Richard Günder. Praxis und Methoden der Heimerziehung. Entwicklungen, Veränderungen und Perspektiven der stationären Erziehungshilfe



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Kapitel 1 Entwicklungen und Veränderungen der Heimerziehung... 17

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Transkript:

Richard Günder Praxis und Methoden der Heimerziehung Entwicklungen, Veränderungen und Perspektiven der stationären Erziehungshilfe

Richard Günder Praxis und Methoden der Heimerziehung Entwicklungen, Veränderungen und Perspektiven der stationären Erziehungshilfe

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://d-nb.ddb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten 2011, Lambertus-Verlag, Freiburg imbreisgau 4., völlig neu überarbeitete und ergänzte Auflage www.lambertus.de Umschlag: Nathalie Kupfermann, Bollschweil Herstellung: Franz X. Stückle, Druck und Verlag, Ettenheim ISBN 978-3-7841-1995-3

Inhalt Einleitung... 13 Kapitel 1 Entwicklungen und Veränderungen der Heimerziehung... 17 Das Negativimage der Heimerziehung... 19 Die Entwicklung der Heimerziehung in ihrem historischen Kontext... 20 Reformen und ihre Auswirkungen... 33 Quantitative Veränderungen/Träger der Einrichtungen... 36 Resümee... 37 Die Kinder und Jugendlichen Die Indikation für Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen... 38 Aus welchen Familien kommen Heimkinder?... 38 Wo hatten sich die jungen Menschen vor der stationären Hilfegewährung aufgehalten?... 42 Werhat den Heimaufenthalt angeregt?... 42 Die Problemlagen der Kinder und Jugendlichen... 43 Kapitel 2 Heimerziehung im Kontext des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG)... 47 Die generelle Zielsetzung des neuen KJHG... 49 Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung... 51 Erziehungshilfen im KJHG... 52 Heimerziehung im Kinder-und Jugendhilfegesetz... 54 Einbezug seelisch Behinderter... 56 Sozialdatenschutz... 58 Betroffenenbeteiligung... 58 Partizipation von Kindern und Jugendlichen... 59 Hilfeplanung... 62 Finanzierung, Neue Steuerung... 67

Inhalt Kapitel 3 Das differenzierte Leistungsangebot der stationären Erziehungshilfe... 73 Heimerziehung hat sich verändert... 75 Außenwohngruppen und Wohngruppen... 75 Betreutes Wohnen... 76 Erziehungsstellen... 77 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung 35Kinder-und Jugendhilfegesetz (KJHG)... 78 Flexible Erziehungshilfen... 79 Kapitel 4 Heimerziehung aus der Sicht der Betroffenen... 83 Die Einflussgröße von Standardsituationen auf die persönliche Entwicklung... 85 Untersuchungsmethode... 88 Zur Situation der interviewten Jugendlichen und jungen Erwachsenen... 88 Gründe für den Heimaufenthalt... 89 Diskussion der Befragungsergebnisse... 89 Zu den einzelnen Bereichen... 90 Kapitel 5 Folgerungen für die pädagogischen Mitarbeiter(innen)... 95 Woran kann sich Heimerziehung orientieren?... 97 Beispiele aus der Praxis... 97 Folgerungen... 103 Rollenveränderungen und Identifikation der Heimerzieher(innen)... 103 Rollenveränderungen und Qualitätsanforderungen... 107

Inhalt Kapitel 6 Folgerungen für pädagogische Beziehungsaspekte... 111 Zwischen Selbstverwirklichung und Orientierungslosigkeit... 113 Pädagogische Aspekte und Konzepte der Heimaufnahme... 114 Die Heimaufnahme aus der Sicht der Mitarbeiter(innen)... 116 Die Heimaufnahme aus der Sicht der Gruppe... 117 Pädagogische Methoden der Heimaufnahme... 119 Die Gefahr der Festschreibung von Negativsymptomen... 122 Das pädagogische Prinzip des Neubeginns... 124 Aufnahmerituale... 129 Das Recht auf Schwierigkeiten... 131 Strafen in der Heimerziehung... 135 Reaktionen auf unerwünschtes Verhalten in der stationären Erziehungshilfe... 136 Untersuchungsdesign... 136 Resümee... 148 Räumliche Merkmale in ihrer Auswirkung auf pädagogische Prozesse... 149 Die Frage der Angemessenheit... 149 Räumliche Rahmenbedingungen und Ausstattungsmerkmale. 152 Milieutherapeutische Heimerziehung... 154 Folgerungen für die Heimerziehung... 157 Resümee... 159 Kapitel 7 Ausbildungsprobleme und Grundhaltungen der Heimerzieher(innen)... 161 Professionelles Handeln in der stationären Erziehungshilfe... 163 Untersuchungsdesign... 164 Bedeutung und Defizite der Ausbildung... 165 Resümee... 174 Heimerzieher(innen) brauchen pädagogische Grundhaltungen.. 175 Pädagogische Grundvoraussetzungen... 175 Nicht das Symptom, sondern die Person steht im Mittelpunkt. 179 Übertragung auf den Heimbereich... 185

