PROJEKT Making-of des Kurzfilms Rough AppRoach in Maya Charaktersache Der Kurzfilm Rough AppRoach macht im Internet Furore: Seit Anfang Dezember wurde er mehr als 35 000 Mal heruntergeladen. er arbeitsaufwändige Film D über zwei mit Werkzeug und Rüstzeug ausgestattete und philosophierende Kakerlaken enthält viel Liebe zum Detail. Auf ihrer Suche nach möglichst realistischen Bildern lernten die Produzenten, Studierende der German Film School, dass man für funktionierende 3D-Animationen der Wirklichkeit nie zu nahe kommen darf. Creative Live hat den Kurzfilm auf die Bonus-DVD genommen. Ein Interview mit den Machern gibt es auf der Creative- Live-Website im Bereich Projekte. Was für echte Schauspieler gilt, ist auch bei animierten Charakteren maßgeblich: Der erste Auftritt einer Figur muss absolut überzeugend sein: Er muss Neugier auf ihren Charakter erwecken und Erwartungshaltungen auslösen, um die Zuschauer auf Anhieb für sich zu gewinnen. Genau das funktioniert bei Rough AppRoach und noch einiges mehr. Hier kann jeder 3D-Artist lernen, wie ein 3D-Projekt richtig aufgezogen werden muss. Wenn nach dem bedächtig inszenierten Vorspann mit dem Dialog aus dem Off die beiden Hauptdarsteller erstmals ins Bild kommen und gleich darauf im Close-up zu sehen sind, ist man sofort von ihnen eingenommen. Und das, obwohl es sich um zwei Kakerlaken handelt, einer vom Menschen gemeinhin ver- Bilder: German Film School 26 creative-live.com 01 / 2005
achteten und gejagten Spezies. Doch Cornelius und Bob sind anders. Mit ihren Kugelaugen und den zierlichen Mündern wirken sie nicht nur sympathisch, sondern es ist auch ziemlich cool, wie sie mit ihrer Mimik und Gestik und ihrer Art, sich zu bewegen, auftreten. Es bräuchte kaum den australischen Tonfall, um sie als absolut lässige Typen wahrzunehmen. Manipulierte Physiognomie Wir haben lange überlegt, wie wir das Aussehen echter Kakerlaken sinnvoll adaptieren können, erzählen Tim Reischmann, Jens-Ole Bukowsky und Max Koriath, die Erfinder, Gestalter und Produzenten von Rough AppRoach. Die Kakerlaken sollten so weit wie möglich vermenschlicht werden, ohne dass sie ihr natürliches Aussehen verloren. Die gefräßigen Krabbler sehen niedlich und ansprechend aus und sind dennoch sofort als Kakerlaken erkennbar. Die Kurzgeschichte verlangt zudem, dass die beiden Käfertiere menschliche Bewegungsabläufe ausführen, etwa das Abseilen von der Decke, das Einschrauben einer Glühbirne oder die Benutzung einer Armbrust. Es stellte sich uns also die Frage, wie weit man Kakerlaken in Richtung menschlicher Physiologie und Physiognomie abstrahieren kann, um sie für diesen Plot glaubwürdig besetzen zu können, so die Macher des Kurzfilms. Am Ende dieses Prozesses ließen die drei ihre Schaben um zirka 15 Prozent wachsen, damit sie im richtigen Maßstab mit Gegenständen aus der Menschenwelt interagieren können. Zusätzlich wurde das Setup der Geometrie in der Längsachse, zwischen Hals- und Beinansatz, so angelegt, dass durch Squash & Stretch des Rückgrates die für menschliche Bewegungsabläufe viel zu kurzen Arme kompensiert werden konnten. Hinsichtlich der sechs Gliedmaßen entschied man sich für vier Arme und zwei Beine und kostete dies mit sehr gelungenen Vierhandgestiken auch weidlich aus. Des Weiteren wurden zusätzliche Gelenke in den Chitinpanzer eingebaut, damit das Gestikulieren ausdrucksstark wirkte, ohne dass unnatürliche Deformationen der Gliedmaßen nötig waren, so Koriath. Der Körper einer Kakerlake besteht aus Chitin, ein sehr hartes Material, das vor allem den Rückenpanzer starr macht und unmenschlich aussehen lässt. Für elementare Ausdrucksweisen des Charakters wie Gestik, Mimik und Sprechen bauten die Filmmacher daher entsprechende Deformationsmöglichkeiten der Chitinhüllen ein. Wer den Kakerlaken in Rough App- Roach nicht nur auf den Panzer, sondern in die Augen sieht, dem fallen Kleinigkeiten auf, etwa die kurzzeitige Rötung des einen Kakerlakenauges nach dem Auftreffen des Autoblendlichts. Dabei wurden Renderings vorgenommen, die an