber Begegnung überhaupt in diesen Kriterien erfasst werden? Siehst du die Blumen auf dem Feld... Warum stellen wir uns Blumen in eine Vase und geben zuweilen dafür sogar Geld aus? Die Blumen mit Vase stehen für etwas, das keine ökonomische Zweckrationalität hat. Sie leuchten, weil sie schön sind. Absichtslos sich selber genügend. Ohne Nutzen und Gewinn... Sie stehen für die Umsonstigkeit 5

der Schönheit und Lebenslust. Sie verweisen auf Freiheit und die Kraft des Lebens aus sich selbst heraus. Was ist der Schatz der Frau? Die Frau hat keine Blumen gepflückt, aber wahrscheinlich ihr ganzes Erspartes für dieses Öl ausgegeben. Sie fragt nicht: Habe ich etwas davon, bringt mir das jetzt etwas? Sie entzieht sich mit ihrem Tun der Kosten-Nutzen-Rechnung, weil sie etwas aus einer Beziehung heraus tut. Sie tut es, um ihre Liebe zu zeigen: Jesus, du bist mir heilig. Sie würdigt Jesus. Sie verrechnet nicht. Ihr geht es um die Heiligkeit des Lebens. Die hat keinen Preis. Das ist ihr Schatz! Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Wo ist das Herz der Jünger und wo ist ihr Schatz? Wenn wir beginnen, menschliche Begegnungen zu verrechnen, welche Welt gestalten wir damit? Wenn wir alles mit der Brille der Effizienzsteigerung sehen, welche Schönheit haben da Blumen? Was passiert, wenn wir das Geschenk unseres Lebens in den Rahmen von Kosten und Nutzen stellen? Was passiert mit der Kraft der Liebe, wo bleibt die Güte des Lebens, die Umsonstigkeit und Freiheit dieser Frau? 10 Und Judas Iskariot, einer von den Zwölfen, ging hin zu den Hohenpriestern, dass er ihn an sie verriete. 11 Als die das hörten, wurden sie froh und versprachen, ihm Geld zu geben. Und er suchte, wie er ihn bei guter Gelegenheit verraten könnte. Der Evangelist Markus zeigt uns in dem Nachspann zu dieser Geschichte, wie eng Verrat und Geld und Tod aneinander hängen. In dem Bild Schmidt-Rottluffs sind einige Blumenhälse abgeknickt die Blumen haben etwas Gebrochenes, und sie ziehen einen rot-orangen Schleier nach sich, der rechts das Bild verlässt, als gäbe es noch ein Anderswo... Ähnlich verhält es sich mit dem Grün der Vase... Der Horizont findet sich unten, auf dem alles steht... Auch das Salben der Frau verweist nach der Erzählung auf einen anderen Zusammenhang, der ebenfalls einen blutroten Schimmer wirft: Jesus sagt: Die Frau hat getan, was sie konnte: Sie hat meinen Körper im Voraus für mein Begräbnis gesalbt. 6

Die Frau verweist mit ihrem Tun auf einen anderen, nicht verrechenbaren Horizont, einen anderen Lebenszusammenhang angesichts der Zerbrechlichkeit des Lebens. Sie verweist auf die Kraft der Liebe! Die Liebe ist die einzige Kraft, die uns umhüllen kann uns vor dem Tod und im Tode bewahrt. Jesus sagt nach dem Matthäus-Evangelium: 27 Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28 Warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Blumen auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. 30 Wenn nun Gott die Feldblumen so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. In dieser Hinsicht malt uns die Erzählung vor Augen, dass wir nicht all unsere Lebensbereiche dem ökonomischen System opfern dürfen. Wir verlieren damit, was wir gewinnen wollen. Wir brauchen Platz für Verrücktheiten und Begegnungen, die sein dürfen, wie sie sind... Damit wir die Schönheiten des Lebens in den Blick nehmen können, brauchen wir zweckfreie Räume, in der das, was ist, sein darf, ohne dass wir verwerten, organisieren oder optimieren müssen. Wir brauchen Orte wie diese Kunsthalle und Zeiten, in denen wir uns der Heiligkeit des Lebens bewusst werden. Vielleicht teilen wir dann am Ende nicht mehr Brot und Wein, weil das die beste Verwendung vorhandener Mittel ist, damit alle satt werden, sondern: Vielleicht werden auf wundersame Weise alle satt, weil wir als Schwestern und Brüder leben und so auch teilen. Das Bild: Georginen in Vase (1912) von Karl Schmidt-Rottluff sprengt in vielerlei Hinsicht den Rahmen und weist über sich hinaus. Ebenso die Erzählung: Sie lehrt uns, der Kraft der Liebe zu trauen, weil wir dann teilhaben an der Kraft des Lebens, die selbst dem Tod ins Auge sehen kann... Amen! 7