Inhalt Kapitel 8 Methodisches Vorgehen in der Heimerziehung... 187 Ausgangslage... 189 Methoden in der Heimerziehung... 190 Welche Methoden werden in der Heimerziehung praktiziert? Ergebnisse einer Umfrage... 191 Zur Methodik der Studie... 191 Ergebnisse der Studie... 192 Resümee... 195 Die Umsetzung methodischer Vorgehensweisen... 197 Zuständigkeiten abstimmen... 199 Erziehungsziele und -aufgaben transparent machen... 201 Den Alltag analysieren das Chaos ordnen... 204 Individuelle Pädagogik und Alltag miteinander verbinden... 207 Die Gruppe einbeziehen... 208 Konsequenz in der pädagogischen Realisierung... 209 Bewusste Kontrollen einplanen... 210 Gewalt und Aggressionen in der stationären Erziehungshilfe, Interventionsmöglichkeiten... 212 Methodische Interventionen bei Gewalt und Aggressionen... 215 Die Notwendigkeit vonteamarbeit... 219 Praxisbeispiele... 219 Begründung der Teamarbeit... 220 Die verschiedenen Aspekte der Teamarbeit... 224 Kooperation zwischen Heim und Schule... 225 Kapitel 9 Eltern und Familienarbeit in der Heimerziehung... 229 Zur Situation... 231 Begründung der Elternarbeit... 232 Rechtliche Grundlagen der Elternarbeit... 232 Ressourcenorientierung... 234 Der pragmatische Ansatz... 234 Der systemische und familientherapeutische Ansatz... 235 Der psychoanalytische Ansatz... 236 Die unterschiedlichen Zielsetzungen der Elternarbeit... 241

Inhalt Elternarbeit in der Form vonkontaktpflege... 241 Grundsätzliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Elternarbeit... 242 Einstellungen und Haltungen der Erzieher(innen) zur Elternarbeit... 245 Folgerungen... 251 Elternarbeit ohne Eltern... 252 Elternarbeit als Trauerarbeit... 256 Elternarbeit zur Unterstützung des Ablösevorgangs... 262 Werleistet Elternarbeit?... 264 Professionelle Grundstandards in der Eltern- und Familienarbeit... 267 Kontinuierlich hilfreiche Gespräche realisieren... 268 Elterngruppenarbeit... 270 Elternarbeit als Familientherapie?... 272 Familientherapeutische Arbeit vomheim aus... 274 Stationäre Familienarbeit im Heim... 277 Resümee... 281 Kapitel 10 Sexualität in Heimen und Wohngruppen... 283 Grundannahmen und Praxisbeispiele... 285 Ausgangsüberlegungen... 285 Zum Begriff der sexuellen Sozialisation... 287 Ausgangslage der Sexualerziehung im Heim... 289 Zum Begriff der Sexualität... 292 Beispiele aus der Praxis der Heimerziehung... 292 Inhaltsbereiche und Anforderungen einer Sexualerziehung in Heimen und Wohngruppen... 296 Voraussetzungen der sexuellen Sozialisation... 298 Einstellungen und Haltungen der Erzieher(innen) innerhalb der Sexualerziehung... 298 Möglichkeiten der Selbsterfahrung und Selbstreflexion... 301 Sexuelle Sozialisation unter dem Aspekt der Wohnbedingungen... 302 Sexuelle Sozialisation als integrierter Bestandteil der Erziehung... 314

Inhalt Sexuelle Erziehung unter Berücksichtigung der besonderen Ausgangslage... 314 Erzieherisches Vorbildverhalten... 316 Enttabuisierung der Sexualität... 321 Koordination partieller Erziehungseinflüsse... 323 Einbezug der Eltern und Familien... 324 Stellenwert der Sexualerziehung... 326 Spezielle Fragestellungen der Sexualerziehung... 328 Koedukative Erziehung, Mädchen- oder Jungenpädagogik... 328 Homosexualität... 332 Wann dürfen Jugendliche sexuelle Beziehungen aufnehmen?. 334 Sexismus und Pornografie... 336 Die pädagogische Situation sexuell missbrauchter Mädchen und Jungen in den Institutionen der Jugendhilfe... 339 Ausgangssituation... 339 Ursachen und Auswirkungen sexueller Gewalt... 340 Anforderungsbereiche der Heim- und Wohngruppenerziehung bei sexuell missbrauchten Kindern und Jugendlichen... 342 Kapitel 11 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung... 353 Exkurs: Geschlossene Heimerziehung... 355 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung... 365 Adressat(innen) der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung... 366 Methoden und Organisation der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung... 367 Ein intensivpädagogisches Projekt als Alternative zur geschlossenen Heimerziehung... 368 Pädagogische Methoden innerhalb des intensivpädagogischen Projekts... 369 Resümee... 372 Erlebnispädagogik und Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung... 373 Alternative pädagogische Konzepte und Praxiserfahrungen.. 374 Sozialpädagogische/therapeutische Segelfahrten... 377 Zur Kritik an der Erlebnispädagogik... 380

