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Transkript:

2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Wer glaubt ihr, dass ihr seid? Oder Von der Bildungsferne an die Uni Ingrid Strobl im Gespräch mit Julia König und Andreas Kemper Redaktion: Sendung: Nadja Odeh Donnerstag, 12..13 um 10.05 Uhr in SWR2 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte der Sendungen SWR2 Tandem auf CD können wir Ihnen zum größten Teil anbieten. Bitte wenden Sie sich an den SWR Mitschnittdienst. Die CDs kosten derzeit 12,50 Euro pro Stück. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030. Einfacher und kostenlos können Sie die Sendungen im Internet nachhören und als Podcast abonnieren: SWR2 Tandem können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 1

TRANSKRIPT: Ingrid Strobl: Julia König ist Studentin noch im Masterstudiengang in Köln an der Universität. Sie kommen aus dem Ruhrgebiet, aus Bochum, ihre Eltern sind, die Mutter Verkäuferin, der Vater Schlosser. Andreas Kemper ist 20 Jahre älter als Julia König, Eltern sind auch Arbeiter, in der Textilindustrie. Sie spielen jetzt aber auch noch eine besondere Rolle, denn Sie haben in Münster an der Universität ein Asta- Referat gegründet, das immer noch einmalig ist in der gesamten Bundesrepublik, nämlich Fikus. Das ist die Abkürzung für Referat für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende. Können sie uns kurz sagen, warum Sie das getan haben, und was das soll? Andreas Kemper: Ja. Ich hab ja mein Studium abgebrochen, als ich kein Bafög mehr bekommen hab. Hab dann gejobbt ne ganze Zeit lang und hab dann nach Jahren erst wieder mein Studium aufgenommen. Hatte mich in der Zeit aber auch mit der Benachteiligung von Arbeiterkindern beschäftigt. Und hab dann festgestellt, an der Uni Münster im Asta gibt es halt viele Referate, die für benachteiligte Gruppen da sind. Also für Frauen, für Schwule, für Lesben, für Menschen mit Behinderung. Nur es gibt nirgendwo ein Referat für Arbeiterkinder. Und dann hab ich gedacht, ja, dann geh ich in den Asta und richte das ein. Und hatte zunächst alle gegen mich. Auch alle linken Listen, alle rechten Liste, alle waren dagegen. Meinten, das funktioniert nicht, und das wär antiquiert, wir leben hier nicht in einer Klassengesellschaft. Ingrid Strobl: So antiquiert ist das ja nun leider gar nicht. Denn die neueste Studie zum Beispiel des Deutschen Studentenwerks hat ergeben, dass 77 Prozent der Kinder, die ein Studium ergreifen, aus Akademikerfamilien kommen, 77 Prozent, und 23 Prozent kommen aus nicht-akademikerfamilien, was jetzt alles umfasst, von Facharbeiter über den Meister im Handwerksbetrieb bis zu, was denn wirklich auch kaum vorkommt, zum Beispiel die Kinder von Hilfsarbeitern. Soll denn Fikus so etwas sein wie eine Lobby? Andreas Kemper: Ja genau. Das ist ne politische Selbstorganisierung, die halt dafür sorgen soll, dass die Betroffenen auch selber sagen, wo die Diskriminierungen stattfinden, was genau die sind. Um dann halt dafür zu kämpfen, dass das entsprechend dem Grundgesetz geändert wird. Im Grundgesetz seht ja drin, niemand darf auf Grund seiner Herkunft benachteiligt werden. Ingrid Strobl: Die Studien, die ich mir hier angeschaut habe, vom Deutschen Studentenwerk über die Bertelsmannstiftung bis zur Hans-Böckler-Stiftung sind sich alle einig, dass in Deutschland die Kluft zwischen den Schichten am größten ist, was die Bildung betrifft. Es fängt schon an der Grundschule an, dass Kinder aus Arbeiterfamilien benachteiligt werden, zum Beispiel keine Empfehlung für das Gymnasium bekommen, und das geht dann immer weiter. Das sind jetzt die strukturellen Gründe. Was sind denn aber die ganz persönlichen Hindernisse? 2