die Käfer- und Heuschre- ckendarstellungen aus der Zeit des Kinoaufbruchs der 3D-Animation in den späten Neunzigern anknüpfen. Lokalrecherche in Berliner Dönerbuden Beeindruckend an Rough AppRoach ist auch das Set-Design. Die Geschichte der zwei Schaben, die ihre philosophischen Überlegungen zur Reinkarnation während eines Einsatzes zur Beschaffung von Futter anstellen, spielt in einem typischen Dönerimbiss. Um auch hier einem professionellen Realismus zu frönen und alle Details nicht nur zu sehen, sondern auch auf sich wirken zu lassen, betrieben die Studenten der German Film School vielerorts Lokalrecherche. Dafür brauchten sie nicht weit zu fahren, liegt doch der Hochschulort Elstal vor den Toren Berlins. Und dort gibt es mehr als 30 000 Imbissbuden. Für die richtige Dönerbude hatten wir 81 Beleuchtung Mithilfe des mental ray Dirtmap Shaders wurde die Lichtverteilung für geometrische Kontaktstellen berechnet 7 Lokaltermin Fotos einer originalen Berliner Dönerbude dienten als Vorlage für die 3D-Kulisse 01 / 2005 creative-live.com 27
PROJEKT Making-of des Kurzfilms Rough AppRoach in Maya 123 Animatics Auf Basis der Fotos und des Storyboards entstanden die Szenerien mehrheitlich in Maya 5.1 so auch der Blick durch die Infrarotbrille der Kakerlake klare Vorgaben, erzählen die drei Studenten. Sie sollte klein sein, damit die Wege für zwei Kakerlaken nicht zu groß werden, und durch viele Details, etwa Poster, Dreck und verlebtes Interieur, optisch aussagekräftig wirken. Als die passende Bude in der Bundeshauptstadt gefunden war, wurde sie fotografiert und als Vorlage für das anschließende 3D-Set verwendet. Virtueller Kulissenbau: weniger Modellierung, mehr Schärfe Die Umsetzung der Dönerbude zu einer 3D- Kulisse erfolgte in Maya Unlimited 5.1. Ein Image-Based-Modeler-Programm wie beispielsweise Realviz ImageModeler kam in diesem Fall nicht in Frage, erzählt Tim Reischmann. Die angestrebte Detailgenauigkeit war zu hoch, um mit einer solchen Software ein akkurates Ergebnis produzieren zu können. Deshalb haben wir anhand der Fotos viele Dinge in Maya nachgebaut. Allerdings stellte sich heraus, dass auch auf diesem Weg die vollständige Abbildung aller Gegenstände und Merkmale den vorgegebenen Zeitrahmen sprengen würde. Also beschränkte sich das Team beim Modellieren auf wesentliche filmwichtige Elemente, etwa auf Gläser und Aschenbecher auf 28 creative-live.com 01 / 2005
dem Tisch und den Dönergrill samt Fleisch. Im Laufe der Produktion zeigte sich, dass es unnötig war, alles im Detail zu modellieren. In vielen Einstellungen sind die in Wirklichkeit gerade einmal drei Zentimeter kleinen Kakerlaken in Großaufnahme scharf im Bild. Das heißt, hier käme bei einem Realdreh ein leistungsfähiges Makroobjektiv zum Einsatz, das den Hintergrund ohnehin vollkommen verschwimmen ließe. Um auf die Wirkung der Kulisse Dönerbude nicht ganz verzichten zu müssen, wurden die Hintergründe zwar unscharf gezogen, aber nicht in dem Maße, wie es realistisch gewesen wäre eine Verzerrung der Wirklichkeit zu Gunsten des Effekts. Statt sich also mit unnötig detailliertem Hintergrund-Modelling aufzuhalten, konzentrierten sich die Digital Artists die während der Produktion im dritten und vierten Semester studierten auf die Ausleuchtung ihrer Hauptdarsteller und der Szenerien. Denn auch bei virtuellen Kulissen und animierten Darstellern hängt von Beleuchtung und Schattenwurf enorm viel ab, was die Atmosphäre, die subtilen Botschaften und letztlich die Überzeugungskraft einer Szene betreffen. Für die Ausleuchtung der Dönerbude bediente sich das Team einer Kombination aus den beiden Beleuchtungsmodellen Global Illumination und Final Gathering, um dann in mental ray 3.2 zu rendern: Wenn man Global Illumination und Final Gathering richtig kombiniert, kann man eine Menge Render-Zeit sparen. Die Bilder können schneller berechnet werden als mit einem Beleuchtungsmodell allein, da sie gegenseitig die Schwächen des anderen Modells kompensieren. Dadurch konnten wir die Glaubwürdigkeit steigern und gleichzeitig den 3D-Charakter der Bilder mindern, erklärt Tim Reischmann. Die Kakerlaken selbst wurden unabhängig von den Hintergründen ausgeleuchtet. Vor allem aufgrund des enormen Größenunterschiedes zwischen den Kulissen und den Figuren war es unmög- 781 Vierarmiger Bandit Beim Character-Design entschieden sich die Produzenten für die recht arbeitsaufwändige Variante von vier Händen. So können die Kakerlaken zugleich agieren und gestikulieren 01 / 2005 creative-live.com 29