Inhalt Literatur... 389 Sachwortregister... 413 Der Autor... 419 Zusatzmaterialien online auf www.lambertus.de Übungsfragen zur Sicherung des Lernerfolgs für Lernfelder der Fachschule für Sozialpädagogik Kontaktmöglichkeit mit dem Autor

Einleitung Was ist eigentlich Heimerziehung und wie wird dieses Teilgebiet der Sozialen Arbeit bewertet? In der Öffentlichkeit herrscht gegenwärtig noch immer nicht selten das alte Bild der Heimerziehung vor: die Vorstellung von totalen Institutionen, unterdrückenden Rahmenbedingungen und sehr negativen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. In diesen negativen Blickpunkt geriet die Heimerziehung wieder verstärkt durch die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Berichte und Anklagen ehemaliger Heimkinder, die in den 1950er und 1960er Jahren die Einrichtungen, in denen sie aufwachsen mussten, eher als Orte des Schreckens, der Gewalt, des Terrors und der Traumatisierung erlebten und nicht als Orte der Beheimatung und Förderung. Zwischenzeitlich wurde der Runde Tisch zur Aufarbeitung der Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren etabliert und immer mehr Institutionen und Trägerverbände erkennen das frühere Unrecht sowie ihre heutige Verantwortung in der Nachfolge der damals Tätigen an. Gleichzeitig gehen der Veränderungs- und zunehmend auch ein Spezialisierungsprozess der heutigen stationären Erziehungshilfe kontinuierlich weiter. Heimerziehung muss sich heute vielfältigen Qualitätskriterien stellen. Hierzu gehört auch eine im Nachhinein erfolgende Beurteilung des Aufenthalts in einem Heim oder in einer sonstigen betreuten Wohnform durch den Betroffenen. Heimerziehung hat sich sehr stark differenziert, es wurden alternative Möglichkeiten innerhalb der Praxis entwickelt. Insofern ist unter stationärer Erziehungshilfe keinesfalls nur die Erziehung in einem Heim zu verstehen. Diese Differenzierung in ihrer Entwicklung und Praxis aufzuzeigen, ist ein Anliegen dieser Schrift. Dabei ist davonauszugehen, dass die Erziehung in Heimen und in sonstigen betreuten Wohnformen nicht ein notwendiges Übel darstellt, sondern für bestimmte Kinder und Jugendliche, jetzt und in absehbarer Zukunft, eine unabdingbare Lebensform zur Verbesserung sozialer Chancen innerhalb unseres Gesellschaftssystems bedeutet. Die Erziehung in Heimen und in sonstigen betreuten Wohnformen verlangt heute mehr denn je eine hohe Professionalität der Fachkräfte, welche diesem Anspruch innerhalb des sozialpädagogischen Arbeitsfeldes in der Regel auch entsprechen können. Die vielfältigen Veränderungen, Herausforderungen und Perspektiven dieses sozialpädagogischen Arbeitsfeldes, der Weg 13

Einleitung vomwaisenhaus über die Heimerziehung zu einer differenzierten stationären Erziehungshilfe, davon handelt dieses Buch. Die nun vorliegende vierte aktualisierte und ergänzte Neuauflage berücksichtigt neue Daten und Forschungsergebnisse sowie veränderte gesetzliche Grundlagen. Neu aufgenommen wurden beispielsweise die Ergebnisse von Praxisforschungen über das professionelle Handeln in der stationären Erziehungshilfe, die Bedeutung von Strafen, den pädagogischen Umgang mit Aggressionen innerhalb der Heimerziehung. Zunächst wird die Heimerziehung in ihrer historischen Dimension und Entwicklung betrachtet und es wird aufgezeigt, welche strukturellen Veränderungen und inhaltlichen Reformen in den letzten Jahren vollzogen worden sind. Hierbei werden auch Aspekte der Qualitätsdebatte und der Finanzierung mit berücksichtigt. Um das Aufgabengebiet der heutigen stationären Erziehungshilfe zu begreifen, müssen wir uns mit den Schwierigkeiten und Problemen von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen, die diese als Hilfeform benötigen. Es geht also darum zu klären, welche Indikationen die Maßnahme der stationären Erziehungshilfe legitimieren. Weiterhin werden methodische Aspekte und Konzepte der Heimerziehung angesprochen, vor allem, wenn es um Orientierungen der pädagogischen und zielgerichteten Vorgehensweise in der konkreten Alltagspraxis oder in speziellen therapeutischen Situationen geht. Methodische Vorstellungen kommen aber auch bei der Zusammenarbeit zwischen Heim und Schule, bei der Elternarbeit, bei der Sexualerziehung in Heimen und in Wohngruppen sowie bei der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung und insbesondere der Erlebnispädagogik zur Sprache. Außerdem nehmen die Problemlagen der jungen Menschen und die Anforderungen an die pädagogischen Mitarbeiter(innen) einen großen Stellenwert ein. Strukturelle und räumliche Rahmenbedingungen der Heimerziehung werden nicht nur exemplarisch behandelt; die architektonischen Bedingungen und Ausgestaltungsmerkmale von Heimen und Wohngruppen stellen wesentliche Faktoren des pädagogischen Alltags dar. Struktur, Gestaltung und Pädagogik beeinflussen sich ständig wechselseitig. Relativ breiten Raum nimmt das Kapitel Sexualität in Heimen und Wohn- 14