Julia König, vielleicht können Sie mal erzählen, wie man sich fühlt, wenn man aus der Bochumer Arbeiterfamilie an der Kölner Uni landet. Julia König: Also ich muss kurz sagen, ich hatte ja zuvor schon den Bachelor gemacht. Allerdings an der FH. Und ich war da auch zufrieden und fühlte mich da auch ganz normal und angenommen. Und als ich dann den Bachelor hatte, ging ich an die Uni Köln. Und dachte mir, dass das so weiter geht, und hatte mich auch drauf gefreut. Und, ja, wenn ich mich dann an die erste Woche meines Studiums erinnere, dann hatte ich das Gefühl, ich bin wieder wie früher auf dem Gymnasium, weil auf einmal alles wieder so anders war. Die Leute sprachen anders, benahmen sich anders, alles war irgendwie elitärer als an der FH. Ingrid Strobl: Was ist denn so anders? Julia König: Ja, dieser ganze Habitus, also die Art wie man sich verhält, das ist komplett anders, als ich das jetzt von Zuhause kenne oder von meinem normalen Umfeld. Man muss sich halt in einer gewissen Rolle verhalten. Ingrid Strobl: Wie war das denn früher, als Sie angefangen haben zu studieren, Andreas Kemper? Andreas Kemper: Ja, ich denke, das war sehr viel lockerer. Man hatte viel mehr Zeit zum Studieren, also es hat niemand gesagt, Sie müssen jetzt innerhalb von ein paar Jahren fertig werden. Man musste schon zusehen, dass man Geld hat. Ohne Geld kann man nicht studieren. Aber grade diese Trennung zwischen Bachelor und Master, das ist halt auch wieder ein neuer, man spricht ja von Bildungshürden. Oder von Bildungsschwellen. Und mit dem mit Bachelor und Master gibt s jetzt ne neue Bildungsschwelle. Wo wieder Arbeiterkinder raus sortiert werden. Und dann sind halt Akademikerkinder noch mehr unter sich, und dadurch wird das nochmal homogener, einheitlicher. Ingrid Strobl: Studien besagen, dass im Vergleich zu vor 20 Jahren heute wesentlich weniger Arbeiterkinder studieren. Ein Grund dafür ist ja sicher das Geld. Julia König, was haben Sie denn als Bafög bekommen? Julia König: Der Höchst-Bafögsatz ist oder war zumindest als ich während des Bachelorstudiums Bafög bekam, 670 Euro monatlich. Und das wird so berechnet, dass geschaut wird, wie viel einem die Eltern noch dazu geben können. Und ich bekam 350 Euro vom Bafögamt. Und den Rest hätte mein Vater mir geben müssen. Was er nicht konnte, weil natürlich das Bafögamt nicht alle Gründe und Ursachen berücksichtigt, warum jemand etwas bezahlen kann oder auch nicht, und es das ging einfach nicht. Ingrid Strobl: Das heißt, sie mussten de facto mit 350 Euro hinkommen. Kann man davon sich in Köln ein Zimmer mieten oder eine Wohnung? 3

Julia König: Also, man kriegt mit Sicherheit vielleicht ein zehn-quadratmeter- Zimmer irgendwo. Dann muss man aber noch die Nebenkosten zahlen, man muss natürlich essen. Und ein Studium kostet ja auch Geld, man muss Bücher kaufen, und man kann ja auch nicht wie ein Eremit zuhause sitzen. Man hat ja auch noch ein Sozialleben, man möchte vielleicht mal ins Kino oder irgendwas machen. Also da braucht man schon mehr Geld (lacht). Ingrid Strobl: Auch wiederum Studien haben ergeben, dass zwei Drittel von Studierenden, die aus Akademikerfamilien kommen, sich ganz und gar auf das Geld ihrer Eltern verlassen können, also davon leben können, von den Eltern finanziert werden. Und dass umgekehrt zwei Drittel aller anderen das nicht können, sondern nebenbei arbeiten müssen. Andreas Kemper, ist das auch Ihre Erfahrung? Andreas Kemper: Ja, klar. Es arbeiten auch Akademikerkinder neben dem Studium. Aber die arbeiten halt in ihrem Feld, wo sie auch studieren. Und sie arbeiten halt für den Urlaub. Und bei Arbeiterkindern ist es eher so, die müssen sehr viel häufiger arbeiten neben dem Studium. Und