PROJEKT Making-of des Kurzfilms Rough AppRoach in Maya 345 Mehr Licht Die getrennte Ausgabe der Lichtquellen ermöglichte es, die Lichtintensität zu optimieren und einzelne Lichter einzufärben etwa, um die Schattenseite der Kakerlaken leicht blau zu tönen, was sie plastischer wirken ließ lich, einen vier mal drei Meter großen Raum so gut auszuleuchten, dass auch ein Close-up an einer winzigen Kakerlake funktioniert. Ein Problem dabei sind die Schatten. Diese müssten entweder mit aufwändigem Raytracing berechnet werden, was sie hässlich scharf aussehen ließe, oder mit Area-lights, die zwar weiche Schatten erzeugen, aber astronomisch lange Render-Zeiten erfordern, oder aber mit Shadowmaps, für die jedoch gigantische Auflösungen nötig gewesen wären. Schließlich wurden die gewitzten Viecher wie im traditionellen Film beleuchtet, also einzeln und mit der typischen Dreipunkt-Ausleuchtung, bestehend aus Hauptlicht, Aufhellung und Spitze. Zusätzlich gab es Aufheller vom Boden und von abstrahlenden Objekten sowie ein starkes Licht von oben. Die Aufheller simulierten das diffuse Licht, das alle Objekte zurückstrahlen. Das Paradoxe daran war: Was beim Realdreh oft verflucht wird, versuchten wir zu imitieren, um mehr Realismus zu erhalten, erläutert Max Koriath. Zusätzlich wurde für sämtliche Geometrien mithilfe des mental ray Dirtmap Shaders ein so genannter Ambient Occlusion Pass berechnet. Der Occlusion Pass ist ein Schwarzweißbild, das die Lichtverteilung an Kontaktstellen von Geometrien beschreibt, etwa in der Ecke eines Raumes, die immer etwas dunkler ist als die Wände. Idealerweise wird dieser Pass als Steuerung für das Umgebungslicht verwendet, aber er kann auch durch einfaches Multiplizieren mit dem Gesamtbild verrechnet werden, um schönere Schattierungen zu erzielen. Da die Lichtquellen getrennt ausgegeben wurden, war es auch möglich, das Licht jeder Szene gezielt zu justieren. So ließen sich zum Beispiel die Lichtintensität optimieren und einzelne Lichter einfärben, etwa um die Schattenseite der Kakerlaken leicht blau zu tönen, was klare Konturen schaffte und die Hauptdarsteller plastischer wirken ließ. Um der Beleuchtung den letzten Schliff zu geben, wurden mit animierten 2D-Masken gezielt einzelne Bereiche der Lichter ausmaskiert, farbkorrigiert oder verstärkt. Für den finalen Look wurden in After Effects noch Tiefen- und Bewegungsunschärfe berechnet, die einzelnen Szenen aneinander angeglichen und eine leichte globale Farbkorrektur vorgenommen. Henry Steinhau/mjl 30 creative-live.com 01 / 2005
INFO Titel: Rough AppRoach Länge: 5:37 Minuten Format: PAL 16:9 (letterbox) Produktionszeit: 18 Monate Produktion: The German Film School for digital production Regie, Story-Entwicklung, Schnitt: Ole Bukowsky, Tim Reischmann, Max Koriath Ole Bukowsky: Animation, Setup Kakerlaken, Compositing, Design/ Modelling/Texturing/Lighting/ Rendering Lüftungsschacht, Lighting/Rendering Kakerlaken Tim Reischmann: Animation, Dialogdrehbuch, Design/Modelling/Texturing/Lighting/Rendering Dönerbude, Design/Modelling/ Texturing/Lighting/Rendering Außenszene Max Koriath: Design/Modelling/ Texturing Kakerlaken Software: 3D: Alias, Maya Unlimited 5.1 Renderer: mental ray 3.2 (Dönerbude, Kakerlaken) Maya Scanline (Fluids, Volumenlicht, Außenszene) Maya Hardware (Particles) 2D: Adobe, Photoshop 7 Compositing: Adobe, After Effects 5.5 Editing: Adobe, Premiere 6.5 Sounddesign: Digidesign, Protools Bewegungsunschärfe: ReelSmart, Motion Blur Tiefenunschärfe: Lenscare, Frischluft Anzeige 01 / 2005 creative-live.com 31