Einleitung gruppen ein. An diesem so ungemein wichtigen Erziehungs-, Sozialisations- und Lebensbereich kann exemplarisch aufgezeigt werden, ob die institutionalisierte Erziehung elementare Sozialisationsprozesse eher behindert oder fördert. Da außerdem in Heimen und Wohngruppen häufig Kinder und Jugendliche leben, die in ihren Herkunftsfamilien sexuelle Gewalterfahrungen erleiden mussten, war der sich hieraus ableitende Aufgabenbereich für die Heimerziehung besonders ausführlich zu behandeln. Das Buch will zu wesentlichen Entwicklungen, Aspekten und Perspektiven der stationären Erziehungshilfe Stellung nehmen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigten, dass diese Schrift vor allem im Bereich der Ausbildung an den Fachschulen und Hochschulen sehr gut angenommen wurde. Sie wendet sich darüber hinaus sowohl an die Praktiker(innen), die in diesem Arbeitsfeld tätig sind oder sich darüber informieren wollen, als auch an solche Leser(innen), die mehr ein wissenschaftliches Interesse an der Methodik und Struktur eines sozialpädagogischen Handlungsfeldes zum Lesen motiviert. 15

Kapitel 3 Das differenzierte Leistungsangebot der stationären Erziehungshilfe

Heimerziehung hat sich verändert Die in den 1970er und 1980er Jahren initiierten und realisierten Reformen der Heimerziehung haben innerhalb des Praxisfeldes zu sehr erheblichen quantitativenund strukturierenden Veränderungen geführt und damit zu einer starken Differenzierung der institutionellen Rahmenbedingungen beigetragen. Größere Heime verloren infolge der Dezentralisierung mehr und mehr ihren Anstaltscharakter: Überversorgungssituationen wurden abgebaut, weil beispielsweise Großküche, Speisesäle und zentrale Wäschereien aufgelöst und deren Funktionen auf die Gruppen verlagert wurden. Alltägliche Verrichtungen waren damit den jungen Menschen nicht länger vorenthalten, sondern nun in pädagogische Prozesse integriert. Im Zuge der Reformen kam es auch zu Auslagerungen von Heimgruppen in andere Häuser und Stadtteile zur Gründung von Außenwohngruppen und selbstständigen Wohngemeinschaften, etwas später kamen Vorläufer des Betreuten Wohnens auf. Heute reicht das differenzierte und spezialisierte Feld der stationären Erziehungshilfe bis hin zu Erziehungsstellen einer besonderen Form der Heim -Unterbringung innerhalb einer professionellen Pflegefamilie. Außenwohngruppen und Wohngruppen Die ersten Außenwohngruppen entstanden zu Beginn der 1970er Jahre. Sie waren eine Antwort auf die Kritik an der Heimerziehung, die unselbstständige junge Menschen produziere (Kiehn 1990, S. 31ff.). Im Zuge der allgemeinen Dezentralisierung wurden Gruppen aus dem Heim in andere Gebäude, beispielsweise in Einfamilienhäuser oder in größere Etagenwohnungen, ausgelagert. Damit konnte erreicht werden, dass der negative Heimcharakter mit den entsprechenden Etikettierungen erheblich reduziert wurde oder auch ganz verschwand, denn Außenwohngruppen sind unauffällig in das normale Wohnumfeld integriert. Durchschnittlich fünf bis acht junge Menschen bilden eine solche Gruppe. Sie werden von pädagogischen Mitarbeiter(inne)n betreut, die ähnlich wie im Heim im Schichtdienst arbeiten, oder voneiner Erziehungsperson beziehungsweise einem Paar, welches innerhalb der Außenwohngruppe lebt und von zusätzlichen zugehenden Erzieher(inne)n. Ursprünglich waren Außenwohngruppen vor allem Jugendlichen vorbehalten, die 75