dann halt eher in der Kneipe. Und auch nicht für den Urlaub, sondern um Miete bezahlen zu können. Und zu der Miete nochmal: Arbeiterkinder haben es auch nochmal schwerer, überhaupt ne Wohnung zu finden. Zum einen, weil sie nicht so viele Bekannte haben, und Wohnungen einem oft zugeschustert werden über Bekannte. Und zum zweiten gibt es so was inzwischen wie Elternbürgschaften. Und Elternbürgschaft heißt, man wird gefragt, wenn man ne Wohnung haben will, was denn die Eltern machen. Ich hab das selber miterlebt, als ich ein Appartement haben wollte. Ich musste dann mich auf nem Zettel einschreiben und daneben schreiben, was meine Eltern machen. Beruflich. Und da stand dann: Anwalt, Doktor, und so weiter. Und ich dann halt: Rentnerin, ehemalige Textilarbeiterin, ne... Ingrid Strobl: Ich bin als Arbeiterkind an die Uni gekommen vor vielen Jahren. Und es war damals leichter, weil damals waren noch die Ausläufer der Studentenbewegung, und wenn man aus nem Arbeiterhaushalt kam, war man sozusagen in. Das war natürlich damals grade schick. Und trotzdem habe ich gemerkt, dass es ganz bestimmte Sachen gibt, die ich nicht kannte und nicht mitmachen konnte. Das fing damit an, dass nach irgendwelchen Versammlungen die anderen dann immer Pizza essen gegangen sind, was ich nicht konnte, weil ich das Geld nicht hatte. Das war aber auch eine bestimmte Art aufzutreten, in den Seminaren zum Beispiel sich einfach zu melden, zu sprechen, mit einem Selbstverständnis, das ich so nicht hatte. Das gibt es offenbar, habe ich auch einer Studie entnommen, heute auch noch. Können Sie beide denn etwas dazu sagen, wie sich das genau anfühlt, heute? Julia König: Mir fiel das zu Anfang richtig schwer, wenn ich etwas sagen sollte, weil ich die Gedanken im Kopf hatte, und wusste, was ich sagen will. Und ich wusste auch, worauf ich hinaus will. Aber ich hatte Angst davor, das zu sagen, weil ich dachte, ich benutze die falschen Worte. Also, ich hatte mehr davor Angst, wie ich 4

etwas sage, als dass ich was falsches sage. Das hat sich jetzt gebessert, dadurch, dass ich auch die Leute des ASTA und den Andreas Kemper kennengelernt habe und gemerkt habe, es gibt andere Leute wie mich. Das hat mir Selbstbewusstsein gegeben. Aber die ersten paar Semester war das ganz schlimm Ingrid Strobl: Andreas Kemper, haben Sie auch aus dieser Erfahrung heraus Fikus gegründet? Das ASTA-Referat für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende hat natürlich einen politischen Anspruch, auf den kommen wir auch noch, aber haben Sie s auch aus so ner Erfahrung heraus gemacht? Andreas Kemper: Ja, natürlich. Ich bin ne Leseratte. Ich hab immer ganz viel gelesen zuhause. Und hab dann aber gemerkt an der Uni, als ich das erste Referat gehalten hab, ich habe so leise geredet, dass mich bloß keiner versteht (lacht). Oder als ich das erste Mal bei nem Prof zuhause war, ich hab sofort alles umgeworfen, weil ich mich einfach so linkisch gefühlt hab. Der Körper spielt nicht mit. Man hat das Gefühl, der Körper, der merkt, man ist da am falschen Platz. Und selbst, wenn man weiß, man weiß alles, das ist ja gar nicht das Selbstbewusstsein, man ist blöd, sondern die Stimme versagt plötzlich, oder man fängt an zu stottern. Es gibt da den Begriff der zweiten Sozialisation, Steffani Engler hat den geprägt, Arbeiterkinder, die brauchen einfach mehr Zeit, um sich da zu akklimatisieren, weil s eben nicht ihr Umfeld ist. Ingrid Strobl: Und wie ist das jetzt umgekehrt in der Umgebung, aus der Sie eigentlich kommen, wo Sie sich eigentlich zuhause fühlen? Also ich habe erlebt dann auch ne Entfremdung dazu. Meine Eltern hatten Angst, ich werde jetzt arrogant, weil ich auf die Uni gehe, meine ehemaligen Freundinnen und Freunde im Viertel haben mich quasi nicht mehr angeguckt, ich war für die ein Fremdling geworden. Obwohl ich mich nicht als Fremdling empfunden hab, aber sie haben mich quasi ausgegrenzt, ich habe sozusagen zu den anderen gehört. Und in der Verwandtschaft war es auch so was wie "warum muss die das? Warum tut die das?" Es war was ganz komisches, unpassendes. Haben Sie das all diese Jahre später auch so erlebt, Julia König? Wie ist das denn, wenn Sie bei Ihren Eltern sind, und über Ihr Studium erzählen? Julia König: Das geht nicht. Also wir reden da nicht drüber. Jeder weiß, was ich ungefähr mache. Dass ich Sprachen kann, so wird das gesagt. Aber was ich da mache, darüber wird nicht gesprochen. Ich denk mir, das macht denen irgendwie Angst. Weil die auch denken, dass ich vielleicht mehr weiß. Oder manchmal denken sie auch, ich bin jetzt arroganter oder so, das, was Sie grade gesagt haben, Frau Strobl. Und das gleiche ist, wenn ich dann Freunde von früher treffe, oder noch irgendwelche Leute kenne, die nicht studiert haben, dann muss ich mich halt ständig irgendwie verstellen. Ich hab irgendwie ständig das Gefühl, ich muss mich überall irgendwie anpassen. 5

Andreas Kemper: Ja. Ingrid Strobl: Andreas Kemper? Andreas Kemper: Ja, ja, ich hab eigentlich auch nie übers Studium reden können zuhause. Nicht, weil meine Eltern das nicht wollten, einfach, weil die konnten da nichts mit anfangen. Oder ich publiziere ja auch, ich hab jetzt mehrere Bücher geschrieben, und meine Mutter kauft immer ganz stolz die Bücher, guckt immer rein und denkt, okay, versteh ich nicht. Also, es ist ein Wohlwollen da, aber sie hat halt grade mal n Hauptschulabschluss, und, ja, geht halt nicht. Ingrid Strobl: Und dieses Gefühl, sich in jeweils zwei fremden oder entfremdeten Welten zu bewegen, kennen Sie auch? Andreas Kemper: Ja, ja, klar. Man ist nirgendwo zuhause zwischen den beiden Welten. Im Englischen gibt es ja den Begriff straddler, das heißt, straddle, spreizen. Man ist halt mit dem einen Bein in der einen Kultur, mit dem andern Bein in der anderen Kultur. Das kann einen auch zerreißen, wenn man in beiden nicht zuhause ist. Ingrid Strobl: Jetzt sind Sie, Julia König, vor zwei Jahren auf eine Konferenz gegangen, die Fikus organisiert hat, die Andreas Kemper organisiert hat, auf der waren Leute aus Deutschland und Leute aus den USA, die in diesem Bereich engagiert sind. Und Sie sind dann zurück nach Köln gefahren und waren, ich sag s jetzt ein bisschen pathetisch, ein anderer Mensch? (Lachen) Was genau ist da passiert und was hat sich geändert, und wie sind Sie heute anders deswegen? Julia König: Irgendetwas ist mit mir passiert, also, das war, als wenn so eine Blockade sich gelöst hätte. Ich kannte andere wissenschaftliche Konferenzen, wo wirklich alles sehr strikt und sehr streng und sehr akademisch verlief. Und das war ne nette Runde, alle Leute waren sehr nett, und jeder konnte, wenn er irgendwas nicht wusste, nachfragen, alles wurde erklärt, so was wär undenkbar auf anderen wissenschaftlichen Konferenzen, dass man nach irgendeinem Begriff fragt. Ich hab mich einfach irgendwie so, ich möchte jetzt auch nicht pathetisch werden, ja, angenommen gefühlt. Ich hab gemerkt, was mein Problem war. Mir war vorher irgendwie klar, ich hab ein Problem, aber ich konnte es nicht genau definieren. Und dann wusste ich, dass andere auch so Probleme haben, dass ich nicht alleine bin. Ingrid Strobl: Und Sie verhalten sich jetzt anders? Julia König: Ich würd schon sagen, dass sich in den letzten zwei Jahren sehr viel verändert hat. Ich bin viel, ich war jetzt nie die schüchternste Person, aber mir ist es mittlerweile egal, wie ich etwas sage. Wenn ich zum Beispiel denke, das ist jetzt inhaltlich wertvoll, ich muss es jetzt sagen, dann denk ich nicht drüber nach, welches Wort ich benutze. Ich achte auf so etwas überhaupt nicht mehr. 6