Kapitel 3: Das differenzierte Leistungsangebot der stationären Erziehungshilfe schon längere Zeit im Heim lebten und sich nun zunehmend verselbstständigen sollten. Demgemäß stellt die Selbstversorgung ein wichtiges Prinzip in Außenwohngruppen dar.imlaufe der Zeit wurden allerdings zunehmend Kinder in Außenwohngruppen aufgenommen, auch solche, die bislang nicht in einem Heim gelebt hatten. Es handelte sich dabei vorwiegend um Kinder,die voraussichtlich bis zu ihrer Selbstständigkeit auf öffentliche Erziehung angewiesen waren. Die Serviceleistungen eines Heimes können vonder Außenwohngruppe in Anspruch genommen werden, so beispielsweise die therapeutischen Dienstleistungen, aber auch Aushilfen in Urlaubs- oder in Krankheitsfällen. Die Verbindung zum Stammheim ist jedoch nicht nur positiv zu beurteilen, sie kann auch negativwahrgenommen werden, wenn etwaeine zu große Abhängigkeit entsteht und die hierarchische Struktur des Heimes sich auch auf die Außenwohngruppe niederschlägt. Demgegenüber sind Wohngruppen oder Wohngemeinschaften vollkommen selbstständige Institutionen der stationären Jugendhilfe, die in den vergangenen Jahren zunehmend entstanden sind. Um etwaige Nachteile zu kompensieren, weil beispielsweise keine Serviceleistungen einer großen Einrichtung in Anspruch genommen werden können, haben sich oftmals Wohngruppen zu einem Verbund zusammengeschlossen. Betreutes Wohnen Das Betreute Wohnen umfasst die früheren Jugendhilfeformen Sozialpädagogisch betreutes Wohnen und Mobile Betreuung. Das Betreute Wohnen kann als Betreuungsangebot für Jugendliche und junge Volljährige verwirklicht werden: (1) Für solche Jugendlichen und junge Volljährige, die bislang in einem Heim oder in einer Wohngruppe der Jugendhilfe lebten und dort bereits ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit unter Beweis stellen konnten. Diese jungen Menschen können sich nun in einer eigenen Wohnung, in der sie alleine oder mit anderen zusammenleben, weiter verselbstständigen. Sie werden bei diesem Prozess, vor allem in Fragen der Ausbildung und Lebensführung, durch sozialpädagogische Fachkräfte beraten und unterstützt. (2) Für solche Jugendlichen und junge Volljährige, die in der Heimerziehung nicht zurechtkommen, weil sie nicht in der Gruppengemeinschaft leben wollen oder können und weil sie diese Form der Unterbringung 76

Heimerziehung hat sich verändert total ablehnen. Für solche Menschen in zumeist sehr schwierigen Lebenssituationen bietet das Betreute Wohnen eine Alternative zur geschlossenen Unterbringung, welche pädagogisch fragwürdig und in der Regel ineffizient ist. Es stellt außerdem eine Alternative zur völligen pädagogischen Resignation und Hilflosigkeit dar, bei der man den jungen Menschen einfach der Straße und dem Schicksal überließe. Waren es zu Beginn einer stationären Erziehungshilfe im Jahr 1991 noch 437 junge Menschen, die in einer eigenen Wohnung betreut wurden (1,8 % aller begonnenen stationären Erziehungshilfen) stieg diese Zahl auf 1.623 im Jahr 2008 an (5,3 %aller begonnenen stationären Erziehungshilfen) (Statistisches Bundesamt 1997/2010b). Erziehungsstellen Erziehungsstellen erweitern den sozialen Kosmos der Erziehenden um ein Kind, das auch die Schnittstelle zu einer anderen Familie darstellt sie sind dessen soziale Familie (Sternberger 2002, S. 206). Erziehungsstellen nehmen einen Platz zwischen Heimerziehung und Pflegefamilie ein. In Erziehungsstellen können in der Regel ein bis zwei (bisweilen auch drei) Kinder oder Jugendliche aufgenommen werden. Es handelt sich dabei um solche, die spezielle pädagogische Bedürfnisse und Entwicklungsdefizite aufweisen, welchen im Rahmen der üblichen Heimerziehung nicht ausreichend differenziert begegnet werden kann. Andererseits oder zugleich können es auch Kinder oder Jugendliche sein, die so sehr Gruppenbedrängend und -erschwerend sind, dass sie zu einer großen Belastung für die Heimgruppe werden und dadurch in eine Außenseiter- und Negativposition geraten würden. Erziehungsstellen sind in unterschiedlichen Organisationsformen vorhanden. In einigen Erziehungsstellen sind für diese Arbeit langfristig freigestellte pädagogische Mitarbeiter(innen) eines Heimes tätig, deren Gehalt in Abhängigkeit von der Kinderzahl vom Heimträger weiterbezahlt wird. In anderen Erziehungsstellen wird beispielsweise auf der Grundlage von Kooperationsoder Honorarverträgen gearbeitet. Erziehungsstellen unterscheiden sich von der Pflegefamilie durch ihre geforderte spezifische Professionalität. Die jungen Menschen in Erziehungsstellen weisen in der Regel besonders gravierende Defizite, Entwicklungsrückstände, traumatische Erfahrungen und Verhaltensstörungen vor dem Hintergrund schwierigster Verhältnisse in ihren Herkunfts- 77

Kapitel 3: Das differenzierte Leistungsangebot der stationären Erziehungshilfe familien auf. Sie sind daher auf eine grundlegende psychische und soziale Stabilisierung angewiesen, die ihnen Erziehungsstellen langfristig bieten können (Moch/Hamberger 2003, S. 106). Mit den Erziehungsstellen wurde aber nicht nur die Vielfalt im Bereich der Pflegefamilie erheblich erweitert, sondern auch eine Brücke zur Heimerziehung geschlagen, die eine integrative Sicht aller Hilfen außerhalb der eigenen Familie unterstützt. Es entsteht ein Kontinuum der Hilfsangebote (Biermann 2001, S. 624). Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung 35Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) 78 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll Jugendlichen gewährt werden, die einer intensivenunterstützung zur sozialen Integration und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Die Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen Rechnung tragen. Heimerziehung ist schon seit längerer Zeit nicht mehr auf die traditionellen Institutionen Heim und Wohngruppe begrenzt, denn es zeigte sich immer wieder,dass bestimmte Jugendliche durch alle Raster fallen und innerhalb dieser Institutionen nicht gefördert werden können. Sie sind nicht in der Lage, Hilfe anzunehmen und erweisen sich oftmals als gruppenbedrängend und damit als nicht gruppenfähig. Es handelt sich um junge Menschen, die aufgrund ihrer Sozialisation und Biografie mit sich selbst und der personalen und sachlichen Umwelt nicht zurechtkommen, die wegen ihrer Verhaltensweisen immer wieder anecken, die oftmals gescheitert sind, keine Frustrationstoleranz entwickeln konnten und keine persönlichen Perspektiven besitzen. Es ist möglich, die Intensive sozialpädagogische Einzelfallhilfe im Rahmen der eigenen Wohnung eines jungen Menschen anzubieten, in besonderen Fällen auch innerhalb der eigenen Familie. Die individuelle sozialpädagogischevorgehensweise wird bei dieser schwierigen Aufgabenstellung vor allem durch sensibles Einfühlungsvermögen, Toleranz und gleichzeitiges Beharrungsvermögen geprägt sein. Gewissermaßen eine Vorläuferrolle der Intensiven sozialpädagogischen Einzelfallhilfe nimmt die Erlebnispädagogik, oder anders ausgedrückt die Reisepädagogik, für schwierigste Jugendliche ein. Seit Ende der

Heimerziehung hat sich verändert 1970er Jahre entwickelten sich unterschiedliche Projekte für junge Menschen in sehr schwierigen Lebenslagen, die sich auch als Alternative zur geschlossenen Heimerziehung verstanden. Längere Gebirgshüttenaufenthalte unter einfachsten Bedingungen, mehrmonatige Segelfahrten oder Saharadurchquerungen sind Schlaglichter der Erlebnispädagogik. Diese versucht durch intensive Naturerlebnisse, durch die Betonung der jugendlichen Aktivität, durch natürliche Grenzerfahrungen, durch gruppendynamische Prozesse und intensive Einzelgespräche zu helfen, vielleicht erstmals eine eigene Identität zu entwickeln, sich in der Welt trotz aller Zwänge und Pflichten besser zurechtzufinden und vor allem persönliche Perspektivenaufzubauen. Allerdings werden Auslandsmaßnahmen im Zuge der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung zukünftig nur unter bestimmten Bedingungen zu realisieren sein. In der Novellierung des KJHG vom 1.Oktober 2005 reagierte der Gesetzgeber auf die oft vorgebrachte Kritik gegenüber solchen Auslandsreisen und Auslandsaufenthalten. 27Absatz 2wurde ergänzt: Die Hilfe ist in der Regel im Inland zu erbringen, sie darf nur dann im Ausland erbracht werden, wenn dies nach Maßgabe der Hilfeplanung zur Erreichung des Hilfeziels im Einzelfall erforderlich ist. Insgesamt werden erlebnispädagogische Projekte im Ausland nur dann vereinbarungsfähig sein, wenn sie bestimmte qualitative Standards gewährleisten (vgl. Kap. XI: Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung). Waren es am 31.12.1991 erst 457 junge Menschen, welche die Erziehungshilfe Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung erhielten, stieg diese Zahl bis zum Ende des Jahres 2008 auf 3.487 (42 %Mädchen) an (Statistisches Bundesamt 1997/2010b). Flexible Erziehungshilfen Bei Kindern, Jugendlichen sowie deren Angehörigen, welche Erziehungshilfen in Anspruch nehmen, ist nicht nur das familiäre System zu berücksichtigen, sondern ebenso das System der praktizierten Erziehungshilfe beziehungsweise die Systeme mehrerer Erziehungshilfen, wenn diese gleichzeitig oder aufeinanderfolgend gewährt werden. Alle mit einem bestimmten Kind befassten helfenden Systeme müssen miteinander kooperieren, sie sind im Idealfall als Netzwerk zu verstehen. Diese Kooperation erscheint nicht nur wesentlich, um Absprachen tätigen zu können und um Gegensätzliches zu vermeiden, sondern auch, weil die 79