Ingrid Strobl: Studien sagen ja auch, dass Arbeiterkinder sehr viel seltener ein Promotionsstudium aufnehmen als Kinder, also Studierende aus Akademikerfamilien. Und, dass das auch daran liegt, dass sie von den Professoren weniger gefördert werden. Wie sind denn Ihre Erfahrungen mit Dozenten und Professoren? Und hat sich auch da für Sie etwas verändert nach diesem Erleuchtungserlebnis auf der Konferenz? Julia König: Bei ein paar Dozenten hat sich auf jeden Fall was verändert. Natürlich im Bereich der Geisteswissenschaften ist das sowieso nochmal was anderes, als wenn ich jetzt Jura studieren würde oder Medizin. Also, die meisten jüngeren Dozenten sind sowieso etwas offener. Und der Andreas Kemper gibt mit anderen ein Magazin heraus, das ab und zu erscheint, Dishwasher heißt das. Und dann hab ich ein paar Exemplare mitgenommen und hab die auch an ausgewählte Dozenten verteilt, wo ich dachte, die sind es Wert, dass sie s in die Hände bekommen, und können das auch wertschätzen und freuen sich. Ja, manche finden das seitdem wirklich gut, hab ich das Gefühl. Die sagen dann auch manchmal scherzhaft ja, du mit deinem proletarischen Hintergrund. Aber gleichzeitig ist es auch so bei bestimmten Themen, dass sie mich dann öfter sogar im Seminar fragen, und dass sie dann auch wirklich meine Meinung hören wollen. Oder wissen, dass das vielleicht mehr Gewicht hat, wenn ich was dazu sage, als andere Leute, die diesen Hintergrund nicht haben. Ingrid Strobl: Das ist ja auch etwas, das Fikus auch mit erreichen will, dass Studierende aus Arbeiterfamilien sich selbst einbringen, sich selbst vertreten, politisch, aber eben auch ganz praktisch in Seminaren und gegenüber den Mitstudierenden und auch gegenüber den Professoren und Dozenten. Was sind denn Ihre Erfahrungen damit, hat sich dadurch etwas geändert schon seither? Andreas Kemper: Ja, ganz viele Einzelerfahrungen wie die von Julia. Das freut mich dann natürlich sehr, dann seh ich, ja, okay, es passiert auch was persönlich. Und strukturell ist natürlich wichtig. Ingrid Strobl: Ich frag jetzt nochmal kurz vielleicht, was tut Fikus? Andreas Kemper: Zum einen Beratung für Arbeiterkinder, wenn die Probleme haben. Wobei da gibt s auch schon andere Gruppen, das ist nicht das Kernthema. Das findet aber auch statt, und das ist auch wichtig, um ins Gespräch zu kommen und auch so ein bisschen einen Puls zu haben an dem, was grade passiert. Dann gibt es Stammtische. Und kleinere Treffen zwischendurch. Ganz wichtig noch: Veranstaltungen. Wir haben glaub ich quer durch in den letzten, also es gibt s seit zehn Jahren, wir hatten jetzt zehnjähriges Jubiläum. Ich glaub, wir haben wirklich alle Bildungsforscher eingeladen in den letzten zehn Jahren (lacht). Und wir haben Konferenzen organisiert. Und dann beschäftigen wir uns mit dem Bibliothekensterben. Bibliothekensterben heißt, es werden immer mehr Stadtteilbibliotheken abgebaut, weil kein Geld da ist, angeblich. Und 7

Stadtteilbibliotheken sind für Arbeiterkinder enorm wichtig. Ingrid Strobl: Sie schreiben Ihre Doktorarbeit und sind eigentlich raus aus dem Unibetrieb. Trotzdem verkehren Sie ja noch, denk ich, mit Studierenden aller Arten. Wie reagieren denn Leute auf das Referat, oder auch auf Sie heute mit Ihrem jetzt doch sehr viel größeren Selbstbewusstsein als damals? Also Leute, die nicht selber aus Arbeiterfamilien kommen, sondern sagen wir mal klassische Akademikerkinder? Andreas Kemper: In der Anfangsphase war das sehr problematisch. Nicht nur von Akademikerkindern, sondern auch