Kapitel 3: Das differenzierte Leistungsangebot der stationären Erziehungshilfe Mitglieder aller beteiligten Systeme ihre jeweiligen Interaktionen und Reaktionen im konkreten Zusammenhang mit dem Hilfeprozess verstehen müssen. Das KJHG sieht bei der Gewährung erzieherischer Hilfen, die voraussichtlich über einen längeren Zeitraum andauern werden, auch aus dieser Begründung heraus, Erziehungskonferenzen vor. Alle Systeme wollen verändernd auf das Kind und dessen Lebensumfeld einwirken. Wenn sie dies in isolierter Vorgehensweise praktizieren, dann sind weitere Schwierigkeiten und pädagogische Misserfolge zu erwarten. Eine Kooperation zwischen Familie undunterschiedlichen Hilfen zur Erziehung setzt nicht nur Absprachen und gemeinsame Zielfindungsprozesse voraus, sondern ebenso das Verständnis, dass die verschiedenen Systeme gemeinsam ein großes Sozialisationsfeld bilden, in welchem die individuellen Handlungen und Reaktionen sich ständig wechselseitig beeinflussen. Diesem ständigen Beeinflussungsprozess sind das verhaltensgestörte und/oder benachteiligte Kind und seine Familie ausgesetzt. Eine lebensweltorientierte Kooperation mit systemischer Sichtweise kann dazu beitragen, dass dieser Prozess wirklich hilfreichen Charakter annimmt. Negative Effekte könnten eintreten, wenn verschiedene Formen voneinander relativ isoliert vorgehender Erziehungshilfen sich als notwendig erweisen. Andere Organisationsformen könnten negative Auswirkungen wie zum Beispiel Informationsmängel, mangelnde Transparenz und Absprachen, gegensätzliche Interventionen und Abbrüche entweder verringern oder in ihrer Entstehung möglicherweise auch ganz verhindern. Es bietet sich daher an, verschiedene erzieherische Hilfeformen von einer Institution aus zu praktizieren, sodass Betroffene kontinuierlich durch ein kleines Team von Fachkräften betreut werden. Mit einem notwendigen Wechsel der Erziehungshilfe wären dann kein Wechsel der Institution und keine Abbrüche mehr verbunden. Ziel ist es, Spezialisierungen und Separierungen einzelner Hilfeformen aufzubrechen und diese wieder zusammenzuführen (Frankfurter Kommentar 2009, S. 269). Die Überlegung, verschiedene Maßnahmen der Erziehungshilfe durch eine Institution durchzuführen, ist nicht neu. So veränderten beispielsweise zu Beginn der 1970er Jahre einige Institutionen der Heimerziehung ihr bislang vorherrschendes Verständnis für Jugendhilfeaufgaben. Der alleinige Schwerpunkt im stationären Erziehungsbereich wurde erweitert, es entstanden die ersten teilstationären Gruppen, die Tagesgruppen. Motive für diese Öffnung waren die allgemeine Kritik an der Heimerziehung, zu- 80

Heimerziehung hat sich verändert rückgehende Nachfragen nach Heimunterbringungen und damit verbunden leer stehende Gruppen und Erziehungspersonal, welches weiter beschäftigt werden wollte und musste. Motivation war aber auch, stationäre Heimerziehung vermeiden zu helfen, indem durch gezielte sozialpädagogische Förderungen im Tagesgruppenangebot sowohl individuell beim Kind angesetzt wurde als auch zugleich die Eigenkräfte und Ressourcen der Familie wiederhergestellt beziehungsweise gestärkt werden sollten. Gleichzeitig wurden auch fließende Übergänge von der teilstationären zur stationären Erziehung beziehungsweise von der Heimgruppe in eine Tagesgruppe möglich und praktiziert. Hilfen zur Erziehung konnten zumindest bei Inanspruchnahme dieser speziellen Formen im Einzelfall flexibler erfolgen. Auch in den letzten Jahren öffnen sich Träger und Institutionen der Heimerziehung wieder für neue Aufgabengebiete. Unter dem Kostendruck der öffentlichen Haushalte und zurückgehender Belegungszahlen ist diese Öffnung auch unter dem Gesichtspunkt einer Überlebensstrategie zu verstehen. So bieten beispielsweise Heime Dienste in ambulanter Erziehungsberatung an. Es werden in einem bestimmten Stadtteil Kurse der Sozialen Gruppenarbeit praktiziert, die Mitarbeiterin einer Tagesgruppe übernimmt für eine vorübergehende Zeit die Aufgaben der Sozialpädagogischen Familienhilfe für ein Kind aus ihrer Gruppe und für dessen Familie.Ein Erzieher einer Wohngruppe wird zeitweise freigestellt, weil er für zwei Jugendliche ambulante Aufgaben der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung wahrnimmt. Von verschiedenen Heimen werden die zuvor beschriebenen Konzepte Familien unterstützender oder -aktivierender Interventionen realisiert. Mit dieser Aufgabenerweiterung wird auch vombegriff Heim Abstand genommen, wenn sich eine solche Institution nun beispielsweise Erziehungshilfezentrum nennt. Die im Kinder- und Jugendhilfegesetz in den 28 bis 35 aufgeführten Hilfearten haben keinen ausschließenden Charakter.Es können auch andere Erziehungshilfen als Leistungsangebot realisiert werden und es ist abzuleiten, dass Übergangsformen und Mischformen möglich sind. Mit der jeweiligen Art der Erziehungshilfe ist auch nicht notwendigerweise die Zuordnung zu einer ganz bestimmten Institution verbunden, von der nur alleine diese Hilfe ausgeübt werden könnte. Bei den vorgenannten Beispielen der Öffnung und Erweiterung der Heimerziehung auch für ambulante Erziehungshilfen, die bislang weder traditionell noch originär zu den Aufgaben dieses sozialpädagogischen Arbeitsfeldes zählten, liegt insofern ein flexibler Umgang mit Erziehungshilfen vor. 81

Kapitel 3: Das differenzierte Leistungsangebot der stationären Erziehungshilfe Flexible Erziehungshilfen zielen darauf ab durch eine Flexibilisierung der Hilfen und ihrer Organisationsstruktur, Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen zu vermeiden, Integration zu gewährleisten und die lebensweltorientierten Ressourcen als Ausgangspunkt der Hilfen zu sehen (Hamberger/Köngeter/Zeller 2008, S. 347). 82

Sachwortverzeichnis

Sachwortverzeichnis Ablösungsprozess/-vorgang Adoption Adoptivkinder Adoptiveltern Aggressionen AIDS Anfangsphase Anti-Aggressions-Training Armutsrisiko Aufenthaltsdauer Auffälligkeiten Aufnahmerituale Ausbildungsprobleme Auslandsaufenthalte Ausstattung Außenwohngruppen Ausverwahrlosen lassen Badezimmer Behinderung Beratung Berufsbild der Heimerzieher(innen) Betreutes Wohnen Betroffenenbeteiligung Bettnässer Beziehungsarbeit Bindung Bindungsstörung Coolnesstraining Defizite der Ausbildung Diagnose Ehemalige Heimkinder Elterliche Sorge Eltern- und Familienarbeit/ -aktivierung Entgeltvereinbarung Entspannungstechniken Erlebnispädagogik Erziehungsaufgabe Erziehungsmittel Erziehungsplanung Erziehungsstellen Erziehungsziele Evaluation Explosionsmethode Fachleistungsstunde Familienaktivierung Familiengericht Familiengericht Familienprinzip Familientherapie Fantasie Finanzierung Flexible Erziehungshilfen Fürsorge(-erziehung) Gefährdung des Kindeswohls! Kindeswohlgefährdung Geschichte der Heimerziehung Geschlossene Heimerziehung Geschlossene Unterbringung Gewalt Gruppengröße Gruppenpädagogik Heilpädagogik Heimaufnahme Heimwechsel Herkunftsfamilie Hilfeplangespräch Hilfeplanung Homosexualität 415

Sachwortverzeichnis Identifikation Indikation für Heimerziehung Individualpädagogik Individuelle Pädagogik! Individualpädagogik Institutionelle Therapie Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung Intensivpädagogik Intervention Junge Erwachsene Jungenpädagogik Kindeswohlgefährdung Koedukative Erziehung Kooperation Heim und Schule Kosten-Finanzierung Körperstrafen Lebensweltorientierung Leistungsdruck Leistungsvereinbarung Leitbild Management Mädchenpädagogik Methoden/Methodisches Handeln Milieutherapie Milieutherapie Missbrauch Misshandlung Naturerlebnisse Negative Festschreibung Negativsymptome Neue Steuerung Pädagogische Grundhaltungen Partizipation Persönlichkeitsrechte Pflegefamilie Pflegekinder Pflegesatz Pornografie Prinzip d. Neubeginns Probewohnen Projektion Psychiatrie Psychoanalyse Qualität Rationalisierung Rauhes Haus Räumliche Merkmale Reaktionsbildung Realitätsprinzip Regeln Reiseprojekte Reittherapie Ressourcen Rettungshausbewegung Rollenspiele Rollenverständnis Runder Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren Schutzauftrag Schwarze Pädagogik Seelisch Behinderte Segelfahrten Selbstbestimmung Selbsterfahrung Selbstreflexion Sexismus Sexualerziehung Sexualpädagogik Sexuelle Gewalt 416

Sachwortverzeichnis Sexuelle Sozialisation Sexueller Missbrauch Skandalisierung der Heimerziehung Spieltherapie Sorgerechtsentzug SOS-Kinderdorf Sozialdatenschutz Sportpädagogik Strafen Supervision Systemischer Ansatz Tagesablauf Tagesgruppe Taschengeld Taschengeldentzug Teamarbeit Teilstationär Toiletten Token-System Träger Trauerarbeit Trauma Verdrängung Verhaltensstörung Verhaltenstherapie Verhaltensveränderungen Vorbildverhalten Vorurteile Wohngruppen Zärtlichkeit 417

Der Autor Prof. Dr.Richard Günder lehrt Erziehungswissenschaft an der Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften und ist Dekan des Fachbereichs. Er war früher Leiter der Sozialpädagogischen Heime beim Jugendamt der Stadt Stuttgart. 419