von Arbeiterkindern. Es gab sehr viel Vorbehalte, und es gab auch einige Arbeiterkinder, die meinten, wir wären diejenigen, die diskriminieren, weil wir das Thema benennen und dadurch ist klar, wer Arbeiterkind ist, oder es wird plötzlich thematisiert. Und vorher war das gar nicht Thema. Und das sind dann auch Probleme nach den Fachbereichen. Ich hab damals Flugblätter zu einer Vollversammlung verteilt, in der Pädagogik. Und die Flugblätter sind angenommen worden, ich bin in Gespräche gekommen, es haben viele gesagt, ja, ich bin auch Arbeiterkind, und toll, dass es das gibt. Dann hab ich die Straße gewechselt, und da war das Juridicum. Da sind Wirtschaftswissenschaftler und Juristen. Und da ist ein ganz anderes Klima. Und es war da ne Gruppe, ich hab denen auch Flugblätter gegeben, und sie sofort: Das brauch ich nicht, geben Sie s dem mal, der ist Arbeiterkind. Ingrid Strobl: Das heißt, es gibt unter Studierenden, die aus Arbeiterfamilien kommen, auch das Phänomen, dass sie versuchen, mit allen Mitteln das zu verbergen. Und sich anpassen oder versuchen, irgendetwas vorzutäuschen. Wenn ich an meine Erinnerung anknüpfe, an meine eigene Erfahrung, mir wäre das gar nicht gelungen, allein schon, wie Julia König schon gesagt hat, auf Grund meiner Sprache. Da rutschen mir heute noch Ausdrücke raus, die in Akademikerfamilien vermutlich nicht en vogue sind. Und es wäre mir glaube ich auch nicht gelungen, weil ich dann auch wo anders gewohnt habe und andere Freundinnen und Freunde hatte. Kennen Sie denn persönlich jemanden, der diese Verstellungsgeschichte versucht durchzuziehen, und wie vereinsamt ist so ein Mensch, stelle ich mir vor? Können Sie da etwas persönlich dazu erzählen, kennen Sie jemanden? Julia König: Ich kenne persönlich niemanden, der das versucht zu vertuschen. Aber ich habe oft die Vermutung, in Seminaren an der Uni, dass Leute diesen Hintergrund haben, weil es Leute gibt in Seminaren, und wie gesagt, ich hab keine Einführungsseminare mehr, wo Erstsemester sind, sondern Hauptseminare, und da sitzen sehr oft Leute, vereinzelt natürlich dann, die auffallend schüchtern sind, die, falls sie drangenommen werden oder Referate vortragen müssen, sehr schnell erröten, sehr hektisch sind, sehr nervös werden. Und sich den Rest der Zeit einfach verstecken. Es sind Leute, die man nicht wahrnimmt. Die sitzen quasi ein halbes Jahr lang in diesen Seminaren, die ja eigentlich dafür gedacht sind, dass man sich austauscht, dass man Erkenntnisse erarbeitet, in der Ecke. Wirklich in der Ecke. Die sieht man nicht. Die passen sich nicht wirklich an, die verstecken sich. Ich denke, 8

dass das über diesen Prozess geschieht, dass man sich einfach versteckt. Und dass man natürlich die Hausarbeiten schreibt und zu den Prüfungen geht, aber versucht, nicht wirklich präsent zu sein. Weil, ich glaub auch, wie Sie gesagt haben, Frau Strobl, man kann seinen Habitus, oder man kann sich nicht so verstellen, dass es nicht auffällt. Grade auch der finanzielle Aspekt. Wenn man vielleicht bei den Juristen ist, oder Medizinern, wenn ich an Köln denke, das ist quasi wie ein Laufsteg, wenn man in das Hauptgebäude geht, wo Jura und Wirtschaftswissenschaften sind, wenn man aus ärmeren Verhältnissen ist, da fällt man irgendwie auf. Ingrid Strobl: Es gibt ja für Frauen die Erfahrung, dass ihnen abgesprochen wurde ein bestimmtes Ausmaß an Intelligenz, oder an Möglichkeiten, Fähigkeiten. Und Frauen deswegen auch heute noch in sich tragen, ich muss mich ganz besonders anstrengen, damit ich anerkannt werde. Und dann oft doppelt und dreifach so viel arbeiten wie andere, nur deswegen. Gibt s das Phänomen auch bei Arbeiterkindern? Andreas Kemper: Ja, das ist auch ganz oft so gesagt worden, es wird dann ja auch formuliert, ja, okay, als Arbeiterkind muss man einfach ne Schaufel drauflegen. Und das wurde dann so akzeptiert, das ist ne Strategie, ich schaff das, ich muss einfach nur mehr machen als andere, und das krieg ich auch hin. Und da gab s dann aber auch die Erfahrung von Leuten, die Arbeiterkinder waren und Gegner waren vom Fikus-Referat, von denen hab ich dann später gehört, dass die dann doch gesagt haben, dass es ganz gut ist, weil die dann auch an die Grenzen gestoßen sind. Also, die Schaufel, die man drauf legen muss, dass man immer mehr Schaufeln drauflegen muss im Laufe der Zeit, und irgendwann ist dann ne Grenze erreicht. Ingrid Strobl: Und was passiert dann? Andreas Kemper: Ja, dann ist entweder Abbruch oder Zusammenbruch. Also auch psychische Probleme bei Arbeiterkindern, die dann irgendwann das nicht mehr schaffen. Aber dann auch nicht reflektieren, dass es daran liegt. Man spricht da halt von Habitus - Struktur - Konflikt. Also das sind der Habitus und die Struktur der Uni, die Uni ist für Akademikerkinder gemacht, dass das nicht reflektiert wird. Ja. Ingrid Strobl: Würden Sie nach ihrer eigenen ganz persönlichen Erfahrung, sowohl als Studierende als auch von ihrer politischen Arbeit her, Andreas Kemper, würden Sie sagen, es lohnt sich auf jeden Fall, wenn man zu sich steht mit seiner Herkunft? Gegen alle möglicherweise Peinlichkeiten und Widerstände an der Uni? Und wenn ja, warum? Andreas Kemper: Ja, auf jeden Fall. Es gab ein Projekt von der Uni Münster, wo Studierende dazu angeleitet wurden, mit der Gewerkschaft zusammen Bildungsurlaubsseminare zu teamen. Und das war das erste Mal, wo ich das Gefühl hatte als Studierender, dass mein Wissen wieder zurückgegeben wurde an Arbeiter. Sonst hatte ich immer nur das Gefühl, ich komme in ein ganz andres Feld, ich arbeite quasi nur für Akademiker. Und das ist halt wichtig, das Wissen zu übergeben. Das geht aber nur, wenn Arbeiterkinder tatsächlich auch studieren und dann für ihre 9

Rechte kämpfen, und aber auch nicht den Draht verlieren zu ihrer Herkunft, sondern wissen, wo sie herkommen und dafür auch kämpfen. Ingrid Strobl: Julia König, lohnt es sich, zu sich zu stehen, auch wenn das manchmal sehr schwierig ist und man das Gefühl hat, man ist die totale Außenseiterin? Julia König: Ja, auf jeden Fall. Da kann ich dem Andreas nur zustimmen, und ich seh dann noch den Aspekt, wie erfahr ich das als Frau? Also persönlich jetzt oder überhaupt für alle Frauen. Dadurch, dass man ohnehin schon genug diskriminiert wird oder genug Probleme hat als Frau. Plus dann noch diese andere Diskriminierung, die man erfährt an der Uni oder auch später im Arbeitsleben, das darf man ja auch nicht vergessen, wenn man jetzt die Uni fertig hat und in Berufen arbeitet, es geht ja weiter, es hört ja nicht damit auf, dass man jetzt promoviert ist oder seinen Magister oder Diplom hat. Es geht ja weiter, dass man in dieser anderen Welt arbeitet, überlebt und ein Teil davon ist. Und grade für Frauen ist es dann wichtig, sich zu behaupten, und das Problem zu erkennen und zu sich selbst zu stehen. Also, das ist auf jeden Fall sehr wichtig. Und auch andere Leute kennenzulernen, die dasselbe Problem haben. Vielleicht auch andere Frauen. Und sich auszutauschen und sich gegenseitig auch zu stärken und auch Mut zu machen, damit solche Sachen wie Abbruch des Studiums nicht passieren. Ingrid Strobl: Macht es das dann auch für selber letztlich leichter? Julia König: Ja natürlich. Natürlich! Man bekommt ein ganz anderes Lebensgefühl, wenn man zu sich selber steht, und wenn man sich keine Gedanken darüber macht, was andere von einem denken. Natürlich ist das wichtig. Auf jeden Fall. 10